HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 20/076

Ver­rin­ge­rung der jähr­li­chen Ar­beits­zeit um ei­nen Mo­nat

Kei­ne Ver­rin­ge­rung der Jah­res­ar­beits­zeit um den Fe­ri­en­mo­nat Au­gust zu­las­ten der Ur­laubs­wün­sche an­de­rer Ar­beit­neh­mer: Lan­des­ar­beits­ge­richt Nürn­berg, Ur­teil vom 27.08.2019, 6 Sa 110/19
Flugzeit landet auf Urlaubsinsel, Urlaubsreise

23.06.2020. Wer si­cher weiß, dass er in den kom­men­den Jah­ren sei­nen Jah­res­ur­laub im­mer in ei­nem be­stimm­ten Mo­nat neh­men möch­te, kann ver­su­chen, läs­ti­ge Ur­laubs­an­trä­ge zu um­ge­hen und da­mit das Ri­si­ko, dass der Ur­laub ein­mal nicht ge­neh­migt wird.

Vor­aus­ge­setzt, man kann auf ein Zwölf­tel sei­ner Jah­res­ar­beits­zeit und da­mit sei­nes Jah­res­ge­halts ver­zich­ten, be­steht näm­lich die Mög­lich­keit, ei­nen Teil­zeit­an­trag zu stel­len.

In ei­nem ak­tu­el­len Fall hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nürn­berg al­ler­dings ent­schie­den, dass ein sol­ches Vor­ge­hen rechts­miss­bräuch­lich ist: LAG Nürn­berg, Ur­teil vom 27.08.2019, 6 Sa 110/19.

Wie weit geht das Recht zur block­wei­sen Ver­rin­ge­rung der Jah­res­ar­beits­zeit?

Der An­spruch auf dau­er­haf­te Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit gemäß § 8 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) be­inhal­tet auch das Recht auf ei­ne be­stimm­te Ver­tei­lung der ver­rin­ger­ten Ar­beits­zeit. Da­her können Ar­beit­neh­mer ei­ne Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung als als Ver­rin­ge­rung ih­rer Jah­res­ar­beits­zeit ver­lan­gen, z.B. in Form von ein oder zwei ar­beits­frei­en Mo­na­ten pro Jahr.

Wer da­bei so weit geht, dass er Jah­res­ar­beits­zeit nur um ca. drei Pro­zent "ver­rin­gern" will, das aber im­mer durch ei­ne Frei­stel­lung vom 22. De­zem­ber bis zum 2. Ja­nu­ar, han­delt al­ler­dings rechts­miss­bräuch­lich, so dass der Teil­zeit­an­trag gemäß § 242 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) un­wirk­sam ist. Das hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) be­reits vor länge­rem ent­schie­den (BAG, Ur­teil vom 11.06.2013, 9 AZR 786/11, Rn.11, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell 13/246 Teil­zeit als Sab­ba­ti­cal). Denn in Wahr­heit geht es hier nicht um ei­ne Verkürzung der Ar­beits­zeit, son­dern um ei­ne Ab­si­che­rung von Ur­laubswünschen.

Aber wo ist hier die Gren­ze? Liegt be­reits Rechts­miss­brauch vor, wenn ei­ne Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung um ei­nen vol­len (Som­mer-)Mo­nat ver­langt wird, d.h. um et­wa acht Pro­zent der Jah­res­ar­beits­zeit? Ei­ni­ge Ge­rich­te se­hen hier kei­nen Rechts­miss­brauch (LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 23.02.2017, 5 Sa 1745/16, Leit­satz), an­de­re da­ge­gen schon (LAG Köln, Ur­teil vom 24.05.2017, 3 Sa 830/16, Rn.32; Ur­teil vom 18.01.2018, 7 Sa 365/17, Rn.29-33).

Im Streit: TÜV-In­ge­nieur möch­te sei­ne Jah­res­ar­beits­zeit um den Fe­ri­en­mMo­nat Au­gust ver­rin­gern

Ein TÜV-Sach­verständi­ger ar­bei­te­te seit gut sie­ben Jah­ren bei ei­nem Ar­beit­ge­ber der TÜV-Grup­pe mit mehr als 15 Ar­beit­neh­mern, so dass er ei­ne Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung gemäß § 8 Tz­B­fG be­an­spru­chen konn­te. An­fang 2018 be­an­trag­te er ei­ne Ver­rin­ge­rung sei­ner Jah­res­ar­beits­zeit um den Mo­nat Au­gust, der in Bay­ern tra­di­tio­nell ein Fe­ri­en­mo­nat ist.

