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LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 09.05.2017, 9a Sa 12/17

   
Schlagworte: Sonderzahlung, Gratifikation, Rückzahlung, Tarifvertrag
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Aktenzeichen: 9a Sa 12/17
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.05.2017
   
Leitsätze: Eine tarifliche Rückzahlungsregelung, welche sich auf eine Sonderzuwendung mit Mischcharakter bezieht und eine Rückzahlung bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis bis zum 31. März des Folgejahres - und damit außerhalb des Bezugszeitraums - aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch vorsieht, ist rechtswirksam. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG.

Vorinstanzen: Arbeitsgerichts Freiburg, Urteil vom 30.11.2016, 10 Ca 143/16
nachgehend:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.06.2018, 10 AZR 290/17
   

LArbG Ba­den-Würt­tem­berg Ur­teil vom 9.5.2017, 9a Sa 12/17

 

Te­nor

1. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frei­burg - Kam­mern Of­fen­burg - vom 30. No­vem­ber 2016 - 10 Ca 143/16 - wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

1 Die Par­tei­en strei­ten im Be­ru­fungs­ver­fah­ren noch über die Ver­pflich­tung des Klägers, ei­ne Son­der­zah­lung aus dem Jahr 2015 an die Be­klag­te zurück­zu­zah­len.
2 Der im Jahr 19xx ge­bo­re­ne Kläger war bei der Be­klag­ten seit dem 1. Ok­to­ber 1995 als Bus­fah­rer beschäftigt. Das Ar­beits­verhält­nis en­de­te auf­grund Kündi­gung des Klägers vom 1. Ok­to­ber 2015 zum 14. Ja­nu­ar 2016 (An­la­ge K1, Bl. 25 d. erst­in­stanz­li­chen Ak­te). Die Be­klag­te bestätig­te mit Schrei­ben vom 7. Ok­to­ber 2015 den Ein­gang des Kündi­gungs­schrei­bens und erklärte sich ein­ver­stan­den, dass das Ar­beits­verhält­nis „ent­ge­gen den ta­rif­li­chen Be­stim­mun­gen“ zum 14. Ja­nu­ar 2016 en­de. Die Be­klag­te kündig­te zu­gleich an, dem Kläger die Ar­beits­pa­pie­re zum ge­nann­ten Zeit­punkt aus­zuhändi­gen und die Ab­mel­dung bei der Pen­si­ons­kas­se zu ver­an­las­sen (An­la­ge K2, Bl. 26 d. erst­in­stanz­li­chen Ak­te).
3 Ba­sis der ar­beits­ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen ist ei­ne von bei­den Sei­ten un­ter­zeich­ne­te Ein­stel­lungs­ver­ein­ba­rung vom 30. Au­gust 1995 (Bl. 58 und 59 d. erst­in­stanz­li­chen Ak­te). Da­nach gel­ten für das Ar­beits­verhält­nis „…die für die SWEG gel­ten­den Ta­rif­verträge, Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen und die Ar­beits­ord­nung in ih­rer je­wei­li­gen Fas­sung…“.
4 § 1 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung Nr. 500/501 über die Zah­lung ei­ner Son­der­zu­wen­dung vom 7. Ok­to­ber 1971 (An­hang 1 zum Ta­rif­ver­trag für die Be­diens­te­ten der nicht bun­des­ei­ge­nen Ei­sen­bah­nen und von Kraft­ver­kehrs­be­trie­ben vom 15. De­zem­ber 1966 (ETV)) lau­tet wie folgt:
5 „§ 1
6 (1) Die Be­diens­te­ten er­hal­ten in je­dem Ka­len­der­jahr an­stel­le ei­ner Weih­nachts­zu­wen­dung ei­ne Son­der­zu­wen­dung, wenn sie
7 1. am 1. De­zem­ber seit dem 1. Ok­to­ber un­un­ter­bro­chen bei dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber in ei­nem Beschäfti­gungs- oder Aus­bil­dungs­verhält­nis ste­hen und
8 2. nicht in der Zeit bis ein­sch­ließlich 31. März des fol­gen­den Jah­res aus ei­ge­nem Ver­schul­den oder auf ei­ge­nen Wunsch aus dem Beschäfti­gungs- oder Aus­bil­dungs­verhält­nis aus­schei­den.
9 (2) Ist die Zu­wen­dung im Fal­le des Ab­sat­zes 1 Nr. 2 ge­zahlt wor­den, so ist sie in vol­ler Höhe zurück­zu­zah­len.“
10 § 2 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung re­gelt die Höhe der Zu­wen­dung, die je nach Beschäfti­gungs­dau­er min­des­tens 60 % und höchs­tens 100 % ei­nes Mo­nats­lohns beträgt. Hin­sicht­lich der kon­kre­ten Be­rech­nungs­wei­se wird auf die zur Ak­te ge­reich­te Ta­rif­ver­ein­ba­rung ver­wie­sen (Bl. 60 - 62 d. erst­in­stanz­li­chen Ak­te). § 3 Abs. 1 der Ver­ein­ba­rung be­stimmt, dass sich die Zu­wen­dung um 1/12 für je­den Ka­len­der­mo­nat ver­min­dert, für den der Be­diens­te­te kei­ne Bezüge er­hal­ten hat, so­fern er nicht während des gan­zen Ka­len­der­jah­res Bezüge von dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber er­hal­ten hat.
11 § 30 ETV re­gelt den Ver­fall von Ansprüchen. Er lau­tet wie folgt:
12 „Ansprüche aus die­sem Ta­rif­ver­trag erlöschen, wenn sie nicht in­ner­halb ei­ner Aus­schluss­frist von 3 Mo­na­ten nach Ent­ste­hen des An­spruchs schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den.“
13 Mit der No­vem­ber­vergütung 2015 leis­te­te die Be­klag­te an den Kläger die Son­der­zu­wen­dung gemäß der Ta­rif­ver­ein­ba­rung in Höhe von 2.692,43 Eu­ro brut­to, ab­ge­rech­net und aus­ge­zahlt in Höhe von 1.502,30 Eu­ro net­to. Der Be­trag wur­de dem Kon­to des Klägers am 25. No­vem­ber 2015 gut­ge­schrie­ben.
14 Für den Mo­nat Ja­nu­ar 2016 zahl­te die Be­klag­te an den Kläger kei­ne Vergütung. Die für die­sen Mo­nat er­stell­te Ab­rech­nung weist klei­ne­re Aus­zah­lungs­kor­rek­tu­ren für die Mo­na­te Mai, Ju­ni, Ju­li, Sep­tem­ber, Ok­to­ber und De­zem­ber 2015 so­wie für den Mo­nat No­vem­ber 2015 ei­ne Aus­zah­lungs­kor­rek­tur in Höhe von - 1.502,30 Eu­ro aus. Sie en­det mit ei­nem Aus­zah­lungs­be­trag von 0 Eu­ro (Bl. 29 d. erst­in­stanz­li­chen Ak­te). In der - eben­falls im Ja­nu­ar 2016 er­stell­ten - Rück­rech­nung für den Mo­nat No­vem­ber 2015 wur­de ein Ne­ga­tiv­be­trag in Höhe von 2.692,43 Eu­ro brut­to bzw. 1.502,30 Eu­ro net­to mit dem Zu­satz „Ver­rech­nung im Mo­nat 01.01.2016“ an­ge­ge­ben (Bl. 124 der erst­in­stanz­li­chen Ak­te). Im Fe­bru­ar 2016 er­stell­te die Be­klag­te ei­ne wei­te­re Ab­rech­nung, wel­che mit „Rück­rech­nung Ja­nu­ar 2016“ be­ti­telt ist. Sie weist für den Ja­nu­ar 2016 ein ge­setz­li­ches Net­to in Höhe von 1.047,29 Eu­ro so­wie ei­ne Über­zah­lung von 493,00 Eu­ro und ei­nen Aus­zah­lungs­be­trag von 0 Eu­ro aus (Bl. 30 und 31 d. erst­in­stanz­li­chen Ak­te).
15 Mit Schrei­ben vom 25. Fe­bru­ar 2016 teil­te die Be­klag­te dem Kläger mit, dass sich durch sei­nen Aus­tritt ei­ne Über­zah­lung in Höhe von 493,00 Eu­ro er­ge­ben ha­be (An­la­ge K 3, Bl. 27 d. erst­in­stanz­li­chen Ak­te). Der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te des Klägers sei­ner­seits for­der­te un­ter dem 17. März 2016 die Be­klag­te auf, für den Mo­nat Ja­nu­ar 2016 ei­nen Net­to­ver­dienst des Klägers in Höhe von „1.047,20 Eu­ro“ aus­zu­be­zah­len und be­rief sich hier­bei auf Pfändungs­frei­gren­zen (An­la­ge K 5, Bl. 32 und 33 d. erst­in­stanz­li­chen Ak­te). Mit Schrei­ben vom 6. April 2016 lehn­te die Be­klag­te die Zah­lung der Ja­nu­ar­vergütung ab. Sie ar­gu­men­tier­te, dass sie ei­nen Rück­zah­lungs­an­spruch bezüglich der Son­der­zu­wen­dung in Höhe der be­zahl­ten 2.692,43 Eu­ro brut­to gemäß § 1 Abs. 2 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung über die Zah­lung ei­ner Son­der­zu­wen­dung ha­be. Sie wies zu­gleich dar­auf hin, dass im Mo­nat Ja­nu­ar 2016 ei­ne ge­ne­rel­le Rück­rech­nung für al­le Mit­ar­bei­ter er­folgt sei, aus de­nen sich ei­ne Viel­zahl an klei­ne­ren Kor­rek­tur­beträgen er­ge­ben ha­be. Sie leg­te hier­bei ih­re Be­rech­nun­gen dar, wes­halb aus ih­rer Sicht ei­ne Über­zah­lung von 493,00 Eu­ro vor­lie­ge (sie­he zu den Ein­zel­hei­ten An­la­ge K 6, Bl. 34 - 37 d. erst­in­stanz­li­chen Ak­te).
