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LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.07.2016, 20 Sa 639/16 20 Sa 975/16
Schlagworte: | Unpfändbarkeit von Zulagen | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 20 Sa 639/16 20 Sa 975/16 |
|
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 20.07.2016 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 18.03.2016, 31 Ca 1437/16 nachgehend: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.08.2017, 10 AZR 859/16 |
|
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
20 Sa 639/16
20 Sa 975/16
31 Ca 1437/16
Arbeitsgericht Berlin
Verkündet am
20. Juli 2016
….
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
- Beklagte, Berufungsklägerin und
Anschlussberufungsbeklagte -
- Klägerin, Berufungsbeklagte und
Anschlussberufungsklägerin -
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 20. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2016 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht R. als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Frau H. und Frau W.
für Recht erkannt:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil gegen das Arbeitsgerichts Berlin vom 18.03.2016 - 31 Ca 1437/16 - wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 175,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 147,00 EUR netto seit dem 01.03.2016 und aus 28,00 EUR netto seit dem 01.04.2016 zu zahlen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob Ansprüche des Klägers auf Zahlung der Wechselschichtzulage und auf Zahlung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und zuletzt auch Samstagsarbeit von einer Abtretungserklärung erfasst sind und im Zusammenhang damit, ob sie unpfändbar sind.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 15.03.2010 in der Sozialstation M. H. als Hauspflegerin 32 Wochenstunden tätig. Auf den Arbeitsvertrag der Parteien (vgl. Bl. 5-6 d. A.) wird Bezug genommen. Gem. Ziffer 2 des Vertrages gilt der Tarifvertrag des Landesverbandes der V. und der Sozialdienste der V..
Der Tarifvertrag vom 16.11.2009 zwischen dem V. Landesverband Berlin, der Sozialdienste der V. und ver.di (im weiteren TV VS 2009) sieht gem. § 8 Ausgleich für Sonderformen der Arbeit Zuschläge für Überstunden (25%), Nachtarbeit (20%), Sonntagsarbeit (40%), Arbeit an Feiertagen (ohne Freizeitausgleich 140%, mit Freizeitausgleich 40%) und Rufbereitschaft (25%). Weiter besteht ein Anspruch auf Wechselschichtzulage (§ 8 Abs. 2 TV VS 2009) und einer Zulage für Dienste mit Unterbrechung von mehr als 2 Stunden (§ 8 Abs. 3 in Verbindung mit § 7 Abs. 8 TV VS 2009). Hinsichtlich der weiteren Regelungen des TV VS 2009 wird auf Blatt 7 – 15R der Akten verwiesen. Am 05.01.2016 wurde der Änderungstarifvertrag Nr. 2 zum TV VS 2009 zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbart. Dort ist ein Zuschlag für Arbeit an Samstagen von 6:00 Uhr bis 21.00 Uhr in Höhe von 7,5% vereinbart.
Über das Vermögen der Klägerin wurde am 08.06.2010 durch Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) zum Aktenzeichen - 3 IN 312/10 - wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Insolvenzverfahren wurde zwischenzeitlich aufgehoben. Im Zeitraum der streitbefangenen Zahlungen befand sich die Klägerin in der Wohlverhaltensphase.
