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LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 31.08.2010, 5 Sa 121/10

   
Schlagworte: Lohn, Lohnwucher, Tarifvertrag
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 5 Sa 121/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 31.08.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 20.01.2010, 5 Ca 1982/09
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein

Ak­ten­zei­chen: 5 Sa 121/10
5 Ca 1982/09 ArbG Lübeck
(Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

 

Verkündet am 31.08.2010

gez. ...
als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le 

 

Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes

In dem Rechts­streit

pp.

hat die 5. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 31.08.2010 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt ... als Vor­sit­zen­de und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... und ... als Bei­sit­zer

 

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für Recht er­kannt:

1. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Lübeck vom 20.01.2010, Az.: 5 Ca 1982/09, wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens trägt der Kläger.

3. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil ist das Rechts­mit­tel der Re­vi­si­on nicht ge­ge­ben; im Übri­gen wird auf § 72 a ArbGG ver­wie­sen.

 

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Tat­be­stand

Der Kläger ver­langt we­gen Lohn­wu­chers die Zah­lung wei­te­rer Vergütung für den Zeit­raum vom 01.01.2006 bis ein­sch­ließlich 31.12.2009.

Die Be­klag­te bie­tet Dienst­leis­tun­gen an, d. h. sie lek­t­o­riert, über­setzt und ad­ap­tiert Tex­te für ih­re Auf­trag­ge­ber bzw. Kun­den. Der 53-jähri­ge Kläger ist seit 01.04.2001 bei der Be­klag­ten als Kor­rek­tor beschäftigt. Bei ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 40 St­un­den be­trug das Mo­nats­ge­halt am 01.01.2006 € 2.453,07 brut­to, wel­ches zum 01.01.2008 auf € 2.526,66 brut­to erhöht wur­de. Im Jahr er­hielt der Kläger 13 Mo­nats­gehälter (vgl. An­la­gen B 4 bis B 6, Bl. 213 - 215 d. A.). Seit dem 01.01.2009 beträgt das Mo­nats­ge­halt € 2.780,00 brut­to. Das Ar­beits­verhält­nis rich­tet sich nach dem Ar­beits­ver­trag vom 26.09.1991 (Bl. 10 ff. d. A.). Die Par­tei­en sind nicht ta­rif­ge­bun­den. Der Um­fang der kläge­ri­schen Tätig­kei­ten ist strei­tig. Die von der Be­klag­ten ver­fass­te Stel­len­be­schrei­bung vom 01.06.2008 (Bl. 77 d. A.). ak­zep­tier­te der Kläger nicht.

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten,

dass zu­min­dest seit dem 01.01.2006 ein kras­ses Miss­verhält­nis zwi­schen sei­ner Ar­beits­leis­tung und der von der Be­klag­ten ge­leis­te­ten Vergütung be­ste­he. Ob­wohl sich der Um­fang sei­ner Auf­ga­ben seit 2001 er­heb­lich er­wei­tert ha­be, ha­be sich das Ge­halt nicht im glei­chen Maße ent­wi­ckelt, so dass er fi­nan­zi­ell un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­ligt sei. Er sei zu­letzt als Lek­tor mit ei­nem durch­schnitt­li­chen Brut­to­mo­nats­ge­halt von € 2.453,07 für die Be­klag­te tätig ge­we­sen. Da ein ein­schlägi­ger Ta­rif­ver­trag für die Lek­to­rats­bran­che nicht exis­tie­re, sei sei­ne Vergütung nach dem für das deut­sche Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be gel­ten­den Ge­halts­ta­rif­ver­trag zu be­mes­sen. Auch im Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be würden Lek­to­ren beschäftigt. Das Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be sei ein der Lek­to­rats­bran­che ähn­li­ches Ge­wer­be und am Bes­ten als Ver­gleichs­maßstab in­ner­halb der hier ein­schlägi­gen Ver­lags­bran­che ge­eig­net. Auf­grund sei­ner für die Be­klag­te aus­geübten Tätig­kei­ten und weit­rei­chen­den Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se sei er in Ge­halts­grup­pe 7 des Ge­halts­ta­rif­ver­trags für An­ge­stell­te des Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­bes in Ham­burg, Schles­wig-Hol­stein und Meck­len­burg-Vor­pom­mern (im Fol­gen­den: GTV-Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be, Bl. 36 ff. d. A.) ein-

 

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zu­grup­pie­ren und zu vergüten. Ver­gli­chen mit der von der Be­klag­ten tatsächlich an ihn ge­zahl­ten Brut­to­mo­nats­vergütung ha­be er le­dig­lich 56 bis 63 % des ta­rif­li­chen Brut­to­lohns er­hal­ten, so dass die Vor­aus­set­zun­gen des sit­ten­wid­ri­gen Lohn­wu­chers mit der Fol­ge der Nich­tig­keit der Vergütungs­ab­re­de vor­lie­gen.