16 Mit sei­ner am 7. Ju­li 2016 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat der Kläger ei­nen Lohn­an­spruch in Höhe von 1.047,29 Eu­ro net­to für den Mo­nat Ja­nu­ar 2016 gel­tend ge­macht. Hilfs­wei­se be­an­trag­te er die Fest­stel­lung, dass ein Rück­zah­lungs­an­spruch der Be­klag­ten hin­sicht­lich der Son­der­zah­lung für 2015 nicht be­ste­he. Zur Be­gründung hat er aus­geführt, dass der Ein­be­halt des Ja­nu­ar­loh­nes schon des­halb recht­wid­rig sei, weil er ge­gen Pfändungs­frei­gren­zen ver­s­toße. Außer­dem ha­be die Be­klag­te kei­nen Rück­for­de­rungs­an­spruch ge­gen ihn. Der Rück­zah­lungs­an­spruch sei schon gemäß § 30 ETV ver­fal­len. Die Ver­fall­frist be­gin­ne mit der Über­zah­lung am 25. No­vem­ber 2015. We­der dem Schrei­ben vom 25. Fe­bru­ar 2016 noch der Ver­dienstab­rech­nung vom 22. Ja­nu­ar 2016, de­ren Zu­gang „spätes­tens am 29. Ja­nu­ar 2016“ er be­strei­te, sei ei­ne Gel­tend­ma­chung zu ent­neh­men. Über­dies sei die ta­rif­li­che Re­ge­lung un­wirk­sam. Die Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung führe zu ei­ner zu lan­gen Bin­dungs­dau­er. Außer­dem wer­de durch sie in das ver­trag­li­che Sy­nal­lag­ma ein­ge­grif­fen. Die Son­der­zu­wen­dung stel­le nämlich auch Vergütung für ge­leis­te­te Ar­beit dar und könne des­halb nicht zurück­ge­for­dert wer­den. Im Übri­gen ha­be die Be­klag­te die Zu­wen­dung in Kennt­nis sei­nes bal­di­gen Aus­schei­dens vor­be­halt­los ge­zahlt, ei­ne Rück­for­de­rung sei da­mit treu­wid­rig. Außer­dem sei er ent­rei­chert.
17 Der Kläger hat erst­in­stanz­lich zu­letzt be­an­tragt.
18 1. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 1.047,49 Eu­ro net­to nebst Zin­sen hier­aus in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 1.2.2016 zu zah­len.
19 2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Kläger bei je­der auf die vor­ge­nann­te (Ziff. 1) Schuld er­fol­gen­den Zah­lung ei­ne Ab­rech­nung zu er­tei­len.
20 Die Be­klag­te hat be­an­tragt,
21 die Kla­ge ab­zu­wei­sen und
22 den Kläger wi­der­kla­gend zu ver­ur­tei­len, an die Be­klag­te 493,00 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 12. März 2016 zu zah­len so­wie hilfs­wei­se für den Fall, dass die Auf­rech­nung in Höhe ei­nes Be­tra­ges von 1.047,29 Eu­ro nicht durch­greift, den Kläger zu ver­ur­tei­len, an die Be­klag­te wei­te­re 1.047,29 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu be­zah­len.
23 Der Kläger hat be­an­tragt
24 die Wi­der­kla­ge ab­zu­wei­sen.
25 Die Be­klag­te hat vor­ge­tra­gen, dass dem Kläger die Son­der­zu­wen­dung für das Jahr 2015 auf­grund ei­nes Ver­se­hens der Lohn­buch­hal­tung aus­be­zahlt wor­den sei. Sie ha­be al­ler­dings ei­nen Rück­for­de­rungs­an­spruch gemäß § 1 Abs. 2 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung über die Zah­lung ei­ner Son­der­zu­wen­dung so­wie aus be­rei­che­rungs­recht­li­chen Vor­schrif­ten. Der An­spruch sei noch nicht ver­fal­len, weil er erst mit dem Aus­schei­den des Klägers am 14. Ja­nu­ar 2016 fällig ge­wor­den und recht­zei­tig gel­tend ge­macht wor­den sei. Die Rück­for­de­rung sei be­reits mit den Ver­dienstab­rech­nun­gen für den Mo­nat Ja­nu­ar 2016 er­folgt, wel­che dem Kläger spätes­tens am 29. Ja­nu­ar 2016 zu­ge­gan­gen sei­en. Außer­dem ha­be sie ih­ren An­spruch mit Schrei­ben vom 25. Fe­bru­ar 2016 und per E-Mail vom 6. April 2016 gel­tend ge­macht. Die ta­rif­ver­trag­li­che Rück­zah­lungs­re­ge­lung sei auch wirk­sam. Die hier in Re­de ste­hen­de Son­der­zu­wen­dung knüpfe al­lein an die Be­triebs­treue an und stel­le kei­ne Vergütung für ge­leis­te­te Ar­beit dar. Der Kläger ha­be die Son­der­zu­wen­dung da­her auch nicht „ver­dient“. Vor die­sem Hin­ter­grund sei ei­ne Bin­dung bis zum 31. März des Fol­ge­jah­res nicht zu be­an­stan­den.
26 Mit Ur­teil vom 30. No­vem­ber 2016 hat das Ar­beits­ge­richt so­wohl der Kla­ge als auch der Wi­der­kla­ge statt­ge­ge­ben.
27 Zur Be­gründung hat es aus­geführt, dass der Kläger ei­nen An­spruch auf Zah­lung des Loh­nes für den Mo­nat Ja­nu­ar 2016 in Höhe von 1.047,29 Eu­ro net­to ha­be. Der An­spruch sei der Höhe nach un­strei­tig. Die von der Be­klag­ten kon­klu­dent erklärte Auf­rech­nung ver­s­toße al­ler­dings ge­gen das Ver­bot des § 394 BGB, weil sie Pfändungs­frei­gren­zen nicht be­ach­te.
28 Die Be­klag­te ha­be ih­rer­seits ei­nen Rück­zah­lungs­an­spruch aus § 1 Abs. 2 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung über die Zah­lung ei­ner Son­der­zu­wen­dung in Höhe von ins­ge­samt 1.540,29 Eu­ro (493,00 Eu­ro plus 1.047,29 Eu­ro). Kraft ein­zel­ver­trag­li­cher In­be­zug­nah­me fin­de die Ta­rif­ver­ein­ba­rung auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en An­wen­dung. Die Vor­aus­set­zun­gen der ta­rif­ver­trag­li­chen Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung lägen vor. Der Kläger sei auf­grund Ei­genkündi­gung und da­mit auf ei­ge­nen Wunsch be­reits vor dem 31. März des Fol­ge­jah­res 2016 aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­ge­schie­den. Die ta­rif­li­che Re­ge­lung sei auch wirk­sam. Dies gel­te selbst dann, wenn der Auf­fas­sung des Klägers ge­folgt wer­de, dass mit der Son­der­zu­wen­dung nicht nur Be­triebs­treue ho­no­riert, son­dern auch ge­leis­te­te Ar­beit vergütet wer­de. Son­der­zu­wen­dun­gen mit Misch­cha­rak­ter könn­ten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en wei­ter­hin wirk­sam re­geln. Den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en stünde bei der Norm­set­zung auf­grund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschütz­ten Ta­rif­au­to­no­mie ein wei­ter Ge­stal­tungs­spiel­raum zu. Die­se Grundsätze würden un­abhängig da­von gel­ten, durch wel­che Re­ge­lungs­tech­nik der be­tref­fen­de Ta­rif­ver­trag auf das Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­de. Die Ansprüche der Be­klag­ten sei­en auch nicht ver­fal­len. Zwar be­gin­ne die Frist grundsätz­lich mit dem Zeit­punkt der Über­zah­lung. Im vor­lie­gen­den Fall knüpfe § 1 Abs. 1 Ziff. 2 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung über die Zah­lung ei­ner Son­der­zu­wen­dung aber an das Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers an. Dies sei der 14. Ja­nu­ar 2016 ge­we­sen. Nach­dem die Frist da­mit am 14. April 2016 en­de und die Be­klag­te be­reits mit Schrei­ben vom 25. Fe­bru­ar 2016 den An­spruch nach Grund und Höhe hin­rei­chend deut­lich be­zeich­net ha­be, sei ein Ver­fall nicht ein­ge­tre­ten. Der Kläger könne sich auch nicht auf Ent­rei­che­rung nach § 818 Abs. 3 BGB be­ru­fen. So­weit ei­ne ta­rif­ver­trag­li­che Rück­zah­lungs­klau­sel exis­tie­re, könne dem Rück­zah­lungs­be­geh­ren ein Ent­rei­che­rungs­ein­wand nicht ent­ge­gen­ge­setzt wer­den.
