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LAG München, Urteil vom 01.02.2011, 6 Sa 1078/10
Schlagworte: | Betriebliche Altersversorgung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht München | |
Aktenzeichen: | 6 Sa 1078/10 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 01.02.2011 | |
Leitsätze: | 1. Die Formulierung in einer Versorungsordnung, "eine Ehefrau des rentenberechtigten Arbeitnehmers erhalte Hinterbliebenenversorgung, wenn die Ehe vor dem Eintritt des Versorgungsfalles geschlossen und bis zum Tode bestanden hat", ist nicht dahingehend zu verstehen, dass eine Ehefrau, die bei Eintritt des rentenberechtigten Arbeitnehmers mit diesem verheiratet war und nach anschließender Scheidung diesen erneut heiratet, eine Hinterbliebenenversorgung zu erwarten hat. 2. Im Ausschluss der Ehefrau aus der Hinterbliebenenversorgung nach Wiederheirat liegt weder eine Verletzung von Art. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 14. Abs. 1 GG. Auch ist darin kein Verstoß gegen das AGG wegen Diskriminierung infolge Alters oder des Geschlechts zu erkennen. |
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Vorinstanzen: | Arbeitsgericht München, Urteil vom 30.06.2010, 19 Ca 13895/09 nachgehend: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.10.2013, 3 AZR 294/11 |
|
Landesarbeitsgericht München
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
A.
A-Straße, A-Stadt
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B. B-
Straße, A-Stadt
gegen
,
,
,
C-Straße,
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt D. D-
Straße, D-Stadt
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hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Künzl und die ehrenamtlichen Richter Rieden und Kalisch
für Recht erkannt:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 30. Juni 2010 – 19 Ca 13895/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, inwieweit der derzeitigen Ehefrau des Klägers eine Anwartschaft auf Witwenrente im Falle seines Ablebens zusteht.
Der am 21. Okt. 1929 geborene Klägers war seit 1. Juli 1976 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Mit Ablauf des 31. Dez. 1992 war er aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und in Ruhestand getreten. Seitdem bezieht er u.a. eine betriebliche Altersversorgung gemäß der Versorgungsordnung der Versorgungskasse der ... e.V.(vgl. dazu Anlage K 2, Bl. 9 ff. d. A.; nachfolgend VO ...) in derzeitiger Höhe von € 1.052.- monatlich.
Die seit 12. Sept. 1959 bestandene Ehe des Klägers mit Frau Helga A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 7. Dez. 1993 (– 873 F 1558/91; vgl. Anlage K 3, Bl. 22 ff. d. A.) nach mehr als 3-jähriger Trennung der Ehegatten, geschieden; ein Versorgungsausgleich unterblieb nach einer familiengerichtlich genehmigten Vereinbarung der Parteien nach § 1587o BGB. Am 23. Sept. 1996 ging der Kläger eine neue Ehe ein, welche mit Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 13. Aug. 2003 (– 564 F 03969/01; vgl. Bl. 30 ff. d. A.) ohne Durchführung eines Versorgungsausgleiches geschieden wurde. Am 18. Juni 2008 heiratete der Kläger Frau Helga A. erneut.
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Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 18. Juli 2008 (Bl. 35 d. A.) mit, Frau Helga A. habe im Falle seines Ablebens keinen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung aus der Versorgungskasse ... e.V., da die Ehe erst nach Eintritt des Versorgungsfalles am 1. Jan. 1993 geschlossen worden sei.
Mit seiner am 11. Sept. 2009 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und der Beklagten am 18. Sept. 2009 zugestellten Klage vom 10. Sept. 2009 begehrt der Kläger die Feststellung, dass seiner derzeitigen Ehefrau im Falle seines Ablebens eine unverfallbare Anwartschaft auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung zustehe.
Er ist der Ansicht, § 9 VO ... schließe die Ansprüche seiner Ehefrau nicht aus. Der Sonderfall der Wiederverheiratung sei in dieser nicht bedacht worden. Die Ehe habe schließlich während der gesamten Zeit seiner Beschäftigung bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin bis zu seinem Ruhestandseintritt ununterbrochen bestanden. Zwar erstrebe die VO ... den Ausschluss unkalkulierbarer Versorgungslasten durch sog. „Spätehen“. Eine solche sei hier aber nicht gegeben. In diesem Sinne stelle der Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung für seine Ehefrau auch eine willkürliche und planwidrige Härte dar.
Demgegenüber ist die Beklagte der Ansicht, es bestehe keine Rechtsgrundlage für eine Hinterbliebenenversorgung der Ehefrau des Klägers aus der betrieblichen Altersversorgung. Die derzeitige Ehe des Klägers sei gerade nicht vor Eintritt des Versorgungsfalles (Ruhestandseintritt) geschlossen worden. Sie sieht auch keine Regelungslücke, für den hier gegebenen Fall, dass der Kläger eine Frau, mit der er schon einmal verheiratet gewesen sei, erneut eheliche. Zweck der Vorschrift in der VO ... sei eine berechtigte und in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannte Risikobegrenzung des Volumens der Hinterbliebenenversorgung.
Das Arbeitsgericht München hat die Klage mit Endurteil vom 30. Juni 2010 vollumfänglich abgewiesen. Wegen des unstreitigen und des streitigen Sachvortrags im Einzelnen, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der maßgeblichen Erwägungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf diese Entscheidung (Bl. 109 ff. d. A.) Bezug genommen.
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Das Arbeitsgericht begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass nach der VO ... Witwenrente an die Ehefrau nur dann zu leisten sei, wenn die Ehe vor Eintritt des Versicherungsfalles bestanden habe und bis zum Eintritt des Todes des Versorgungsempfängers besteht. Diese – nach Ansicht des Arbeitsgerichts statthafte – Regelung zur Begrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Hinterbliebenen und einer Ausweitung des Versorgungsrisikos, greife vorliegend gerade nicht. Denn die erste Ehe zwischen dem Kläger und seiner (derzeitigen) Gattin habe zwar bei Eintritt des Versorgungsfalles bestanden, sei danach aber geschieden worden, womit sämtliche Ansprüche auf Witwenrente für Frau Helga A. erloschen seien. Die derzeitige Ehe möge zwar bei Ableben des Klägers noch bestehen, sei aber bei Eintritt des Versorgungsfalles noch nicht geschlossen gewesen. Entgegen der klägerischen Ansicht sei für diesen Fall nicht von einer Regelungslücke im Versorgungswerk auszugehen. Vielmehr sei diese Eheschließung dem äußeren Anschein gerade der typische Fall einer Versorgungsehe. Deshalb sei ein Berufen der Beklagten auf die formalen Voraussetzungen für die Anspruchsbegründung nicht zu beanstanden. Darin liege zudem keine unbillige Härte für Frau Helga A., die mit dem Verzicht auf einen Versorgungsausgleich im Scheidungsverfahren 1993 die dadurch bedingten nachteiligen Folgen hinnehmen müsse. Auch widerspreche die im Versorgungswerk enthaltene Spätehenklausel nicht Art. 6 Abs. 1 GG. Dem Ehegatten entstehe durch die Versorgungsregelung kein Nachteil, den sie ohne die Eheschließung nicht gehabt hätten. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, die Eheschließung durch Gewährung von Vorteilen zu fördern, bestehe nicht.
Der Kläger hat gegen diese, ihm am 1. Okt. 2010 zugestellte Entscheidung mit Schriftsatz vom 27. Okt. 2010, der am 29. Okt. 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen war, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 24. Nov. 2010, eingegangen am 26. Nov. 2010, begründet.