Mindestens seit November 2015 zahlte die Beklagte auf Grund der Abtretungserklärung monatlich die pfändbaren Bezüge der Klägerin an den bestellten Treuhänder aus. Die Beklagte hat in den von ihm errechneten Pfändungsbetrag, den sie dann an den Treuhänder monatlich überwiesen hat, die Wechselschichtzulagen und die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit einbezogen. Insoweit zahlte der Beklagte in dem Zeitraum von Mai 2015 bis März 2016
folgende Beträge:
Monat | Abgerech. Brutto/ Abgerech. Netto |
Nacht- zuschlag |
Sonntags- zuschlag |
Wechsel- schicht/ Feiertags- zusch. |
Samstags- Zuschlag/ Vorfest- zuschlag |
Mehr- arbeit |
Als pfändbar von Bekl. abgeführt |
05/2015 | 1447,69 €/ 1075,59 |
€ 2,84 | € 89,33 € | - -/ - - |
- -/ - - |
- - | 185,41 € |
07/2015 | 1465,11 €/ 1085,59 € |
58,18 € | 95,59 € | 114,94 € | - -/ - - |
165,28 € | |
08/2015 | 1441,10 € | 107,02 € | 66,50 € | 180 € | - -/ - - |
238,00 € | |
09/2015 | 1441,10 €/ 1071,83 |
50,91 € | 8,31 € | 90,00 € | - -/ - - |
77,00 € | |
10/2015 | 1441,10 €/ 1071,83 € |
60,26 € | 99,74 € | 90,00 € | - -/ - - |
144,28 € | |
11/2015 | 2429,54 € | 49,87 € | 8,31 € | 90,00 € | - - | 173,84 € | |
01/2016 | 1566,98 €/ 1143,40 € |
56,11 € | 83,12 € | 90,00 € | - -/ - - |
179,28 € | |
02/2016 | 1518,49 €/ 1080,29 € |
49,87 € | 61,30 € | 90,00 € | - -/ 33,25 € |
186,28 € | |
03/2016 | 1528,70 €/ 1123,49 € |
3,18 | 33,92 € | 6,36 | 81,28 € |
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Die Beklagte zahlte die Wechselschichtzulage und die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht an den Kläger aus, sondern bezog sie in die Berechnung des pfändbaren Einkommens ein.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 verlangte die Klägerin, vertreten durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten unter Bezugnahme auf die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2015 – 3 Sa 1335/14 - die Nachzahlung der Zuschläge, da diese entsprechend § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar seien und deshalb zu Unrecht in die Berechnung des pfändungsfreien abgetretenen Einkommens einbezogen worden sei. Sie verlangte eine weitere Zahlung von Mai 2015 bis November 2015 (ohne Juni 2015). Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens vom 3. Juli 2013 wird auf die Anlage K4 zur Klageschrift, Bl. 34 - 35 der Akte, Bezug genommen. Die Beklagte teilte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 12. Januar 2016 (Anlage K5 zur Klageschrift, Bl. 36 - 38 der Akte) unter anderem mit, er betrachte nach Prüfung der Sach- und Rechtslage die Zulagen weiterhin als pfändbar. Da gegen die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2015 die zugelassene Revision nicht eingelegt worden sei, lägen unterschiedliche Rechtsansichten zu der Frage der Pfändbarkeit von Zulagen vor, die die Beklagte einer höchstrichterlichen Klärung zuführen wolle.
Mit der am 29.01.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 05.02.2016 zugestellten Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, den für die Zeit vom 1. Mai 2015 bis 30. November 2015 noch offenen Differenzbetrag der Nettobezüge für die Wechselschichtzulage und die Zulage für den Dienst zu ungünstigen Zeiten zu zahlen. Diese beziffert er unter Berücksichtigung seiner Ansicht nach zutreffend abgeführter Beträge mit 864,91 €. Mit ihrer Klageerweiterung vom 9. Februar 2016 verlangte die Klägerin eine weitere Zahlung für den Monat Januar 2016 in Höhe von 105,00 Euro (vgl. 48 – 49 der Akte). Die Klägerin beansprucht Nettozahlungen, die sie aus den Bruttobeträgen unter Abzug ihres Arbeitnehmeranteils aus der Gesamtsozialversicherung und eines Lohnsteueranteils von 11 % berechnet, unter Abzug dieser Beträge einen pfändungsfreien Betrag berechnet und diesen mit dem an den Insolvenzverwalter gezahlten Betrag verrechnet.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, bei der Wechselschichtzulage und den Zulagen für den Dienst zu ungünstigen Zeiten handele es sich um Erschwerniszulagen im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO, diese Zulagen seien daher nicht wirksam an den Treuhänder abgetreten worden.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 864,91 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Januar 2016 zu zahlen;