29 Das Ur­teil wur­de dem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers am 20. De­zem­ber 2016 zu­ge­stellt.
30 Mit sei­ner am 3. Ja­nu­ar 2017 ein­ge­reich­ten und am 15. Fe­bru­ar 2017 be­gründe­ten Be­ru­fung wen­det sich der Kläger ge­gen die Ver­ur­tei­lung, die Son­der­zu­wen­dung 2015 an die Be­klag­te zurück­zu­be­zah­len.
31 Er sei schon des­halb nicht zur Rück­zah­lung ver­pflich­tet, weil die ta­rif­li­che Rück­zah­lungs­re­ge­lung un­wirk­sam sei. Die Son­der­zu­wen­dung die­ne zu­min­dest auch der Vergütung für ge­leis­te­te Ar­beit. Dies er­ge­be sich aus den Ta­rif­re­ge­lun­gen, wo­nach sich die Höhe der Son­der­zu­wen­dung um 1/12 für je­den Ka­len­der­mo­nat ver­min­de­re, für den der Be­diens­te­te kei­ne Bezüge er­hal­ten ha­be. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sei­en in­des dar­an ge­hin­dert, Ar­beit­neh­mern be­reits er­dien­te Vergütungs­ansprüche im Nach­hin­ein wie­der zu ent­zie­hen. Dies stel­le ei­nen ent­eig­nen­den Ein­griff dar, wel­cher außer­halb der Re­ge­lungs­macht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en läge. Die Be­klag­te könne sich auch nicht auf die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts be­ru­fen, zB aus dem Ur­teil vom 13. No­vem­ber 2013 (10 AZR 848/12), wo­nach ei­ne ta­rif­li­che Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung wirk­sam sei, die ei­nen Stich­tag in­ner­halb des Be­zugs­zeit­rau­mes ha­be. Im kon­kre­ten Fall lie­ge der Stich­tag außer­halb des Be­zugs­zeit­rau­mes, nämlich am 31. März des Fol­ge­jah­res.
32 Der Rück­for­de­rungs­an­spruch sei im Hin­blick auf die ta­rif­li­che Aus­schluss­frist des § 30 ETV auch ver­fal­len. Der An­spruch auf Rück­zah­lung zu viel ge­zahl­ten Ar­beits­ent­gel­tes wer­de im Zeit­punkt der Über­zah­lung fällig. Die noch in der Frist lie­gen­den Schrei­ben der Be­klag­ten vom 22. Ja­nu­ar 2016 und 25. Fe­bru­ar 2016 stell­ten kei­ne aus­rei­chen­de Gel­tend­ma­chung dar. Sie ent­behr­ten be­reits der Schrift­form. Zu­dem würden die­se nicht be­nen­nen, aus wel­chem Rechts­grund und in wel­cher Höhe zurück­ge­for­dert wer­de.
33 Außer­dem ha­be er den er­hal­te­nen Be­trag im Rah­men der alltägli­chen Le­bensführung ver­braucht und sei da­mit ent­rei­chert. Er könne sich auch auf den Ent­rei­che­rungs­ein­wand be­ru­fen. Durch die ta­rif­ver­trag­li­che Rück­zah­lungs­klau­sel sei dies nicht aus­ge­schlos­sen.
34 Das Ar­beits­ge­richt ha­be auch un­berück­sich­tigt ge­las­sen, dass die Be­klag­te die Aus­zah­lung der Son­der­zu­wen­dung in Kennt­nis sei­nes Aus­schei­dens ver­an­lasst ha­be. Das in Kennt­nis des Be­ste­hens ei­ner Nicht­schuld Ge­leis­te­te könne nicht zurück­ge­for­dert wer­den. Das Ver­hal­ten der Be­klag­ten sei treu­wid­rig. Dies gel­te erst recht vor dem Hin­ter­grund, dass die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 7. Ok­to­ber 2015 den Ein­gang der Kündi­gung bestätigt und die Ab­wick­lung des Ar­beits­verhält­nis­ses erläutert ha­be. Da­bei ha­be sie we­der dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ihm die Son­der­zu­wen­dung nicht zu­ste­he, noch dar­auf, dass sie be­ab­sich­ti­ge, die­se im Fal­le ei­ner Zah­lung wie­der zurück­zu­for­dern.
35 Der Kläger be­an­tragt:
36 Die Wi­der­kla­ge der Wi­derkläge­rin wird un­ter Abände­rung des am 30.11.2016 verkünde­ten Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Frei­burg - Kam­mern Of­fen­burg - Az.: 10 Ca 143/16, ab­ge­wie­sen.
37 Die Be­klag­te be­an­tragt:
38 Die Be­ru­fung des Klägers wird zurück­ge­wie­sen.
39 Sie ha­be die Son­der­zu­wen­dung ver­se­hent­lich aus­be­zahlt. Erst bei der endgülti­gen Ab­wick­lung des Ar­beits­verhält­nis­ses sei die Über­zah­lung auf­ge­fal­len. Ihr Ver­hal­ten sei da­her we­der wi­dersprüchlich noch treu­wid­rig. Ins­be­son­de­re er­ge­be sich aus ih­rem Schrei­ben vom 7. Ok­to­ber 2015 nicht, dass sie auf ei­nen Rück­for­de­rungs­an­spruch ver­zich­te.
40 Die ta­rif­li­che Rück­zah­lungs­klau­sel sei auch wirk­sam. Gra­ti­fi­ka­tio­nen würden häufig mit ei­ner Rück­zah­lungs­pflicht für den Fall ge­kop­pelt, dass Ar­beit­neh­mer zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­den würden. Er­rei­che die Gra­ti­fi­ka­ti­on die Höhe ei­nes Mo­nats­be­zu­ges, sei es dem Ar­beit­neh­mer zu­mut­bar, auf ei­ne Kündi­gung bis zum 31. März des nächs­ten Jah­res zu ver­zich­ten und erst zum nächstmögli­chen Ter­min zu kündi­gen. Auch nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu der Wirk­sam­keit von Rück­zah­lungs­klau­seln führe die ta­rif­li­che Re­ge­lung über die Ver­pflich­tung zur Rück­zah­lung der Zu­wen­dung beim Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers bis zum 31. März des Fol­ge­jah­res nicht zu ei­ner un­zulässig lan­gen Bin­dung des Ar­beit­neh­mers an sein Ar­beits­verhält­nis. Es sei an­er­kannt, dass Ta­rif­verträge nur im be­schränk­ten Um­fan­ge der ge­richt­li­chen In­halts­kon­trol­le un­terlägen, da sie von gleich­be­rech­tig­ten Part­nern des Ar­beits­le­bens aus­ge­han­delt würden und ei­ne In­sti­tu­ti­ons­ga­ran­tie nach Art. 9 Abs. 3 GG genössen. Sie sei­en nur dar­auf hin zu über­prüfen, ob sie ge­gen die Ver­fas­sung, zwin­gen­des Ge­set­zes­recht, die gu­ten Sit­ten oder tra­gen­den Grundsätze des Ar­beits­rechts ver­stießen.
41 Ihr Rück­zah­lungs­an­spruch sei auch nicht ver­fal­len. Der ta­rif­ver­trag­li­che Rück­zah­lungs­an­spruch knüpfe an das Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers an. Nach­dem der Kläger am 14. Ja­nu­ar 2016 aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­ge­schie­den sei, en­de die Aus­schluss­frist am 14. April 2016. Mit Schrei­ben vom 25. Fe­bru­ar 2016 ha­be sie ih­ren An­spruch wirk­sam gel­tend ge­macht. Sie ha­be erklärt, dass sich durch den Aus­tritt des Klägers ei­ne Über­zah­lung in Höhe von 493,00 Eu­ro er­ge­ben ha­be. Die­ses Schrei­ben sei dem Kläger selbst nach ei­ge­nem Vor­trag spätes­tens An­fang März 2016 zu­ge­gan­gen. Dem Schrei­ben sei­en über­dies die Ver­dienstab­rech­nun­gen vom 22. Ja­nu­ar 2016 bei­gefügt ge­we­sen. In die­sem Zu­sam­men­hang sei auf die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, wo­nach schrift­li­che Lohn­ab­rech­nun­gen dem Zweck der Aus­schluss­frist genügten, oh­ne dass es ei­ner wei­te­ren Gel­tend­ma­chung bedürfe, zu ver­wei­sen.
42 Das Ar­beits­ge­richt ha­be über­dies zu Recht ent­schie­den, dass ih­rem ta­rif­ver­trag­li­chen Rück­for­de­rungs­an­spruch die Ein­re­de der Ent­rei­che­rung nicht ent­ge­gen hal­ten wer­den könne. Selbst nach den Grundsätzen des Be­rei­che­rungs­rechts könne sich der Kläger nicht auf Ent­rei­che­rung be­ru­fen. Sie be­strei­te nämlich, dass der Kläger den Be­trag von 1.540,39 EUR ver­braucht ha­be. Ei­nen Be­weis für sei­ne Be­haup­tung ha­be der Kläger nicht an­ge­tre­ten.
43

Hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en wird gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 313 Abs. 2 ZPO auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze so­wie die Ver­hand­lungs­pro­to­kol­le ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

 

44

Die statt­haf­te und auch im Übri­gen zulässi­ge Be­ru­fung ist nicht be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat zu Recht ent­schie­den, dass der Kläger zur Rück­zah­lung der er­hal­te­nen Son­der­zu­wen­dung für das Jahr 2015 ver­pflich­tet ist.

I.

45

Die Be­ru­fung ist gemäß § 64 Abs. 2 Buch­sta­be b ArbGG statt­haft. Sie ist auch im Übri­gen zulässig, ins­be­son­de­re gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, § 519 ZPO in der ge­setz­li­chen Form und nach § 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ArbGG frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den. Der Kläger hat die Umstände be­zeich­net, aus de­nen sich die Rechts­ver­let­zung durch das an­ge­foch­te­ne Ur­teil und de­ren Er­heb­lich­keit für das Er­geb­nis der Ent­schei­dung er­gibt. Er hat sich ua. auf die Un­wirk­sam­keit des § 1 Abs. 2 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung über die Zah­lung ei­ner Son­der­zu­wen­dung und auf die aus sei­ner Sicht fal­sche An­wen­dung des § 30 ETV be­ru­fen.

II.