Er ist der Ansicht, die VO ... sei hinsichtlich der Witwenrente nicht so verstehen, dass die Ehe bei Eintritt in den Ruhestand bestanden und bis zum Ableben des Ruhegeldempfän-gers ununterbrochen fortbestanden haben müsse, wie das Arbeitsgericht angenommen habe. Darin läge eine offensichtliche Ungleichbehandlung derjenigen, deren Ehe aus individuellen, persönlichen Gründen über einen kürzeren oder längeren Zeitraum unterbrochen gewesen sei. Jedenfalls aber sei für den Fall einer Wiederverheiratung von einer
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Lücke im Versorgungswerk auszugehen, jedenfalls wenn die Ehe während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses bestanden habe. Die Beklagte hätte den Fall des Entfal-lens der Leistungspflicht auch für den Fall, dass eine Ehe nur unterbrochen werde, ausdrücklich regeln müssen.
Im Rahmen der ergänzenden Auslegung der VO ... sei auch auf Sinn und Zweck der Hin-terbliebenenversorgung, die zum üblichen Leistungskatalog rechne, abzustellen. Die Beklagte habe hier statthafte Regelungen zum Schutz anerkennenswerter Interessen getroffen. Allerdings habe die Ehe der Eheleute während des gesamten Bestands des Arbeitsverhältnisses bestanden. Frau A. habe erst durch ihre Fürsorge die Berufstätigkeit des Klägers für die Beklagte mitgetragen und ermöglicht. Sie habe damit erheblichen Anteil an dessen (Lebens-)Arbeitsleistung. Angesichts des Entgeltcharakters der betrieblichen Altersversorgung habe der Kläger durch seine Tätigkeit für die Beklagte den vermögenswer-ten Vorteil der Witwenrente mit erdient.
Frau A. sei nach der Scheidung keine neue Ehe mit einem Dritten eingegangen, weswegen sich nicht einmal das kalkulatorische Risiko der Abfindung nach § 9 Abs. 2 der VO ... für die Beklagte realisiert habe.
Jedenfalls stelle ein Ausschluss der Witwenrente für Frau A. eine unbillige Härte nach § 13 VO ... dar. Er habe sich diese Rente, einschließlich der Witwenrentenanwartschaft, erarbeitet. Müsste diese erdiente Leistung nun aber nicht erbracht werden, hatte der Kläger insoweit umsonst gearbeitet. Hinzu komme, dass die Klägerin während der Berufsarbeit des Klägers infolge der Sorge für die gemeinsamen Kinder keine Gelegenheit gehabt hatte, eine eigene Versorgungsanwartschaft zu begründen. Im Gegensatz zu Ehegatten, die einen Betriebsrentner einen Tag vor Ruhestandseintritt ehelichen und dann Anspruch auf die volle Versorgungsanwartschaft haben, ist die Klägerin benachteiligt. Ein durchgeführter Versorgungsausgleich hätte hieran nichts geändert; dieser hätte – entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts – nicht die Rentenanwartschaft, sondern die Betriebsrente betroffen.
Die seitens des Arbeitsgerichts vorgenommene Auslegung verstoße, wie er meint, gegen Art. 14 Abs. 1 GG, da in der Konsequenz eine entschädigungslose Enteignung erdienter, eigentumsähnlicher Anwartschaften eintrete. Ferner sei Art. 6 Abs. 1 GG verletzt, wenn allein der formale Bestand der Ehe, nicht aber eine etwaige Wiederheirat berücksichtigt
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werde. Zwar mag der Arbeitgeber verpflichtet sein, die Eheschließung zu fördern; wenn er aber eine Zusage erteile, müsse er sich an diesen „messen lassen“. Zudem verbiete Art. 3 Abs. 1 GG Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Dies geschehe hier, insbesondere im Vergleich zu Witwen, die den Betriebsrentner unmittelbar vor Beendigung des aktiven Dienstes geehelicht haben, gerade nicht. Auch sei das Benachteiligungsverbot des AGG wegen Alters und Geschlecht verletzt.
Im Termin vom 1. Feb. 2011 hat der Kläger seine Klage nunmehr gegen die C. gerichtet. Die bisherige Beklagte hat durch ihren Prozessbevollmächtigten, der auch zur Vertretung der neuen Beklagten bevollmächtigt war, der Parteiänderung zugestimmt.
Er beantragt zuletzt:
Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 30.06.2010, Aktenzeichen 19 Ca 13895/09 wird abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der Anspruch des Klägers auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gemäß der Versorgungsordnung der Versorgungskasse der ... GmbH e.V. auch eine auf Witwenrente zugunsten der überlebenden Ehefrau Helga A. umfasst.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält einen Witwenrentenanspruch der nunmehrigen Ehefrau des Klägers nicht für gegeben. Auch wenn man unterstelle, dass diese Ehe bis zum Ableben des Klägers Bestand habe, so habe sie jedoch bei dessen Eintritt in den Ruhestand noch nicht bestanden. Die „aus dieser Ehe hervorgegangene Ehefrau“ erfülle daher nicht die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 VO ....
Letztere Norm wolle Ehegatten von der Versorgung ausschließen, die den Versorgungsempfänger erst nach Eintritt in den Ruhestand geehelicht haben. Unerheblich sei, ob vorher bereits einmal eine Ehe bestanden habe. Daher liege auch keine planwidrige Lücke vor. Den Zeitpunkt der Eheschließung auf eine Zeit vor Ruhestandseintritt habe die Beklagte auch ohne Verstoß gegen höherrangiges Rechts festlegen dürfen. Derartige
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Späteheklauseln seien auch unter dem Verbot der Altersdiskriminierung nicht zu beanstanden.
Späteheklauseln seien zulässig. Sie verschafften der Beklagten notwendige kalkulatorische Sicherheit. Zudem verkenne der Kläger, dass die Ehedauer im Versorgungswerk keineswegs bedeutungslos sei. Denn die Ehe müsse vor Ruhestandseintritt geschlossen sein und bis zum Tod des Versorgungsempfängers bestehen.
Das Überlappen der ersten Ehe des Klägers mit seiner nunmehrigen Gattin mit der Beschäftigungszeit sei unerheblich. Mit der Scheidung habe diese auf einen Versorgungsausgleich verzichtet. Dies könne nun nicht mehr mit Abschluss einer neuen Ehe revidiert werden.
Eine planwidrige Härte für Frau A. sei nicht zu erkennen. Die Eheleute tragen mit der Scheidung und dem Verzicht auf den Versorgungsausgleich die Verantwortung für die heutige Situation.
Art. 14 Abs. 1 GG sein nicht verletzt. Mit dem freiwilligen Verzicht auf den Versorgungsausgleich habe sie auch auf die Durchführung des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs verzichtet. In ihrer zweiten Ehe mit dem Kläger könne sie nun keine Versorgungsansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung mehr erwerben. In eigentumsgleiche Rechte werde damit nicht eingegriffen. Im Übrigen handle es sich bei der Anwartschaft auf eine Witwenrente um ein bloßes Nebenrecht aus der Altersversorgung, das ersatzlos entfalle, wenn die ehemalige Gattin nicht Witwe des späteren Verstorbenen werde. Eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG scheide aus, da der Ausschluss betrieblicher Versorgungsleistungen nicht auf Strukturfehlern oder Ungerechtigkeiten der VO ... beruhe, sondern auf der Scheidung unter Verzicht auf einen Versorgungsausgleich. Art. 3 Abs. 1 GG sein nicht verletzt, da sich jedes Versorgungssystem gegen übermäßige Beanspruchung schützen könne und müsse.
Die Annahme einer unzulässigen Diskriminierung nach dem AGG sei bereits vom Ansatz her falsch. Es sei keineswegs so, dass die ältere Frau sich stets schlechter stehe, als eine jüngere. Zwar stelle sich die vor Ruhestandseintritt geehelichte Frau besser, als die ein Jahr nach Ruhestandeintritt geheiratete. Dies sei aber durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt.