2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin 105,00 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2016 zu zahlen;
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Wechselschichtzulage und die Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit seien keine Erschwerniszulagen im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO. Solche seien nur Zulagen, die als Entschädigung für eine in der Arbeit begründete Erschwernis gezahlt würden; nicht erfasst seien Zulagen für eine in der Arbeitszeit liegende Erschwernis. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (09.01.2015 – 3 Sa 1335/14 -) lege die Bestimmung des § 850 Nr. 3 ZPO in anderer Weise aus als die als die bisherige Rechtsprechung und jedenfalls Teile der Literatur.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 18.03.2016 den Anträgen der Klägerin stattgegeben und zur Begründung zusammengefasst ausgeführt: Die Klägerin habe einen Anspruch auf die begehrte Vergütung gem. § 611 BGB in Verbindung mit § 8 des TV VS 2009. Die geleisteten Zeiten in Wechselschicht, Sonntags-, Feiertags- und Nachtdienste und die sich daraus ergebenden Zuschläge seien zwischen den Parteien unstreitig. Durch die Zahlung an den Treuhänder sei dieser Anspruch nicht erfüllt. Die Klägerin habe nur die pfändbaren Bestandteile ihres Einkommens an den Treuhänder abgetreten. Zulagen für Nachtarbeit, Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit und Wechselschichtzulagen seien gem. 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar. Das Arbeitsgericht schließe sich im vollem Umfang der Begründung des LAG Berlin-Brandenburg in der Entscheidung vom 9. Januar 2015 (3 Sa 1335/14 – juris) an.
Gegen das der Beklagten am 14.04.2016 zugestellte Urteil hat diese mit einem beim Landesarbeitsgericht am 21.04.2016 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem beim Landesarbeitsgericht am 13.06.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Berufungsbegründung wurde der Klägerin am 20.06.2016 zugestellt. Mit dem am 13.06.2016 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz erhob die Klägerin Anschlussberufung.
Sie trägt vor, die der Klage zugrundeliegenden Tatsachen seien unstreitig. Die Beklagte ist weiter der Auffassung, Schichtzulagen sowie Zuschläge für Sonn- und Feiertags- sowie Nachtarbeit seien keine Erschwerniszulagen im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts und mithin auch die des LAG Berlin-Brandenburg fasse den Begriff der Erschwernisse im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO zu weit. Aus dem Wortlaut „Gefahrenzulage sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen“ ergäbe sich, dass gerade nicht von den zeitlichen Umständen der Erbringung der Arbeitsleistung ausgegangen werden könne. Sowohl die „Gefahr“ als auch der „Schmutz“ seien Bestandteil der Tätigkeit an sich. Mit der früheren Rechtsprechung des BAG müsse davon ausgegangen werden, dass nach dem allgemeinen Wortsinn belastende Begleitumstände wie Schmutz, Staub, Lärm, Hitze und Erschütterungen gemeint seien. Der Begriff der Erschwernis im § 850 a Nr. 3 sei kein Einfallstor dafür, dass jeglicher Ausgleich für Belastungen einer Pfändung entzogen sei. Führe man diesen Gedanken weiter müsse jegliche überobligatorische Leistung pfändungsfrei sein.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18.03.2016 – 31 Ca 1437/16 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 175,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 147,00 Euro seit dem 01.03.2016 und aus 28,00 Euro seit dem 01.04.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt weiter,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht weiter Zahlung von Zulagen, die ihrer Ansicht nach unpfändbar seien, für die Monate Februar und März 2016 in Höhe von insgesamt 175,00 € (147,00 € für Februar und 28,00 € für März) geltend. Dabei berücksichtigt die Klägerin weiterhin gem. dem 2. Ergänzungstarifvertrag gezahlte Zuschläge für Arbeit an Samstagen. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf die Begründung der Anschlussberufung vom 09.06.2016, Bl. 101 -102 der Akte, Bezug genommen. Sie ist der Ansicht, auch Arbeit an Samstagen sei eine Erschwernis im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO und deshalb unpfändbar.