46 Die Be­ru­fung ist al­ler­dings un­be­gründet. Die Be­klag­te hat ei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung der Son­der­zu­wen­dung in der ein­ge­klag­ten Höhe gemäß § 1 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung über die Zah­lung ei­ner Son­der­zu­wen­dung, des­sen Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind (1.). Die Re­ge­lung hält ei­ner recht­li­chen Über­prüfung stand (2.). Der An­spruch ist nicht ver­fal­len (3.). Wei­te­re an­spruchs­hin­dern­de -oder ver­nich­ten­de Ein­wen­dun­gen lie­gen nicht vor (4.).
47 1. Der Rück­zah­lungs­an­spruch der Be­klag­ten folgt aus § 1 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2. der Ta­rif­ver­ein­ba­rung Nr. 500/501 über die Zah­lung ei­ner Son­der­zu­wen­dung vom 7. Ok­to­ber 1971.
48 a) Die Ver­ein­ba­rung fin­det auf das Ar­beits­verhält­nis kraft ein­zel­ver­trag­li­cher In­be­zug­nah­me gemäß der Ver­ein­ba­rung der Par­tei­en vom 30. Au­gust 1995 An­wen­dung.
49 b) Die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen des § 1 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung sind erfüllt. Der Kläger ist durch Ei­genkündi­gung und da­mit auf ei­ge­nen Wunsch am 14. Ja­nu­ar 2016, al­so vor dem 31. März 2016 (ein­sch­ließlich) aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­ge­schie­den, nach­dem er für das Ka­len­der­jahr 2015 ei­ne Son­der­zu­wen­dung er­hal­ten hat­te.
50 2. Die Rück­zah­lungs­re­ge­lung des § 1 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung
51 ist wirk­sam. Sie verstößt ins­be­son­de­re nicht ge­gen Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG.
52 a) Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­rich­tes un­ter­lie­gen Ta­rif­verträge le­dig­lich ei­ner Über­prüfung, ob sie ge­gen höher­ran­gi­ges Recht, al­so ge­gen die Ver­fas­sung, zwin­gen­des Ge­set­zes­recht, die gu­ten Sit­ten oder tra­gen­de Grundsätze des Ar­beits­rechts ver­s­toßen (BAG 18. Au­gust 1999 - 10 AZR 424/98 - Rn. 51, zi­tiert nach ju­ris; BAG 10. März 1992 - 3 AZR 153/51 - Rn. 30, zi­tiert nach ju­ris). Dies gilt auch dann, wenn ein Ta­rif­ver­trag - wie vor­lie­gend - von den Par­tei­en nur ein­zel­ver­trag­lich in Be­zug ge­nom­men wor­den ist (BAG 18. Au­gust 1999 -10 AZR 424/98 - Rn.51, zi­tiert nach ju­ris).
53 aa) Es kann da­hin­ste­hen, ob die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en bei der ta­rif­li­chen Norm­set­zung un­mit­tel­bar grund­rechts­ge­bun­den sind. Je­den­falls ver­pflich­tet die Schutz­pflicht­funk­ti­on der Grund­rech­te da­zu, den ein­zel­nen Grund­recht­sträger vor ei­ner un­verhält­nismäßigen Be­schränkung sei­ner Frei­heits­rech­te und ei­ner gleich­heits­wid­ri­gen Re­gel­bil­dung auch durch pri­vat­au­to­nom le­gi­ti­mier­te Norm­set­zung zu be­wah­ren. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben da­her bei der ta­rif­li­chen Norm­set­zung so­wohl den all­ge­mei­nen Gleich­heits­grund­satz des Art. 3 Abs. 1 GG und die Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­te des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG als auch die Frei­heits­grund­rech­te wie Art. 12 GG zu be­ach­ten (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - Rn. 21; 8. De­zem­ber 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 29; 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - zu II 2 der Gründe).
54 Al­ler­dings steht den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en bei ih­rer Norm­set­zung auf­grund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschütz­ten Ta­rif­au­to­no­mie ein wei­ter Ge­stal­tungs­spiel­raum zu, über den Ar­beits­ver­trags- und Be­triebs­par­tei­en nicht in glei­chem Maße verfügen. Ih­nen kommt ei­ne Einschätzungs­präro­ga­ti­ve zu, so­weit die tatsächli­chen Ge­ge­ben­hei­ten, die be­trof­fe­nen In­ter­es­sen und die Re­ge­lungs­fol­gen zu be­ur­tei­len sind (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - Rn. 21). Darüber hin­aus verfügen sie über ei­nen Be­ur­tei­lungs- und Er­mes­sens­spiel­raum hin­sicht­lich der in­halt­li­chen Ge­stal­tung der Re­ge­lung (BAG 8. De­zem­ber 2010 - 7 AZR 438/09 – Rn. 29; 4. Mai 2010 - 9 AZR 181/09 - Rn. 23). Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sind nicht ver­pflich­tet, die je­weils zweckmäßigs­te, vernünf­tigs­te oder ge­rech­tes­te Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die ge­trof­fe­ne Re­ge­lung ein sach­lich ver­tret­ba­rer Grund vor­liegt (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 107/09 – Rn. 21).
55 bb) Ein Ver­s­toß ge­gen den Gleich­heits­satz des Art. 3 GG ist vor die­sem Hin­ter­grund erst dann an­zu­neh­men, wenn die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en es versäumt ha­ben, tatsächli­che Ge­mein­sam­kei­ten oder Un­ter­schie­de der zu ord­nen­den Le­bens­verhält­nis­se zu berück­sich­ti­gen, die so be­deut­sam sind, dass sie bei ei­ner am Ge­rech­tig­keits­ge­dan­ken ori­en­tier­ten Be­trach­tungs­wei­se hätten be­ach­tet wer­den müssen. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en dürfen bei der Grup­pen­bil­dung ge­ne­ra­li­sie­ren und ty­pi­sie­ren. Die Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­ma­le müssen al­ler­dings im Norm­zweck an­ge­legt sein und dürfen ihm nicht wi­der­spre­chen (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - Rn. 22 mwN).
56 cc) Auch bei der Prüfung, ob ei­ne Ta­rif­norm ge­gen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt, ist der wei­te Ge­stal­tungs­spiel­raum der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zu berück­sich­ti­gen. Die­ser ist erst über­schrit­ten, wenn die Re­ge­lung auch un­ter Berück­sich­ti­gung der grund­ge­setz­lich gewähr­leis­te­ten Ta­rif­au­to­no­mie (Art. 9 Abs. 3 GG) und der dar­aus re­sul­tie­ren­den Einschätzungs­präro­ga­ti­ve der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die be­ruf­li­che Frei­heit der Ar­beit­neh­mer un­verhält­nismäßig ein­schränkt (BAG 12. De­zem­ber 2012 - 10 AZR 718/11 – Rn. 34; 19. De­zem­ber 2006 - 9 AZR 356/06 - Rn. 35 und 37).
57 b) Hier­an ge­mes­sen hält die Rück­zah­lungs­re­ge­lung des § 1 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung ei­ner recht­li­chen Über­prüfung stand.
58 aa) Bei der streit­ge­genständ­li­chen Son­der­zu­wen­dung han­delt es sich um ei­ne Leis­tung mit Misch­cha­rak­ter. Die Kürzungs­vor­schrift des § 3 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung zeigt, dass die Son­der­zu­wen­dung Vergütungs­cha­rak­ter auf­weist. Denn da­nach ver­min­dert sich die Zu­wen­dung um 1/12 für je­den Ka­len­der­mo­nat, für den der Be­diens­te­te kei­ne Bezüge er­hal­ten hat, so­fern er nicht während des gan­zen Ka­len­der­jah­res Bezüge von dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber er­hal­ten hat. Gleich­zei­tig wird mit der Son­der­zah­lung Be­triebs­treue ho­no­riert. Dies be­legt die Stich­tags­re­ge­lung in § 1 Nr. 1, die ei­nen Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses am 1. De­zem­ber ver­langt (sie­he zu die­sen Kri­te­ri­en BAG 12. De­zem­ber 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 36).
