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LAG Köln, Urteil vom 20.01.2010, 9 Sa 991/09
Schlagworte: | Zurückbehaltungsrecht, Zahlungsverzug des Arbeitgebers, Lohn und Gehalt, Krankheit | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Köln | |
Aktenzeichen: | 9 Sa 991/09 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 20.01.2010 | |
Leitsätze: | 1. Dem Arbeitnehmer steht ein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung nach § 273 BGB zu, wenn der Arbeitgeber mit Ansprüchen nach § 3 EFZG in nicht verhältnismäßig geringfügigem Umfang in Rückstand ist. (Rn.32) (Rn.33) 2. Der Arbeitnehmer muss nicht zunächst einen Anspruch auf Krankengeld nach §§ 44 ff. SGB 5 gegenüber der Krankenkasse geltend gemacht haben. (Rn.33) |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Köln, 23. Juli 2009, Az: 8 Ca 2892/09, Urteil | |
9 Sa 991/09
8 Ca 2892/09
Arbeitsgericht Köln
Verkündet am 20. Januar 2010
Horst,
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
g e g e n
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter:
hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 20.01.2010 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schwartz als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Herr Trimborn und die ehrenamtliche Richterin Frau Fries
für R e c h t erkannt:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23. Juli 2009 – 8 Ca 2892/09 – teilweise abgeändert:
a. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 13. Februar 2009 noch durch die Kündigung vom 20. Februar 2009 aufgelöst worden ist.
b. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 17. Februar 2009 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
c. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
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3. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch Kündigungen der Beklagten vom 13. Februar 2009 und 20. Februar 2009 beendet worden ist, und über die Entfernung einer Abmahnung vom 17. Februar 2009 aus der Personalakte des Klägers.
Der Kläger, geboren am 7. August 1973, alleinstehend, war bei der Beklagten seit dem 1. Juni 2007 als Arbeitnehmer zu einer monatlichen Vergütung in Höhe von EUR 1.203,00 bei einer Arbeitszeit von 152 Stunden pro Monat beschäftigt.
Der Kläger fehlte krankheitsbedingt vom 25. Januar 2008 bis zum 28. Februar 2008, vom 7. April 2008 bis zum 13. April 2008, vom 18. April 2008 bis zum 12. Mai 2008, vom 9.Juni 2009 bis zum 28. Juni 2008, vom 10. September 2008 bis zum 6. Oktober 2008, vom 13. Oktober 2008 bis zum 22. November 2008, vom 27. November 2008 bis zum 5. Dezember 2008 und vom 11. Dezember 2008 bis zum 8. Januar 2009. Zudem war er arbeitsunfähig erkrankt vom 29. April 2009 bis zum 30. April 2009. Wegen der Art der Erkrankungen wird auf die Bescheinigung der AOK Rheinland vom 18. Mai 2009 (Bl. 58 d. A.) verwiesen.
Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 30. Dezember 2008 auf, ihm ausstehende Vergütung für die Monate September 2008 bis Dezember 2008 sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld für das Jahr 2008 in Höhe von insgesamt EUR 3.195,48 brutto (vgl. Aufstellung: Bl. 47 d. A.) zu zahlen. Mit Schreiben vom 5. Januar 2009 forderte er auch Vergütung für den Monat Dezember 2008 in Höhe von EUR 1.202,74 brutto. Zugleich machte er ein Zurückbehaltungsrecht wegen der ausstehenden Vergütungszahlungen geltend
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und erschien aus dem Grund nach Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit ab dem 9. Januar 2009 nicht zur Arbeit.
Mit Schreiben vom 13. Februar 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zunächst fristgerecht zum 31. März 2009 wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten.
Mit Schreiben vom 17. Februar 2009 mahnte die Beklagte den Kläger wegen unentschuldigten Fehlens seit dem 9. Januar 2009 unter Kündigungsandrohung ab und kündigte an, für diesen Zeitraum keine Vergütung zu zahlen.