Die Beklagte wendet sich ebenfalls gegen die Anschlussberufung und ist der Ansicht, dass jedenfalls der von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Zuschlag für Arbeit an Samstagen keine Erschwernis im Sinne der gesetzlichen Regelung sei. Die von der Klägerin dargelegten Berechnungen und Tatsachen seien unstreitig. Allerdings sei die Klageforderung von 28,00 Euro nicht für Februar 2016 sondern März 2016 zugrunde zu legen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft und gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG, 519 Abs. 1 und Abs. 2, 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Ebenso erweist sich die Anschlussberufung der Klägerin als zulässig (§ 524 ZPO).
2. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Beklagten verurteilt, an die Klägerin 864,91 Euro und weitere 105,00 Euro nebst den geltend gemachten Zinsen zu zahlen. Die Anschlussberufung der Klägerin ist begründet.
2.1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht entschieden, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung restlicher Vergütung für die November 2015 bis Mai 2015 in Höhe von insgesamt 969,91 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB in Verbindung mit § 291 BGB hat.
2.1.1. Der Anspruch auf Zahlung der restlichen Vergütung für die Monate Januar 2013 bis Februar 2014 ergibt sich aus § 8 TV VS 2009 in Verbindung mit den Änderungstarifverträgen Nr. 1 und Nr. 2 vom 15.10.2013 und 05.01.2016. Der TV VS 2009 findet in seiner jeweiligen Fassung kraft einzelvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass für von der Klägerin geleistete Wechselschichtarbeit und für von ihr geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit Ansprüche auf Zahlung von Wechselschichtzulagen und Ansprüche auf Zahlung von
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Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit in den streitbefangenen Monaten jedenfalls in Höhe der jeweiligen Nettobeträge entstanden sind, die die Klägerin in ihrer Aufstellung im Klageschriftsatz vom 26. Januar 2016 und dem Klageerweiterungsschriftsatz vom 09. Februar 2016 aufgeführt hat
2.1.2 Die Beklagte hat diese Nettobeträge unstreitig nicht an die Klägerin ausgezahlt, sondern diese Beträge an den bestellten Treuhänder ausgekehrt. Durch die Zahlung an den Treuhänder trat keine Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB ein. Die Klägerin ist weiter Inhaber der Forderungen, weil die Ansprüche auf Zahlung von Wechselschichtzulagen nach § 8 Abs. 2 TV VS 2009 und die Ansprüche auf Zahlung von Zuschlägen gemäß § 8 Abs. 1 TV VS 2009 nicht von der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO der Klägerin umfasst waren, sie hat auch nicht in die Überweisung dieser Beträge an den Treuhänder eingewilligt, so dass auch keine Erfüllung nach § 362 Abs. 2 BGB eingetreten ist. Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass die Klägerin nur die pfändbaren Bestandteile ihrer Vergütung aus dem Arbeitsverhältnis abgetreten hat. Darüber hinaus kann gemäß § 400 BGB eine Forderung nicht abgetreten werden, soweit sie nicht der Pfändung unterworfen ist.