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Hinsichtlich des Sachvortrags der Parteien im Einzelnen wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 10. Sept. 2009 (Bl. 1 ff. d. A.), vom 23. Okt. 2009 (Bl. 60 ff. d. A.) und vom 24. Nov. 2010 (Bl. 137 ff. d. A.), der Beklagten vom 28. Sept. 2009 (Bl. 46 f. d. A.), vom 30. Sept. 2009 (Bl. 51 ff. d. A.), vom 9. Dez. 2009 (Bl. 97 ff. d. A.) und vom 19. Jan. 2011 sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 16. Juni 2010 (Bl. 104 f. d. A.) und vom 1. Feb. 2011 (Bl. 231 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die in zulässiger Weise eingelegte Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I. Die Berufung ist zulässig.
1. Sie ist nach § 64 Abs. 1, 2b ArbGG statthaft sowie in rechter Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 2, § 520 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 66 Abs. 1 Sätze 1, 2, 5 ArbGG, § 222 ZPO).
2. Die gewillkürte Parteiänderung war statthaft. Sie wird herrschend als Klageänderung angesehen (vgl. BGH v. 11. 10. 1980 – II ZR 96/80, NJW 1981, 989; BGH v. 7. 7. 1993 – IV ZR 190/92, NJW 1993,. 3072; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 29. Aufl., Vorbem. § 50 Rz. 24; Putzo, Festgabe BGH, Band 3, 2000, S. 149, 151). Demgegenüber wird teilweise ein Institut eigener Art angenommen (Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl., § 42 Rz. 20). Eine Auseinandersetzung mit diesen unterschiedlichen Ansichten ist vorliegend nicht geboten. Hier wie dort, wird für den gewillkürten Parteiwechsel auf Beklagtenseite in der Berufungsinstanz die Zustimmung der ausscheidenden Partei verlangt, die vorliegend erteilt wurde.
II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.
Die (noch) zulässige Klage ist unbegründet. Die Ehefrau des Klägers hat, wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausführt, keinen Anspruch auf eine Witwenversorgung aus der betrieblichen Altersversorgung des Klägers (§ 9 Abs. 1 VO ...). Zwar war sie bei Ruhestandseintritt des Klägers mit diesem verehelicht und wird es (prognostisch) ggf. auch bei dessen Ableben sein. Doch handelt es sich dabei um zwei Ehen, die voneinander zu
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unterscheiden sind. Auf Grund der ersten Ehe wird sie nicht beim Ableben des Klägers mit diesem verheiratet sein; auf Grund der aktuellen Ehe war sie bei dessen Ruhestandseintritt nicht mit ihm verehelicht. Diese Unterscheidung der beiden Eheschließungen, die dem legitimen Interesse der Beklagten dient, Hinterbliebenenversorgungen überschaubar und kalkulierbar zu halten, indem Spätehen ausgeschlossen werden, verstößt weder gegen Grundrechte, noch stellt dies eine Altersdiskriminierung dar.
1. Die Klage ist (noch) zulässig.
a. Der Kläger kann das Bestehen einer Hinterbliebenenversorgung zugunsten seiner derzeitigen Ehefrau gerichtlich geltend machen. Denn die betriebliche Hinterbliebenen-versorgung gemäß der VO ... beruht auf einem Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB). Empfänger des Versorgungsversprechens ist der Kläger, der eine gegenüber der – unter Umständen – begünstigten Ehefrau bestehende Leistungsverpflichtung für den Fall seines Ablebens feststellen lassen kann (vgl. § 335 BGB; BAG v. 26. 8. 1997 – 3 AZR 235/97, NZA 1998, 817).
b. Dem Kläger kann gerade noch ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung (§ 256 ZPO) zugesprochen werden. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 26. 8. 1997, a.a.O.) ein Feststellungsinteresse aus dem Bedürfnis einer Partei, Meinungsverschiedenheiten über den Bestand und die Ausgestaltung der Hinterbliebenenversorgung rasch zu klären, um etwaige Versorgungslücken möglichst frühzeitig zu schließen oder zumindest zu verringern. Angesichts des Alters des Klägers erscheint die Schließung oder auch nur die Verringerung von Versorgungslücken allerdings kaum mehr realistisch durchführbar. Allerdings ist aus Sicht der Kammer zuzugestehen, dass diese keinen vollständigen Überblick über noch mögliche Vorkehrungen hat, weswegen ein Feststellungsinteresse noch angenommen wird.
2. In der Sache hat die Klage keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung einen Anspruch der derzeitigen Ehefrau des Klägers auf Witwenrente verneint, sollte der Kläger bei angenommenem Fortbestand der derzeitigen Ehe vor dieser versterben. Denn die Ehefrau des Klägers erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 9 VO ... für den Bezug einer Witwenrente.
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Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen vorweg auf die ausführliche und zutreffende Begründung des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
Hinsichtlich der Ausführungen im Berufungsrechtszug ist ergänzend auszuführen:
a. Die Beklagte hat in zulässiger Weise in der VO ... eine Witwenversorgung nur für den – hier nicht gegebenen – Fall vorgesehen, dass die Ehe bis zum Tod eines aktiven Mitarbeiters bestanden hatte (§ 9 Abs. 1 Satz 1 VO ...) bzw. dass die Ehe vor Eintritt des Versorgungsfalles (Renteneintritt) geschlossen worden war und bis zum Tode bestanden hat (§ 9 Abs. 1 Satz 2 VO ...). Vorliegend käme allein § 9 Abs. 1 Satz 2 VO ... in Betracht, doch sind auch die Voraussetzungen dieser Norm nicht gegeben. Zwar hatten der Kläger und seine jetzige Ehefrau vor seinem Eintritt in den Ruhestand eine Ehe geschlossen. Diese Ehe besteht aber nicht bis zum (künftigen) Tod des Klägers, sondern war 1993 geschieden worden. Es mag sein, dass die 2008 erneut geschlossene Ehe bis zum künftigen Tod des Klägers bestehen wird; allein diese hatte bei dessen Eintritt in den Ruhestand noch nicht bestanden.
b. Der Kläger wendet sich im Ergebnis zu Unrecht dagegen, das Arbeitsgericht habe einen durchgehenden Bestand der bei Eintritt des Klägers in den Ruhestand bestandenen Ehe bis zu dessen künftigem Tode gefordert. Dies ergebe sich nicht aus der Regelung in § 9 Abs. 1 VO .... Dem kann sich die Kammer nicht anschließen.
§ 9 Abs. 1 Satz 2 VO ... lautet:
„Witwenrente wird auch beim Tod eines Rentners der hinterlassenen Ehefrau gewährt, wenn die Ehe vor Eintritt des Versorgungsfalles geschlossen wurde und bis zum Tode bestanden hat.“
aa. Die VO ... gewährt den von ihr erfassten Mitarbeitern ersichtlich eine Betriebsrente in Form einer Gesamtzusage. Eine solche ist gegeben, wenn der Arbeitgeber den begünstigten Arbeitnehmern einseitig eine bestimmte Leistung bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen verspricht. Die dahingehenden Versprechen sind als typisierte Willenserklärungen nach objektiven, vom Einzelfall losgelösten Kriterien auszulegen (§§ 133, 157 BGB; vgl. BAG v. 20. 4. 2010 – 3 AZR 509/08, ZTR 2010, 539).
bb. Bei Zugrundelegung dieses Verständnisses scheidet eine Hinterbliebenenversor-
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in den Ruhestand geschlossen worden war. Nach dem vorzitierten (oben aa.) Text von § 9 Abs. 1 Satz 2 VO ... muss für eine Hinterbliebenenrentenberechtigung die Ehe vor Eintritt des rentenberechtigten Arbeitnehmers geschlossen worden sein und im Zeitpunkt seines Todes bestanden haben. Diese Voraussetzungen liegen hier gerade nicht vor. Allein durch die Verwendung der Worte „die Ehe“ sowie des Wortes „und“ wird deutlich, das es sich um ein und dieselbe Ehe handeln muss, die vor Renteneintritt geschlossen worden war und beim Tode des Betriebsrentners bestanden hat. Es ist in der Bestimmung nicht festgelegt, dass die Ehegatten bei Renteneintritt sowie beim Tod des Rentners – in durchaus unterschiedlichen Ehen – miteinander verheiratet sein können, was ggf. eine Auslegung im Sinne des klägerischen Verständnisses zuließe. Die Eheleute haben hier mit ihrer Wiederheirat im Jahr 2008 zwar eine neue Ehe abgeschlossen; diese bestand jedoch nicht bei Eintritt des Klägers in den Ruhestand und die damals bestandene war im Dezember 1993 geschieden worden.