59 bb) An­ge­sichts die­ser Zwe­cke, die mit der Jah­res­son­der­zah­lung ver­folgt wer­den, wird Art. 3 Abs. 1 GG nicht ver­letzt. Denn die Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen Beschäftig­ten, die bis ein­sch­ließlich 31. März des fol­gen­den Jah­res aus ei­ge­nem Ver­schul­den oder auf ei­ge­nen Wunsch aus dem Beschäfti­gungs- oder Aus­bil­dungs­verhält­nis aus­schei­den und Beschäftig­ten, de­ren Ar­beits­verhält­nis am 31. März des Fol­ge­jah­res noch be­steht, ist sach­lich ge­recht­fer­tigt. Ih­ren Zweck, Be­triebs­treue zu be­loh­nen und die Mit­ar­bei­ter auch für die Zu­kunft zu re­ger und en­ga­gier­ter Mit­ar­beit zu mo­ti­vie­ren, kann die Jah­res­son­der­zah­lung bei be­reits aus­ge­schie­de­nen Ar­beit­neh­mern nicht erfüllen. Dies hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt für ei­ne in­ner­halb des Be­zugs­zeit­raums lie­gen­de Klau­sel be­reits ent­schie­den (BAG 12. De­zem­ber 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 37 für ei­nen Stich­tag am 1. De­zem­ber). An der sach­li­chen Recht­fer­ti­gung der Re­ge­lung ändert sich al­ler­dings auch nichts da­durch, dass es sich vor­lie­gend um ei­ne Rück­zah­lungs­klau­sel han­delt, die auf den 31. März des Fol­ge­jah­res ab­stellt. Auch bei Mit­ar­bei­tern, die zu die­sem Zeit­punkt aus­schei­den, kann die Zah­lung ih­ren Zweck hin­sicht­lich der zukünf­ti­gen Be­triebs­treue nicht mehr erfüllen. Der Ge­stal­tungs­spiel­raum der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en wird mit der im Streit ste­hen­den Re­ge­lung da­mit nicht über­schrit­ten.
60 cc) Die Re­ge­lung verstößt auch nicht ge­gen Art. 12 Abs. 1 GG.
61 (1) Zwar greift § 1 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung in die Be­rufs­frei­heit der Ar­beit­neh­mer ein. Ar­ti­kel 12 Abs. 1 GG schützt mit der Frei­heit der Ar­beits­platz­wahl auch den Ent­schluss des ein­zel­nen Ar­beit­neh­mers, an wel­cher Stel­le er dem gewähl­ten Be­ruf nach­ge­hen möch­te. Dies um­fasst sei­ne Ent­schei­dung, ei­ne kon­kre­te Beschäfti­gungsmöglich­keit in ei­nem gewähl­ten Be­ruf bei­zu­be­hal­ten oder auf­zu­ge­ben (BVerfG 24. April 1991 - 1 BVR 1341/90 zu C III 1. d. Gründe, Rn. 60, zi­tiert nach ju­ris). Die­se Frei­heit wird durch § 1 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung be­ein­träch­tigt, weil mit die­ser Re­ge­lung die selbst­be­stimm­te Ar­beits­platz­auf­ga­be des Ar­beit­neh­mers verzögert oder ver­hin­dert wer­den soll.
62 (2) Der Ein­griff in Art. 12 Abs. 1 GG ist je­doch sach­lich ge­recht­fer­tigt.
63 Der Rück­zah­lungs­re­ge­lung liegt ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se der Ar­beit­ge­ber zu Grun­de. Sie ver­folgt das le­gi­ti­me Ziel, die Ar­beit­neh­mer zur Be­triebs­treue an­zu­hal­ten. Sie ist zur Er­rei­chung die­ses Ziels ge­eig­net, denn sie schafft ei­nen An­reiz für Ar­beit­neh­mer, von ei­ner an sich statt­haf­ten Kündi­gungsmöglich­keit kei­nen oder nur verzöger­ten Ge­brauch zu ma­chen.
64 Es ist auch kein an­de­res gleich wirk­sa­mes, aber die Be­rufs­frei­heit des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers we­ni­ger ein­schränken­des Mit­tel er­sicht­lich, um die­sen an der Ar­beits­platz­auf­ga­be zu hin­dern (BAG 12. De­zem­ber 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 41).
65 Die Be­schränkung der Be­rufs­frei­heit der Ar­beit­neh­mer ist auch an­ge­mes­sen.
66 (a) Hin­sicht­lich ei­ner Stich­tags­re­ge­lung in­ner­halb des Be­zugs­zeit­raums, kon­kret zu § 20 Abs. 1 TVöD, der für die Zah­lung ei­ner Son­der­zu­wen­dung ein be­ste­hen­des Ar­beits­verhält­nis am 1. De­zem­ber des je­wei­li­gen Jah­res ver­langt, hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt in sei­ner neue­ren Recht­spre­chung ei­ne an­ge­mes­se­ne Be­schränkung der Be­rufs­frei­heit an­ge­nom­men. Die Stich­tags­re­ge­lung ent­fal­te ei­ne ver­gleichs­wei­se kur­ze Bin­dungs­wir­kung, weil sie le­dig­lich das Be­ste­hen, nicht aber den un­gekündig­ten Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses am 1. De­zem­ber ver­lan­ge. Da­mit könne der Ar­beit­neh­mer zum 31. De­zem­ber ei­nes Jah­res kündi­gen, oh­ne die Jah­res­son­der­zah­lung zu ver­lie­ren. Ei­ne sol­che Bin­dung sei auch des­halb nicht zu be­an­stan­den, weil es sich beim 31. De­zem­ber um das En­de des Zeit­rau­mes han­de­le, für den die Jah­res­son­der­zah­lung gewährt wer­de. Der An­ge­mes­sen­heit der Stich­tags­re­ge­lung ste­he nicht ent­ge­gen, dass mit der Jah­res­son­der­zah­lung nicht nur Be­triebs­treue ho­no­riert wer­de, son­dern auch die vom Ar­beit­neh­mer er­brach­te Ar­beits­leis­tung vergütet wer­den sol­le. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en über­schrit­ten den ih­nen zu­ste­hen­den Ge­stal­tungs­spiel­raum nicht, wenn sie Son­der­zah­lun­gen, die so­wohl ei­ne Ge­gen­leis­tung für die er­brach­te Ar­beits­leis­tung dar­stell­ten als auch der Ho­no­rie­rung von Be­triebs­treue dien­ten, vom Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses an ei­nem be­stimm­ten Stich­tag im Be­zugs­zeit­raum abhängig mach­ten. Ei­ner Aus­nah­me für die Ar­beit­neh­mer, die nicht auf ei­ge­ne Ver­an­las­sung, son­dern aus an­de­ren Gründen vor dem Stich­tag aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­ge­schie­den sei­en, ha­be es nicht be­durft. Es sei noch ge­recht­fer­tigt, wenn die Ta­rif­re­ge­lung in­so­weit nicht dif­fe­ren­zie­re, son­dern pau­scha­lie­re (BAG 12. De­zem­ber 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 41).
67 Zu der hier strei­ti­gen Fra­ge, ob ei­ne Bin­dung mit ei­nem Stich­tag außer­halb des Be­zugs­zeit­rau­mes an­ge­mes­sen sein kann, verhält sich die Ent­schei­dung nicht.
68 (b) Die er­ken­nen­de Kam­mer ist der Auf­fas­sung, dass die hier streit­ge­genständ­li­che Re­ge­lung eben­falls noch mit der Be­rufs­frei­heit der Ar­beit­neh­mer ver­ein­bar ist, weil auch sie ei­ne noch an­ge­mes­se­ne Be­schränkung dar­stellt.
69 (aa) Für ei­nen Stich­tag außer­halb des Be­zugs­zeit­raums hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt für Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ent­schie­den, dass ent­stan­de­ne Ansprüche auf Ar­beits­ent­gelt für ei­ne be­reits er­brach­te Ar­beits­leis­tung von den Be­triebs­par­tei­en nicht un­ter die auflösen­de Be­din­gung des Be­ste­hens ei­nes un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis­ses zu ei­nem Stich­tag nach Ab­lauf des Leis­tungs­zeit­raums ge­stellt wer­den können (BAG 12 April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 27). Ei­ne sol­che Re­ge­lung schränke die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­te Be­rufs­frei­heit des Ar­beit­neh­mers übermäßig ein und hal­te der ge­bo­te­nen Verhält­nismäßig­keitsprüfung nicht stand (BAG aaO Rn. 29). Die Vor­ent­hal­tung ei­ner be­reits ver­dien­ten Ar­beits­vergütung sei stets ein un­an­ge­mes­se­nes Mit­tel, die selbst­be­stimm­te Ar­beits­platz­auf­ga­be zu verzögern oder zu ver­hin­dern. Mit ihr sei­en Be­las­tun­gen für den Ar­beit­neh­mer ver­bun­den, die un­ter Berück­sich­ti­gung der be­rech­tig­ten In­ter­es­sen ei­nes Ar­beit­ge­bers nicht zu recht­fer­ti­gen sei­en (BAG aaO Rn. 33).