Der Ar­beit­ge­ber wies den An­trag zurück und be­rief sich auf ent­ge­gen­ste­hen­de be­trieb­li­che Gründe im Sin­ne von § 8 Abs.4 Satz 1 Tz­B­fG. Der Au­gust gehört, so der Ar­beit­ge­ber, zu den um­satzstärks­ten Mo­na­ten, in dem mehr Über­stun­den an­fal­len als sonst. Außer­dem muss­ten in 2017 und 2018 vie­le Ur­laubs­anträge für Au­gust ab­ge­lehnt oder ver­scho­ben wer­den. Und gemäß ei­ner - mit dem Be­triebs­rat ab­ge­stimm­ten - „Ver­fah­rens­an­wei­sung Ur­laubs­an­trag 2018“ gab es ei­ne Ober­gren­ze für Ur­lau­be in den Som­mer­fe­ri­en von ma­xi­mal 15 Ur­laubs­ta­gen.

Das Ar­beits­ge­richt Nürn­berg folg­te die­ser Ar­gu­men­ta­ti­on und wies die Kla­ge des Sach­verständi­gen auf Zu­stim­mung zu dem Teil­zeit­an­trag ab (Ur­teil vom 09.01.2019, 12 Ca 2177/18).

LAG Nürn­berg: Kei­ne Ver­rin­ge­rung der Jah­res­ar­beits­zeit um den Fe­ri­en­mo­nat Au­gust zu­las­ten der Ur­laubswünsche an­de­rer Ar­beit­neh­mer

Auch das LAG gab dem Ar­beit­ge­ber recht. Er konn­te sich laut LAG auf ent­ge­gen­ste­hen­de be­trieb­li­che Gründe gemäß § 8 Abs.4 Satz 1 Tz­B­fG be­ru­fen. Die­se Gründe prüft das LAG im An­schluss an die BAG-Recht­spre­chung in drei Schrit­ten bzw. Stu­fen:

Das Or­ga­ni­sa­ti­ons­kon­zept des Ar­beit­ge­bers (ers­te Stu­fe) be­stand hier in der „Ver­fah­rens­an­wei­sung Ur­laubs­an­trag 2018“ bzw. in der Ober­gren­ze von 15 Ur­laubs­ta­gen während der Som­mer­fe­ri­en.

Die­ses Or­ga­ni­sa­ti­ons­kon­zept stand dem Teil­zeit­an­trag des In­ge­nieurs ent­ge­gen, da er während des ge­sam­ten Fe­ri­en­mo­nats Au­gust ar­beits­frei ha­ben woll­te (zwei­te Stu­fe).

Sch­ließlich be­wer­tet das LAG das Ge­wicht der be­trieb­li­chen Gründe als vor­ran­gig (drit­te Stu­fe), wo­bei es auf § 7 Abs.1 Satz 1 Bun­des­ur­laubs­ge­setz (BUrlG) ver­weist (Ur­teil, Rn.40). Denn da­nach muss der Ar­beit­ge­ber die Ur­laubswünsche der Ar­beit­neh­mer fair mit­ein­an­der aus­glei­chen und da­bei so­zia­le Ge­sichts­punk­te be­ach­ten.

Darüber hin­aus be­wer­te­te das LAG den strei­ti­gen Teil­zeit­an­trag als rechts­miss­bräuch­lich (Ur­teil, Rn.45).

Fa­zit: Beim Pro­zess über ei­nen Teil­zeit­an­trag gemäß § 8 Tz­B­fG kommt es ent­schei­dend dar­auf an, ob es im Be­trieb ein (tatsächlich an­ge­wand­tes) Or­ga­ni­sa­ti­ons­kon­zept gibt, mit dem der Teil­zeit­wunsch un­ver­ein­bar ist. Zu die­sem The­ma müssen Ar­beit­ge­ber sehr ausführ­lich und sorgfältig vor­tra­gen, soll der Pro­zess nicht ver­lo­ren ge­hen.

Hier im Streit­fall hat­te das LAG un­abhängig da­von sein Ur­teil auch dar­auf gestützt, dass ei­ne Jah­res-Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung um ei­nen be­lieb­ten Fe­ri­en­mo­nat miss­bräuch­lich sei. Aus Ar­beit­neh­mer­sicht liegt es da­her na­he, ei­ne länge­re Ar­beits­zeit­verkürzung, z.B. von an­dert­halb oder zwei Mo­na­ten pro Jahr, zu be­an­tra­gen, um dem Vor­wurf des Miss­brauchs zu ent­ge­hen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 16. November 2021

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de