Die Argumentation des Klägers, die Ehe sei nur unterbrochen gewesen, geht fehl. Mit der Scheidung der Eheleute im Dezember 1993 war die Ehe beendet. Ansonsten wäre es dem Kläger auch nicht möglich gewesen, eine neue Ehe einzugehen, die ihrerseits im Jahr 2005 geschieden worden war. Somit haben die nunmehrigen Eheleute im Jahr 2008 eine neue Ehe geschlossen und nicht ihre frühere Ehe wieder aufgenommen.
c. Der Ausschluss der Ehegatten einer erst nach Eintritt des Versorgungsfalles geschlossenen Ehe von der Hinterbliebenenversorgung ist nicht zu beanstanden. Die Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 2 VO ... stellt eine so genannte Spätehenklausel dar, die als solche rechtlich zulässig und statthaft ist.
aa. Es besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers, eine Hinterbliebenenversorgung zu schaffen. Mithin ist er grundsätzlich berechtigt, die Versorgung hinterbliebener Ehegatten an zusätzliche Voraussetzungen zu knüpfen (BAG v. 19. 12. 2000 – 3 AZR 186/00, NZA 2001, 1260; BAG v. 26. 8. 1997 – 3 AZR 235/96, NZA 1998, 817; BAG v. 11. 8. 1987 – 3 AZR 6/86, NZA 1988, 158; vgl. auch BAG v. 20. 4. 2010, a.a.O.). Wenngleich die geschaffenen Ausschlusstatbestände einer Rechtskontrolle standhalten müssen und insbesondere nicht gegen verfassungsrechtliche Wertentscheidungen verstoßen dürfen, ist eine Spätehenklausel, welche die Witwenrenten bei der Eheschließung mit einem Ruheständler ausschließt, rechtlich nicht zu beanstanden (BAG v. 19. 12. 2000, 26. 8. 1997,
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jeweils a.a.O.; BAG v. 9. 11. 1978 – 3 AZR 784/77, AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 179; dazu BVerfG v. 11. 9. 1979 – 1 BvR 92/79, AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 182). Denn das bei Abschluss der Ehe erreichte Lebensalter des Arbeitnehmers wirkt sich erheblich auf die vom Arbeitgeber übernommenen Versorgungsrisiken aus. Der Versorgungsfall des Todes rückt mit seinem zunehmenden Alter statistisch gesehen immer näher. Die Spätehenklausel vermeidet die relativ späte Schaffung eines bisher nicht bestehenden hohen Versorgungsrisikos (BAG v. 28. 7. 2005 – 3 AZR 457/04, NZA-RR 2006, 591).
Im Rahmen einer Versorgungsordnung kann der mögliche Aufwand für Hinterbliebenen-versorgungsberechtigte insbesondere durch eine Beschränkung des Kreises möglicher Versorgungsberechtigter beeinflusst bzw. einschränkt werden. Die Hinterbliebenenversorgung knüpft an das typisierte Versorgungsinteresse eines Arbeitnehmers an (BAG v. 20. 4. 2010, a.a.O, unter Rz. 77 [juris]; BAG v. 15. 9. 2009 – 3 AZR 294/09, NZA 2010, 216, unter Rz. 25 [juris]; BAG v. 18. 11. 2008 – 3 AZR 277/07, NZA-RR 2009, 153, unter Rz. 34 [juris]). Dem Versorgungsschuldner kann im Rahmen der freiwillig eingeführten Hinterbliebenenversorgung demnach nicht verwehrt werden, den begünstigten Personenkreis auf diejenigen Personen zu beschränken, hinsichtlich deren er bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses angelegt war. Die Lebensführung des Arbeitnehmers nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis kann bei Abgrenzung der Leistungspflichten des Arbeitgebers unberücksichtigt bleiben (BAG v. 20. 4. 2010, a.a.O). Entsprechend kann der Arbeitgeber, wie das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 11. 8. 1987, a.a.O; BAG v. 19. 12. 2000, a.a.O., S. 1262) ausführt, nur diejenige Ehefrau hinterbliebenenversorgungsberechtigt ausstatten, welche die Berufsarbeit des rentenberechtigten Ehemannes durch ihre Fürsorge mitgetragen hatte.
Letzteres war, obschon seitens des klägerischen Arbeitgebers nur ein zeitlich sehr geringes Mittragen der Berufstätigkeit vorausgesetzt war, da grundsätzlich eine Eheschließung am Tag vor Eintritt in den Ruhestand ausgereicht hätte (§ 9 Abs. 1 Satz 2 VO ...), bei der (auch nunmehrigen) Gattin des Klägers sicherlich der Fall. Dieser übersieht aber, dass das Bundesarbeitsgericht diese Ausgestaltung nur als Möglichkeit einer zulässigen Hinterbliebenenversorgungsregelung angesehen hatte. Damit ist keine Verpflichtung aufgestellt, dass die Ehefrau, welche die Berufsarbeit durch ihre Fürsorge – hier: um die gemeinsamen Kinder – mitgetragen hatte, stets hinterbliebenenversorgungsberechtigt sein müsste und vor allem, wenn sie nach der Versorgungsordnung hinterbliebenenversor-
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gungsberechtigt ist, dass sie auch dann (noch oder wieder) hinterbliebenenversorgungs-berechtigt sein müsste, wenn die Ehe nach Eintritt des Versorgungsfalles geschieden worden war, die Ehepartner danach aber erneut eine Ehe eingegangen waren.
Mithin war es der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin unbenommen, auch hier die Versorgung der – unterstellt hinterbleibenden – Ehefrau aus der erst mit dem im Ruhestand befindlichen Kläger geschlossenen Ehe auszuschließen. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob diese Ehefrau schon früher einmal mit dem Kläger verheiratet gewesen war und ggf. wann dies der Fall gewesen ist. Entsprechend hat auch das Bundesverwaltungsgericht in Wiederverheiratungsfällen den Ausschluss der Hinterbliebenenrente bei Geltung von Späteheklauseln für zulässig erachtet (BVerwG v. 13. 10. 1971 – VI C 57/66, MDR 1972, 354; ferner OVG Saarbrücken v. 14. 8. 2008 – 1 A 357/08, NVwZ-RR 2009, 124, unter Rz. 5 [juris]). Denn die im Falle des Vorversterbens des Klägers entstehenden Hinterbliebenenversorgungsansprüche resultierten aus der aktuellen, im Ruhestand geschlossenen Ehe, nicht aus einer früheren Verbindung. Ansprüche aus der früheren Verbindung sind bereits wegen des erfolgten Verzichts auf Durchführung eines Versorgungsausgleiches (§§ 1587 ff. BGB a.F.; vgl. auch Brudermüller, NJW 2009, 3074) bei Scheidung der früheren Ehe ausgeschlossen.
bb. Die VO ... enthält hinsichtlich der Wiederverheiratung keine durch ergänzende Auslegung zu schließende Lücke. Hier wäre nach §§ 133, 157 BGB zu fragen, ob die Vertragspartner für den Fall der Wiederverheiratung getroffen hätten, hätten sie diesen bedacht. Bei Schaffung der VO ... war es – wie ausgeführt in zulässiger Weise (oben aa.) – möglich, die Hinterbliebenenversorgung für den Fall einer erst nach Ruhestandseintritt geschlossenen Ehe und somit den erst nach Ruhestandseintritt geehelichten Partner von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen. Dem liegt das anerkennenswerte Ziel des Versorgungsschuldners zugrunde, bloße Versorgungsehen auszuschließen.
