- -> zur Mobil-Ansicht
- Arbeitsrecht aktuell
- Tipps und Tricks
- Handbuch Arbeitsrecht
- Gesetze zum Arbeitsrecht
- Urteile zum Arbeitsrecht
- Urteile 2023
- Urteile 2021
- Urteile 2020
- Urteile 2019
- Urteile 2018
- Urteile 2017
- Urteile 2016
- Urteile 2015
- Urteile 2014
- Urteile 2013
- Urteile 2012
- Urteile 2011
- Urteile 2010
- Urteile 2009
- Urteile 2008
- Urteile 2007
- Urteile 2006
- Urteile 2005
- Urteile 2004
- Urteile 2003
- Urteile 2002
- Urteile 2001
- Urteile 2000
- Urteile 1999
- Urteile 1998
- Urteile 1997
- Urteile 1996
- Urteile 1995
- Urteile 1994
- Urteile 1993
- Urteile 1992
- Urteile 1991
- Urteile bis 1990
- Arbeitsrecht Muster
- Videos
- Impressum-Generator
- Webinare zum Arbeitsrecht
-
Kanzlei Berlin
030 - 26 39 62 0
berlin@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Frankfurt
069 - 71 03 30 04
frankfurt@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hamburg
040 - 69 20 68 04
hamburg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hannover
0511 - 89 97 701
hannover@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Köln
0221 - 70 90 718
koeln@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei München
089 - 21 56 88 63
muenchen@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Nürnberg
0911 - 95 33 207
nuernberg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Stuttgart
0711 - 47 09 710
stuttgart@hensche.de
AnfahrtDetails
LAG Köln, Beschluss vom 06.09.2019, 9 TaBV 23/19
Schlagworte: | Arbeitnehmerüberlassung, Leiharbeit, Leiharbeit: Betriebsrat, Zeitarbeit | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Köln | |
Aktenzeichen: | 9 TaBV 23/19 | |
Typ: | Beschluss | |
Entscheidungsdatum: | 06.09.2019 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Aachen, Beschluss vom 26.02.2019, 4 BV 39/18 Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23.02.2021, 1 ABR 33/19 | |
Landesarbeitsgericht Köln, 9 TaBV 23/19
Tenor:
I. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 26.02.2019 – 4 BV 39/18 – wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e |
1 |
I. | 2 |
Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur vorübergehenden Einstellung von Leiharbeitnehmern. |
3 |
Die Arbeitgeberin ist die deutsche Zweigniederlassung des IT-Dienstleisters der G -Versicherungsgruppe mit ca. 400 Beschäftigten. Sie betreibt in A ein IT-Rechenzentrum. Mit Schreiben vom 15.08.2018 hörte sie den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu der geplanten Einstellung des Leiharbeitnehmers A G für die Zeit vom 01.09.2018 bis zum 31.03.2019 mit der Bitte um Zustimmung an. Herr G ist Leiharbeitnehmer der Firma H und sollte im Bereich CXO-COMN (Controlling) tätig werden. |
4 |
Der Betriebsrat verweigerte mit Schreiben vom 20.08.2018 die Zustimmung zu der geplanten Einstellung und begründete dies damit, dass bereits seit längerem Leiharbeitnehmer in dem Bereich eingesetzt würden. Daher sei die Einrichtung eines regulären Arbeitsplatzes dringend erforderlich und der temporären Arbeitnehmerüberlassung vorzuziehen. |
5 |
Mit Schreiben vom 24.08.2018 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die vorläufige Einstellung des Herrn G . Zur Begründung führte sie aus, dass eine Vollzeitkraft im Controllig ihre Tätigkeit beende. Es bestehe daher dringender Bedarf für eine weitere Vollzeitkraft. Der Betriebsrat bestritt mit Schreiben vom 29.08.2018 die Dringlichkeit der beabsichtigten Maßnahme.