70 Die glei­che Rechts­fol­ge - Un­wirk­sam­keit ei­ner der­ar­ti­gen Re­ge­lung - hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen an­ge­nom­men. Ei­ne Son­der­zah­lung, die je­den­falls auch Vergütung für be­reits er­brach­te Ar­beits­leis­tung dar­stel­le, könne nicht vom un­gekündig­ten Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses zu ei­nem Zeit­punkt außer­halb des Be­zugs­zeit­rau­mes, in dem die Ar­beits­leis­tung er­bracht wor­den sei, abhängig ge­macht wer­den. Ei­ne der­ar­ti­ge Stich­tags­klau­sel ste­he im Wi­der­spruch zum Grund­ge­dan­ken des § 611 Abs. 1 BGB, in­dem sie dem Ar­beit­neh­mer be­reits er­ar­bei­te­ten Lohn ent­zie­he. Sie verkürze außer­dem in nicht zu recht­fer­ti­gen­der Wei­se die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­te Be­rufs­frei­heit des Ar­beit­neh­mers, weil sie die Ausübung sei­nes Kündi­gungs­rechts un­zulässig er­schwe­re (BAG 13. No­vem­ber 2013 - 10 AZR 848/12 - Rn. 23; 18. Ja­nu­ar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 22 und 23).
71 Neue­re Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu ta­rif­li­chen Rück­zah­lungs­klau­seln mit Stich­ta­gen außer­halb des Be­zugs­zeit­raums exis­tiert nicht. In ei­ner Ent­schei­dung aus dem Jahr 1995 den Ta­rif­ver­trag über ei­ne Zu­wen­dung für An­ge­stell­te (BAT/Zu­wendTV) vom 12. Ok­to­ber 1973 be­tref­fend hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt al­ler­dings ent­schie­den, dass § 1 Abs. 5 Zu­wendTV, wel­cher der hier streit­ge­genständ­li­chen Re­ge­lung im We­sent­li­chen ent­spricht (Son­der­zu­wen­dung mit Misch­cha­rak­ter, Bin­dung bis zum 31. März des Fol­ge­jah­res), nicht zu ei­ner un­zulässig lan­gen Bin­dung des An­ge­stell­ten an sein Ar­beits­verhält­nis führe (BAG 11. Ja­nu­ar 1995 - 10 AZR 180/94 - Rn. 38). Es sei in der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts an­er­kannt, dass Ta­rif­verträge nur in be­schränk­tem Um­fan­ge der ge­richt­li­chen In­halts­kon­trol­le un­terlägen, da sie von gleich­be­rech­tig­ten Part­nern des Ar­beits­le­bens aus­ge­han­delt würden und ei­ne In­sti­tu­ti­ons­ga­ran­tie nach Art. 9 Abs. 3 GG genössen. Es sei nur dar­auf hin zu über­prüfen, ob sie ge­gen die Ver­fas­sung, zwin­gen­des Ge­set­zes­recht, die gu­ten Sit­ten oder tra­gen­de Grundsätze des Ar­beits­rechts ver­stießen (BAG, aaO, Rn. 39). Da die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ei­ne Re­ge­lung ge­trof­fen hätten, die da­zu führe, dass der Ar­beit­neh­mer ei­ne jähr­li­che Zu­wen­dung er­hal­te, die et­wa ei­nem Mo­nats­ver­dienst zum Aus­zah­lungs­zeit­punkt entspräche, hätten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ein an­ge­mes­se­nes Verhält­nis zwi­schen der Bin­dungs­dau­er und der Höhe der dem An­ge­stell­ten gewähr­ten Zu­wen­dung ge­wahrt (BAG aaO Rn. 41).
72 (bb) Un­ter Aus­wer­tung der auf­geführ­ten höchst­rich­ter­li­chen Ent­schei­dun­gen kommt das er­ken­nen­de Ge­richt zu dem Er­geb­nis, dass ei­ne ta­rif­li­che Rück­zah­lungs­re­ge­lung für ei­ne Son­der­zu­wen­dung mit Misch­cha­rak­ter in Höhe von et­wa ei­nem Mo­nats­ver­dienst, die ei­nen Stich­tag bis ein­sch­ließlich 31. März des Fol­ge­jah­res vor­sieht, noch an­ge­mes­sen ist. Ei­ne der­ar­ti­ge Re­ge­lung stellt ei­nen verhält­nismäßigen Aus­gleich zwi­schen dem In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers, den Ar­beit­neh­mer zu bin­den und der Be­rufs­frei­heit des Ar­beit­neh­mers dar. Ins­be­son­de­re verändert das „Kernar­gu­ment“ des Klägers, dass mit der Rück­zah­lungs­re­ge­lung in das ver­trag­li­che Sy­nal­lag­ma ein­ge­grif­fen wer­de und dem Ar­beit­neh­mer be­reits ver­dien­te Ansprüche wie­der ent­zo­gen würden, die Be­wer­tung der Kam­mer nicht. Auch bei ei­ner Stich­tags­re­ge­lung in­ner­halb des Be­zugs­zeit­rau­mes wird bei ei­ner Zah­lung mit Misch­cha­rak­ter in be­reits ver­dien­te Ansprüche ein­ge­grif­fen. So um­fasst ein Stich­tag am 1. De­zem­ber im­mer­hin 11 „ver­dien­te“ Mo­na­te. Ei­ne der­ar­ti­ge Re­ge­lung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt in sei­ner jünge­ren Recht­spre­chung wie aus­geführt für zulässig ge­hal­ten (BAG, 12. De­zem­ber 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 40). Wenn im Ver­gleich da­zu der Bin­dungs­zeit­raum bis ein­sch­ließlich 31. März des Fol­ge­jah­res verlängert wird, fin­det kei­ne der­art mas­si­ve Ver­schie­bung statt, dass die Abwägung an­ders aus­zu­fal­len hätte. Ins­be­son­de­re ist die gewähl­te Länge der Bin­dung noch an­ge­mes­sen, da im ers­ten Quar­tal des Fol­ge­jah­res häufig noch Vergütungs­ansprüche ab­ge­rech­net wer­den, die im Vor­jahr ver­dient wur­den.
73 Bei der Über­prüfung der An­ge­mes­sen­heit ist über­dies zu berück­sich­ti­gen, dass ta­rif­li­che Re­ge­lun­gen in al­ler Re­gel ein Ge­samt­pa­ket dar­stel­len, das aus ei­nem „Ge­ben und Neh­men“ der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en be­steht. Die iso­lier­te Un­wirk­sam­keits­erklärung ei­ner ein­zel­nen Re­ge­lung muss da­her der Aus­nah­me­fall blei­ben. Der Spiel­raum der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ist groß, weil die Rück­zah­lung von Gra­ti­fi­ka­tio­nen im Zu­sam­men­hang mit dem übri­gen ta­rif­li­chen Ent­gelt­sys­tem steht (so aus­drück­lich Löwisch/Rieb­le, Ta­rif­ver­trags­ge­setz 4. Aufl., Rn. 2359).
74 Des Wei­te­ren spielt für die Wer­tung der Kam­mer ei­ne Rol­le, dass die Rück­zah­lungs­klau­sel aus­sch­ließlich an Aus­schei­den­stat­bestände an­knüpft, die in der Sphäre des Ar­beit­neh­mers lie­gen. Sie kommt le­dig­lich dann zur An­wen­dung, wenn der Ar­beit­neh­mer aus ei­ge­nem Ver­schul­den oder auf ei­ge­nen Wunsch aus dem Beschäfti­gungs­verhält­nis aus­schei­det. In die­ser Hin­sicht ist die Re­ge­lung - aus Ar­beit­neh­mer­per­spek­ti­ve - güns­ti­ger als § 20 TVöD, der ge­ra­de kei­ne Aus­nah­me für die Ar­beit­neh­mer, die nicht auf ei­ge­ne Ver­an­las­sung, son­dern aus an­de­ren Gründen vor dem Stich­tag aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­ge­schie­den sind, vor­sieht. Die ent­spre­chen­de Re­ge­lung kommt im vor­lie­gen­den Fall dem­ent­spre­chend auch nur aus ei­nem in der Sphäre des Klägers lie­gen­den Grund zum Tra­gen: Der Kläger ist we­gen sei­ner Ei­genkündi­gung und darüber hin­aus nur des­we­gen ei­nem Rück­zah­lungs­an­spruch aus­ge­setzt ist, weil er ent­ge­gen § 28 Abs. 1 ETV nicht mit der zu­tref­fen­den sechs­mo­na­ti­gen Kündi­gungs­frist zum 30. April 2016 gekündigt hat, wel­che ihm die Son­der­zu­wen­dung be­las­sen hätte, son­dern mit ei­ner verkürz­ten drei­ein­halb-mo­na­ti­gen Kündi­gungs­frist.
75 Ein an­ge­mes­se­nes Verhält­nis zwi­schen der Bin­dungs­dau­er und der Höhe der dem Ar­beit­neh­mer gewähr­ten Zu­wen­dung wird durch die Ta­rif­ver­ein­ba­rung über ei­ne Son­der­zu­wen­dung da­mit ge­wahrt. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben den ih­nen zu­ste­hen­den Ge­stal­tungs­spiel­raum nicht über­schrit­ten.
76 Nach­dem wei­te­re Un­wirk­sam­keits­gründe nicht er­sicht­lich sind, ist die Rück­zah­lungs­re­ge­lung des § 1 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung über die Zah­lung ei­ner Son­der­zu­wen­dung wirk­sam.
77 3. Der Rück­zah­lungs­an­spruch der Be­klag­ten ist auch nicht auf­grund § 30 ETV ver­fal­len. Denn die Be­klag­te hat den An­spruch je­den­falls mit ih­rem Schrei­ben vom 6. April 2016 frist­ge­recht gel­tend ge­macht.
78 a) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers be­gann die Aus­schluss­frist des § 30 ETV mit sei­nem Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis am 14. Ja­nu­ar 2016 zu lau­fen und en­de­te dem­ent­spre­chend am 14. April 2016.