2.1.3 Die Ansprüche auf Zahlung einer Wechselschichtzulage und die Ansprüche auf Zahlung von Zuschlägen für Nachtarbeit-, Sonntags- und Feiertagsarbeit gemäß § 8 Abs. 1 und 2 TV VS 2009 sind keine pfändbaren Forderungen; sie sind gemäß § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar. Bei den streitgegenständlichen Ansprüchen handelt es sich um Erschwerniszulagen im Sinne der Vorschrift der ZPO. Dabei schließt sich die erkennende Kammer der Begründung der 3. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2015 (- 3 Sa 1335/14 – juris) in vollem Umfang an. Zutreffend führt die 3. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg in der genannten Entscheidung aus, dass gem. § 850a Nr. 3 ZPO, Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen, unpfändbar sind. Erschwerniszulagen im Sinne dieser Vorschrift sind auch Zulagen bzw. Zuschläge, die gezahlt werden, weil die Lage der Arbeitszeit mit Erschwernissen für den Arbeitnehmer verbunden ist (ebenso OVG Lüneburg 17. September 2009 – 5 ME 186/09 – ZBR 2010, 60; VG Kassel 3. Juni 2013 – 1 K 1496/12 KS - , JurBüro 2013, 599; VG Stuttgart 11. Juni 2012 – 3 K 878/12 – VuR 2013, 34; VG Düsseldorf 4. Mai 2012 – 13 K 5526/10 - , ZInsO 2012, 1900; LG Hannover 21. März 2012 - 11 T 6/12 - , VuR 2013, 32; Musielak/Becker 11. Aufl. § 850a ZPO Rn. 5a; Saenger/Kemper 6. Aufl. § 850a ZPO Rn. 5; BeckOK/Riedel § 850a ZPO Rn. 14, Stand 1. Januar 2015; a. .A. Hessisches LAG 25. November 1988 – 13 Sa 359/88 -; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann 73. Aufl. § 850a ZPO Rn. 10; Zöller/Stöber 30. Aufl. § 850a ZPO Rn. 10; Stöber Forderungspfändung 16. Aufl. Rn. 997; Stein/Jonas/Brehm 22. Aufl. § 850a ZPO Rn. 24; Wieczorek/Schütze/Lüke 3. Aufl. § 850a ZPO Rn. 27; MüKo/Smid 4. Aufl. § 850a ZPO Rn. 15). Dies ergebe die Auslegung der Norm. Dem Wortsinn des § 850a Nr. 3 ZPO kann nicht entnommen werden, dass Erschwerniszulagen im Sinne dieser Vorschrift nur solche Zulagen sind, durch die eine Erschwernis abgegolten werden soll, die durch die Art der Arbeit, ihre Eigentümlichkeit verursacht wird, dagegen solche Zulagen, die gezahlt werden, weil die ungünstige Lage der Arbeitszeit Erschwernisse für den Arbeitnehmer verursacht, nicht hiervon erfasst werden. Für eine solche Differenzierung gibt der Wortlaut keine Anhaltspunkte (LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2015 – 3 Sa 1335/14 - juris), denn die Vorschrift des § 850a Nr. 3 ZPO unterscheidet gerade nicht danach, aus welchem Grund die Erschwerniszulage gezahlt wird und wodurch die Erschwernis verursacht wird, sondern erklärt allgemein, Erschwerniszuschläge als unpfändbare Einkommen für einen Arbeitnehmer können sich sowohl auf Grund der Art der auszuübenden Tätigkeit, aber auch aufgrund sonstiger Umstände ergeben, nämlich zum Beispiel wegen regelmäßig wechselnder Dienstschichten oder wegen der Verpflichtung, nachts oder an solchen Tagen, an denen üblicher Weise keine Arbeitstätigkeiten zu erbringen sind, arbeiten zu müssen. So wirkt ein regelmäßiger Wechsel der täglichen Arbeitszeit erheblich auf den Lebensrhythmus ein und führt dadurch
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zu Erschwerungen (LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2015 – 3 Sa 1335/14 – juris, mwN). Ebenfalls zu Belastungen und Erschwernissen führt der Umstand, dass bei geleisteter Wechselschicht oder Schichtarbeit der Beginn und das Ende der Arbeitszeit außerhalb der allgemein üblichen Arbeits- und Geschäftszeiten liegen. Die ständige Umstellung des Arbeits- und Lebensrhythmus ist mit gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen verbunden. Aber auch die Verpflichtung, an Sonntagen, Feiertagen und nachts zu arbeiten, verursacht für den Arbeitnehmer Erschwernisse. Denn ihm wird damit die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erschwert. So ergeben sich insbesondere im familiären und sozialen Bereich Belastungen für den Arbeitnehmer, weil er zu Zeiten arbeiten muss, in denen die Mehrzahl der Arbeitnehmer gerade nicht arbeitet, sondern ihre Freizeit gestalten kann. (LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2015 – 3 Sa 1335/14 – juris, mwN).