1 von 7
|
6 |
Mit ihrer am 30.08.2018 bei dem Arbeitsgericht A eingegangenen Antragsschrift begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Herrn G und die Feststellung, dass die vorläufige Einstellung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen sei. Zur Begründung hat sie angeführt, dass sich der Mitteilung des Betriebsrats nicht hinreichend klar entnehmen lasse, aus welchem Grund er die Zustimmung zur Einstellung von Herrn G verweigert habe. Die Einstellung verstoße auch nicht gegen § 1 AÜG, da die zulässige Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten nicht überschritten werde. |
7 |
Die Arbeitgeberin hat beantragt, | 8 |
9 | |
|
10 |
11 | |
|
12 |
13 | |
|
14 |
Der Betriebsrat hat beantragt, | 15 |
16 | |
|
17 |
18 | |
|
19 |
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten nicht arbeitnehmer-, sondern arbeitsplatzbezogen sei. Bei dem von Herrn G bis zum 31.03.2019 bekleideten Arbeitsplatz handele es sich um einen Dauerarbeitsplatz. Im Bereich Controlling gebe es neben der Führungskraft insgesamt 13 Beschäftigte, von denen vier seit Jahren in Arbeitnehmerüberlassung beschäftigt würden. Ihm, dem Betriebsrat, stehe ein Widerspruchsgrund aus § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu. Arbeitgeberseitig sei auf italienischer Konzernebene der Beschluss gefasst worden, freiwerdende Arbeitsplätze nicht mehr mit eigenen Arbeitnehmern zu besetzen (sog. hiring freeze). |
20 |
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 26.02.2019 den Anträgen der Arbeitgeberin stattgegeben und den Wiederantrag des Betriebsrats zurückgewiesen. |
21 |
Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Betriebsrat bestehe kein Zustimmungsverweigerungsrecht zu. Insbesondere liege kein Verstoß gegen § 1 AÜG vor. Der Leiharbeitnehmer G werde lediglich für sieben Monate tätig. Bei § 1 Abs. 1b AÜG sei eine arbeitnehmerbezogene Betrachtung anzustellen und nicht, wie der Betriebsrat, meint eine arbeitgeberbezogene. Die Einstellung sei auch aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen. Die Arbeitgeberin habe nicht grob die betriebliche Notwendigkeit der vorläufigen Einstellung verkannt. 2 von 7
|
22 |
Widerantrag des Betriebsrats sei unzulässig. Zum einen sei der streitige Arbeitsbereich nicht hinreichend definiert oder bestimmbar. Zum anderen verlange der Betriebsrat die positive Beantwortung einer Rechtsfrage. Für die gutachterliche Beantwortung einer Rechtsfrage seien die Arbeitsgerichte jedoch nicht zuständig. Zudem sei der Antrag unbegründet. Nach geltender Rechtslage sei es der Arbeitgeberin nicht verwehrt, auch den Dauerbedarf an einem Arbeitsplatz durch die Einstellung von Leiharbeitnehmern zu decken. |
23 |
Herr G wird mittlerweile als Leiharbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb der Arbeitgeberin eingesetzt. Diesbezüglich führen die Beteiligten vor dem Arbeitsgericht A zu dem Az. ein weiteres Verfahren. |
24 |
Der Beschluss ist dem Betriebsrat am 20.03.2019 zugestellt worden. Seine dagegen gerichtete Beschwerde ist am 12.04.2019 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen und mit einem am 26.04.2019 eingegangenen Schriftsatz begründet worden. |
25 |
Der Betriebsrat vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und vertritt nach wie vor die Auffassung, dass eine Besetzung von Dauerarbeitsplätzen über die Dauer von 18 Monaten hinaus durch Leiharbeitnehmer auch aus unionsrechtlichen Gründen nicht zulässig sei. Gänzlich unberücksichtigt habe das Arbeitsgericht, dass die Arbeitgeberin einem Einstellungsstopp unterliege. |