Nachdem der Kläger weiterhin nicht zur Arbeit erschien, kündigte sie mit Schreiben vom 20. Februar 2009 das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht wegen unentschuldigten Fehlens.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 26. Februar 2009 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 13. Februar 2009 und auf Entfernung der Abmahnung vom 17. Februar 2009 sowie mit der am 9. März 2009 eingegangenen Klageerweiterung auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 20. Februar 2009.
Er macht geltend, die Beklagte sei mit der Zahlung von Vergütungsbeträgen in erheblichem Umfang seit September 2008 in Verzug gewesen, weshalb er berechtigt mit Schreiben vom 5. Januar 2009 ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung geltend gemacht habe. Die Beklagte sei für sämtliche krankheitsbedingten Zeiträume zur Entgeltfortzahlung verpflichtet gewesen, was auch die zuständige Krankenkasse bestätigt habe. Er verweist zudem auf die Aufstellung der Krankenkasse über die Art der Erkrankungen. Er habe deshalb ab dem 9. Januar 2009 nicht unentschuldigt gefehlt, so dass die Kündigung vom 20. Februar 2009 unwirksam sei und die Abmahnung vom 17. Februar 2009 aus seiner Personalakte zu entfernen sei. Auch sei das Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung vom 13.
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Februar 2009 beendet worden, da die Erkrankungen sehr unterschiedliche Ursachen gehabt hätten und nicht davon auszugehen sei, dass es in Zukunft zu vergleichbaren Ausfallzeiten komme.
Er habe ab dem 23. September 2009 eine neue Tätigkeit aufgenommen und inzwischen selbst das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 fristlos gekündigt.
Die Beklagte trägt vor, als der Kläger mit Schreiben vom 5. Januar 2009 das Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht habe, sei die Vergütung für Dezember 2008 noch nicht fällig gewesen. Im Übrigen sei sie davon ausgegangen, dass es sich um Folgeerkrankungen gehandelt habe, für die der Kläger Krankengeld von der Krankenkasse erhalte. Da der Kläger Gegenteiliges nicht angezeigt habe, habe sie von einem unentschuldigten Fehlen des Klägers ab dem 9. Januar 2009 ausgehen dürfen und deshalb mit Schreiben vom 20. Februar 2009 das Arbeitsverhältnis wirksam fristlos gekündigt. Auch die ordentliche Kündigung vom 13. Februar 2009 sei wirksam gewesen, da der Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 8. Januar 2009 an insgesamt 193 Tagen erkrankt gewesen sei und sie EUR 7.940,03 an Lohnfortzahlung habe leisten müssen.
Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 23. Juli 2009 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei durch die fristlose Kündigung vom 20. Februar 2009 beendet. Der Kläger habe ab dem 9. Januar 2009 unberechtigt gefehlt. Zwar habe ihm die von ihm geltend gemachte Entgeltfortzahlung für die Krankheitszeiträume ab September 2008 zugestanden, jedoch habe ihn dies nicht zur Zurückbehaltung seiner Arbeitsleistung berechtigt. Er hätte zunächst gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld geltend machen können. Die Annahme der Beklagten, bei den Erkrankungen handle es sich um Fortsetzungserkrankungen, so dass keine Entgeltfortzahlungspflicht bestehe, sei nicht abwegig gewesen.
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Das Urteil ist dem Kläger am 17. August 2009 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 28. August 2009 Berufung einlegen und diese am 14. Oktober 2009 begründen lassen.
Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor, die Beklagte habe ihm gegenüber nicht erklärt, sie zahle nicht, weil sie von einer Fortsetzungserkrankung ausgehe. Wenn dies von ihr erklärt worden wäre, hätte er der Beklagten nachgewiesen, dass Fortsetzungserkrankungen nicht vorgelegen hätten. Im Übrigen habe die Beklagte von der zuständigen Mitarbeiterin der Krankenkasse die Auskunft erhalten, dass es sich nicht um Fortsetzungserkrankungen gehandelt habe.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 23. Juli 2009 – 8 Ca 2892/08 –
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 13. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist,
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 20. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist,
3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 17. Februar 2009 aus der Personalakte zu entfernen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist nach § 64 Abs. 2 b, c ArbGG statthaft und innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden.
II. In der Sache hat die Berufung auch Erfolg.
Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklagen und die Klage auf Entfernung der Abmahnung abgewiesen.