Übli­cher­wei­se würden im Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be Ta­riflöhne ge­zahlt. Je­den­falls lie­ge die Ta­rif­bin­dung über al­le Bran­chen ge­se­hen bei weit über 50 %. Der sub­jek­ti­ve Tat­be­stand des Lohn­wu­chers sei durch den ob­jek­ti­ven Tat­be­stand in­di­ziert. Die Be­klag­te ha­be ge­wusst, dass Lek­to­ren häufig in Ver­la­gen ar­bei­te­ten und die­se in der Mehr­heit ta­rif­ge­bun­den sei­en. Dar­aus hätte die Be­klag­te er­ken­nen können, dass die von ihr ge­zahl­te Vergütung für die Tätig­keit des Klägers nicht an­ge­mes­sen sei. Außer­dem be­stand und be­ste­he bei ihm, dem Kläger, ei­ne Zwangs­la­ge, da er vor Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten schon et­wa ein Jahr lang ei­ne Stel­le ge­sucht ha­be. Die Be­klag­te ha­be die in Aus­sicht ge­stell­ten Ent­wick­lungsmöglich­kei­ten und re­gelmäßigen Ge­halts­gespräche nicht durch­geführt.

Hilfs­wei­se hat sich der Kläger dar­auf be­ru­fen, dass sei­ne Tätig­keit auch mit der ei­nes Re­dak­teurs ver­gleich­bar sei. In­so­weit sei die ihm übli­cher­wei­se zu­ste­hen­de Vergütung nach dem Ge­halts­ta­rif­ver­tag für Re­dak­teu­rin­nen und Re­dak­teu­re an Zeit­schrif­ten (Bl. 111 ff. d. A.), Ge­halts­grup­pe 1 bzw. I zu be­mes­sen. Er sei mit ei­nem Re­dak­teur ver­gleich­bar, da er in ver­ant­wort­li­cher Po­si­ti­on mit Tex­ten und de­ren Veröffent­li­chung zu tun ha­be. Un­ge­ach­tet des­sen sei die Lohn­ver­ein­ba­rung auch des­halb un­wirk­sam, weil das Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 Be­trVG nicht be­ach­tet wor­den sei.

We­gen des wei­te­ren Sach- und Streit­stands, ins­be­son­de­re des strei­ti­gen Vor­trags der Be­klag­ten in ers­ter In­stanz so­wie der erst­in­stanz­li­chen Anträge wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ein­sch­ließlich der In­be­zug­nah­men ver­wie­sen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Mit Ur­teil vom 20.01.2010 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­ge­wie­sen. We­der der ob­jek­ti­ve noch der sub­jek­ti­ve Tat­be­stand des Lohn­wu­chers sei­en

 

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erfüllt. Ein auffälli­ges Miss­verhält­nis zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung lie­ge nicht vor. Der GTV-Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be könne als Ver­gleichs­maßstab nicht her­an­ge­zo­gen wer­den. Das Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be sei mit der Bran­che, in der die Be­klag­te tätig sei, nicht ver­gleich­bar. Es sei nicht zu er­ken­nen, dass die im GTV-Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be auf­geführ­ten Tätig­keits­bei­spie­le der vom Kläger be­haup­te­ten Tätig­keit - auch im wei­tes­ten Sin­ne - ähn­lich sei­en. Das Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be zeich­ne sich durch re­dak­tio­nel­le und Lay­out-Tätig­kei­ten aus, während die Lek­to­rats­bran­che die Tex­te u. a. bezüglich Recht­schrei­bung, Gram­ma­tik, usw. prüfe. Ent­schei­dend für die ta­rif­li­che Vergütung als Maßstab sei, dass es sich um ei­ne ver­gleich­ba­re Bran­che han­de­le. Dies sei nicht der Fall. Das Tätig­keits­feld der Be­klag­ten sei nicht ver­gleich­bar mit der­je­ni­gen der Zeit­schrif­ten­ver­lags­bran­che. Auch wenn es Über­schnei­dun­gen bei ein­zel­nen Tätig­kei­ten ge­ben soll­te, führe dies noch nicht zur Ver­gleich­bar­keit der Bran­chen. Un­ge­ach­tet des­sen ha­be der Kläger die Be­haup­tung, dass sich die ver­kehrsübli­che Vergütung der Lek­to­rats­bran­che nach den Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen für Lek­to­ra­te be­mes­se, nicht ent­kräften können. Hier­nach lie­ge der Lohn des Klägers je­den­falls nicht un­ter der Lohn­wu­cher vor­aus­set­zen­den 2/3-Gren­ze. Auch ha­be der Kläger die sub­jek­ti­ven Vor­aus­set­zun­gen für Lohn­wu­cher nicht schlüssig dar­ge­legt. Da es kei­nen ein­schlägi­gen Bran­chen­ta­rif­ver­trag ge­be, ha­be das Ge­richt auch nicht fest­stel­len können, dass der Be­klag­ten die ein­schlägi­gen (wel­che?) Ta­riflöhne be­kannt ge­we­sen sei­en. Zu­dem sei der Kläger vor Be­ginn sei­ner An­ge­stell­tentätig­keit bei der Be­klag­ten lan­ge Zeit als Lek­tor bzw. Kor­rek­tor tätig ge­we­sen. Er ha­be mit­hin so­wohl die Tätig­keit als auch das Lohn­ni­veau ge­kannt. An­halts­punk­te für ein be­wuss­tes Aus­nut­zen der Un­kennt­nis des Klägers durch die Be­klag­te sei­en nicht er­sicht­lich. Auch die Höhe der nach § 612 Abs. 2 BGB gel­tend ge­mach­ten Vergütung sei nicht schlüssig dar­ge­legt. Auch der Ge­halts­ta­rif­ver­trag für Re­dak­teu­re spieg­le nicht den bran­chenübli­chen Lohn für Kor­rek­to­ren wi­der. Der in­di­vi­du­ell ver­ein­bar­te Lohn ver­s­toße nicht ge­gen § 87 Abs. 1 Nr.10 Be­trVG.