26 |
Wegen der zunächst vom Betriebsrat angekündigten Anträge wird auf die Beschwerdeschrift vom 11.04.2019 sowie den Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 24.04.2019 Bezug genommen. |
27 |
Der Betriebsrat beantragt nunmehr mit Zustimmung der Arbeitgeberin zu der Antragsänderung, |
28 |
den Beschluss des Arbeitsgerichts A vom 26.02.2019 (4 BV 39/18) abzuändern und |
29 |
30 | |
|
31 |
32 | |
|
33 |
- zeitnahe Bearbeitung/Begleichung von Rechnungen der Dienstleister der Arbeitgeberin, |
34 |
- Unterstützung der operativen Bereiche der Arbeitgeberin bei der Erstellung und Beauftragung von Dienstleistungen zur Erbringung der vereinbarten IP-Services für die Kunden der Arbeitgeberin und |
35 |
- Unterstützung der operativen Bereiche der Arbeitgeberin bei Planung und Hochrechnung 3 von 7
|
36 |
nach dem Ausscheiden von Herrn Andreas G als Leiharbeitnehmer auf dessen Arbeitsplatz durch Einstellung von Leiharbeitnehmern zu decken, sofern es sich um Daueraufgaben und nicht um Auftragsspitzen handelt. |
37 |
Die Arbeitgeberin beantragt, | 38 |
die Beschwerde zurückzuweisen. | 39 |
Sie ist der Auffassung, dass die Beschwerde bereits unzulässig sei. Der Betriebsrat wehre sich nur formal gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts A , ohne seinen Widerantrag in der Sache weiterzuverfolgen. Der neue Antrag betreffe einen vollkommen anderen Streitgegenstand, den der Betriebsrat in einem gesondert einzuleitenden Beschlussverfahrens verfolgen müsse. |
40 |
Die Arbeitgeberin hält den zunächst als Hauptantrag gestellten nunmehrigen Hilfsantrag für unzulässig. Das Verfahren nach den §§ 99, 100 BetrVG sei mehrstufig geregelt und sehe jeweils zeitlich aufeinander folgende Beteiligungen vor. Aufgrund der Mehrstufigkeit dieses Verfahrens könne die Feststellung eines gewünschten Ergebnisses am Ende des mehrstufigen Verfahrens beantragt werden. |
41 |
Der Antrag sei zudem auf die Klärung einer generellen Rechtsfrage durch das Gericht nämlich, ob sie, die Arbeitgeberin, berechtigt sei, Arbeitsplätze über einen längeren Zeitraum als 18 Monaten mit Leiharbeitnehmern zu besetzen, gerichtet. Eine solche rechtsgutachterliche Tätigkeit sei den Gerichten für Arbeitssachen jedoch verwehrt. Ein besonderes Feststellungsinteresse liege auch deswegen nicht vor, da es nicht um ein gegenwärtiges, sondern um ein zukünftiges Rechtsverhältnis gehe und er nicht zu einer endgültigen Streitbeilegung führen würde. Da die beantragte Feststellung unter die Bedingung gestellt sei, dass es sich um eine Daueraufgabe und nicht um eine Auftragsspitze handele, dränge sich das nächste Verfahren, bei dem es um eben diese Fragen gehe, auf. Zudem gehe das vor Arbeitsgericht A zu dem Az. dem Widerantrag im vorliegenden Verfahren vor. |
42 |
Schließlich seien die Anträge auch unbegründet. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1b AÜG sei ausschließlich arbeitnehmerbezogen. Unzutreffend sei, dass sie, die Arbeitgeberin, einem „hiring freeze“ unterliege. |
43 |
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. |
44 |
II. | 45 |
Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. | 46 |
