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Unpfändbarkeit von Zulagen
23.08.2017. Welche Bestandteile von laufenden Lohnforderungen im Falle einer Lohnpfändung an den Gläubiger abgeführt werden müssen und welche dem Arbeitnehmer verbleiben müssen, ist in der Zivilprozessordnung (ZPO) ausführlich geregelt.
Mit einem Urteil vom heutigen Tage hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine umstrittene Frage des Lohnpfändungsrechts geklärt, nämlich die Frage, welche "Erschwerniszulagen" gemäß § 850a Nr.3 ZPO unpfändbar sind und welche nicht.
Der Pfändung generell entzogen sind aufgrund dieser gesetzlichen Vorschrift des Schuldnerschutzes lediglich Zulagen für Sonntagsarbeit, für Feiertagsarbeit und für die Arbeit während der Nacht. Andere Zulagen für belastende Arbeitszeiten können dagegen gepfändet werden: BAG, Urteil vom 23.08.2017, 10 AZR 859/16 (Pressemeldung des BAG).
- Sind Zulagen für besonders unangenehme Arbeitszeiten pfändungsfrei?
- Der Berliner Streitfall: Pflegekraft in Privatinsolvenz möchte Zuschläge für Samstags- und Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit, Nachtschichten sowie für Schichtarbeit und Vorfestarbeit behalten
- BAG: Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind unpfändbar, Schichtzulagen sowie Zulagen für Samstags- und Vorfestarbeit dagegen nicht
Sind Zulagen für besonders unangenehme Arbeitszeiten pfändungsfrei?
Wer eine Geldforderung einklagt und mit der Klage Erfolg hat, kann auf der Grundlage des Urteils (= Titel) die Zwangsvollstreckung betreiben, wenn der Beklagte bzw. Schuldner nicht freiwillig zahlt. Anstelle der „klassischen“ Sachpfändung mithilfe des Gerichtsvollziehers ist es oft besser, Forderungen des Schuldners zu pfänden, z.B. auf Zahlung von Lohn oder Gehalt.
Da der laufende Arbeitslohn die finanzielle Existenzgrundlage des Arbeitnehmers ist, ist eine schrankenlose Lohnpfändung gesetzlich ausgeschlossen. Die wichtigste Grenze für die Pfändung von laufenden sind § 850c ZPO und die regelmäßig aktualisierten Pfändungsfreigrenzenbekanntmachungen des Justizministeriums. Nach den ab dem 01.07.2017 gültigen Pfändungsfreigrenzen sind 1.133,80 EUR pro Monat pfändungsfrei, und zwar netto, d.h. nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialabgaben (§ 850e Nr.1 Satz 1 ZPO). Wer Unterhaltsansprüche erfüllen muss, wird durch höhere Freibeträge geschützt.
Über diese allgemeine Pfändungsfreigrenze hinaus sind gemäß § 850a ZPO auch bestimmte Gehaltsbestandteile ganz oder teilweise pfändungsfrei, so zum Beispiel 50 Prozent der Vergütung für Überstunden (§ 850a Nr.1 ZPO) oder eines Weihnachtsgeldes (§ 850a Nr.4 ZPO). Auch bestimmte Zulagen, die besondere Erschwernisse ausgleichen sollen, bleiben von einer Pfändung verschont. Das sind gemäß § 850a Nr.3 ZPO
„Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen“.
Fraglich ist, in welchem Umfang Zulagen für besonders unangenehme Arbeitszeiten unter diese Vorschrift zur Pfändungsfreiheit fallen.
Hier leiten einige Arbeitsrechtler aus der gesetzlichen Aneinanderreihung von „Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen“ her, dass „Erschwerniszulagen“ nur dann pfändungsfrei sind, wenn sie gerade deshalb gezahlt werden, weil die Art der Arbeit selbst besonders unangenehm ist, d.h. schmutzig, ekelerregend oder gefährlich. Dieser Ansicht zufolge sind Zulagen für unangenehme Arbeitszeiten (z.B. für Sonntagsarbeit, Nachtarbeit oder Schichtarbeit) keine „Erschwerniszulagen“ im Sinne des Gesetzes.
Andere Arbeitsrechtler und Gerichte sind dagegen der Meinung, dass auch Zulagen für Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit, Nachtarbeit oder für Schichtarbeit eine pfändungsfreie Erschwerniszulage im Sinne von § 850a Nr.3 ZPO ist.
Der Berliner Streitfall: Pflegekraft in Privatinsolvenz möchte Zuschläge für Samstags- und Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit, Nachtschichten sowie für Schichtarbeit und Vorfestarbeit behalten
Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die bei einer Sozialstation als Hauspflegerin arbeitete. Da sie sich 2015 und 2016 in Privatinsolvenz befand, zahlte die Sozialstation den pfändbaren Teil ihres laufenden Gehalts an einen Treuhänder. Denn wer sich in die Privatinsolvenz begibt und zum Schluss der "Wohlverhaltensphase" von der Restschuldbefreiung profitieren möchte, muss den pfändbaren Teil seines laufenden Arbeitseinkommens für einige Jahre an einen vom Insolvenzgericht bestellten Treuhänder abtreten, der das Geld wiederum an die Gläubiger verteilt (§ 287 Abs.2 Insolvenzordnung - InsO).