Auch die Systematik und der Gesamtzusammenhang der Regelung in § 850a Nr. 3 ZPO sprechen nicht für eine einschränkende Auslegung des Begriffs „Erschwerniszulage“.
Dabei ist zu beachten, dass § 850a Nr. 3 ZPO verschiedene Bezüge aufzählt, die aus völlig unterschiedlichen Gründen geleistet werden. So werden hier einerseits echte Aufwandsentschädigungen aufgeführt, mit der tatsächliche Aufwendungen des Arbeitnehmers ausgeglichen werden, darüber hinaus auch soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen. Die Aufzählung dieser unterschiedlichen Bezüge lässt demnach gerade nicht darauf schließen, dass Erschwerniszulagen nur solche sind, die ihren Grund gerade in der Art der Tätigkeit haben (LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2015 – 3 Sa 1335/14 – juris). Die Auflistung der unterschiedlichen unpfändbaren Bezügebestandteile in § 850a Nr. 3 ZPO verdeutlicht vielmehr den Zweck der Vorschrift, nämlich dem Arbeitnehmer die Bezüge zu belassen, die er vom Arbeitgeber wegen eigener finanzieller, sozialer, gesundheitlicher oder sonstiger persönlicher Belastungen aufgrund der Erbringung der Arbeitsleistung erhält. Dieser erkennbar verfolgten Zwecksetzung würde es aber widersprechen, wenn der Begriff Erschwerniszulagen einschränkend ausgelegt wird. Es gibt nämlich keine plausiblen Gründe, weshalb Zulagen für Erschwernisse, die ihren Grund in der Art bzw. Eigentümlichkeit der Arbeit haben, unpfändbar sein sollen, dagegen Zulagen, die einen Ausgleich für die Erschwernisse aufgrund der ungünstigen Lage der Arbeitszeit bzw. den ständigen Wechsel der Arbeitszeit gewähren, nicht. Die Belastungen für den Arbeitnehmer können in beiden Fällen gleich hoch sein. Der Arbeitnehmer soll über den finanziellen Ausgleich für die Erschwernisse, soweit sich dieser im Rahmen des Üblichen hält, frei verfügen können und diesen für sich behalten dürfen. Durch die Unpfändbarkeit kann der Arbeitnehmer zudem motiviert werden, die für ihn mit Erschwernissen verbundenen Tätigkeiten auszuüben, was dem Arbeitgeber zugutekommt (LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2015 – 3 Sa 1335/14 – juris, mwN).
