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LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.07.2007, 7 Sa 561/07
Schlagworte: | Kündigung: Fristlos | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 7 Sa 561/07 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 24.07.2007 | |
Leitsätze: |
|
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Berlin | |
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Verkündet
am 24.07.2007
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
7 Sa 561/07
2 Ca 16610/06
Arbeitsgericht Berlin
H., VA
als Urkundsbeamter/in
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 7. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 26.Juni 2007 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht R. als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Sch. und H.
für Recht erkannt:
I.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Februar 2007 - 2 Ca 16610/06 - wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 21. August 2006 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. Oktober 2006 fortbestanden hat.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.476,78 EUR brutto (dreitausendvierhundertsechsundsiebzig 78/100) abzüglich 793,48 EUR netto (siebenhundertdreiundneunzig 48/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.783,39 EUR brutto abzüglich 793,43 EUR netto seit dem 01. September 2006 und aus weiteren 1.738,39 EUR brutto seit dem 01. Oktober 2006 zu zahlen.
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3. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein auf Art und Dauer der Tätigkeit sowie auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstrecktes Zeugnis zu erteilen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Kläger 17 %, der Beklagte 83 %.
II. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.
R. Sch. H.
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Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung mit dem Vorwurf der Unterschlagung, über die sich bei deren Unwirksamkeit ergebende Dauer der Kündigungsfrist und über entsprechende Zahlungsansprüche der Klägerin aus Annahmeverzug.
Die am …. 1980 geborene Klägerin war bei dem Beklagten, der eine Rechtsanwaltskanzlei und eine Hausverwaltung betreibt, auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 4. Mai 2001 (Bl. 5 ff.) seit dem 14. Mai 2001 als Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellte und Sachbearbeiterin für Hausverwaltungsangelegenheiten beschäftigt.
Der Beklagte wirft der Klägerin vor, entgegengenommene Barbeträge einbehalten zu haben. Bei dem Beklagten besteht eine Kanzleikasse, in die eingehende Barbeträge einschließlich der dazu gehörenden Quittungen sowie die Auszahlungsbelege eingelegt werden. Diese Kasse war anhand der Belege zum Monatsende abzurechnen. Ob für die Abrechnung ausschließlich die Klägerin zuständig war, ist zwischen den Parteien streitig. Nach dem Kanzleihandbuch (Auszug Anlage B 16, Bl. 104 d. A.) sind Bareinzahlungen in die Kanzleikasse binnen 3 Tagen auf das zuständige Bankkonto einzuzahlen; Kautionen dürfen nicht mehr in bar oder per Überweisung, sondern ausschließlich durch Überreichen eines zu verpfändenden Sparbuchs erbracht werden.
Entgegen dieser Regelung, bei der streitig ist, ob sie der Klägerin bekannt war, nahm die Klägerin Kautionen in bar entgegen. So quittierte sie u. a. am 15. Dezember 2005 (Quittung Bl. 38 d. A), am 29. November 2005 (Quittung Bl. 43 d. A), am 12. Oktober 2005 (Quittung Bl. 44 d. A), am 27. Juni 2006 (Quittung Bl. 45 d. A.), am 23. März 2006 (Quittung Bl. 46 d. A.) und am 19. Mai 2005 (Quittung Bl. 47 d. A.) den Erhalt von Mietkautionen in unterschiedlicher Höhe. Weiterhin quittierte sie am 21. September 2005 den Erhalt von 80,00 € für Hausschlüssel (Bl. 41 d. A.), am 7. November 2005 (Quittung Bl. 40 d. A.) und am 20. Oktober 2005 (Quittung Bl. 42 d. A.) den Erhalt von verschiedenen Mietzahlungen. Ob die Klägerin diese Beträge ordnungsgemäß weiter gereicht und verbucht hat, ist zwischen den Parteien streitig. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte seinerseits Gelder von Hauskonten zur Begleichung eigener Schulden verwendete.