Ge­gen die­ses ihm am 15.02.2010 zu­ge­stell­te Ur­teil hat der Kläger am 15.03.2010 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach gewähr­ter Frist­verlänge­rung bis zum 17.05.2010 am 14.05.2010 be­gründet.

Der Kläger wie­der­holt und ver­tieft

 

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sei­nen erst­in­stanz­li­chen Vor­trag. Zu Un­recht ha­be das Ar­beits­ge­richt ei­ne Ver­gleich­bar­keit der Bran­che der Be­klag­ten mit der­je­ni­gen des Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­bes ver­neint. Das Ar­beits­ge­richt ha­be sich nicht da­zu geäußert, ob es ei­ne ei­genständi­ge Lek­to­rats­bran­che ge­be oder ob das Tätig­keits­feld der Be­klag­ten ei­ner an­de­ren Bran­che zu­zu­ord­nen sei. Ei­ne Lek­to­rats­bran­che exis­tie­re nicht. Ty­pi­scher­wei­se ar­bei­te­ten Lek­to­ren im Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be. War­um Über­schnei­dun­gen bei ein­zel­nen Tätig­kei­ten nicht zu ei­ner Ver­gleich­bar­keit führ­ten, sei nicht nach­voll­zieh­bar. Ge­ra­de die Ähn­lich­kei­ten oder Ge­mein­sam­kei­ten des Ge­wer­bes der Be­klag­ten und des Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­bes mach­ten die Ver­gleich­bar­keit aus. Bei der Fra­ge, ob in dem hie­si­gen Wirt­schafts­ge­biet die ta­rif­li­che Vergütung nach dem GTV-Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be auch der ver­kehrsübli­chen Vergütung ent­spre­che, sei auf das Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be und nicht die Lek­to­ra­te ab­zu­stel­len. Die Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen des Ver­ban­des der frei­en Lek­to­rin­nen und Lek­to­ren e. V. sei­en kein Ver­gleichs­maßstab für ei­ne an­ge­mes­se­ne Vergütung im vor­lie­gen­den Fall. Im Übri­gen ent­spre­che das dort emp­foh­le­ne St­un­den­ho­no­rar von € 53,00 ei­nem Brut­to­stun­den­lohn von € 21,20 bzw. ei­nem Brut­to­mo­nats­lohn von € 3.646,40. Set­ze man das zunächst von der Be­klag­ten ge­zahl­te Ge­halt von € 2.453,07 hier­zu ins Verhält­nis, so er­ge­be sich mit 67 % ei­ne nur knap­pe Über­schrei­tung der 2/3-Gren­ze. Der GTV-Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be sei in­des­sen oh­ne­hin als Ver­gleichs­maßstab für die ver­kehrsübli­che Vergütung in sei­nem Fal­le her­an­zu­zie­hen. Er, der Kläger, erfülle die Ta­rif­merk­ma­le der VergG 7. Er übe Fach­lek­to­ratstätig­kei­ten aus. So müsse er mit Wer­be­spra­che, ver­schie­de­nen Fach­spra­chen aus den Be­rei­chen Arz­nei­mit­tel, Au­to­mo­bil­in­dus­trie, Bank- und Fi­nanz­we­sen etc. um­ge­hen. Die von ihm be­ar­bei­te­ten Tex­te würden kei­ner End­kon­trol­le durch sei­ne Vor­ge­setz­ten un­ter­zo­gen. Der ob­jek­ti­ve Wu­cher­tat­be­stand lie­ge vor. Sei­ne tatsächli­che Vergütung lie­ge mehr als 33 % un­ter­halb des ein­schlägi­gen Ta­rif­lohns der VergG 7 GTV-Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be. Auch der sub­jek­ti­ve Tat­be­stand sei erfüllt. Die ver­werf­li­che Ge­sin­nung lie­ge auch vor, wenn sich der Ar­beit­ge­ber leicht­fer­tig der Ein­sicht ver­sch­ließe, dass sich der an­de­re nur we­gen sei­ner schwäche­ren La­ge oder un­ter dem Zwang der Verhält­nis­se auf den ungüns­ti­gen Ver­trag ein­las­se. Ein be­son­de­res auffälli­ges Miss­verhält­nis spre­che oh­ne Wei­te­res für ei­ne ver­werf­li­che Ge­sin­nung. Es sei all­ge­mein be­kannt, dass die großen Ver­lagshäuser nach Ta­rif ent­loh­nen. Die­ser Er­kennt­nis ha­be sich die Be­klag­te nicht ver­sch­ließen dürfen. Auch die Höhe der gel­tend ge­mach­ten Dif­fe-

 

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renzlöhne ha­be er schlüssig dar­ge­legt. Hilfs­wei­se macht der Kläger die Dif­fe­renzlöhne zum Ge­halts­ta­rif­ver­trag für Re­dak­teu­re an Zeit­schrif­ten gel­tend. Die Tätig­kei­ten der Schluss­re­dak­teu­re könn­ten in er­heb­li­chem Maße mit sei­nen, des Klägers, Tätig­kei­ten ver­gli­chen wer­den.