Nach der zutreffenden Ansicht der 3. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg kann eine einschränkende Auslegung des Begriffs „Erschwerniszulage“ auch nicht mit einem Bescheid des Bundesministers der Justiz vom 13. August 1952 (- 3742 – 13 281/52 -) begründet werden, in dem dieser ausweislich eines in der Zeitschrift „Der Betriebs-Berater“ (Jahrgang 1952, S. 859) enthaltenen Hinweises im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit den Begriff der Schmutz- und Erschwerniszulage im Sinne des § 3 Nr. 3 der Verordnung zur einheitlichen Regelung des Pfändungsschutzes für Arbeitseinkommen - Lohnpfändungsverordnung 1940 - vom 30. Oktober 1940 (RGBl. I S. 1451) in der Fassung des Gesetzes vom 22. April 1952 (BGBl. I S. 247) dahin erläutert hat, dass "darunter nur solche Lohnzuschläge zu verstehen sind, die zur Abgeltung einer durch die Eigentümlichkeit der Arbeit verursachten Erschwernis gewährt werden." Dazu gehörten, so der in der Zeitschrift BB 1952, 859 wiedergegebene Hinweis, "Zuschläge für Hitze-, Wasser-, Säure-, Staub-, Schacht- und Tunnel-, Druckluft- und Taucher- sowie Stacheldrahtarbeit". Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit könnten hingegen nicht als Erschwerniszulagen angesehen werden, diese Auffassung entspreche, so die Veröffentlichung, "auch der tariflichen Praxis, die Erschwerniszulagen von Nacht-, Sonn- und Feiertags- und ähnlichen Zuschlägen" klar unterscheide (vgl. hierzu BB 1952, 859). Die Ausführungen
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des Bundesministers der Justiz vom 13. August 1952 sind bereits nicht zu § 850a Nr. 3 ZPO ergangen. Es ist auch nicht erkennbar, dass diese Erwägungen explizit in das Gesetzgebungsverfahren zu § 850a Nr. 3 ZPO eingeflossen sind (LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2015 – 3 Sa 1335/14 - juris ,vgl. hierzu auch OVG Lüneburg 17. September 2009 – 5 ME 186/09 – Juris-Rn. 10f, ZBR 2010, 60). Im Übrigen hat diese Interpretation keinen Ausdruck in § 850a Nr. 3 ZPO gefunden. Für die Auslegung dieser Vorschrift kann es auch nicht maßgeblich darauf ankommen, wie Zulagen in Tarifverträgen bezeichnet werden. Denn von der Bestimmung sind nicht nur solche Zulagen erfasst, die auf der Grundlage von Tarifverträgen gezahlt werden. Wie sich bereits aus dem Begriff der Erschwerniszulage ergibt, kommt es allein darauf an, ob eine Zulage für tatsächlich mit der Ausübung der Arbeit verbundene Erschwernisse gezahlt wird (LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2015 – 3 Sa 1335/14 – juris)
Danach sind sowohl die Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 TVöD als auch die Zuschläge, die gemäß § 8 Abs. 1 Buchst. b, c und d TVöD für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit gezahlt werden, Erschwerniszulagen im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO. Die Wechselschichtzulage gewährt einen finanziellen Ausgleich dafür, dass Wechselschichtarbeit erheblich auf den Lebensrhythmus einwirkt und ihr Beginn und Ende außerhalb der üblichen Arbeits- und Geschäftszeiten liegt. Die mit der Ausübung der Wechselschichtarbeit verbundenen Belastungen und Erschwernisse sollen ausgeglichen werden. Damit handelt es sich um eine Erschwerniszulage (vgl. auch BAG 24. September 2008 - 10 AZR 770/07 – Rn. 39, BAGE 128, 42; 24. März 2010 – 10 AZR 58/08 – Rn. 24, 32, BAGE 134, 34). Durch die Zahlung der Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sollen die Erschwernisse und Belastungen ausgeglichen werden, die dadurch entstehen, dass die Arbeitstätigkeit zu ungünstigen Arbeitszeiten auf den Lebensrhythmus einwirkt und die Nacht und der Sonntag bzw. Feiertag nicht der Regeneration dienen kann, bzw. die Sonn- und Feiertage zum Beispiel nicht dem Zusammensein mit der Familie und für Vornahme von religiösen Handlungen genutzt werden können (LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2015 – 3 Sa 1335/14 – juris; mwN).