Ein solcher Fall einer Versorgungsehe kann auch bei Wiederheirat eines früheren Ehegatten nicht generell ausgeschlossen werden (so bereits BAG v. 11. 8. 1987, a.a.O., unter II. 4.). Der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte eine Versorgungsehe angedacht, als die 2. Ehe (Wiederheirat) kurz vor dem absehbaren Tode des betriebsrentenberechtigten Ehepartners geschlossen wurde. Eine Versorgungsehe ist nach Ansicht der erkennenden Kammer aber ebenso denkbar, wenn die Wiederverheiratung in 2. Ehe nach Ruhestands-
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eintritt des rentenberechtigten Ehegatten erfolgt, dessen Ableben jedoch noch nicht konkret vorhersehbar ist, aber der andere Ehegatte keine (nennenswerten) eigenen Rentenansprüche erworben hat. Ein solcher Fall ist hier gerade denkbar. Der Kläger trägt vor, seine erste und auch nunmehrige Ehefrau habe sich um die gemeinsamen Kinder gekümmert, während er seiner Berufstätigkeit nachgegangen sei. Die nunmehr geschlossene erneute Ehe mag demnach u.U. ebenso der Versorgung und dem auskömmlichen Ruhestand der früheren und nunmehrigen Gattin des Klägers nach dessen Ableben dienen.
Die Annahme, eine durch die getroffene und wirksame Spätehenklausel an sich nicht versorgungsberechtigte Ehefrau nach der Wiederheirat nach Eintritt des Versorgungsfalles in den Kreis der (wieder) Hinterbliebenenversorgungsberechtigten aufzunehmen, setzte voraus, dass in der Versorgungsordnung ein entsprechender Vermutungstatbestand geschaffen wäre (so bereits BAG v. 11. 8. 1987, a.a.O.). Dafür gibt es vorliegend keinen Anhaltspunkt, da allein auf den formalen Bestand der Ehe abgestellt ist.
Aus dem Umstand, dass die auch nunmehrige Ehefrau des Klägers nach der Scheidung im Dezember 1993 ihrerseits keine weitere Ehe eingegangen war, ist nicht zwingend zu folgern, dass mit der Wiederheirat des Klägers der alte Zustand wieder hergestellt werden müsste. Wenn der Kläger auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. 4. 1997 (– 3 AZR 28/96, NZA 1997, 1230) abstellt, so ist der dort entschiedene Sachverhalt dem vorliegenden nicht vergleichbar. Die hinterbliebenenversorgungsberechtigte Gattin hatte dort ihren Versorgungsanspruch nach Eingehung einer weiteren Ehe verloren. Das Bundesarbeitsgericht hatte nun festgestellt, dass die Versorgungsordnung keine Regelungslücke enthalte, wenn nach Scheidung der Zweitehe die frühere Hinterbliebenenversorgung nicht wieder auflebe. Vorliegend ist der Hinterbliebenenversorgungsfall aber noch nicht eingetreten. Die Scheidung der Zweitehe des Klägers ist allerdings unerheblich, da dessen Ehefrau ihre Hinterbliebenenversorgungsberechtigung nicht durch Eingehung diese Ehe, sondern bereits durch die dieser Ehe vorangegangenen Scheidung ihrer ersten Ehe verloren hatte.
d. Die Regelung in § 9 VO ... verstößt – entgegen klägerischer Ansicht – auch nicht gegen höherrangiges Recht. Es ist kein Grund ersichtlich, weswegen die erneut abgeschlossene Ehe mit einem früheren Ehepartner anders als eine Ehe mit einem anderen Ehepartner behandelt werden sollte. So gebietet weder der Grundsatz der Gleichbehand-
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lung (Art. 3 GG), noch der Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) oder die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) oder ein Diskriminierungsverbot des AGG, den Ehepartner nach einer Wiederheirat hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung besser zu stellen, wenn dieser im Zeitpunkt des Ruhestandseintritt mit dem rentenberechtigten Arbeitnehmer verehelicht gewesen war. Zudem ist kein Härtefall nach § 13 VO ... zu erkennen.
aa. Zunächst ist bereits eine Hinterbliebenenversorgungsberechtigung der nunmehrigen Ehefrau des Klägers über die Härtefallregelung des § 13 VO ... auszuschließen. Ein irgendwie gearteter Härtefall ist vorliegend nicht zu erkennen.
§ 13 VO ... lautet:
„In Härtefällen kann von den Bestimmungen der vorliegenden Versorgungsordnung zugunsten des Begünstigten abgewichen werden.“
Welche Fälle als Härtefall anzusehen sein sollten oder als Härtefall anzusehen sind, ist in der Regelung in der VO ... nicht ausgeführt oder angelegt. Die Härtefallklausel ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nichts anderes als eine Ausprägung einer konkreten Billigkeitskontrolle. Sie greife ausgehend vom Maßstab des § 315 BGB dann korrigierend ein, wenn die jeweilige Regelung zwar einer abstrakten Billigkeitskontrolle standhält, den einzelner Arbeitnehmer aber unter den besonderen Umständen des Einzelfalles infolge der getroffenen Regelung besonders hart und unverhältnismäßig sowie im Zweifel auch planwidrig trifft. Es gehe aber nicht an, die rechtlich zulässigen Versorgungsgrundsätze nachträglich mit Hilfe von Härteregelungen zu korrigieren (BAG v. 28. 3. 1995 – 3 AZR 343/94, NZA 1995, 1032, unter Rz. 30 [juris]). Ein Härtefall sei dann gegeben, „wenn ein Arbeitnehmer über das angestrebte Regelungsziel hinausgehend erheblich nachteilig von einer beschränkenden Regelung betroffen wird, obwohl es bei ihm unter den besonderen Umständen des Einzelfalles ausnahmsweise an dem fehlt, was Grund für diese Regelung war“ (BAG v. 19. 2. 2002 – 3 AZR 99/01, NZA 2002, 1286, unter Rz. 29 [juris]).
bb. Der Kläger hat keine Gesichtspunkte für eine unbillige Härte vorgetragen, wenn seine frühere und nunmehrige Ehefrau nicht (mehr) in den Genuss der Hinterbliebenenversorgung käme. Vorliegend können die bei Schaffung der Norm des § 13 VO ... angedachten Fälle einer unbilligen Härte letztlich offen bleiben. In dem Umstand, dass die Ehe einer zunächst hinterbliebenenrentenberechtigten Ehefrau nach Eintritt des rentenberech-
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tigten Arbeitnehmers in den Ruhestand – ohne Versorgungsausgleich – geschieden wird und die Eheleute später eine erneute Ehe schließen, die für sich wegen des erst nach Ruhestandseintritt erfolgten Schlusses zu keiner Rentenberechtigung führt, stellt jedenfalls keine unbillige Härte dar. Diese Situation ist nicht durch äußere, ggf. vom Arbeitgeber zu vertretender Umstände, sondern durch die private Lebensführung des Klägers und seiner früheren und nunmehrigen Gattin bedingt.