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Nachdem der Beklagte in dem Schreibtisch der Klägerin verschiedene Quittungen vorgefunden hat, bei denen zwischen den Parteien streitig ist, um welche Quittungen es sich handelte, warf er der Klägerin in einem Gespräch am 21. August 2006 vor, diese quittierten Beträge nicht ordnungsgemäß abgeführt und verbucht zu haben. Im Verlauf des Gesprächs kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 21. August 2006 das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß „zum nächstzulässigen Termin“.
Mit der vorliegenden Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Kündigung und begehrt u. a. die Zahlung der Vergütung für August und September 2006.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe die vereinnahmten Gelder jeweils in die Kanzleikasse oder aber auf den Schreibtisch des Beklagten gelegt, wie es der ständigen Praxis im Büro des Beklagten entsprochen habe. Eine Weisung, dass Bareinzahlungen am selben Tag bzw. binnen 3 Tagen bei der Bank einzuzahlen gewesen seien, habe nicht bestanden. Entsprechend des Arbeitsanfalls seien die Quittungen in den Ordner bzw. das Büroverzeichnis gelegt worden, das sich in ihrer Schreibtischschublade befunden und in dem der Beklagte Quittungen, aber nicht die hier streitigen Quittungen gefunden habe. Für die Kassenführung sei sie nicht eigenverantwortlich zuständig gewesen. Die Kasse sei allgemein zugänglich gewesen, so dem Beklagten, dessen Lebensgefährtin, der Auszubildenden und den beiden Putzfrauen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 21. August 2006 nicht vor Ablauf des 31. Oktober 2006 aufgelöst worden ist.
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.738,39 € brutto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2006 zu zahlen.
3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.738,39 € brutto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2006 zu zahlen.
4. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung in dem Arbeitsverhältnis erstreckt.
Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe die oben aufgeführten von ihr eingenommenen und quittierten Beträge nicht in die Kanzleikasse oder auf das Hauskonto eingezahlt. Nachdem er anlässlich eines Gesprächs mit einem von der Hausverwaltung regelmäßig beauftragten Handwerker erfahren habe, dass die Klägerin von ihm für die Erteilung von Aufträgen Provisionen verlangt habe, habe er am Wochenende des 29./30 Juli 2006 den Schreibtisch der Klägerin durchsucht. Dabei habe er in der obersten Schublade, versteckt in einem privaten Telefonverzeichnis der Klägerin, die besagten Quittungen gefunden. Er habe sämtliche Konten der Kanzlei und der Hausverwaltung überprüft, entsprechende Eingangsbuchungen aber weder auf einem der Konten noch in der Kanzleikasse feststellen können. Zum Teil habe die Klägerin auch keine Treuhandkonten für die Kautionen eingerichtet. In einem Fall (Rechnung vom 15.06.2006) habe die Klägerin mit fingierten Handwerkerrechnungen eine Differenz bei der Einzahlung verschleiert. Bei seinen Ermittlungen sei es ihm entschieden darauf angekommen, die Klägerin nicht „auf Verdacht“ zu kündigen. Am Wochenende des 12./13. Augusts habe er die Buchhaltungsaufgaben abgeschlossen und dann am Morgen des 21. Augusts die Klägerin, nach deren Rückkehr aus dem Urlaub zu den Vorwürfen angehört. Die Klägerin habe sich zu den Vorwürfen nicht geäußert, sondern betreten zu Boden geschaut.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 8. Februar 2007, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass es allein der Klägerin oblegen habe, die eingegangenen Barzahlungen noch am selben Tag, spätestens binnen drei Werktagen bei der Bank auf das entsprechende Hauskonto einzuzahlen. Sei es gängige Praxis bei dem Beklagten, dass Zahlungen einfach in die Kasse oder gar auf den Schreibtisch des Beklagten gelegt wurden, so bestünden vielfältige Möglichkeiten wie es zu Differenzen zwischen der von dem Beklagten vorgelegten Quittungen und Einzahlungen auf die entsprechenden Hauskonten habe kommen können. Der Zugriff auf die Kasse sei nach dem Vortrag der Klägerin auch Dritten möglich gewesen; dies gelte erst recht für die Beträge die lediglich auf den Schreibtisch des Beklagten gelegt worden seien. Eine Verdachtskündigung habe der Beklagte nicht ausgesprochen. Ein dringender Verdacht sei auch nicht gegeben. Bei der Berechnung der Kündigungsfrist sei unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 22. November 2005 – C 144/04 (Mangold/Helm) und der nachfolgenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts die Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht anzuwenden, da
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diese Regelung gegen europäisches Recht verstoße. Durch diese Regelung würden Arbeitnehmer, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, gegenüber allen anderen – älteren – Arbeitnehmern benachteiligt, ohne dass eine solche Ungleichbehandlung nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG gerechtfertigt sei. Das Arbeitsverhältnis werde daher durch die streitgegenständliche Kündigung nicht vor dem 31. Oktober 2006 aufgelöst. Entgeltansprüche für die Zeit vom 22. August 2006 bis zum 30. September 2006 stünden der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses dem Beklagten am 16. Februar 2007 zugestellte Urteil, richtet sich seine Berufung, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am 13. März 2007 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 16. April 2007 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Der Beklagte und Berufungskläger behauptet unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag auch in der Berufungsinstanz, er habe die von ihm aufgeführten 10 Quittungen über Bareinzahlungen in einem privaten Telefonverzeichnis der Klägerin gefunden. Die eingenommenen Beträge seien weder in die Kanzleikasse noch auf eines der Hauskonten eingezahlt worden. Da die Quittungen zum Teil aus dem Jahr 2005 stammen würden, hätte die Klägerin sie längst verbuchen müssen. So habe die Klägerin bspw. die Bareinnahme vom 12. Oktober über 900,00 € bis zum 21. August 2006 nicht verbucht. Dies erlaube nur den Schluss, dass sie den Betrag unterschlagen habe. Denn die Klägerin sei jedenfalls verpflichtet gewesen, die Beträge zeitnah einzuzahlen. Bei einer nicht zeitnahen Einzahlung habe allein die Klägerin Zugriff auf das Geld gehabt. Sie habe hinterlegte Barbeträge ausschließlich in ihrem eigenen Schreibtisch verwahrt und dann selbst zur Bank gebracht, jedenfalls niemals auf den Schreibtisch des Beklagten gelegt. Die Kündigungserklärungsfrist sei gewahrt, da er seine Ermittlungen erst am Wochenende des 12./13. August 2006 abgeschlossen und Gewissheit erlangt habe, dass die Klägerin die von ihr quittierten Beträge tatsächlich nicht bis zum Beginn ihres Erholungsurlaubes eingezahlt habe. Die Vorschrift des § 622 Abs. 2 BGB sei nach wie vor anzuwenden, da diese Regelung vor der Richtlinie erlassen und danach nicht vom Gesetzgeber korrigiert worden sei.
Nachdem die Klägerin in der Berufungsverhandlung die Zahlungsklage in Höhe eines Teilbetrages von 793,48 € netto zurückgenommen hatte, weil ihr dieser Betrag am 5. September 2006 auf die Augustvergütung gezahlt worden war, beantragt der Beklagte und Berufungsbeklagte zuletzt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Februar 2007, Geschäftszeichen 2 Ca 1661/06 insoweit abzuändern und die Klage abzuweisen, als vom Arbeitsgericht festgestellt worden ist, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 21. August 2006 nicht vor Ablauf des 31. Oktober 2006 aufgelöst worden ist und der Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin mehr als 1.177,62 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2006 zu zahlen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte behauptet, der Beklagte habe allenfalls Quittungen neueren Datums in ihrer Schreibtischschublade finden können, bei denen sie noch nicht dazu gekommen sei, diese zu buchen. Solche Quittungen hätten sich auch nicht in einem privaten Telefonverzeichnis, sondern in dem Büroverzeichnis befunden. Der Beklagte habe hier beliebige Quittungen herausgesucht und Widersprüche im Rahmen der Buchhaltung konstruiert. Die im Rahmen des Prozesses vorgelegten Quittungen seien alle ordnungsgemäß gebucht worden. Den in der Berufungsbegründung genannten Betrag von 900,00 € habe sie - wie schon erstinstanzlich vorgetragen - in die Kanzleikasse oder auf den Schreibtisch des Beklagten gelegt. Die Kanzleikasse habe sie dann zum Monatsende anhand der Quittungen abgerechnet. Wenn Quittungen gefehlt hätten, z. B. weil sie das Geld auf den Schreibtisch des Beklagten gelegt habe, hätte sie diese Beträge in der Kassenabrechnung nicht anführen können. Die Kanzleikasse sei Dritten ohne weiteres zugänglich gewesen. Überweisungen habe sie schon mangels entsprechender Kontovollmacht nicht vornehmen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze des Beklagten und Berufungsklägers vom 16. April 2007 (Bl. 196 – 205 d. A.), vom 25. Juni 2007 (Bl. 235 -236 d. A.) und vom 26. Juni 2006 (Bl. 246 d. A.) sowie auf denjenigen der Klägerin und Berufungsbeklagten vom 29. Mai 2007 (Bl. 232 – 234 d. A.) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
1.
Die gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist von ihm fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG).
Die Berufung ist daher zulässig.
2.
Die Berufung hatte – soweit über sie noch nach teilweiser Klage- und Berufungsrücknahme zu entscheiden war - in der Sache keinen Erfolg.
Das Arbeitsverhältnis endete nicht aufgrund der Kündigung vom 21. August 2006 mit sofortiger Wirkung, da der Beklagte auch in der Berufungsinstanz einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB nicht hinreichend darlegen konnte (2.1). Als ordentliche Kündigung vermochte sie das Arbeitsverhältnis nach § 622 Abs. 2 BGB erst mit Ablauf des 31. Oktobers 2006 aufzulösen. § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB war nicht anzuwenden (2.2)
2.1
Der Beklagte begründet die außerordentliche Kündigung mit dem Vorwurf, die Klägerin habe von ihr vereinnahmte Bareinzahlungen nicht abgeführt, sondern für sich behalten. Dass ein solches Verhalten als wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB an sich geeignet wäre, ist unzweifelhaft. Dem Beklagten war es jedoch auch in der Berufungsinstanz nicht gelungen, den von ihm behaupteten Pflichtenverstoß der Klägerin hinreichend darzulegen.
2.1.1.
Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin die im Prozess angeführten 10 Barbeträge eingenommen und entsprechend quittiert hat. Weiterhin hat der Beklagte dazu behauptet, die Klägerin habe diese Beträge nicht auf die Konten eingezahlt. Im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast oblag es dann zunächst der Klägerin, die die Beträge unstreitig einmal in Besitz hatte, ihrerseits vorzutragen, was sie damit getan hat. Dieser Darlegungslast ist die Klägerin mit ihrem Vortrag nachgekommen, sie habe die Beträge in die Kanzleikasse bzw. auf den Schreibtisch des Beklagten gelegt. Denn mehr musste die Klägerin nach den eigenen Vorgaben des Beklagten beim
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Umgang mit Bareinzahlungen zunächst nicht tun. Weder gab es bei dem Beklagten eine Verpflichtung, eingehende Beträge sofort in einem Kassenbuch festzuhalten, noch die Verpflichtung, die Kanzleikasse taggenau abzurechnen.
Nach dieser Darlegung der Klägerin wäre es nunmehr Sache des Beklagten gewesen, darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass die Klägerin entweder das Geld nicht in die Kanzleikasse oder auf seinem Schreibtisch hinterlegt, oder es aber wieder herausgenommen und für sich behalten hat. Diesen Vortrag vermochte der Beklagte bei der von ihm vorgegebenen Abrechnungspraxis jedoch nicht zu erbringen. Da die Beträge weder bei Einlegen in die Kasse sofort verbucht werden, noch die Kasse am Ende eines Tages von der Klägerin abgerechnet werden musste, lassen fehlende Eintragungen diesbezüglich nicht bereits den Schluss zu, die Klägerin habe die quittierten Beträge erst gar nicht in die Kanzleikasse oder aber auf den Schreibtisch des Beklagten gelegt. Eine solche Schlussfolgerung ergibt sich auch nicht aus der Behauptung des Beklagten, die Beträge seien bei der späteren Kassenabrechnung nicht aufgeführt und auch nicht auf den entsprechenden Hauskonten gebucht worden. Diese, von der Klägerin bestrittene Behauptung des Beklagten als richtig unterstellt, lässt bei dem vom Beklagten als Arbeitgeber vorgeschriebenen Umgang mit Geld dessen Verbleib völlig offen. Der Beklagte behauptet nämlich nicht substantiiert, dass die Klägerin allein Zugriff auf die Kanzleikasse hatte. Insbesondere legt er nicht dar, dass nur die Klägerin einen Schlüssel für diese hatte. Erstinstanzlich hatte er der Klägerin nur die Verantwortung für die Aufbewahrung des Schlüssels zugeschrieben (Bl. 98 d. A.). Hatten aber weitere Personen einen Schlüssel für die Kasse, hatten sie auch Zugriff auf deren Inhalt, konnten also innerhalb der Abrechnungszeiträume Beträge aus der Kasse entnehmen, ohne für die ordnungsgemäße Verbuchung Sorge zu tragen. Dies gilt erst Recht für die von der Klägerin behauptete Ablage auf dem Schreibtisch des Beklagten. Warum – wie vom Beklagten geltend gemacht - Dritte, insbesondere auch der Beklagte, keine Kenntnis von dem Aufbewahrungsort der Kasse gehabt haben sollen, war für die Berufungskammer so nicht nachvollziehbar.
Das Arbeitsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass bei einem möglichen Zugriff Dritter auf die Kanzleikasse Fehlbeträge in der Kasse nicht mehr ohne weiteres der Klägerin zugerechnet werden können. Insbesondere lässt sich dann der vom Beklagten geltend gemachte Kündigungsgrund (Einbehalt des Geldes durch die Klägerin) nicht hinreichend feststellen. Die Annahme eines solchen möglichen Zugriffs Dritter ist dabei in Anbetracht des vom Beklagten selbst eingeräumten zweckwidrigen Umgangs mit
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fremden Geldern keine reine Spekulation, die zu einer Überzeugungsbildung im Rahmen eines Zivilprozesses nicht führen konnte.
Soweit der Beklagte darauf abstellt, die Klägerin habe die Beträge aus den Quittungen nicht gebucht, lässt sich daraus – den Vortrag des Beklagten als zutreffend unterstellt - ebenfalls noch nicht ableiten, die Klägerin habe die Beträge tatsächlich einbehalten. Wie von den Parteien in der Berufungsverhandlung übereinstimmend dargestellt, erfolgte die Kassenabrechnung anhand der Quittungen bzw. anhand der sonstigen Belege, wie z. B. der vom Beklagten abgezeichneten Entnahmen. Fehlende Buchungen können insofern ohne weiteres darauf beruhen, dass auch die entsprechenden Quittungen nicht mehr in der Kasse waren, andererseits aber auch auf dem Umstand, dass der Beklagte Gelder aus der Kasse entnommen und die Klägerin diese Gelder dann, weil sie nicht mehr vorhanden waren, auch nicht gebucht hat. Allein das Unterlassen von Buchungen – ohne eigenmächtige Entnahme der Beträge - aber könnte nach Auffassung der Berufungskammer allenfalls eine Abmahnung rechtfertigen.
2.1.2
Auch als Verdachtskündigung erweist sich die außerordentliche Kündigung als nicht rechtswirksam. Hinreichende Verdachtsmomente lagen nicht vor, so dass es auf die Frage, ob die Klägerin am 21. August 2006 ausreichend zu einer solchen angehört, und ob der Beklagte überhaupt eine solche aussprechen wollte, nicht ankam. Dem für eine Kündigung erforderlichen dringenden Verdacht einer schweren Pflichtverletzung zu Lasten des Beklagten steht der oben bereits dargestellte mögliche Zugriff Dritter auf die eingenommenen Gelder entgegen.
2.1.3
Aus diesen Gründen erweist sich die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung vom 21. August 2006 als unwirksam.
2.2
Die hilfsweise ausgesprochene fristgemäße Kündigung konnte das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Berücksichtigung der gesetzlichen Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB, auf die im Arbeitsvertrag Bezug genommen wurde, erst zum 31. Oktober 2006 beenden. Die gesetzliche Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB beträgt 2 Monate zum Monatsende, da das Arbeitsverhältnis der Parteien länger als 5 Jahre bestanden hat. Dabei waren für die Berechnung der Beschäftigungsdauer unabhängig von dem
- 12 -
Lebensalter der Klägerin sämtliche Zeiten seit Beginn des Arbeitsverhältnisses anzurechnen. § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, der die Nichtberücksichtigung von Zeiten vor der Vollendung des 25. Lebensjahres vorsieht, war – wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend und mit ausführlicher Begründung ausgeführt hat - wegen Verstoßes gegen den europarechtlichen Gleichheitssatzes nicht anzuwenden.
2.2.1
§ 622 Abs. 2 Satz 2 BGB verstößt gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, wie sie auch in der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABI. EG 2000 L 303, S. 16) niedergelegt sind.
2.2.1.1
Die Richtlinie 2000/78/EG verbietet in Art. 2 die unmittelbare und mittelbare Diskriminierung u. a. wegen des Alters. Dabei bezieht sich der Begriff „Alter“ auf das Lebensalter. Dieses Gleichbehandlungsgebot verbietet mithin nicht nur eine Ungleichbehandlung wegen hohen Alters, sondern jede Anknüpfung an das Alter, sofern sie nicht durch eine Rechtfertigung –ausnahmsweise - gestattet ist (Annuß, BB 2006, 325-327).
§ 622 Abs. 2 Satz 2 BGB regelt seinerseits, dass für die Bestimmung der jeweils maßgeblichen gesetzlichen Kündigungsfristen nur solche Betriebszugehörigkeitszeiten berücksichtigt werden, die ab Vollendung des 25. Lebensjahres zurückgelegt worden sind. Mit dieser Vorschrift erfahren mithin jüngere Arbeitnehmer alleine aufgrund ihres Lebensalters eine weniger günstige Behandlung als ältere Arbeitnehmer. Denn für sie tritt eine Verlängerung der Kündigungsfrist aufgrund ihres (jüngeren) Lebensalters auch dann nicht ein, wenn sie die im Gesetz für die Verlängerung der Kündigungsfrist vorgesehene Betriebszugehörigkeit aufweisen. Eine Ungleichbehandlung liegt damit vor, und zwar sowohl von jüngeren Arbeitnehmern gegenüber älteren Arbeitnehmern als auch von älteren Arbeitnehmern, die in jüngeren Jahren bei einem Arbeitgeber begonnen haben, gegenüber denjenigen Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis erst nach dem 25. Lebensjahr aufgenommen haben. Deren Betriebszugehörigkeit wird in vollem Umfang für die Berechnung der Kündigungsfristen anerkannt. Es liegt damit eine Ungleichbehandlung in mehreren Konstellationen vor, die an das Alter anknüpft und die sich im Übrigen als bereits unmittelbare Diskriminierung darstellt.
- 13 -
2.2.1.2
Diese Ungleichbehandlung ist nicht nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters dann keine Diskriminierung darstellen, wenn sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Zwecks angemessen und erforderlich sind.
§ 622 Abs. 2 Satz 2 BGB stellt keine derartige ausnahmsweise gerechtfertigte Regelung zur Ungleichbehandlung dar.
Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass Sinn und Zweck verlängerter Kündigungsfristen bei Langzeitbeschäftigten ist, dass diesen in der Regel älteren Arbeitnehmern nicht oder doch nur in zweiter Linie gekündigt wird. Wenn dies gleichwohl geschieht, soll mit den verlängerten Kündigungsfristen dem Arbeitnehmer die Anpassung an eine veränderte berufliche Situation, die Suche nach einer anderen Arbeitsstelle und der möglichst nahtlose Übergang in eine neue Beschäftigung erleichtert werden (vgl. BVerfG 1. Senat 16.11.1982 1 BvL 16/75, 1 BvL 36/79 – AP Nr 16 zu § 622 BGB). Dies kann sich im Grundsatz auch als arbeitsmarktpolitische Zielsetzung darstellen.
Die Regelung in § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB verfolgt ihrerseits hingegen keine arbeitsmarkt- oder beschäftigungspolitischen Ziele. Mit dieser Regelung werden Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr für die Dauer der Kündigungsfrist nicht anerkannt; diese können die Kündigungsfristen nicht verlängern. Insofern beschränkt sich der Zweck der Regelung darauf, jüngeren Arbeitnehmern den Vorteil der verlängerten Kündigungsfrist vorzuenthalten (Löwisch in Festschrift für Schwerdtner 769, 771). Das ist von vorneherein kein legitimes Ziel aus den Bereichen der Beschäftigungspolitik oder des Arbeitsmarktes (Löwisch in Festschrift für Schwerdtner 769, 771). Insofern ist mit der überwiegenden Meinung in der Literatur davon auszugehen, dass § 622 Abs. 2 BGB eine nach Art. 2 Abs. 1 RL 2000/78/EU unzulässige Diskriminierung wegen des Alters enthält (vgl. Müller-Glöge in Erf.Ko. 7. Aufl. 2007 § 622 BGB Rz. 2; Schleusener NZA 2007, 358; Preis NZA 2006, 401, 406; Annuß BB 2006, 325, 326;; Wolff FA 2006, 260, 263; Waltermann NZA 2005, 1265, 1270; Löwisch in Festschrift für Schwerdtner 769, 771).
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2.2.2
Diese durch § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB vorgenommene Ungleichbehandlung konnte einer am europarechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf orientieren Prüfung vorliegend unterzogen werden. Denn die Vorschrift stellt sich, zumindest im Hinblick auf § 2 Abs. 4 AGG, als eine solche dar, die der Gesetzgeber unter europarechtlichen Gesichtspunkten gesehen hat. § 2 Abs. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, das unzweifelhaft in Erfüllung der Richtlinie erlassen worden ist, bezieht die Regelungen des BGB in den gesamten Komplex der Gleichbehandlung ein, so dass auch § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB einer Prüfung an europarechtlichen Vorgaben unterzogen werden kann. Insofern liegt hier eine andere Fallkonstellation vor, als sie der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27. April 2005 (BSG v. 27.04.2005 - B 6 KA 38/04 B – veröffentlicht in juris) zugrunde gelegen hat.
2.2.3
Verstößt § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB aber gegen das europarechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, ist die Vorschrift bei der Berechnung der maßgeblichen Kündigungsfrist nicht anzuwenden.
2.2.3.1
Mit der Rechtsprechung des EuGH (EuGH vom 22.11.2005 – C 144/04 Werner Mangold/ Rüdiger Helm – NZA 2005, 1345, 134), der sich das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 26.04.2006 – 7 AZR 500/04 – AP Nr. 23 zu § 14 TzBfG) angeschlossen hat, ist davon auszugehen, dass das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen ist, dessen Beachtung nicht von der Umsetzung der Richtlinie durch den Mitgliedstaat und entsprechender Umsetzungsfristen abhängt. Denn das grundsätzliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters hat, wie sich aus der ersten und der vierten Begründungserwägung der Richtlinie ergibt, seinen Ursprung in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen und den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedsstaaten.
Als primärem Gemeinschaftsrecht kommt diesem Grundsatz dann aber innerhalb der Grenzen der verfassungsrechtlichen Ermächtigung durch Art. 23 GG Anwendungsvorrang vor entgegenstehendem – früherem oder späterem – innerstaatlichem Recht zu (vgl. dazu Kreft, Auslegung europäischen oder die Anwendung nationalen Rechts? Vortrag beim 5. Europarechtlichen Symposium des BAG 2006). Verstößt eine innerstaatliche Regelung gegen den gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitssatz, ist das nationale Gericht gehalten, eine
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diskriminierende nationale Bestimmung außer Anwendung zu lassen, ohne dass es ihre vorherige Aufhebung durch den Gesetzgeber beantragen oder abwarten müsste (vgl. BAG 26.04.2006 – 7 AZR 500/04 – a. a. O. unter Verweis auf die Rspr. des EuGH). Es obliegt dem nationalen Gericht, bei dem ein Rechtsstreit über das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters anhängig ist, im Rahmen seiner Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt, zu gewährleisten und die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu garantieren, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt (EuGH vom 22.11.2005 – C 144/04 Werner Mangold/Rüdiger Helm – NZA 2005, 1345, 13). Einer Vorlage an den EuGH bedarf es in diesen Fällen nicht, weil der EuGH zu dem europarechtlichen Aspekt bereits entschieden hat. Mit der Zuordnung des Verbots der Altersdiskriminierung zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts hat der EuGH im Übrigen nicht die ihm übertragenen Kompetenzen überschritten (BAG vom 26.04.2006 – 7 AZR 500/04 – a. a. O.).
2.2.3.2
Bei Anwendung dieser Grundsätze war § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB bei der Berechnung der hier maßgeblichen Kündigungsfrist außer Anwendung zu lassen. Wie oben dargestellt, verstößt diese Regelung gegen das Diskriminierungsverbot. Dieses geht als primäres Gemeinschaftsrecht der innerstaatlichen Regelung vor, mithin auch der Regelung in § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, § 2 Abs. 4 AGG.
Die Anwendung von Vertrauensschutz kommt vorliegend nicht in Betracht. Es geht nur um den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Kündigungserklärung des Beklagten selbst; dieser Fall ist anders zu behandeln als derjenige, in der dem Arbeitgeber eine Handlung aufgrund der bestehenden (europarechtswidrigen) Rechtslage unmöglich geworden wäre (BAG vom 23.03.2006 – 2 AZR 343/05 - AP Nr. 21 zu § 17 KSchG 1969). An der Wirkung der Kündigung ändert sich durch die Unanwendbarkeit nichts.
3.
Ohne die Einschränkung von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB betrug die Kündigungsfrist im vorliegenden Fall 2 Monate zum Monatsende, da die Klägerin länger als 5 Jahre beim Beklagten beschäftigt war. Mithin endete das Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 2006. Zur Klarstellung, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls zu diesem Zeitpunkt sein Ende fand, war der Tenor entsprechend gefasst worden.
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4.
Der Klägerin stand der noch rechtshängige Entgeltanspruch für die Zeit vom 22. August 2006 bis zum 30. September 2006 aus dem Arbeitsvertrag i. V. m. § 615 BGB zu. Der Beklagte befand sich im Annahmeverzug, ohne dass es eines tatsächlichen oder wörtlichen Angebots seitens der Klägerin bedurfte. Mit Ausspruch der Kündigung ist er seiner nach dem Kalender bestimmten Mitwirkungshandlung nicht nachgekommen (§ 296 BGB) und hat der Klägerin keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz mehr zur Verfügung gestellt.
5.
Aus diesen Gründen war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97, 269 ZPO.
Die Revision war nach § 72 Abs. 2 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage zur Anwendbarkeit von § 622 As. 2 Satz 2 BGB zuzulassen.
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Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von dem Beklagten bei dem
Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt
(Postadresse: 99113 Erfurt),
Revision eingelegt werden. Die Revision muss innerhalb
einer Notfrist von einem Monat
schriftlich beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.
Sie ist gleichzeitig oder innerhalb
einer Frist von zwei Monaten
schriftlich zu begründen.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments i. S. d. § 46b ArbGG genügt. Nähere Informationen dazu finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts unter www.bundesarbeitsgericht.de.
R. H.
zugleich für den wegen Erkrankung an der Unterschrift
verhinderten ehrenamtlichen Richter
Hinweis der Geschäftsstelle
Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in siebenfacher Ausfertigung einzureichen.
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Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
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