Der Kläger be­an­tragt,

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 17.149,20 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.11.2006 an den Kläger zu zah­len,

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 19.316,77 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.10.2007 an den Kläger zu zah­len,

3. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 5.621,34 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.01.2008 an den Kläger zu zah­len,

4. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 16.201,71 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.10.2008 an den Kläger zu zah­len,

5. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 5.633,73 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.01.2009 an den Kläger zu zah­len,

6. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 8.126,20 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.06.2009 an den Kläger zu zah­len,

7. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 6.500,96 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.10.2009 an den Kläger zu zah­len,

8. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 4.875,72 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.01.2010 an den Kläger zu zah­len,

hilfs­wei­se zu den Anträgen zu 1. bis 8.:

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 12.532,56 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.09.2006 an den Kläger zu zah­len,

 

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2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 6. 403,88 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.01.2007 an den Kläger zu zah­len,

3. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 9.368,90 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.06.2007 an den Kläger zu zah­len,

4. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 14.216,79 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.01.2008 an den Kläger zu zah­len,

5. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 19.573,80 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.11.2008 an den Kläger zu zah­len,

6. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 6.197,22 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.01.2009 an den Kläger zu zah­len,

7. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 16.317,63 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.10.2009 an den Kläger zu zah­len,

8. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, € 5.661,09 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.01.2010 an den Kläger zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te ver­tei­digt

das an­ge­foch­te­ne Ur­teil. Zu­tref­fend sei das Ar­beits­ge­richt da­von aus­ge­gan­gen, dass sie, die Be­klag­te, ein in der Lek­to­rats- bzw. Kor­rek­to­rats­bran­che täti­ges Un­ter­neh­men sei. In Deutsch­land ge­be es mehr als 580 Lek­to­ra­te bzw. Kor­rek­to­ra­te, wie ei­ne In­ter­net­re­cher­che er­ge­ben ha­be. Das Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be sei mit den Lek­to­ra­ten nicht ver­gleich­bar. Ers­te­res sei ge­prägt durch re­dak­tio­nel­le Tätig­kei­ten, Lay­out-Tätig­kei­ten und den An­zei­gen­ver­kauf, während die Lek­to­ra­te ih­ren Um­satz al­lein aus der von ih­nen an­ge­bo­te­nen Dienst­leis­tung, al­so dem Kor­ri­gie­ren von Tex­ten, ge­ne­rier­ten, nicht je­doch aus der Her­stel­lung und dem Ver­kauf von Pro­duk­ten wie Büchern, Zeit­schrif­ten und Zei­tun­gen. Die­se Un­ter­schied­lich­keit der Un­ter­neh­men

 

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spieg­le sich auch in der Wirt­schaft­lich­keit bei­der Bran­chen wi­der. Der Kläger wer­de auch nicht als Lek­tor, son­dern - wie im Ar­beits­ver­trag fest­ge­legt - als Kor­rek­tor beschäftigt. Der Kläger ver­ken­ne, dass Ver­lags­lek­to­ren die Schnitt­stel­le zwi­schen Au­tor und Ver­lag bil­de­ten. Ih­re Haupt­auf­ga­be sei die Be­treu­ung von Au­to­ren. In Zu­sam­men­ar­beit mit die­sen be­rei­te­ten sie Ma­nu­skrip­te auf. Ver­lags­lek­to­ren ent­wi­ckel­ten zu­dem mit der Ver­lags­lei­tung Pro­gramm­stra­te­gi­en bzw. neue Pro­dukt­ide­en und ver­such­ten, ge­eig­ne­te Au­to­ren zu ge­win­nen. Ein­ge­sand­te Ma­nu­skrip­te be­ur­teil­ten sie so­wohl nach ih­rer Qua­lität als auch hin­sicht­lich des Markt­po­ten­ti­als in­ner­halb des Ver­lags­pro­fils bzw. für die spe­zi­fi­schen Ziel­grup­pen. Die­se Tätig­kei­ten übe der Kläger in­des­sen nicht aus. Un­ge­ach­tet des­sen erfülle der Kläger nicht die Ta­rif­merk­ma­le der VergG 7 GTV-Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be, son­dern al­len­falls die­je­ni­gen der VergG 4. Der Kläger ha­be auch nicht im An­satz dar­ge­legt, dass sie, die Be­klag­te bei der Lohn­ab­re­de ei­ne Zwangs­la­ge in Form von man­geln­dem Ur­teils­vermögen, Un­er­fah­ren­heit oder er­heb­li­cher Wil­lens­schwäche auf Sei­ten des Klägers aus­ge­nutzt ha­be.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en im Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird auf den münd­lich vor­ge­tra­ge­nen In­halt der zwi­schen ih­nen ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie den In­halt des Sit­zungs­pro­to­kolls vom 31.08.2010 ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist zulässig. Sie ist dem Be­schwer­de­wert nach statt­haft so­wie form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 64 Abs. 2 lit. b; 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