Im Falle eines bei der Scheidung am 7. Dez. 1993 durchgeführten Versorgungsausgleichs hätte die Ehefrau des Klägers die dem Kläger ausbezahlte Betriebsrente anteilig (ggf. hälftig) übertragen erhalten. Eine Übertragung der Anwartschaften kam nicht mehr in Betracht, da der Versorgungsausgleich abweichend von § 1564 Satz 2 BGB für die gesamte nach § 1587 Abs. 2 BGB a.F. berechnete Ehezeit, also vom Beginn des Monats, in den die Ehe geschlossen worden war, bis zum Ablauf des Monats, das dem Monat, in dem rechtskräftig über die Scheidung entschieden ist, vorangeht, durchgeführt wird. Auf diesen hat die Ehefrau des Klägers – aus welchen Gründen und Motiven auch immer – verzichtet. Damit war entschieden, dass die Ehefrau weder gegen den Kläger noch nach dessen Tod gegen die Beklagte einen (verlängerten) schuldrechtlichen Versorgungsausgleich erwerben konnte (§ 3b Nr. 1 VAHRG), eine Entscheidung, die nachfolgend nicht mehr zu Ungunsten der Beklagten rückgängig gemacht werden kann.
Wenn der Kläger ausführt, seine nunmehrige Gattin habe in der früheren Ehe seine gesamte Berufsarbeit begleitet, ihn im Privaten entlastet und so keine (nennenswerte) eigene Altersversorgung erworben, so mag dies zutreffen. Diese Umstände erkennt das Bundesarbeitsgericht – worauf er ebenso zutreffend hinweist – als berechtigte und anerkennenswerte Erwägung bei der Ausgestaltung der Hinterbliebenenversorgung an (BAG v. 19. 12. 2000, a.a.O., S. 1262). Allerdings führt es eben nur aus, dass der Arbeitgeber bei Schaffung einer Versorgungsordnung auf diese Kriterien abstellen kann, nicht dass er diese (in bestimmter Weise) berücksichtigen muss. Der Umstand, dass die Ehefrau des Klägers während seiner gesamten Tätigkeit für seine Arbeitgeberin mit ihm verheiratet war, stellt kein Kriterium dar, da es für die Frage der Hinterbliebenenversorgung nach der VO ... gerade keiner bestimmten Ehedauer bedarf und auch keine bestimmte Ehedauer in der Versorgungsordnung vorauszusetzen gewesen wäre. Auf die Frage der rechtlichen Beendigung der Ehe ggf. bereits vor Eintritt des Klägers in den Ruhestand (dazu die Aus-
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führungen der Beklagten im Schriftsatz vom 19. Jan. 2011, Seite 10, Bl. 220 d. A.), ist hier nicht einzugehen.
cc. Die Konsequenz des Ausschlusses der früheren und nunmehrigen Ehefrau des Klägers von der Hinterbliebenenversorgung verletzt nicht die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.
aaa. Betriebsrentenansprüche rechnen zu den durch Art. 14 GG geschützten Rechtspositionen (BAG v. 24. 2. 2004 – 3 AZR 10/02, juris; BAG 20. 4. 2004 – 3 AZR 266/02, ZTR 2005, 54; zur Drittwirkung der Grundrechte im Rahmen des Betriebsrentenrechts vgl. Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Loseblatt, Stand 5/2008, ART Rz. 638 ff.), wenngleich die Reichweite des Eigentumsschutzes vom Inhalt der rechtsgeschäftlichen oder normativen Versorgungsregelungen abhängt. Nicht geschützt sind bloße Chancen und Erwartungen. Die Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung unterliegt der Entscheidungsbefugnis der Arbeitsvertragsparteien, der Betriebspartner, der Tarifvertragsparteien oder des Gesetzgebers; über die eingeräumten Ansprüche hinaus gehende Rechtspositionen sind durch Art. 14 GG nicht gewährleistet (BAG v. 24. 2. 2004 – 3 AZR 10/02, juris; BAG v. 22. 2. 2000 – 3 AZR 108/99, NZA 2002, 36).
bbb. Die Anwartschaft auf ein betriebliches Ruhegeld kann grundsätzlich der Eigentumsgarantie unterfallen (offen gelassen BVerfG v. 3. 12. 1998 – 1 BvR 2262/96, NZA-RR 1999, 204, zum Hamburger Ruhegeldgesetz). Doch selbst wenn man das Anwartschaftsrecht hinsichtlich der Ruhegeldzusage an den Arbeitnehmer wegen ihres Entgeltcharakters der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unterstellt, muss dies nicht in gleicher Weise für die ebenso zugesagte Hinterbliebenenversorgung gelten. Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben. Denn die Ausgestaltung der Betriebsrente, wie auch der Hinterbliebenenversorgung erfolgt durch die Versorgungszusage, hier durch die VO .... Das Anwartschaftsrecht kann allein in dem Umfang und der Ausgestaltung zur Entstehung gelangen, wie die Zusage erfolgt war. Diese war, wie vorher ausgeführt, nur der mit dem rentenberechtigten Arbeitnehmer in einer Ehe verbundenen Gattin für den Fall zugesagt, dass die Ehe bei Eintritt des Arbeitnehmers (hier: des Klägers) in den Ruhstand geschlossen war und bei dessen Ableben besteht; daran fehlt es hier. Denn nach der die Hinterbliebenversorgung inhaltlich ausgestaltenden Versorgungszusage verfällt diese bzw. die darauf ge-
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richtete Anwartschaft gerade bei einer Scheidung der Ehe ohne Durchführung eines Versorgungsausgleiches.
Daneben darf auch nicht übersehen werden, dass die Hinterbliebenenversorgung jedoch nicht in gleicher Weise den Bestandsschutz des Art. 14 GG in Anspruch nehmen kann. Diese stellt, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, nur ein – sozial erklärbares – Nebenrecht aus der versprochenen Betriebsrente dar. Allein die dem Arbeitnehmer zugesagte Betriebsrente besitzt unmittelbaren Entgeltcharakter, nicht aber auch die Hinterbliebenenversorgung. Denn auch der nicht verheiratete Arbeitnehmer erwirbt durch seine Tätigkeit eine Anwartschaft auf dieselbe Betriebsrente in derselben Höhe, wie ein vergleichbarer verehelichter Kollege (vgl. dazu auch Höfer, a.a.O. Rz. 648 und nachfolgend dd.).
dd. Ebenso ist dadurch Art. 6 Abs. 1 GG nicht tangiert. Dadurch ist untersagt, die Ehe zu schädigen oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen. Durch eine Spätehenklausel, auch durch eine Klausel, wie die vorliegende, geschieht den Ehegatten kein Nachteil, den sie ohne die Heirat nicht gehabt hätten. Die Versorgungsansprüche des Betriebsrentners bleiben ungeschmälert. Das Ausbleiben eines ursprünglich erhofften Vorteils – hier: für die Ehefrau – ist kein rechtlicher Nachteil (BAG v. 26. 8. 1997, 19. 12. 2000, 28. 7. 2005, jeweils a.a.O.).