1. Die fristlose Kündigung vom 20. Februar 2009 ist nach § 626 Abs. 1 BGB
unwirksam.
Die Wirksamkeit dieser Kündigung ist zunächst zu prüfen, da sie noch vor dem mit der Kündigung vom 13. Februar 2009 angestrebten Beendigungstermin (31. März 2009) zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt hätte.
a. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
b. Zur Begründung der fristlosen und hilfsweise fristgerecht erklärten Kündigung beruft sich die Beklagte darauf, der Kläger habe ab dem 9. Januar 2009 und trotz Abmahnung vom 17. Februar 2009 unentschuldigt gefehlt. Sie
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beruft sich damit auf ein Fehlverhalten, das an sich als Grund auch für eine fristlose Kündigung geeignet ist (vgl. dazu: APS-Dörner, 3. Aufl., § 626 BGB Rdn. 209 m. w. N.; HWK-Sandmann, 3. Aufl., § 626 BGB Rdn. 167 ff. m. w. N.). Der Kläger hat jedoch nicht unentschuldigt gefehlt, sondern – entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts - ab dem 9. Januar 2009 ein bestehendes Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung ausgeübt, was er der Beklagten bereits mit Schreiben vom 5. Januar 2009 angekündigt hatte.
c. Einem Arbeitnehmer steht nach § 273 BGB ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung zu, wenn der Arbeitgeber seine Vergütungspflicht in mehr als nur geringfügigem Umfang nicht erfüllt. Macht der Arbeitnehmer berechtigterweise gegenüber dem Arbeitgeber ein derartiges Zurückbehaltungsrecht geltend, ist eine deswegen ausgesprochene außerordentliche Kündigung regelmäßig unwirksam (vgl. BAG, Urteil vom 9. Mai 1996 – 2 AZR 387/95 -; APS-Dörner, a.a.O., § 626 BGB Rdn. 208; HWK-Sandmann, a.a.O., § 626 BGB Rdn. 175).
Das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB besteht auch, wenn es sich bei den rückständigen Vergütungsansprüchen um Entgeltfortzahlungsansprüche handelt. Das Arbeitsgericht hat bei seinen davon abweichenden Ausführungen verkannt, dass es sich bei dem Entgeltfortzahlungsanspruch um den aufrechterhaltenen Anspruch auf das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt handelt, der auch dessen Schicksal teilt, und nicht um einen anders gearteten Lohnersatzanspruch (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 16. Januar 2002 – 5 AZR 430/00 -; HWK-Schliemann, a. a. O., § 3 EFZG Rdn. 5). Mit dem Hinweis auf einen Anspruch des Klägers gegen die Krankenkasse auf Zahlung von Krankengeld nach §§ 44 ff. SGB V hat das Arbeitsgericht übersehen, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch Vorrang vor diesem Anspruch hat und nicht etwa umgekehrt der Krankengeldanspruch vor dem Entgeltfortzahlungsanspruch. Krankengeld hat eine Entgeltersatzfunktion und ist erst zu leisten, wenn der Versicherte seines arbeitsrechtlichen Anspruchs auf Entgeltfortzahlung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit verlustig ist oder ihn nicht durchsetzen kann (vgl. HWK-Schliemann, a.a.O., § 3 EFZG Rdn. 8). Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, inwiefern ein etwaiger
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Anspruch des Klägers gegen die Krankenkasse auf Zahlung von Krankengeld das Zurückbehaltungsrecht des Klägers gegenüber der Beklagte ab dem 9. Januar 2009 entfallen lassen konnte, obwohl sich die Beklagte nicht einmal darauf berufen hatte, sie sei zur weiteren Entgeltfortzahlung nicht verpflichtet, geschweige denn den Kläger aufgefordert hatte, die Ärzte von der Schweigepflicht zu der Frage des Vorliegens einer Fortsetzungserkrankung zu entbinden (vgl. dazu: HWK-Schliemann, a.a.O., § 3 EFZG Rdn. 125), oder sich selbst direkt an die Krankenkasse zu wenden (vgl. HWK-Schliemann, a.a.O, § 3 EFZG Rdn. 125).
Spätestens nach Vorlage der Auskunft der Krankenkasse vom 18. Mai 2009 über die Art der Erkrankungen im erstinstanzlichen Verfahren steht fest, dass die Beklagte für sämtliche Krankheitszeiträume ab dem 25. Januar 2008 Entgeltfortzahlung zu leisten hat. Dies hat auch das Arbeitsgericht nicht anders beurteilt. Die von der Beklagten in der Berufungsbeantwortung angeführten angeblichen Widersprüche begründen keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft der Krankenkasse, die auf ärztlichen Feststellungen beruht, die in den für die Krankenkasse erstellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dokumentiert sind.
Die Entgelt- und Entgeltfortzahlungsrückstände für die Monate September 2008 bis Dezember 2008 waren mit über EUR 4.000,00 brutto (ohne Dezembergehalt: fast EUR 3.000,00 brutto) bei einer Monatsvergütung in Höhe von ca. EUR 1.200,00 brutto auch ganz erheblich.
Nach alledem ist die fristlose Kündigung vom 20. Februar 2009 unwirksam.
2. Auch die aus denselben Gründen erklärte hilfsweise ordentliche Kündigung vom 20. Februar 2009 ist nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass der Kläger durch die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ab dem 9. Januar 2009 nicht gegen seine arbeitsvertragliche Arbeitspflicht rechtswidrig verstoßen hat, also auch
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keine verhaltensbedingten Gründen für den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung iSd § 1 Abs. 2 KSchG vorlagen.
3. Gleichfalls ist die Klage auf Entfernung der Abmahnung vom 17. Februar 2009 aus der Personalakte nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gerechtfertigt, da der Kläger die in der Abmahnung gerügte Pflichtverletzung (unentschuldigtes Fehlen seit dem 9. Januar 2009) nicht begangen hat.
4. Durch die wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten erklärte Kündigung vom 13. Februar 2009 ist das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden, weil sie nicht aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt ist iSd § 1 Abs. 1 KSchG.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Sozialwidrigkeit einer wegen häufiger Erkrankungen ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers in drei Stufen zu prüfen. Danach ist zunächst eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen weiteren Gesundheitszustandes erforderlich. Die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. In der dritten Stufe, bei der Interessenabwägung, ist dann zu prüfen, ob die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zu einer unzumutbaren Belastung führt (vgl. z. B. BAG, Urteil vom 7. Dezember 1989 – 2 AZR 225/89 - ).
Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der erforderlichen negativen Gesundheitsprognose. Der Kläger hat die Aufstellung der Krankenkasse über die Art seiner Erkrankungen seit Anfang 2008 vorgelegt und dazu ergänzend begründet, weshalb es sich um Erkrankungen (Meniskus, Magen, Haut, Bronchien, Finger, Schulter, Depression und psychische Störung) handelt, bei denen zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs von keiner Wiederholungsgefahr auszugehen war. Die Erkrankungen haben zudem jeweils nur in einem Zeitraum zu Ausfallzeiten geführt. Dazu hat die Beklagte nichts vorgetragen, was Zweifel an der Richtigkeit dieser Darlegungen begründet.
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Angesichts dessen sieht die Kammer keine Veranlassung ein ärztliches Sachverständigengutachten über die zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 13. Februar 2009 zu erwartenden künftigen Ausfallzeiten des Klägers einzuholen.
Nach alledem war unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils der Klage hinsichtlich der Kündigungen und der Abmahnung stattzugeben.
Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren, in dem der Kläger weitere Ansprüche geltend gemacht hat, beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 91 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um Einzelfallentscheidung. Es stellten sich keine grundsätzlichen Rechtsfragen, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht beantwortet sind.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist für die klagende Partei ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Gegen dieses Urteil ist für die beklagte Partei mangels ausdrücklicher Zulassung die Revision nicht statthaft, § 72 Abs. 1 ArbGG. Wegen der Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde beim
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
Fax: (0361) 2636 - 2000
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anzufechten, wird die beklagte Partei auf die Anforderungen des § 72 a ArbGG verwiesen.
Schwartz
Trimborn
Fries
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