In der Sa­che selbst hat die Be­ru­fung kei­nen Er­folg, da sie un­be­gründet ist.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Zah­lungs­kla­ge so­wohl im Er­geb­nis als auch in der Be­gründung zu Recht ab­ge­wie­sen. Die hier­ge­gen vom Kläger er­ho­be­nen Einwände recht­fer­ti­gen kein an­de­res Er­geb­nis. Le­dig­lich ergänzend und auf den Sach- und

 

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Rechts­vor­trag des Klägers in der Be­ru­fungs­in­stanz ein­ge­hend wird noch auf Fol­gen­des hin­ge­wie­sen:

Der Kläger hat ge­genüber der Be­klag­ten kei­nen An­spruch auf Zah­lung rückständi­gen Lohns für den streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum vom 01.01.2006 bis 31.12.2009 gemäß §§ 612 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 611 Abs. 1; 138 BGB. Viel­mehr hat die Be­klag­te das ver­trag­lich ge­schul­de­te Ge­halt je­weils vollständig erfüllt. Das ein­zel­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Ge­halt erfüllt nicht den ob­jek­ti­ven Wu­cher­tat­be­stand ei­nes kras­sen Miss­verhält­nis­ses zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung (I.). Der Kläger hat auch nicht dar­ge­legt, dass die Be­klag­te bei der Vergütungs­ver­ein­ba­rung be­wusst ei­ne Zwangs­la­ge aus­ge­nutzt hat (II.). Hier­zu im Ein­zel­nen:

I. Der ob­jek­ti­ve Tat­be­stand des Lohn­wu­chers hat der in­so­weit dar­le­gungs- und be­weis­pflich­ti­ge Kläger nicht dar­ge­tan.

1. Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechts­geschäft nich­tig, durch das sich je­mand un­ter Aus­beu­tung der Zwangs­la­ge, der Un­er­fah­ren­heit oder des Man­gels an Ur­teils­vermögen ei­nes an­de­ren für ei­ne Leis­tung Vermögens­vor­tei­le ver­spre­chen oder gewähren lässt, die in ei­nem auffälli­gen Miss­verhält­nis zu der Leis­tung ste­hen. Die Re­ge­lung gilt auch für das auffälli­ge Miss­verhält­nis zwi­schen dem Wert der Ar­beits­leis­tung und der Lohnhöhe in ei­nem Ar­beits­verhält­nis. Ein wu­cherähn­li­ches Geschäft liegt nach § 138 Abs. 1 BGB vor, wenn Leis­tung und Ge­gen­leis­tung in ei­nem auffälli­gen Miss­verhält­nis zu­ein­an­der ste­hen und wei­te­re sit­ten­wid­ri­ge Umstände, z.B. ei­ne ver­werf­li­che Ge­sin­nung des durch den Ver­trag ob­jek­tiv Begüns­tig­ten, hin­zu­tre­ten (BAG Urt. v. 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 -, AP Nr. 64 zu § 138 BGB; BAG Urt. v. 26.04.2006 - 5 AZR 549/05 -, AP Nr. 63 zu § 138 BGB). Verstößt die ge­trof­fe­ne Ent­gel­tab­re­de ge­gen § 138 BGB, schul­det der Ar­beit­ge­ber gemäß § 612 Abs. 2 BGB die übli­che Vergütung.

2. Ein auffälli­ges Miss­verhält­nis zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung liegt vor, wenn die Ar­beits­vergütung im streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum nicht ein­mal zwei Drit­tel ei­nes in der be­tref­fen­den Bran­che und Wirt­schafts­re­gi­on in die­ser Zeit übli­cher­wei­se ge­zahl­ten Ta­rif­lohns er­reicht.

 

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a) Das auffälli­ge Miss­verhält­nis be­stimmt sich nach dem ob­jek­ti­ven Wert der ver­trag­lich ge­schul­de­ten und er­brach­ten Leis­tung des Ar­beit­neh­mers. Aus­gangs­punkt der Wert­be­stim­mung sind in der Re­gel die Ta­riflöhne des je­wei­li­gen Wirt­schafts­zweigs. Sie drücken den ob­jek­ti­ven Wert der Ar­beits­leis­tung aus, wenn sie in dem be­tref­fen­den Wirt­schafts­ge­biet übli­cher­wei­se ge­zahlt wer­den. Ent­spricht der Ta­rif­lohn da­ge­gen nicht der ver­kehrsübli­chen Vergütung, son­dern liegt die­se un­ter­halb des Ta­rif­lohns, ist von dem all­ge­mei­nen Lohn­ni­veau im Wirt­schafts­ge­biet aus­zu­ge­hen (BAG Urt. v. 22.01.2009 - 5 AZR 436/08 -, a. a. O.). Ein Miss­verhält­nis ist dann auffällig, wenn es ei­nem Kun­di­gen, ggf. nach Aufklärung des Sach­ver­halts, oh­ne wei­te­res ins Au­ge springt. Von ei­nem auffälli­gen Miss­verhält­nis ist in der Re­gel dann aus­zu­ge­hen, wenn der ge­zahl­te Lohn nicht ein­mal zwei Drit­tel des bran­chenübli­chen Ta­rif­lohns in der be­tref­fen­den Wirt­schafts­re­gi­on ent­spricht. So­fern ein bran­chenübli­cher Ge­halts­ta­rif­ver­trag fehlt kann im Ein­zel­fall als Ver­gleichs­maßstab auch ein Ta­rif­ver­trag ei­ner dem be­tref­fen­den Ge­wer­be ähn­li­chen Bran­che her­an­ge­zo­gen wer­den, an­sons­ten ist auf die ver­kehrsübli­che Vergütung des be­tref­fen­den Ge­wer­bes in dem Wirt­schafts­ge­biet ab­zu­stel­len. Dies hat das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend fest­ge­stellt.