1.) Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Betriebsrats ist mit dem nunmehr gestellten Hauptantrag zulässig, da die Arbeitgeberin der Antragsänderung gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 ArbGG im Anhörungstermin vom 06.09.2019 zugestimmt hat. Der Betriebsrat wehrt sich auch nicht nur formal gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts A , sondern verfolgt sein ursprünglich mit dem Widerantrag geltend gemachtes Rechtsschutzbegehren, nämlich die Feststellung, dass die Arbeitgeberin nicht berechtigt ist, bei seiner fehlenden Zustimmung den bestehenden Beschäftigungsbedarf in dem Bereich CXO-CON (Controlling) in A nach dem Ausscheiden von Herrn A G als Leiharbeitnehmer am 31.03.2019 durch die Einstellung von Leiharbeitnehmern zu decken, sofern es sich um Daueraufgaben und nicht um Auftragsspitzen handelt, in der Sache weiter. 4 von 7
|
47 |
2.) Der auf Feststellung gerichtete Hauptantrag, dass der Betriebsrat berechtigt ist, bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern die Zustimmung gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu verweigern, wenn die Einstellung zur Besetzung eines Dauerarbeitsplatzes über 18 Monate hinaus erfolgt und schon andere Einsätze von Leiharbeitnehmern auf diesem Arbeitsplatz vorausgegangen sind, ist zwar zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. |
48 |
a) Der Antrag ist zulässig. Das Recht des Betriebsrats, die Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme unter bestimmten Voraussetzungen zu verweigern, ist als "Rechtsverhältnis" iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zu erachten. An der Feststellung dieses Rechts hat der Betriebsrat ein rechtliches Interesse. Wenn die streitige Problematik bereits, wie hier, in einer Vielzahl von Fällen aufgetreten ist und auch in Zukunft auftreten wird, sich Zustimmungsersetzungsanträge nach § 99 Abs. 4 BetrVG durch Zeitablauf häufig erledigen, ist ein derartiger Feststellungsantrag ein prozesswirtschaftlich sinnvoller Weg zur Klärung der betriebsverfassungsrechtlichen Streitfrage zwischen den Betriebspartnern. Nur mit solchen Feststellungsanträgen wird bei personellen Einzelmaßnahmen vorübergehender Art eine Klärung betriebsverfassungsrechtlicher Streitfragen ermöglicht (BAG, Beschluss vom 12. November 2002 – 1 ABR 1/02 –, BAGE 103, 304-311, Rn. 15; BAG, Beschluss vom 28. September 1988– 1 ABR 85/87 –, BAGE 59, 380-388, Rn. 11). |
49 |
b) Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Betriebsrat ist nicht gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG berechtigt, bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern seine Zustimmung zu verweigern, wenn die Einstellung zur Besetzung eines Dauerarbeitsplatzes über 18 Monate hinaus erfolgt und schon andere Einsätze von Leiharbeitnehmern auf diesem Arbeitsplatz vorausgegangen sind. |
50 |
aa) Nach § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG in der seit dem 01.04.2017 geltenden Fassung ist die Arbeitnehmerüberlassungshöchstdauer arbeitnehmerbezogen ausgestaltet (Thüsing /Waas, 4. Aufl. 2018, § 1 AÜG, Rn. 152; Höpfner in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018, § 1 AÜG, Rn.). Es handelt es sich um eine individuelle Einsatzlimitierung (Schüren/Hamann/, 5. Aufl. 2018, § 1 AÜG, Rn. 324). Durch die Neuregelung sollen Leiharbeitnehmer geschützt werden, indem sie nur für einen klar begrenzten Zeitraum eingesetzt werden können. So soll einer dauerhaften Substitution von Stammbeschäftigten entgegengewirkt werden (amtl. Begr BT-Drs. 18/9232, S. 20). Die von § 14 Abs. 2 TzBfG abweichende zeitliche Grenze von 18 Monaten ist das Ergebnis eines Kompromisses zwischen CDU/CSU und SPD. Ausgestaltet ist diese Grenze als zweifaches Verbot: Der Verleiher darf den Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 Monate demselben Entleiher überlassen (Überlassungshöchstdauer), der Entleiher darf diesen nicht länger als 18 Monate tätig werden lassen (Einsatzhöchstdauer). Anknüpfungspunkt für eine zeitliche Begrenzung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern ist dabei nicht der Beschäftigungsbedarf beim Entleiher, sondern allein die Person des betreffenden Leiharbeitnehmers. Die dauerhafte Besetzung eines Arbeitsplatzes beim Entleiher und die damit verbundene Einschränkung der Stammbelegschaft ist daher nach der Konzeption des Gesetzes zulässig (Höpfner in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018, § 1 AÜG, Rn. 56). |
51 |
bb) Dieser Auslegung des Gesetzes stehen unionsrechtliche Bestimmungen nicht 52 entgegen. |
52 |
(1) Gemäß Art. 2 der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG vom 19.11.2008 verfolgt die Richtlinie primär das Ziel, für den Schutz der Leiharbeitnehmer zu sorgen und die Qualität der Leiharbeit zu verbessern. Sie bezweckt hingegen nicht die Sicherung von Dauerarbeitsplätzen im Entleihunternehmen. Die Richtlinie nimmt demgemäß durchweg eine arbeitnehmerbezogene Betrachtung vor. So sollen gemäß der Erwägung 14 die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Leiharbeitnehmer mindestens 5 von 7
denjenigen entsprechen, die für diese Arbeitnehmer gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt würden. Gemäß der Erwägung 15 der Richtlinie soll im Falle von Arbeitnehmern, die einen unbefristeten Vertrag mit dem Leiharbeitsunternehmen geschlossen haben, angesichts des hierdurch gegebenen besonderen Schutzes die Möglichkeit vorgesehen werden, von den im entleihenden Unternehmen geltenden Regeln abzuweichen. Dieses primäre Ziel, den Schutz der Leiharbeitnehmer zu verbessern, wird unabhängig davon erreicht, ob die Tätigkeiten im Entleihunternehmen von dauernder Natur sind oder nicht. |
53 |
(2) Demgegenüber wird eingewandt, die starre Höchstüberlassungsdauer schütze gerade nicht den Leiharbeitnehmer, der bei Erreichen der Grenze seinen Arbeitsplatz wechseln müsse, mit der Folge des Verlustes des erworbenen Besitzstandes. Der Zwang zum Wechsel in ein anderes Einsatzunternehmen führe vielmehr dazu, dass der Zeitarbeitnehmer in dem praktisch relevanten Bereich tariflicher Regelungen alle bereits erworbenen Gleichstellungsansprüche verliere und bei Branchenzuschlagstarifverträgen wieder in der Basisentgeltgruppe neu starte. Da der Leiharbeitnehmer nach einer Sperrfrist von drei Monaten sogar wieder in seinen „alten“ Betrieb entsandt werden dürfe, um dort bei einer Unterbrechung von mehr als sechs Monaten allerdings mit deutlich verschlechterten Arbeitsbedingungen zu beginnen, werde er sich ob dieses angeblich zu seinem Schutz gewählten Konzeptes verständnislos die Augen reiben, keinesfalls aber dem Gesetzgeber ein stringentes Vorgehen attestieren (Henssler, RdA 2017, 83, 92). Dies zwingt jedoch nicht dazu, die Regelung für unionswidrig zu halten. Es handelt sich vielmehr um eine Kritik an dem nationalen Gesetzgeber, der sein von ihm selbst gesetztes Ziel, einer dauerhaften Substitution von Stammbeschäftigten entgegenzuwirken, nicht erreicht hat. Deswegen ist die gesetzliche Regelung aber nicht europarechtswidrig (so auch Henssler, RdA 2017, 83, 92; Höpfner in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018, § 1 AÜG, Rn. 56; aA. Wank, RdA 2017, 100, 109; Ulber, RdA 2018, 50, 53). |
54 |
