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Massenentlassungsanzeige bei der richtigen Arbeitsagentur
02.12.2020. Plant ein Arbeitgeber eine Massenentlassung, muss er vorab bei der örtlich zuständigen Arbeitsagentur eine Massenentlassungsanzeige einreichen.
Welche Arbeitsagentur die richtige ist, d.h. örtlich zuständig, ist manchmal nicht so leicht festzustellen, wenn es um eine größeren Personalabbau bei einem deutschlandweit tätigen Unternehmen mit vielen Betrieben geht.
Das zeigt eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in einem der vielen Kündigungsschutzprozesse, der durch die Insolvenz der Air Berlin ausgelöst wurden: BAG, Urteil vom 13.02.2020, 6 AZR 146/19.
- Rechtzeitige Anzeige einer bevorstehenden Massenentlassung - aber wo?
- Massenentlassungen bei der insolventen Air Berlin
- BAG: Welche Arbeitsagentur für die Massenentlassungsanzeige zuständig ist, richtet sich nach dem europarechtlichen Betriebsbegriff
Rechtzeitige Anzeige einer bevorstehenden Massenentlassung - aber wo?
Vor einer größeren Entlassungswelle, die gesetzlich in § 17 Abs.1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) definiert ist, müssen Unternehmen die geplanten Entlassungen mit ihrem Betriebsrat besprechen (Konsultationsverfahren), und sie sind verpflichtet, "der" Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten (Massenentlassungsanzeige).
§ 17 KSchG setzt eine EU-Richtlinie um, die Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie - MERL). Welche organisatorischen Einheiten eines größeren Unternehmens als „Betrieb“ im Sinne von § 17 KSchG anzusehen sind, richtet sich daher nach dem vom EuGH entwickelten Betriebsbegriff im Sinne der Richtlinie 98/59/EG.
Anders als der Betriebsbegriff, der dem deutschen Arbeitsrecht und hier v.a. dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zugrunde liegt, kommt es für einen "Betrieb" im Sinne des EuGH nicht unbedingt darauf an, dass es eine starke Leitungsmacht gibt, die über Einstellungen und Entlassungen entscheiden kann. Daher hat der EuGH Filialen eines Einzelhandelsunternehmens als „Betriebe“ angesehen, obwohl dort nur einige wenige Arbeitnehmer beschäftigt waren und alle Personalangelegenheiten von der Unternehmenszentrale aus gesteuert wurden (EuGH, Urteil vom 30.04.2015, C-80/14 - USDAW, Rn.45-47).
Daher muss eine betriebliche Einheit, für die ein Betriebsrat nach dem deutschen Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zuständig ist, nicht unbedingt die Organisationseinheit sein, für die gemäß § 17 Abs.1 KSchG eine Massenentlassungsanzeige zu erstatten ist. Reicht der Arbeitgeber die Anzeige aber (nur) bei einer örtlich unzuständigen Arbeitsagentur ein, sind die auf dieser Grundlage später erklärten Kündigungen unwirksam.
Massenentlassungen bei der insolventen Air Berlin
Die Fluggesellschaft Air Berlin, die 2017 insolvent wurde, unterhielt deutschlandweit an zehn Flughäfen sog. Stationen. Die Arbeitnehmer der drei Belegschaftsgruppen Cockpit, Kabine und Boden waren per Arbeitsvertrag jeweils einer dieser Stationen zugeordnet.
Der Flugbetrieb und damit der Bereich Cockpit wurden stationsübergreifend von Berlin aus gesteuert. Entsprechend dieser zentralen Steuerung hatte Air Berlin auf der Grundlage von § 117 Abs.2 Satz 1 BetrVG mit der Gewerkschaft ver.di den "Tarifvertrag Personalvertretung (TVPV) Cockpit" vereinbart, der eine besondere betriebliche Personalvertretung für Piloten vorsieht (PV Cockpit). Entsprechende Tarifverträge bzw. Arbeitnehmervertretungen bestanden auch für das Kabinenpersonal und für die am Boden tätigen Arbeitnehmer.
Nachdem am 01.11.2017 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war (zunächst in Eigenverwaltung), teilte die Geschäftsleitung der PV Cockpit mit, dass man den Flugbetrieb einstellen und alle Piloten betriebsbedingt kündigen wolle. In einem Interessenausgleich von Mitte November 2017 bestätigte die PV Cockpit, dass ein Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs.2 KSchG durchgeführt worden war. Kurz darauf erstattete die Geschäftsleitung bei der Agentur für Arbeit Berlin Nord eine Massenentlassungsanzeige und überreichte als Anlage den Interessenausgleich, den man mit der PV Cockpit vereinbart hatte.
Ein insolvenzbedingt gekündigter Pilot, der zur Station Düsseldorf gehörte, erhob Kündigungsschutzklage. Damit hatte er weder vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Düsseldorf noch in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf Erfolg (ArbG Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2018, 4 Ca 6911/17; LAG Düsseldorf, Urteil vom 08.01.2019, 3 Sa 338/18). Beide Gerichte hielten die Massenentlassungsanzeige für korrekt.
BAG: Welche Arbeitsagentur für die Massenentlassungsanzeige zuständig ist, richtet sich nach dem europarechtlichen Betriebsbegriff
Das BAG gab dem Piloten Recht, d.h. es stellte die Unwirksamkeit der Kündigung vom 28.11.2017 fest. Zur Begründung heißt es:
Die von Air Berlin unterhaltenen Stationen waren Betriebe im Sinne des europarechtlichen Betriebsbegriffs und damit im Sinne von § 17 Abs.1 KSchG. Die Massenentlassungsanzeige für die Piloten der Station Düsseldorf, der der klagende Pilot zugeordnet war, hätte daher bei der Düsseldorfer Arbeitsagentur erstatten werden müssen. Durch die Anzeige soll die Arbeitsagentur informiert werden, in deren Bezirk sich die Massenentlassung auswirkt, hier also die Düsseldorfer Arbeitsagentur und nicht die Arbeitsagentur Berlin Nord.
Außerdem hätte die Massenentlassungsanzeige nicht auf das Cockpitpersonal beschränkt werden dürfen, sondern hätte auch das der Station Düsseldorf zugeordnete Boden- und Kabinenpersonal erfassen müssen. An dieser Stelle hatte Air Berlin den Fehler gemacht, sich an den drei Arbeitnehmergruppen Cockpit, Kabine und Boden zu orientieren, denn diese drei Gruppen wurden ja bei Air Berlin durch drei getrennte Personalvertretungen vertreten. Für den Betriebsbegriff gemäß § 17 Abs.1 KSchG spielt das aber keine Rolle.
Fazit: Da die Massenentlassungsanzeige bei einer örtlich unzuständigen Arbeitsagentur eingereicht worden war und außerdem nicht die erforderlichen Angaben enthielt, war die hier streitige Kündigung des Piloten unwirksam.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.02.2020, 6 AZR 146/19
- Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2018, 4 Ca 6911/17
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.09.2016, 2 AZR 276/16
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 30.04.2015, C-80/14 - USDAW
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- Arbeitsrecht aktuell: 06/03 BAG urteilt zur Massenentlassungsanzeige
Letzte Überarbeitung: 16. November 2021
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