b) Hier­an ge­mes­sen hat der Kläger nicht im An­satz dar­ge­legt, dass sein je­wei­li­ges Ge­halt im streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum die ver­kehrsübli­che Vergütung der Kor­rek­to­ren in der Lek­to­rats­bran­che um ein Drit­tel un­ter­schritt.

aa) Die Her­an­zie­hung des Ta­rif­lohns als Ver­gleichs­maßstab dient le­dig­lich der Ob­jek­ti­vier­bar­keit ei­nes kras­sen Miss­verhält­nis­ses zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung. Die bran­chenübli­chen Ta­rif­verträge bie­ten ei­nen An­halts­punkt für die Ver­kehrs­an­schau­ung. Bei ih­nen ist an­zu­neh­men, dass das Er­geb­nis der Ta­rif­ver­hand­lun­gen die In­ter­es­sen bei­der Sei­ten hin­rei­chend berück­sick­tigt (BAG Urt. v. 19.02.2008 - 9 AZR 1091/06 -, AP Nr.18 zu § 17 BBiG). Fehlt in­des­sen ein Bran­chen­ta­rif­ver­trag oder bran­chenähn­li­cher Ta­rif­ver­trag ist wie­der­um auf das all­ge­mei­ne Lohn­ni­veau im Wirt­schafts­ge­biet ab­zu­stel­len.

 

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bb) Der vom Kläger ge­nann­te GTV-Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be kann nicht als Ver­gleichs­maßstab für die ver­kehrsübli­che Vergütung von Lek­to­ren in der Lek­to­rats­bran­che her­an­ge­zo­gen wer­den. Un­strei­tig fällt das Ge­wer­be der Be­klag­ten nicht un­ter den sach­li­chen Gel­tungs­be­reich des GTV-Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­bes. Der GTV-Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be ist aber vor­lie­gend auch nicht als bran­chenähn­li­cher Ge­halts­ta­rif­ver­trag als Ver­gleichs­maßstab her­an­zu­zie­hen. Die Zeit­schrif­ten­ver-ags­bran­che ist mit dem von der Be­klag­ten be­trie­be­nen Dienst­leis­tungs­ge­wer­be nicht ver­gleich­bar.

Ein Ver­lag ist ein Me­di­en­un­ter­neh­men, das Wer­ke der Li­te­ra­tur, Kunst, Mu­sik oder Wis­sen­schaft ver­vielfältigt und ver­brei­tet. Der Ver­kauf kann über den Han­del (Kunst-, Buch­han­del etc.) oder durch den Ver­lag selbst er­fol­gen. Der Ver­lag oder die Per­son des Ver­le­gers er­wirbt in der Re­gel das aus­sch­ließli­che Nut­zungs­recht am Werk ei­nes Au­tors (Ur­he­ber­recht) auf Grund ei­nes Ver­tra­ges und sorgt für Her­stel­lung (bei ei­nem Buch Vor­be­rei­tung des Dru­ckes) und Druck (bei ei­nem Buch) des Wer­kes so­wie des­sen Fi­nan­zie­rung. Des Wei­te­ren be­sorgt er die Wer­bung und den Ver­trieb über die ver­schie­de­nen Ver­triebs­we­ge, zum Bei­spiel über den Buch­han­del oder den Pres­se­großhan­del. Der Zeit­schrif­ten­ver­lag ist ei­ne Un­ter­form des Ver­lags­we­sens und beschäftigt sich mit der Ver­le­gung re­gelmäßig in ge­hef­te­ter oder ge­bun­de­ner Form er­schei­nen­der Zeit­schrif­ten, in der - je nach Ziel­grup­pen­aus­rich­tung - di­ver­se Ar­ti­kel, Be­rich­te, Kurz­ge­schich­ten, Mo­de, Rätsel etc. un­ter­schied­li­cher Au­to­ren veröffent­licht wer­den. Durch die Aus­wahl der zu veröffent­li­chen­den Tex­te und Bild­be­rich­te so­wie die ge­stal­te­ri­sche Auf­ma­chung und Plat­zie­rung in­ner­halb der Zeit­schrift zeich­net sich das Zeit­schrif­ten­ge­wer­be im We­sent­li­chen durch re­dak­tio­nel­le und Lay­out-Tätig­kei­ten aus.