Ein Eingriff in den geschützten Bereich der Ehe ist, entgegen der Ansicht des Klägers, auch vorliegend nicht gegeben. Die damalige und heutige Ehefrau des Klägers verliert mit der Spätehenklausel der VO ... keine erdienten Rechte ohne rechtfertigenden Grund. Denn eine von Art. 6 Abs. 1 GG nicht geforderte Hinterbliebenenversorgung kann unter einschränkenden Voraussetzungen gewährt werden (Höfer, a.a.O., Rz. 647 m.w.N.) und war hier unter derartigen Einschränkungen (Eheschließung vor Ruhestandseintritt und Bestand der Ehe bei Ableben des rentenberechtigten Arbeitnehmers, § 9 Abs. 1 Satz 2 VO ...) gewährt worden. Diese Voraussetzungen erfüllt die frühere und derzeitige Ehefrau des Klägers nicht und kann sie infolge der Scheidung der früheren Ehe auch nicht mehr erfüllen. Der damit verbundene Verlust ihrer Hinterbliebenenrentenberechtigung stellt allerdings, wie der Beklagte zutreffend ausführt, keine Systemwidrigkeit der Versorgungszusage, sondern die bloße Folge der erfolgten und weder dem Arbeitgeber noch dem Beklagten zuzurechnenden Scheidung ohne Durchführung eines Versorgungsausgleiches dar.
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ee. Schließlich ist, entgegen der Ansicht des Klägers, kein Verstoß der VO ... gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. Art. 3 Abs. 1 GG zu erkennen.
aaa. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist auch im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung – unabhängig von seiner dogmatischen Herleitung (vgl. BAG v. 28. 7. 1992 – 3 AZR 173/92, NZA 1993, 215, aus Art. 3 Abs. 1 GG; BAG 25. 8. 1982 – 5 AZR 107/80, BB 1982, 1921, aus Art. 3 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 3 GG; vgl. dazu Höfer, a.a.O., Rz. 657 auch zu weiteren Herleitungsbegründungen) – zu beachten (vgl. § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Er gebietet Gleiches gleich und Ungleiches nach seiner Eigenart ungleich zu behandeln (BAG v. 5. 10. 1993 – 3 AZR 695/92, NZA 1995, 30; vgl. auch BAG v. 18. 11. 2008 – 3 AZR 277/07, NZA-RR 2009, 153). Diese Aussage ist geprägt durch das Willkürverbot. Dadurch ist ausgeschlossen, dass gleiche Sachverhalte willkürlich, d.h. ohne sachlichen Grund, ungleich behandelt werden. Ein Arbeitnehmer darf innerhalb einer objektiv abgrenzbaren Gruppe nicht willkürlich von einer nach einem allgemeinen Prinzip gewährten freiwilligen Leistung ausgenommen oder hinsichtlich dieser schlechter gestellt werden. Das Vorliegen des Sachgrundes bemisst sich nach dem Leistungszweck (Höfer, a.a.O., Rz. 658 f.).
Ein derartiger sachwidriger Ausschluss der Ehefrau des Klägers von einer Hinterbliebenenversorgung ist allerdings nicht festzustellen. Der Umstand, dass auch bei sehr kurzer Ehe während der aktiven Zeit eines rentenberechtigten Arbeitnehmers eine Hinterbliebenenversorgung zu erwarten ist, während die Ehefrau, die während der gesamten Tätigkeit des rentenberechtigten Arbeitnehmers für den Arbeitgeber, der die Versorgungszusage erteilt hat bzw. aufrecht erhält, und auch bei Ruhestandseintritt des Klägers mit diesem verheiratet gewesen war, keine Versorgung zu erwarten hat, stellt keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar. Für die Abgrenzung nicht begünstigter und begünstigter Personen im Rahmen eines Betriebsrentensystems besteht eine Vielzahl sachlicher Differenzierungsgründe (Höfer, a.a.O., Rz. 659), ebenso im Rahmen einer gewährten betrieblichen Hinterbliebenenversorgung (dazu Höfer, a.a.O., Rz. 879 ff.).
Wie bereits ausgeführt, ist der die Versorgung Versprechende berechtigt, eine (freiwillig) eingeräumte Hinterbliebenenversorgung durch Ausschluss so genannter Versorgungsehen in den zu erwartenden Aufwendungen überschaubar zu halten. Dabei hat er im Rahmen der Vertragsfreiheit einen Ermessenspielraum, auf welche Weise die Begren-
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zung der Versorgungsansprüche erfolgen soll, sei es durch Aufnahme einer Spätehenlausel (dazu oben II. 2. c.), durch Festsetzung einer bestimmten Ehedauer als Voraussetzung für den Erhalt von Hinterbliebenenversorgungsansprüchen (etwa BAG v. 11. 8. 1987, a.a.O.), etc. Wie oben (II. 2. c.) ausgeführt, sind Späteheklauseln, welche Ehegatten von einer Hinterbliebenenversorgung ausnehmen, die den Arbeitnehmer erst nach Erreichen eines bestimmten Alters oder nach dessen Eintritt in den Ruhestand geehelicht haben, von der Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung ausnehmen, statthaft (dazu auch Höfer, a.a.O., Rz. 886 m.w.N.). Deren Ausgestaltung obliegt dem Schuldner der Versorgung. So kann dieser – wie hier – eine bloße Spätehenklausel vorsehen, bei der die Ehe noch während der aktiven Tätigkeit des rentenberechtigten Arbeitnehmers abgeschlossen sein muss; er kann diese aber auch mit einer Mindestehedauer koppeln, wozu der Kläger zu neigen scheint. Zu einer Verbindung mehrerer sachlicher Kriterien zur Einschränkung der Leistungspflicht ist der Versorgungsschuldner aber keineswegs verpflichtet. Im Unterlassen einer derartigen Verknüpfung liegt demzufolge keine den arbeitsrechtlichen Gleichheitssatz verletzende Ungleichbehandlung.
bbb. Nach dem Vorstehenden (vorstehend aaa.) ist auch Art. 3 Abs. 1 GG nicht unmittelbar verletzt.
ff. Letztendlich liegt im Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung bei einer erst nach Ruhestandseintritt des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers geschlossenen Ehe nach § 9 Abs. 1 Satz 2 VO ... weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Benachteiligung der Ehefrau des Klägers nach § 7 Abs. 2 AGG vor.
aaa. Nach § 7 Abs. 2 AGG sind Vereinbarungen, eingeschlossen sowohl Gesamtzusagen als auch Betriebsvereinbarungen, welche das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verletzen, unwirksam. Hiernach dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes (z.B. Alter oder Geschlecht) benachteiligt werden. Diese Regelungen finden trotz der Verweisung in § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG auch im Betriebsrentenrecht Anwendung, sofern das Betriebsrentengesetz keine vorrangig zu beachtende Sonderregelung enthält (BAG v. 20. 4. 2010, a.a.O., unter Rz. 62 [juris] m.w.N.), was vorliegend nicht gegeben ist. Auch in zeitlicher Hinsicht ist das Gesetz anzuwenden, da unter seinem zeitlichen Geltungsbereich zwischen dem Versorgungsberechtigten (Kläger) und dem Versorgungsschuldner ein Rechtsverhältnis (Versorgungsverhältnis) bestanden hatte, das
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nicht notwendig ein Arbeitsverhältnis gewesen sein musste (BAG v. 20. 4. 2010, a.a.O., unter Rz. 63 [juris]; offen noch BAG v. 14. 1. 2009 – 3 AZR 20/07, NZA 2009, 489). Fernerhin findet das AGG nicht allein für aktive Arbeitnehmer und für andere Beschäftigte, sondern auch für Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist, Anwendung (§ 6 Abs. 1 AGG; vgl. BAG v. 15. 9. 2009, unter Rz. 28. 37 [juris], 20. 4. 2010, unter Rz. 63 [juris], jeweils a.a.O.).
bbb. Die einschränkende Voraussetzung in § 9 Abs. 1 Satz 2 VO ..., dass für den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung die Ehe vor Eintritt des Klägers in den Ruhestand geschlossen worden sei und – hier: hypothetisch – bei dessen Tod bestehen muss, bedeutet keine unzulässige unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Eine unmittelbare Benachteiligung läge nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG allein dann vor, wenn eine Person wegen eines der in § 1 AGG genannten Grundes anders (schlechter) behandelt wird oder würde, als eine andere Person in vergleichbaren Situation. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 2 VO ... weder an das Lebensalter anknüpft noch unmittelbar auf diesem Merkmal beruht.