(3) Art. 3 der Richtlinie, der Leiharbeit als die „vorübergehende“ Tätigkeit bei dem entleihenden Unternehmen definiert, zwingt ebenfalls nicht dazu, den Begriff „vorübergehend“ arbeitsplatzbezogen zu verstehen (so aber Ulber, RdA 2018, 50, 53). Ihrem Wortlaut nach erfasst die Bestimmung genauso den arbeitnehmerbezogenen Einsatz bei dem Entleiher. |
55 |
(4) Auch ein Vergleich des § 1 Abs. 1 b AÜG mit dem Befristungsrecht ergibt keine Wertungswidersprüche. Die Abdeckung eines ständigen, dauerhaften Personalbedarfs über aufeinander folgende befristete Arbeitsverhältnisse unterscheidet sich grundlegend von dem vorübergehenden Einsatz eines von seinem Arbeitgeber unbefristet angestellten Leiharbeitnehmers, sofern dieser, wie die Leiharbeitsrichtline bezweckt, im Verhältnis zu seinem Vertragsarbeitgeber hinreichend geschützt ist. |
56 |
(5) Unionsrechtliche Bedenken ergeben sich schließlich nicht aus Art. 6 Abs. 1 der Leiharbeitsrichtlinie, wonach der Zugang zu einer unbefristeten Beschäftigung beim Entleiher nicht behindert werden darf (aA. Ulber, RdA 2018, 50, 53). Art. 6 der Leiharbeitsrichtlinie gibt diesbezüglich genaue Vorgaben, ohne dabei eine arbeitsplatzbezogene Betrachtung des Merkmals „vorübergehend“ explizit aufzuführen oder in anderer Weise für notwendig zu erachten. So müssen die Leiharbeitnehmer über die im entleihenden Unternehmen offenen Stellen unterrichtet werden, damit sie die gleichen Chancen auf einen unbefristeten Arbeitsplatz haben wie die übrigen Arbeitnehmer dieses Unternehmens. Es dürfen keine Klauseln den Abschluss eines Arbeitsvertrags oder die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem entleihenden Unternehmen und dem Leiharbeitnehmer nach Beendigung seines Einsatzes verbieten. Leiharbeitsunternehmen dürfen im Gegenzug zur Überlassung an ein entleihendes Unternehmen oder in dem Fall, dass Arbeitnehmer nach beendigter 6 von 7
Überlassung mit dem betreffenden entleihenden Unternehmen einen Arbeitsvertrag abschließen oder ein Beschäftigungsverhältnis eingehen, kein Entgelt von den Arbeitnehmern verlangen. Leiharbeitnehmer müssen grundsätzlich in dem entleihenden Unternehmen zu den gleichen Bedingungen wie die unmittelbar von dem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten, insbesondere zur Gemeinschaftsverpflegung, zu Kinderbetreuungseinrichtungen und zu Beförderungsmitteln. |
57 |
(6) § 1 Abs. 1 b AÜG und die darauf basierende Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit Leiharbeitnehmern halten schließlich einer Missbrauchsprüfung stand. Die nach Art. 5 der Richtlinie geforderte Missbrauchsprüfung umfasst grundsätzlich nur die Zahl der mit derselben Person abgeschlossenen Verträge, nicht hingegen die zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen Verträge (Wank, RdA 2017, 100, 109; aA. Ulber, RdA 2018, 50, 53). |
58 |
3. Der Hilfsantrag ist unzulässig, weil er ein zukünftiges Rechtsverhältnis betrifft und der Betriebsrat den konkreten arbeitsplatzbezogenen Einwand in einem (neuen) Zustimmungsersetzungsverfahren erheben kann. Die generelle Frage, ob ein Widerspruchsrecht in Fällen der vorliegenden Art besteht, lässt sich mit dem zulässigen Hauptantrag klären. Im Übrigen wäre der Antrag auf Grund der für den Hauptantrag angestellten Erwägungen auch unbegründet. |
59 |
III. | 60 |
Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da sie der entscheidungserheblichen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beimisst.
7 von 7
|
61 |
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |