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LAG Hamm, Urteil vom 29.03.2006, 18 Sa 2104/05
Schlagworte: | Krankheitsbedingte Kündigung, Kündigung: Krankheitsbedingt, Eingliederungsmanagement | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Hamm | |
Aktenzeichen: | 18 Sa 2104/05 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 29.03.2006 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Hagen (Westfalen) | |
18 Sa 2104/05
5 Ca 2970/04 Arbeitsgericht Hagen 2 AZR 716/06 Urteil aufgehoben, zurückverwiesen 12.07.2007
18 Sa 128/08
Vergleich 27.05.2008
Verkündet
am 29.03.2006
Grewatsch Reg.-Ang.
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Landesarbeitsgericht Hamm
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
E1xx A1xxxxxx, R2xxxxxxxxx 11, 41xxx H1xxxxxxx,
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B1xx, R3xxxx und Kollegen, A2xxxxxxxxx 21, 42xxx B2xxxx,
gegen
Firma W1xxxx B3xxxx GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Dr.-Ing. T1xxxx B3xxxx, G1xxxxxxxxx 91, 43xxx S1xxxxxxxxx,
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. L1xxxxxx, P1xxxxxx und K1xxxxxx, B4xxxxxxxx 92, 51xxx H2xxx,
hat die 18. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 29.03.2006
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Knipp sowie die ehrenamtlichen Richter Hilpert und Stach
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für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 27.09.2005 – 5 Ca 2970/04 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung.
Der am 30.12.1962 geborene, verheiratete Kläger ist seiner Ehefrau sowie einem noch schulpflichtigen Sohn unterhaltspflichtig. Seine Vergütung betrug zuletzt 1.642,84 € monatlich.
Die Beklagte beschäftigt in ihrem Werk in S1xxxxxxxxx ca. 150 bis 200 Arbeitnehmer.
Der Kläger ist seit dem 26.03.2002 arbeitsunfähig krank. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger als Maschinenbediener die zu bearbeitenden Werkstücke per Hand aus Metallbehältern zu entnehmen, in die Spannvorrichtung der Bearbeitungsmaschine einzulegen und festzuspannen sowie den Fertigungsprozess zu starten. Nach dessen Beendigung war das bearbeitete Teil auszuspannen und per Hand in einen weiteren Metallbehälter abzulegen. Sowohl die Metallkisten mit den zu bearbeitenden Werkstücken als auch die mit den fertigen Teilen hatte der Kläger einige Meter mit einem handgeführten Hubwagen zu transportieren. Wegen der in stehender und kurzstreckig gehender Arbeitshaltung zu verrichtenden Tätigkeiten und der dabei bestehenden Arbeitsbedingungen im Einzelnen wird auf die Arbeitsplatzbeschreibung in dem vom Gericht eingeholten arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten vom 24.06.2005 auf den Seiten 10 und 11 (Bl. 64 und 65 der Akte) Bezug genommen.
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Während seiner ab dem 26.03.2002 bestehenden Arbeitsunfähigkeit, die ab dem 13.05.2002 zunächst zum Bezug von Krankengeld und dann von Leistungen der Arbeitsverwaltung führte, wurde dem Kläger am 24.02.2003 in der Universitätsklinik Essen ein Bandscheibenvorfall in Höhe der Lendenwirbelkörper vier und fünf operativ entfernt. Es folgte in der Zeit vom 21.07. bis 15.08.2003 eine ambulante Rehabilitationsbehandlung in Hattingen.
Mit Schreiben vom 03.09.2003 (Bl. 24 der Akte) fragte die Beklagte beim Kläger nach dem Stand der Erkrankung und wann mit einer Genesung zu rechnen sei. Daraufhin teilte der Kläger mit Schreiben vom 13.09.2003 (Bl. 25 und 26 d.A.) mit, dass er an einem Bandscheibenvorfall leide, genauere Angaben über seinen Gesundheitszustand aber nicht machen könne; er sei weiterhin nicht in der Lage, seine Arbeit aufzunehmen, weil es nicht besser, sondern eher schlimmer geworden sei; eine Operation sei ohne Erfolg geblieben, eine zweite Operation folge noch „in unabsehbarer Zeit". Mit Schreiben vom 17.11.2003 (Bl. 27 der Akte.) lud die Beklagte den Kläger zu einem klärenden Sozialgespräch unter Teilnahme des Betriebsarztes und eines Betriebsratsmitglieds ein und bat den Kläger, seine Krankenunterlagen mitzubringen. Zu diesem Sozialgespräch am 28.11.2003 erschien der Kläger dann ohne diese Unterlagen, so dass der Werksarzt keine weitere Stellungnahme zum Gesundheitszustand des Klägers abgeben konnte (vgl. die Kopie des Gesprächsprotokolls auf Bl. 28 der Akte).
Wegen der Andauer der Beschwerden wurde der Kläger vom 08. bis 10.12.2003 nochmals im Universitätsklinikum Essen stationär behandelt. Dies führte jedoch genauso wie Massagen, Krankengymnastik und therapeutische Maßnahmen nicht zu einer nachhaltigen Beschwerdebesserung.
Mit Einwurfeinschreiben vom 06.10.2004 (Bl. 29 der Akte) bat die Beklagte den Kläger erneut, sich zu seinem Krankheitsbild detailliert zu äußern und bis zum 22.10.2004 um Mitteilung, wann er seine Arbeit wieder aufnehmen könne.
Nachdem keine Reaktion des Klägers hierzu erfolgte, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 29.10.2004 (Bl. 31 und 32 der Akte) dem Betriebsrat ihre Absicht mit, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht wegen dessen Dauererkrankung seit dem 26.03.2002 und der völligen Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu kündigen. Nachdem der Betriebsrat in einer einberufenen Sondersitzung noch am selben Tage zugestimmt und dieses gegenüber der Beklagten kundgetan hatte, kündigte diese mit dem am 29.10.2004
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gegen 13.15 Uhr durch zwei Boten in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfenen Schreiben vom 29.10.2004 (Bl. 4 bzw. 33 der Akte) das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2005.
Die vorliegende Kündigungsschutzklage hat der Kläger am 12.11.2004 bei dem Arbeitsgericht erhoben. Mit der Klagerweiterung vom 04.02.2005 hat er den Weiterbeschäftigungsanspruch als Maschinenarbeiter geltend gemacht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozialwidrig.
Es fehle aus objektiver Sicht bereits an der erforderlichen negativen Zukunftsprognose, weil die Besserung seines Gesundheitszustandes schon Ende Oktober 2004 entsprechend weit fortgeschritten und insbesondere das Bewegungsmaß der Lendenwirbelsäule befriedigend gewesen sei. Das bestätige auch das ärztliche Attest des Facharztes für Orthopädie Dr. med. K3xxx vom 18.11.2004 (Bl. 39 der Akte), von dem dann der Wiedereingliederungsplan vom 03.01.2005 (Bl. 40 der Akte) erstellt worden sei. Durch ihre Weigerung, seiner stufenweisen Wiedereingliederung zuzustimmen, habe die Beklagte aber selbst Feststellungen über seine Arbeitsfähigkeit verhindert, so dass sie sich auf eine negative Zukunftsprognose jedenfalls nicht berufen könne.
Eine Weiterbeschäftigung sei möglich. Sein Arbeitsplatz als Maschinenarbeiter könne leidensgerecht modifiziert werden. Die Verpflichtung der Beklagten zu einer solchen Modifikation ergebe sich aus § 315 und § 618 Abs. 1 BGB sowie insbesondere aus § 84 Abs. 2 SGB IX, weil das dort geregelte betriebliche Wiedereingliederungsmanagement mit dem Ziel des Arbeitsplatzerhalts für alle „Beschäftigte" und nicht nur für schwerbehinderte Menschen durchzuführen sei. Außerdem könne er anderweitig leidensgerecht eingesetzt werden, z.B. als Etikettierer in der Versandhalle. Die damit verbundenen Tätigkeiten seien im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen sowie ohne Zwangshaltungen oder häufiges Bücken und ohne Tragen von schweren Lasten zu absolvieren, wobei er sie nach kurzer Einarbeitszeit auch ausüben könne.
Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liege nicht vor. Die Interessenabwägung müsse zu seinen Gunsten ausfallen, insbesondere wegen seiner langen Betriebszugehörigkeit von länger als 23 Jahren.
Weiter hat der Kläger die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.10.2004 zum 30.04.2005 nicht aufgelöst wird;
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2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits tatsächlich als Maschinenarbeiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.
Zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs, Ende Oktober 2004, habe sie mit einer Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers nicht mehr rechnen können. Vielmehr sei von einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit für die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung auf unabsehbare Zeit auszugehen gewesen. Das bestätige auch eindeutig das vom Gericht eingeholte Gutachten. Der Kläger habe ausreichend Gelegenheit gehabt, sie über seinen Gesundheitszustand zu informieren. Weil er diese Möglichkeit vor Ausspruch der Kündigung nicht genutzt habe, sei sie berechtigt gewesen, eine negative Zukunftsprognose zu unterstellen. Die erhebliche Beeinträchtigung ihrer betrieblichen Interessen liege bereits darin, dass sie seit Jahren gehindert sei, von ihrem Direktionsrecht gegenüber dem Kläger Gebrauch zu machen. Auch die Interessenabwägung müsse zu ihren Gunsten getroffen werden.
Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung angehört worden.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Mit der Erstellung des Gutachtens hat es den Facharzt für Arbeits- und Umweltmedizin Dr. R4xxxx Q1xxxxxxxxx-B7xxxxxxxxx beauftragt. Wegen des Inhaltes des Gutachtens wird auf Bl. 55 bis 67 der Akte verwiesen.
Durch Urteil vom 27.09.2005 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Den Streitwert hat es auf 8.214,20 € festgesetzt.
In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt sei, da nach dem Gutachten von einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit auf unabsehbare Zeit zumindest für die nächsten 24 Monate auszugehen gewesen sei. So liege eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vor und der Beklagten sei es nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Auch eine Weiterbeschäftigung scheide
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aus, da kein leidensgerechter freier Arbeitsplatz im Betrieb vorhanden sei. Der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden.
Gegen dieses ihm am 28.10.2005 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 10.11.2005 Berufung eingelegt und diese am 22.12.2005 begründet.
Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an und stützt die Berufung maßgeblich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Insbesondere ist der Kläger der Auffassung, dass schon wegen der Nichtdurchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX die Kündigung unwirksam sei und seine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf den Arbeitsplatz eines Etikettierers/Anbringers von Typenschildern auf den Kugelhähnen in der Versandhalle bestanden habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 27.09.2005 – 5 Ca 2970/04 – abzuändern und
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.10.2004 zum 30.04.2005 nicht aufgelöst wird;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits tatsächlich als Maschinenarbeiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Hagen vom 27.09.2005 – 5 Ca 2970/04 – zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
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Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen W3xxxxxx K4xxxxxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2006 verwiesen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen. Wegen der Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlungen wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 29.10.2004, dem Kläger zugegangen am 29.10.2004, mit Wirkung zum 30.04.2005 aufgelöst worden, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.
A. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 1 und 2 KSchG).
Das Kündigungsschutzgesetz kommt auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung.
Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.
Die Kündigung der Beklagten vom 29.10.2004 ist sozial gerechtfertigt, da sie personenbedingt, nämlich krankheitsbedingt, ist.
I. Bei der Prüfung einer Kündigung wegen langandauernde Erkrankung ist eine dreistufige Prüfung vorzunehmen.
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Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt – erste Stufe -, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist –
zweite Stufe – und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen – dritte Stufe – (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAG, Urteil vom 07.11.2002 – 2 AZR 599/01 – AP KSchG § 1 Krankheit Nr. 40; BAG, Urteil vom 29.04.1999 – 2 AZR 431/98 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 76; Urteil vom 21.02.1992 – 2 AZR 399/98 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 30).
II. Diese Voraussetzungen liegen vor.
1. Der Kläger war im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 29.10.2004 langandauernd arbeitsunfähig krank, da er schon ununterbrochen seit dem 26.03.2002, mithin mehr als zweieinhalb Jahre wegen Krankheit fehlte (vgl. BAG, Urteil vom 29.04.1999 – 2 AZR 431/98 – AP KSchG 1969, § 1 Krankheit Nr. 36).
2. Die Prognose war zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung negativ.
a) Bei der Kündigung wegen langandauernder Erkrankung ist die Prognose negativ, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Arbeitsunfähigkeit noch besteht und für voraussichtlich längere Zeit oder nicht absehbare Zeit andauert (vgl. BAG, Urteil vom 29.04.1999, a.a.O.; KR-Etzel, 7. Aufl., § 1 KSchG Rz. 366).
b) Eine solche Prognose bestand zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht auch für das Berufungsgericht aufgrund des eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Arbeits- und Umweltmedizin Dr. R4xxxx Q2xxxxxxxxx-B7xxxxxxxxx vom 24.06.2005 fest, dass im Zeitpunkt des Kündigungszugangs die Prognose bestand, dass die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers völlig ungewiss wahr. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die eingehende und zutreffende Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts verwiesen.
3. Es liegt auch eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vor.
a) Bei einer Kündigung aus Anlass einer Langzeiterkrankung ist bei krankheitsbedingter Leistungsunfähigkeit in aller Regel von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen. Der dauerhaften Leistungsunfähigkeit steht die Ungewissheit der
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Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 12.04.2002 – 2 AZR 148/01 – NZA 2002, 1081; BAG, Urteil vom 29.04.1999, a.a.O.).
Eine solche Prognose der völligen Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ist im vorliegenden Fall gegeben. Es liegt eine sehr schwere Störung des Austauschverhältnisses vor. Für die Beklagte als Arbeitgeber ist es völlig ungewiss, ob und wann sie ihr Direktionsrecht wieder ausüben kann.
b) Eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen ist nicht gegeben, wenn die Kündigung durch die Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz vermeidbar war.
aa) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Kündigung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen weiterzubeschäftigen, falls ein solcher gleichwertiger oder jedenfalls zumutbarer Arbeitsplatz frei und der Arbeitnehmer für die dort leistende Arbeit geeignet ist. Gegebenenfalls hat der Arbeitgeber einen solchen Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechtes frei zu machen (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 29.01.1997 – 2 AZR 9/96 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 32).
Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit die Darlegungs- und Beweislast. Wenn der Arbeitgeber zunächst pauschal nach einer Überprüfung behauptet, es bestehe keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, so muss aber der Arbeitnehmer darlegen, wie er sich eine andere Beschäftigung vorstellt und dass er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung diese Tätigkeit ausüben kann. Die den Vorstellungen des Arbeitnehmers entsprechende Tätigkeit muss seinem Leiden adäquat sein, was sich aus seinem Sachvortrag ergeben muss (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 26.05.1977 – 2 AZR 201/76 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 14).
bb) Im Rahmen seiner Erklärungspflicht hat der Kläger vorgetragen, er könne auf dem Arbeitsplatz „Etikettieren in der Versandhalle" eingesetzt werden. Dieser Arbeitsplatz sei leidensgerecht.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass ein solcher Arbeitplatz nach der betrieblichen Organisation der Beklagten nicht besteht.
(1) Erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2006 hat der Kläger erklärt, dass er mit dem „Etikettieren" das Anbringen von Typenschildern auf die Kugelhähne meint.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen K4xxxxxx steht fest, dass es einen separaten Arbeitsplatz „Anbringung eines Typenschildes" bzw. „Beschriftung der Kugelhähne" im Betrieb der Beklagten zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht gab.
Nach der Aussage des Zeugen K4xxxxxx wird das Typenschild von den Versandarbeitern angebracht, die auch die Kugelhähne zum Versenden verpacken.
Der Zeuge hat weiter bekundet, dass an anderen Stellen im Betrieb die Kugelhähne mit Maschinen beschriftet werden. Wenn eine solche Beschriftung vorgenommen werde, werde sie größtenteils von Schlossern vorgenommen. Nach seinem Kenntnisstand habe es den Arbeitsplatz „Anbringung von Typenschildern" im Betrieb nie gegeben.
(2) Damit steht fest, dass es einen freien Arbeitsplatz Anbringen von Typenschildern auf den Kugelhähnen bzw. Anbringung des Typenschildes von Typenschildern im Betrieb der Beklagten zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht gab. Der Kläger hat schon nicht vorgetragen, dass ein solcher Arbeitsplatz zum Zeitpunkt der Kündigung frei gewesen war. Der Kläger kann nicht verlangen, dass die Beklagte durch Umorganisation einen solchen Arbeitsplatz schafft (vgl. BAG, Urteil vom 29.01.1997 – 2 AZR 9/96 – a.a.O.; LAG Hamm, Urteil vom 20.01.2000 – 8 Sa 1420/99 – NZA-RR 2000, 239).
c) Entgegen der Auffassung des Klägers wäre die Kündigung auch nicht vermeidbar gewesen, wenn die Beklagte das betriebliche Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt hätte.
aa) Nach der seit dem 01.05.2004 geltenden Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX hat der Arbeitgeber dann, wenn ein Beschäftigung innerhalb eines Jahres mehr als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Dabei hat der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Personen die Möglichkeit zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Hilfen oder Leistungen erneute Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Soweit erforderlich wird der Werks- und Betriebsarzt hinzugezogen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfe im Arbeitsleben in Betracht, so sollen vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen werden.
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bb) Es ist schon äußerst umstritten (vgl. bejahend z.B. : LAG Berlin, Urteil vom 27.10.2005¬10 Sa 783/05 – BB 2006, 560; LAG Niedersachsen, Urteil vom 29.03.2005 – 1 Sa 1429/04 –LAGE § 1 KSchG Krankheit Nr. 36; Rehwald/Kossak, AiB 2004 604 f.; Gaul/Süßbrich/Kulejewski, ArbRB 2004, 308; Britschgi, AiB 2005, 284; Löw, MDR 2005, 609; Schlewing, ZfA 2005, 85; vgl. verneinend z.B.: Gagel, NZA 2004, 1359; Brose, DB 2005, 390; Namendorf/Natzel, DB 2005, 1794; Baldes/Lepping, NZA 2005, 854 f.), ob die Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX nur für schwerbehinderte Menschen oder auch für alle Arbeitnehmer eines Betriebes gilt.
Der Streit kann dahingestellt bleiben. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX auf alle Arbeitnehmer des Betriebes zur Anwendung kommt, so führt dies im Falle einer krankheitsbedingten Kündigung dazu, dass das dem Kündigungsrecht innewohnende ultima-ratio-Prinzip konkretisiert wird (vgl. z.B. LAG Berlin, Urteil vom 27.10.2005, a.a.O.; APS/Vossen, 2. Aufl., § 85 SGB IX Rz. 2 a; ErfK-Rolfs, 6. Aufl., § 84 SGB IX Rz. 1; Düwell, BB 2000, 2570; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 11. Aufl., § 84 Rdn. 16). Die in dieser Vorschrift genannten Maßnahmen geben dem Arbeitgeber dasjenige Maß an Prüfung vor, das er zur Verhinderung einer krankheitsbedingten Kündigung in den genannten Fällen zur Geltung bringen muss. Ziel der Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX ist es, durch betriebliche Prävention die krankheitsbedingte Kündigung bei den Arbeitnehmern nach dem Grundsatz „Rehabilitation statt Entlassung" zu verhindern.
cc) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht überzeugt, dass auch bei der Durchführung des betrieblichen Eingliedermanagements im Fall des Klägers eine Kündigung nicht zu vermeiden gewesen wäre.
Nach den Feststellungen des Gutachters war im Oktober 2004 zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mit einer Besserung des Gesundheitszustandes des seit dem 26.03.2002 ununterbrochen arbeitsunfähig kranken Klägers nicht zu rechnen. Vielmehr war zu diesem Zeitpunkt und auch zum Zeitpunkt der vorgenommenen körperlichen Untersuchung durch den Sachverständigen von einer fortbestehenden Arbeitsfähigkeit auf unabsehbare Zeit auszugehen. Es bestand die konkrete Gefahr, dass sich durch die Belastungen die vorhandene Erkrankung verschlechtern und die Beschwerden sich verstärken bzw. immer wieder aufleben. Eine leidensgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes als Maschinenarbeiter mit dem Ziel der Belastungsminderung war aus gutachterlicher Sicht nicht realisierbar.
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Weiter bestand, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, keine Versetzungsmöglichkeit bzw. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Klägers auf einen anderen leidensgerechten Arbeitsplatz im Betrieb.
4. Die Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führt dazu, dass eine billigerweise nicht mehr hinzunehmende Belastung des Arbeitgebers gegeben ist.
Ist eine Kündigung nach den Grundsätzen der Kündigung wegen Leistungsunfähigkeit an sich personenbedingt, kann eine Interessenabwägung nur in extremen Ausnahmefällen zu Gunsten des Arbeitnehmers ausfallen, etwa wenn der Arbeitnehmer aufgrund schwerwiegender persönlicher Umstände besonders schutzbedürftig ist – z.B. andauernde Unfähigkeit zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung infolge eines vom Arbeitgeber verschuldeten Arbeitsunfalls – und dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung unter diesen Umständen gegebenenfalls auf einen neu zu schaffenden Arbeitsplatz zuzumuten ist (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 30.01.1986 – 2 AZR 668/84 – NZA 1987, 555). Auch bei einer Arbeitsunfähigkeit auf unabsehbare Zeit, bei der die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss ist kann es nur bei Vorliegen besonderer Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers zu dem Ergebnis kommen, dass der Arbeitgeber trotz der erheblichen Störung des Arbeitsverhältnisses auf nicht absehbare Zeit dessen Fortsetzung billigerweise hinnehmen muss (BAG, Urteil vom 21.05.1992 – 2 AZR 399/91 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 30; Dörner in Ascheid/Preis/Schmidt, 2. Aufl., § 1 KSchG Rn. 196).
Vorliegend liegt eine solche Ausnahmesituation nicht vor. Auch unter Berücksichtigung der 23-jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers und seiner persönlichen Verhältnisse ist wegen der schweren Äquivalenzstörung das Interesse der an einer Beendigung höher zu bewerten ist als das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.
B. Die Kündigung verstößt nicht gegen § 102 Abs. 1 BetrVG.
Wie das Arbeitsgericht im Einzelnen dargelegt hat, ist angesichts des schlüssigen Vortrags der Beklagten davon auszugehen, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung angehört worden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichtes gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug
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genommen. Der Kläger hat die Ausführungen des Arbeitsgerichts mit der Berufung nicht angegriffen.
C. Da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 29.10.2004 mit Wirkung zum 30.04.2005 aufgelöst worden ist, besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung.
Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen worden.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Revision eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat beim
Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1,
99084 Erfurt,
Fax-Nr.: (03 61) 26 36 - 2 00 0
eingelegt werden.
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
Knipp
Hilpert
Stach
/Bu.
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