Auch ist jedenfalls im Rahmen der Nachtschicht und Wechselschichtzulagen besonders zu beachten, dass sich in Anbetracht neuerer arbeitsmedizinischer Erkenntnisse, die sich auch in der Rechtsetzung der Europäischen Union niedergeschlagen haben, die Auffassung durchgesetzt hat, dass lange Nachtarbeitszeiten für die Gesundheit der Arbeitnehmer generell nachteilig sind und Maßnahmen zum Schutz und zur Sicherheit der Arbeitnehmer erfordern (vgl. Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. L 299 vom 18. November 2003, S. 9 ff., Erwägungsgrund 7; Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. L 307 vom 13. Dezember 1993, S. 18 ff., Erwägungsgründe) Damit ist nicht gerechtfertigt, für Nachtarbeit und Wechselschichten gewährte Zuschläge zum Grundgehalt nur dann nach § 850a Nr. 3 ZPO als Erschwerniszulagen von der Pfändbarkeit auszunehmen, wenn mit der Leistung der Nachtarbeit besondere, über die Lage der Arbeitszeit zur Nachtzeit hinausgehende Erschwernisse verbunden sind. Vielmehr stellt die Leistung von Arbeit zur Nachtzeit und zu wechselnden Schichtzeiten eine generell mit gesundheitlichen Risiken für den Arbeitnehmer verbundene Erschwernis seiner Arbeit dar, die es rechtfertigt, zur Abgeltung dieser Erschwernis gezahlte Nachtarbeitszuschläge als nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbare Erschwerniszulagen zu qualifizieren, soweit diese den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen (so jedenfalls für Nachtarbeitszuschläge BGH, Beschluss vom 29. Juni 2016 – VII ZB 4/15 –, Rn. 13, juris).
Dabei kommt es nach Ansicht der Kammer nicht auf die steuerrechtliche Bewertung der Zuschläge an. Mag dies im Rahmen der Nachtzuschläge ein Kriterium darstellen inwieweit die Zuschläge das Maß des Üblichen überschreiten. Denn umgekehrt werden Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit steuerrechtlich begünstigt, doch geht diese
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Arbeit typischerweise nicht mit besonderen gesundheitlichen Belastungen einher. Trotzdem ist auch hier ein zwangsvollstreckungsrechtlich relevanter Schutzgedanke zugrunde zu legen. Ausgeglichen werden mit diesen Zahlungen familiäre Belastungen und sozio-kulturelle Benachteiligungen. Die Zuschläge kompensieren die durch die Lage der Arbeitszeit eingeschränkten, vollstreckungsrechtlich beachtlichen Teilhabechancen am sozialen und familiären Leben. Gleiches gilt nach Ansicht der Kammer auch für die steuerrechtlich nicht privilegierten Zulagen für Sonnabendarbeit. Bei Zuschlägen für Dienste zu ungünstigen Zeiten vermischen sich die Zielsetzungen. Soweit sie Belastungen durch Nacht- und Schichtarbeit ausgleichen, dienen sie dem Gesundheitsschutz, im Übrigen dem familiären und sozio-kulturellen Ausgleich (NJW 2016, 2812, beck-online).
Auch übersteigen vorliegend die tariflichen Zulagen nicht den Rahmen des Üblichen. Dies wird von dem Beklagten auch nicht geltend gemacht.
Soweit die Beklagte vorträgt, die mit der Anschlussberufung geltend gemachte Zahlung von 28,00 Euro beziehe sich auf März 2016, ist dies nicht nachvollziehbar. Die einzelnen, von der Klägerin dargelegten Zuschlagszahlungen, aus denen diese den geforderten Betrag von 28,00 Euro berechnet, sind nicht bestritten. Aus welchen Gründen die Beklagte meint, die Forderung sei auf März zu beziehen, ist nicht nachvollziehbar. Die Kammer weist allerdings darauf hin, dass sie bei der Entscheidungsfindung den für den Monat Februar berechneten von der Klägerin geltend gemachten „Vorfestzuschlag“ versehentlich mitberücksichtigt hat. Dafür ist weder eine tarifliche Grundlage noch eine besondere Erschwernis im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO erkennbar.
2.2. Die hier streitgegenständlichen Ansprüche wurden rechtzeitig im Sinne von § 20 TV VS 2009 geltend gemacht und sind nicht verfallen.
3. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen (§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beklagte hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
6. Die Revision wurde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG zugelassen.
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