79 Wann ei­ne Aus­schluss­frist zu lau­fen be­ginnt, hängt vom In­halt der Ver­ein­ba­rung ab (Kütt­ner/Schmidt 24. Aufl., Stich­wort Aus­schluss­frist Rn. 17). § 30 ETV for­mu­liert, dass die Aus­schluss­frist von drei Mo­na­ten nach Ent­ste­hen des An­spruchs schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den muss. So­weit in Ta­rif­verträgen von der Ent­ste­hung des An­spruchs die Re­de ist, wird oft sei­ne Fällig­keit ge­meint sein (BAG 9. Au­gust 1990 - 2 AZR 579/89 - Rn. 40; ErfK/Preis. 17. Aufl. BGB § 218 Rn. 52). Dem Kläger ist dar­in Recht zu ge­ben, dass der An­spruch auf Rück­zah­lung zu viel ge­zahl­ten Ar­beits­ent­gelts grundsätz­lich im Zeit­punkt der Über­zah­lung fällig wird (Kütt­ner/Schmidt, aaO, Rn. 18). Vor­lie­gend re­gelt § 1 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung al­ler­dings, dass maßgeb­li­ches Kri­te­ri­um für die Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung das „Aus­schei­den“ des Ar­beit­neh­mers aus dem Beschäfti­gungs­verhält­nis ist. Fällig wer­den kann die Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung al­so erst mit dem Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers. Be­reits auf­grund des ein­deu­ti­gen Wort­lauts der Vor­schrift ist da­mit für den Lauf der Ver­fall­frist an das Aus­schei­den und nicht, wie der Kläger meint, an die Über­zah­lung an­zu­knüpfen.
80 In sei­ner Ar­gu­men­ta­ti­on, dass auf­grund sei­ner Ei­genkündi­gung zum Zeit­punkt der Zah­lung be­reits klar ge­we­sen sei, dass er aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­de, über­sieht der Kläger, dass auch ei­ne aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung nicht zwangsläufig zum Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis führen muss. So ist zB denk­bar, dass die Par­tei­en nach er­folg­ter Kündi­gung die­se ein­ver­nehm­lich „wie­der aus der Welt schaf­fen“. In­so­fern ist dem Ar­beits­ge­richt dar­in zu fol­gen, dass erst mit dem Aus­schei­den des Klägers aus dem Ar­beits­verhält­nis fest­steht, ob es zu ei­ner Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung kommt. Ob es hier­bei auf das tatsächli­che oder das recht­li­che Aus­schei­den an­kommt, braucht im vor­lie­gen­den Zu­sam­men­hang nicht ent­schie­den zu wer­den. Bei­de Zeit­punk­te lie­gen hier am 14. Ja­nu­ar 2016.
81 b) Durch das per E-Mail über­mit­tel­te Schrei­ben vom 6. April 2016 hat die Be­klag­te ih­ren An­spruch auf Rück­zah­lung auch form- und in­halts­ge­recht gel­tend ge­macht. Ein An­spruch kann „schrift­lich“ auch per E-Mail gel­tend ge­macht wer­den (BAG 6. De­zem­ber 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 37). In dem Schrei­ben hat die Be­klag­te ih­ren An­spruch über­dies nach Grund und Höhe hin­rei­chend deut­lich be­zeich­net und spe­zi­fi­ziert. Sie hat deut­lich ge­macht, wel­cher Be­trag ihr noch zu­steht und ih­re dies­bezügli­che Be­rech­nung dar­ge­legt (sie­he zu die­sen Er­for­der­nis­sen BAG 17. März 2016 - 6 AZR 133/15 - Rn. 42; 11. De­zem­ber 2003 - 6 AZR 539/02 - Rn. 29).
82 4. Auch die wei­te­ren Ein­wen­dun­gen des Klägers führen nicht da­zu, dass ein Rück­zah­lungs­an­spruch der Be­klag­ten nicht bestünde.
83 a) Der Kläger kann sich nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, er sei im Sin­ne des § 818 Abs. 3 BGB ent­rei­chert. So­weit nämlich ei­ne ta­rif­ver­trag­li­che Rück­zah­lungs­klau­sel exis­tiert, kann ihr nicht der Ent­rei­che­rungs­ein­wand des § 818 Abs. 3 BGB ent­ge­gen ge­setzt wer­den. Ha­ben die Par­tei­en für den Fall, dass die Leis­tun­gen zurück­ge­for­dert wer­den sol­len, ta­rif­ver­trag­li­che Ab­re­den ge­trof­fen, ist für die An­wen­dung des § 818 Abs. 3 BGB kein Raum, denn in die­sem Fall ist der An­spruch auf Rücker­stat­tung des zu­ge­flos­se­nen Vor­teils kein Be­rei­che­rungs­an­spruch, son­dern ein (ta­rif-)ver­trag­li­cher Rück­gewähran­spruch (LAG Frank­furt, 27. März 1992 - 9 Sa 854/91, Leit­satz Ziff. 1, zi­tiert nach Ju­ris; MüKo BGB/Schwab 7. Aufl. § 818 BGB Rn. 131). War­um der Kläger meint, dass er sich bei ei­ner ta­rif­ver­trag­li­chen Rück­zah­lungs­klau­sel auf ei­ne Ent­rei­che­rung be­ru­fen kann, wird von die­sem nicht näher be­gründet und er­sch­ließt sich auch nicht. Be­reits nor­men­sys­te­ma­tisch ist ei­ne Be­ru­fung auf 818 Abs. 3 BGB nur dann möglich, wenn ein An­spruch aus un­ge­recht­fer­tig­ter Be­rei­che­rung im Sin­ne der §§ 812 ff. BGB gel­tend ge­macht wird.
84 b) Ein treu­wid­ri­ges Ver­hal­ten der Be­klag­ten ver­mag die Kam­mer nicht zu er­ken­nen. Wie be­reits zur Fra­ge des Ver­falls ei­nes et­wai­gen Rück­for­de­rungs­an­spru­ches aus­geführt, steht die Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung erst mit dem Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers fest. So­weit die Be­klag­te dem Kläger auf­grund Be­ste­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses am 1. De­zem­ber 2015 die Son­der­zu­wen­dung aus­ge­zahlt hat, hat sie schlicht nichts an­de­res ge­tan, als sich an die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen der Ta­rif­ver­ein­ba­rung zu hal­ten. Wenn der Kläger zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt aus­schei­det und da­mit die Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung ent­steht, kann dies vor die­sem Hin­ter­grund kein treu­wid­ri­ges Ver­hal­ten dar­stel­len; das Ver­hal­ten der Be­klag­ten folgt viel­mehr den Re­ge­lun­gen der Ta­rif­ver­ein­ba­rung. Oh­ne Hin­zu­tre­ten wei­te­rer Umstände, zu de­nen vom Kläger nichts wei­ter vor­ge­tra­gen ist, lässt sich da­mit ei­ne Treu­wid­rig­keit der Be­klag­ten nicht fest­stel­len.
85 c) So­weit der Kläger meint, dass ei­ne Rück­for­de­rung aus­ge­schlos­sen sei, weil die Be­klag­ten die Son­der­zu­wen­dung in Kennt­nis des Aus­schei­dens ge­leis­tet ha­be, gilt das eben Ge­sag­te. Im Übri­gen fin­det die Norm des § 814 BGB, wel­cher der Ar­gu­men­ta­ti­on des Klägers zu­grun­de liegt, bei ei­nem ta­rif­ver­trag­li­chen Rück­zah­lungs­an­spruch kei­ne An­wen­dung, denn auf Grund sei­ner tat­be­stand­li­chen Fas­sung steht § 814 BGB nur Leis­tungs­kon­dik­tio­nen und in­ner­halb der Leis­tungs­kon­dik­tio­nen prak­tisch nur der con­dic­tio in­de­bi­ti ent­ge­gen. Ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung auf an­de­re Leis­tungs­kon­dik­tio­nen oder gar auf Nicht­leis­tungs­kon­dik­tio­nen ist ab­zu­leh­nen (Be­ckOK BGB/Wen­de­horst BGB § 814 Rn. 2 mwN).
86 d) Das Schrei­ben der Be­klag­ten vom 7. Ok­to­ber 2015 ist für die Be­wer­tung des vor­lie­gen­den Sach­ver­halts oh­ne Be­lang. Es verhält sich nicht zu ei­ner Son­der­zu­wen­dung und schließt ins­be­son­de­re die Rück­for­de­rung der­sel­ben nicht aus.
87 5. Die Höhe des rück­zu­zah­len­den Be­tra­ges ist zwi­schen den Par­tei­en nicht strei­tig. Zin­sen hat das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend aus Ver­zug gemäß §§ 286 Abs. 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB zu­ge­spro­chen.
88

Nach al­le­dem hat das Ar­beits­ge­richt den Kläger zu Recht zur Rück­zah­lung der Son­der­zu­wen­dung ver­ur­teilt. Die Be­ru­fung ist zurück­zu­wei­sen.

III.

89 Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­ruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, weil die hier ent­schei­dungs­er­heb­li­che Rechts­fra­ge grundsätz­li­che Be­deu­tung hat. Zur Fra­ge, wel­che Bin­dungs­dau­er ei­ne ta­rif­ver­trag­li­che Rück­zah­lungs­klau­sel auf­wei­sen darf, gibt es - so­weit er­sicht­lich - kei­ne neue­re Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts.
90 Dr. Gohm
Holl
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