Dem­ge­genüber ist das Kor­rek­to­rat bzw. Lek­to­rat ein rei­ner Dienst­leis­tungs­be­trieb, der sei­nen un­ter­schied­li­chen Kun­den die sprach­li­che Kor­rek­tur von Tex­ten al­ler Art (Di­plom­ar­bei­ten, Dis­ser­ta­tio­nen, li­te­ra­ri­sche Ma­nu­skrip­te, Wer­be­tex­te, Be­wer­bungs­schrei­ben ect.) an­bie­tet. Die in Auf­trag ge­ge­be­nen Tex­te wer­den ge­ra­de nicht „ver­legt“, son­dern „nur“ hin­sicht­lich Or­tho­gra­phie, Gram­ma­tik und In­ter­punk­ti­on über­prüft und darüber­hin­aus noch auf sti­lis­ti­sche Un­stim­mig­kei­ten (Wie­der­ho­lun­gen, Wort­an­glei­chun­gen etc.) „geglättet“.

 

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Die Ver­gleich­bar­keit des Lek­to­rats der Be­klag­ten mit dem Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be er­gibt sich auch nicht dar­aus, dass im Ver­lags­ge­wer­be auch Lek­to­ren beschäftigt wer­den. Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt aus­geführt, dass es bei der Her­an­zie­hung ei­nes bran­chenübli­chen Ta­rif­ver­trags nicht auf den aus­geübten Be­ruf, son­dern auf die je­wei­li­ge Bran­che an­kommt, in der der Ar­beit­neh­mer ar­bei­tet. Dies ver­kennt der Kläger nach wie vor auch in der Be­ru­fungs­in­stanz.

Es kann dem­nach auch da­hin­ge­stellt blei­ben, ob der Kläger die Ta­rif­merk­ma­le der VergG 7 erfüllt. Der GTV-Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be ist im Rah­men der Be­ur­tei­lung ei­nes auffälli­gen Miss­verhält­nis­ses nicht maßgeb­lich. An der vom Kläger be­haup­te­ten „Ein­grup­pie­rung“ be­ste­hen in­des­sen er­heb­li­che Be­den­ken. Nach dies­sei­ti­ger Einschätzung erfüllt der Kläger al­len­falls die abs­trak­ten Ta­rif­merk­ma­le der VergG 5 GTV-Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be. Hierüber be­darf es je­doch kei­ner Ent­schei­dung.

cc) Da mit­hin kein bran­chenübli­cher Ta­rif­lohn für das Ge­wer­be der Be­klag­ten als Ver­gleichs­größe für die ver­kehrsübli­che Vergütung zur Verfügung steht, hätte der Kläger zu­min­dest An­halts­punk­te dafür vor­tra­gen müssen, dass das all­ge­mei­ne Lohn­ni­veau für die von ihm aus­geübte Kor­rek­tor-Tätig­keit im Wirt­schafts­ge­biet Schles­wig-Hol­stein min­des­tens ein Drit­tel höher war als sein Ge­halt im streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum. Der Kläger be­ruft sich hierfür ein­zig und al­lein auf den (auf ei­ne 40-St­un­den­wo­che hoch­ge­rech­ne­ten) Ta­rif­lohn von zu­letzt € 4.404,57 brut­to. Selbst die vom Kläger vor­ge­nom­me­ne Um­rech­nung der Ho­no­rar­emp­feh­lun­gen des Ver­ban­des der frei­en Lek­to­ren und Lek­to­rin­nen e. V. von € 53,00 auf ei­nen St­un­den­lohn von € 21,20 brut­to un­ter­schrei­tet die 2/3-Gren­ze zum sit­ten­wid­ri­gen Lohn­wu­cher nicht. Un­ge­ach­tet des­sen be­sagt die be­sag­te Ho­no­rar­emp­feh­lung über­haupt nichts über das all­ge­mei­ne Lohn­ni­veau der an­ge­stell­ten Kor­rek­to­ren im hie­si­gen Wirt­schafts­ge­biet. Er­kun­di­gun­gen über das all­ge­mei­ne Lohn­ni­veau hat der Kläger nicht an­ge­stellt. Hier­zu hätte er in­des­sen An­lass ge­habt, nach­dem die Be­klag­te zu Recht dar­auf hin­ge­wie­sen hat, dass auf der In­ter­net­sei­te „Ge­halt­Tipps.de“ das Durch­schnitts­ge­halt ei­nes Lek­tors in Ham­burg bei € 2.200,00 brut­to im Mo­nat liegt. Bei „Ge­halt­sCheck.de“ und „Ge­halts­Ver­gleich.com“ wird das durch­schnitt­li­che Ge­halt ei­nes Kor­rek­tors in Ham­burg mit rund € 3.000,00 an­ge­ge­ben. Da­bei ist der Kam­mer

 