Daneben scheidet aber auch die unmittelbare Benachteiligung wegen des Merkmals des Alters aus. Eine solche läge nach § 3 Abs. 2 AGG dann vor, wenn eine an sich neutrale Regelung Personen wegen in § 1 AGG genannter Gründe in besonderer Weise gegenüber anderen benachteiligen könnten und diese Regelungen nicht durch rechtmäßige Ziele sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung der Ziele nicht angemessen und erforderlich sind (BAG v. 20. 4. 2010, a.a.O., unter Rz 67 [juris]). Ausreichend zur Annahme einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG ist, dass das Kriterium typischerweise geeignet ist, eine bestimmte Altersgruppe zu benachteiligen, ohne dass es eines statistischen Nachweises einer tatsächlichen Benachteiligung bedarf (BAG v. 20. 4. 2010, a.a.O., unter Rz. 68]). Eine eventuell anzunehmende mittelbare Ungleichbehandlung kann durch ein rechtmäßiges Ziel, eingeschlossen von der Rechtsordnung anerkannte Gründe für die Verwendung des neutralen Kriteriums, und die Wahl verhältnismäßiger – geeigneter und erforderlicher – Mittel zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt sein (§ 3 Abs. 2 2. Halbs. AGG; BAG 20. 4. 2010, a.a.O., unter Rz. 69 [juris]; BAG v. 18. 8. 2009 – 1 ABR 47/08, NZA 2010, 222, unter Rz. 30 f. [juris]).
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Nach dem Vorstehenden stellt die neutrale Formulierung der erforderlichen Eheschließung vor Eintritt des Arbeitnehmers in den Ruhestand in § 9 Abs. 1 Satz 2 VO ... keine mittelbare Benachteiligung der Ehefrau des Klägers wegen des Alters dar. Denn das aufgestellte Erfordernis der Eheschließung noch während der aktiven Zeit des ruhegeldberechtigten Arbeitnehmers ist durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt. § 9 Abs. 1 Satz 2 VO ... will mit dieser einschränkenden Voraussetzung erkennbar erreichen, dass die Leistungspflichten des Arbeitgebers auf Risiken begrenzt werden, die bereits während des Arbeitsverhältnisses angelegt waren, was als rechtmäßig i.S. § 3 Abs. 2 2. Halbs. AGG anzusehen ist. Denn der Arbeitgeber entscheidet frei über die Einführung einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung und, führt er eine solche ein, auch über deren Umfang, d.h. über die Versorgungsfälle nach § 1 Abs.- 1 BetrAVG, für die er Leistungen zusagen will und wie hoch er diese dotieren möchte. Es liegt in seiner freien Entscheidung, Leistungen der Hinterbliebenenversorgung zu versprechen. Demzufolge ist er ebenso berechtigt, die eingeführte Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen, wie etwa der Eheschließung vor Ruhestandseintritt, abhängig zu machen und auf diese Weise bestimmte Gruppen von Hinterbliebenen der Arbeitnehmer von dieser Versorgung auszuschließen(BAG 20. 4. 2010, a.a.O., unter Rz. 74 [juris]; BAG 19. 2. 2002, a.a.O., unter Rz. 24 ff. [juris]; BAG 19. 12. 2000, a.a.O., unter Rz. 27 [juris]; BAG v. 11. 8. 1987, a.a.O., unter Rz. 28 [juris]). Gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung liege, wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 20. 4. 2010 (a.a.O., unter Rz. 75 [juris]) ausführt, zur Begrenzung des Kreises anspruchsberechtigter Dritter, die Einführung zusätzlicher anspruchsbegründender oder besondere anspruchsausschließender Merkmale nahe, da ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken mit sich bringe. Diese beträfen nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalles, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung. Vor diesem Hintergrund habe der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken einzuschränken und so kalkulierbar zu halten (ebenso bereits BAG v. 27. 6. 2006 – 3 AZR 352/05 (A), NZA 2006, 1276, unter Rz. 15 [juris]; BAG 28. 7. 2005, a.a.O., unter Rz. 36 [juris]).
Die Voraussetzung einer vor dem Ausscheiden des rentenberechtigten Arbeitnehmers geschlossenen Ehe ist zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich. Die Zusage der Hinterbliebenenversorgung sei, wie das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 20. 4. 2010, a.a.O., unter Rz. 77 [juris] m.w.N.), weiter ausführt und was die Kammer teilt, Teil einer
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umfassenden Versorgungsregelung. Sie diene dazu, den Arbeitnehmer in der Sorge um die finanzielle Lage seiner Hinterbliebenen zu entlasten. Die Hinterbliebenenversorgung knüpfe an das typisierte Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers an. Auch deswegen könne es dem Versorgungsschuldner – unabhängig von versicherungsmathematischen Erwägungen, die für den Umfang der zu bildenden Rückstellungen bedeutsam seien – nicht untersagt werden, die freiwillig eingeführte Hinterbliebenenversorgung auf einen Personenkreis zu beschränken, hinsichtlich dessen der Versorgungsbedarf bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses angelegt war. Das Ende des Arbeitsverhältnisses sei für den Versorgungsschuldner eine wesentliche Zäsur und damit ein sachgerechter Anknüpfungspunkt für Regelungen der Hinterbliebenenversorgung. Die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, auf dem die Versorgungszusage beruht, könne unberücksichtigt bleiben, insbesondere deshalb, weil bei der Hinterbliebenenversorgung der Kreis der Begünstigten in der Versorgungszusage ausdrücklich festzulegen sei.
Dies muss nach Ansicht der erkennenden Kammer in gleicher Weise gelten, wenn die Ehe, die während des bestandenen Arbeitsverhältnisses bereits geschlossen war, nachfolgend geschieden wird, die Ehegatten aber später erneut eine Ehe eingehen. Auch diese spätere, erneute Ehe war während des Bestandes nicht angelegt. Mit der Scheidung der früheren Ehe war für den Versorgungsschuldner die Verwirklichung des (freiwillig) übernommenen Risikos, Hinterbliebenenversorgung leisten zu müssen, beendet. Die Eingehung der erneuten Ehe bedeutet dann keine Wiederherstellung eines früher bestandenen Zustandes, sondern erweitert das durch die Scheidung veränderten – auch kalkulatorischen – Risikos des Versorgungsschuldners.
ccc. Die Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung auf Ehegatten, mit denen der rentenberechtigte die Ehe noch vor Ruhestandseintritt geschlossen hatte, führt ebenso zu keiner unzulässigen Diskriminierung wegen des Geschlechts. Das Merkmal der Eheschließung vor dem Renteneintritt des rentenberechtigten Arbeitnehmers ist im Hinblick auf das Merkmal des „Geschlechts“ als neutrales Kriterium formuliert, weswegen allein eine mittelbare Benachteiligung in Betracht kommt (§ 3 Abs. 2 AGG). Wie schon in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts v. 20. 4. 2010 (a.a.O., unter Rz. 79 [juris]) sind auch hier keine Anhaltspunkte für eine stärkere Betroffenheit des einen als des anderen Geschlechts ersichtlich. Zudem ist auch hier aus den vorstehenden Erwägungen (vorste-
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hend bbb.) zur Angemessenheit und Erforderlichkeit dieses Kriteriums im Rahmen des Versorgungsversprechens aus.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) zuzulassen.
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