Aus Sicht der Klägerin wurde allerdings zu viel Geld an den Treuhänder abgeführt, nämlich bestimmte Zuschläge, die die Klägerin aufgrund eines für sie geltenden Tarifvertrags für bestimmte Arbeitszeiten verdient hatte. Konkret ging es dabei um Zuschläge für
- Sonntagsarbeit,
- Feiertagsarbeit,
- Nachtarbeit,
- Arbeit in Wechselschicht,
- Samstagsarbeit und sog.
- Vorfestarbeit.
Aus Sicht der Klägerin fielen diese Zuschläge als unpfändbare Erschwerniszulagen unter § 850a Nr.3 ZPO, nach Ansicht ihres Arbeitgebers war § 850a Nr.3 ZPO hier nicht anwendbar. Letztlich mussten das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 18.03.2016, 31 Ca 1437/16) und in der Berufung das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg über streitige 1.144,91 EUR netto entscheiden, die sie der Klägerin zusprachen (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.07.2016, 20 Sa 639/16, 20 Sa 975/16).
Denn die Zuschläge waren allesamt Erschwerniszulagen im Sinne von § 850a Nr.3 ZPO und damit von der Abtretung an den Treuhänder nicht erfasst, so das Arbeitsgericht Berlin und auch das LAG. Damit wiederum hatte der Arbeitgeber das Geld an den falschen Empfänger gezahlt, so dass der Anspruch der Klägerin noch bestand.
BAG: Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind unpfändbar, Schichtzulagen sowie Zulagen für Samstags- und Vorfestarbeit dagegen nicht
Das BAG hob das LAG-Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück nach Berlin. Die Klageforderung war nämlich nur zum Teil berechtigt. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG heißt es:
Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind Erschwerniszulagen im Sinne von § 850a Nr.3 ZPO und damit im Rahmen des Üblichen unpfändbar. Dagegen sind Zulagen für Schicht-, Samstags- oder sog. Vorfestarbeit der Pfändung nicht entzogen. Zur Begründung für diese Unterscheidung verweisen die die Erfurter Richter auf § 3b Einkommensteuergesetz (ESt), der die vom BAG für pfändungsfrei angesehenen Zulagen innerhalb gewisser Grenzen steuerfrei stellt.
Diese steuerliche Bevorzugung der Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit wird ergänzt und verstärkt durch andere gesetzliche Vorgaben, nämlich durch den verfassungsrechtlichen Schutz der Sonntagsruhe und der Arbeitsruhe an gesetzlichen Feiertagen gemäß Art.140 Grundgesetz (GG) in Verb. mit Art.139 Weimarer Reichsverfassung (WRV). Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben wiederum sind Grundlage des gesetzlichen Arbeitsverbots an diesen Tagen (§ 9 Abs.1 Arbeitszeitgesetz - ArbZG). Was den besonderen Stellenwert der Nachtarbeit angeht, steht hier neben § 3b ESt die gesetzliche Pflicht zur Zahlung eines besonderen Ausgleichs für Nachtarbeit gemäß § 6 Abs.5 ArbZG.
Vergleichbare gesetzgeberische Bewertungen gibt es, so das BAG, für andere belastende Arbeitszeiten nicht, d.h. weder für die Schichtarbeit noch für die Arbeit an Samstagen und an den Tagen vor Festen. Und da bei der Auslegung der Schuldnerschutzvorschrift des § 850a Nr.3 ZPO auch das entgegengesetzte Interesse der Gläubigerseite zu berücksichtigen ist, dürfen nicht allzu viele Zulagen als pfändungsfrei angesehen werden.
Fazit: Die Entscheidung des BAG überzeugt, denn in der Lesart des Arbeitsgerichts Berlin und des LAG Berlin-Brandenburg umfasst der Begriff der "Erschwerniszulage" im Sinne von § 850a Nr.3 ZPO tendenziell alle Sonderzahlungen, die Arbeitnehmer aufgrund von besonderen Arbeitsleistungen erhalten. Für eine so weitgehende Auslegung gibt es keine überzeugende Begründung, da die gesetzlichen Pfändungsbeschränkungen ohnehin schon recht weit gehen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.08.2017, 10 AZR 859/16 (Pressemeldung des BAG)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.08.2017, 10 AZR 859/16
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.07.2016, 20 Sa 639/16, 20 Sa 975/16
- Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz, Bekanntmachung zu den §§ 850c und 850f der Zivilprozessordnung (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2017), vom 28.03.2017, BGBl I 2017, S.750)
- Handbuch Arbeitsrecht: Lohn und Gehalt
- Handbuch Arbeitsrecht: Gratifikation
- Handbuch Arbeitsrecht: Mindestlohn
- Handbuch Arbeitsrecht: Überstunden, Mehrarbeit
- Handbuch Arbeitsrecht: Weihnachtsgeld
- Arbeitsrecht aktuell: 14/105 Gehaltsrückforderung durch Insolvenzverwalter weiter begrenzt
- Arbeitsrecht aktuell: 13/272 Arbeitsvertrag und Verbraucherinsolvenz
- Arbeitsrecht aktuell: 11/166 Feiertagszuschlag für Ostersonntag und Pfingstsonntag?
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 15. Dezember 2017
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