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be­wusst, dass es sich bei die­sen An­ga­ben nicht um sta­tis­ti­sche Er­he­bun­gen han­delt, die ei­nen Rück­schluss auf das all­ge­mei­ne Lohn­ni­veau von Kor­rek­to­ren zu­ließen. In­des­sen kann sich der Kläger zur Dar­le­gung ei­nes auffälli­gen Miss­verhält­nis­ses zwi­schen sei­nem Ge­halt und sei­ner er­brach­ten Leis­tung an­ge­sichts die­ser An­ga­ben nicht ein­fach auf ein Sach­verständi­gen­gut­ach­ten be­ru­fen. Dies lie­fe auf ei­nen un­zulässi­gen Aus­for­schungs­be­weis hin­aus. Hier­bei ver­kennt das Ge­richt nicht, dass es dem dar­le­gungs- und be­weis­pflich­ti­gen Ar­beit­neh­mer man­gels öffent­lich zugäng­li­cher sta­tis­ti­scher Da­ten re­gelmäßig schwer fal­len oder über­haupt nicht ge­lin­gen wird, das ver­kehrsübli­che Lohn­ni­veau im be­tref­fen­den Wirt­schafts­ge­biet schlüssig dar­zu­le­gen (vgl. LAG Hamm Urt. v. 18.03.2009 - 6 Sa 1284/08 -, zit. n. Ju­ris). In­des­sen kann dies nicht da­zu führen, dass ei­ne ein­fa­che Be­haup­tung „ins Blaue hin­ein“ zur Höhe des all­ge­mei­nen Lohn­ni­veaus im Wirt­schafts­ge­biet der Dar­le­gungs­pflicht genügt. Viel­mehr muss sich der Ar­beit­neh­mer dann zu­min­dest auf An­halts­punk­te oder In­di­zi­en be­ru­fen, die den Schluss auf Lohn­wu­cher recht­fer­ti­gen.

II. Der Kläger hat aber auch die sub­jek­ti­ven Vor­aus­set­zun­gen des Lohn­wu­chers nicht sub­stan­ti­iert dar­ge­legt. Der Tat­be­stand des Lohn­wu­chers setzt vor­aus, dass der Ar­beit­ge­ber die beim Ar­beit­neh­mer be­ste­hen­de Schwäche­si­tua­ti­on (Zwangs­la­ge, Un­er­fah­ren­heit, man­geln­des Ur­teils­vermögen, er­heb­li­che Wil­lens­schwäche) aus­beu­tet, al­so sie sich in Kennt­nis vom Miss­verhält­nis der bei­der­sei­ti­gen Leis­tun­gen be­wusst zu­nut­ze macht (BAG Urt. v. 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 -, a. a. O.). Auch das wu­cherähn­li­che Rechts­geschäft setzt in sub­jek­ti­ver Hin­sicht vor­aus, dass der Ar­beit­ge­ber Kennt­nis vom Miss­verhält­nis der bei­der­sei­ti­gen Leis­tun­gen hat. Sei­ne ver­werf­li­che Ge­sin­nung ist nur dann zu be­ja­hen, wenn er als der wirt­schaft­lich oder in­tel­lek­tu­ell Über­le­ge­ne die schwäche­re La­ge des Ar­beit­neh­mers be­wusst zu sei­nem Vor­teil aus­nutzt, son­dern auch dann, wenn er sich leicht­fer­tig der Ein­sicht ver­sch­ließt, dass sich der Ar­beit­neh­mer nur we­gen sei­ner schwäche­ren La­ge oder un­ter dem Zwang der Verhält­nis­se auf den ungüns­ti­gen Ver­trag einlässt. Ein be­son­ders auffälli­ges Miss­verhält­nis zwi­schen ge­schul­de­ter Ar­beits­leis­tung und Lohn spricht oh­ne wei­te­res für ei­ne ver­werf­li­che Ge­sin­nung des Ar­beit­ge­bers (BAG Urt. v. 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 -, a. a. O.). Die ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge können in­so­weit auf Sei­ten des Ar­beit­ge­bers als be­kannt vor­aus­ge­setzt wer­den.

 

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Vor­lie­gend ver­kennt der Kläger in­des­sen, dass der GTV-Zeit­schrif­ten­ver­lags­ge­wer­be ge­ra­de nicht ein­schlägig ist. Ein Rück­schluss auf die ver­werf­li­che Ge­sin­nung der Be­klag­ten ist dem­nach nicht ge­recht­fer­tigt. Auch der Um­stand, dass der Kläger (nach sei­nem be­strit­ten Vor­trag) nach dem Stu­di­um vor der Ein­stel­lung durch die Be­klag­te trotz zahl­rei­cher Be­wer­bun­gen ein Jahr ar­beits­su­chend war, be­legt nicht die ver­werf­li­che Ge­sin­nung der Be­klag­ten bei der ge­trof­fe­nen Lohn­ab­re­de. Zwar be­fand sich der Kläger so­mit nach sei­nem Vor­trag in ei­ner wirt­schaft­li­chen Zwangs­la­ge, in­des­sen be­legt al­lein die­ser As­pekt nicht, dass sich die Be­klag­te die­ser Zwangs­la­ge auch be­wusst war und die­se dann zu ih­rem Vor­teil aus­ge­nutzt und dem Kläger ein un­verhält­nismäßig nied­ri­ges Ge­halt an­ge­bo­ten hat. Der Kläger hat schon nicht dar­ge­legt, dass der Be­klag­ten be­wusst ge­we­sen sein muss­te, dass ihr Ge­halts­an­ge­bot un­verhält­nismäßig nied­rig war, d. h. we­ni­ger als zwei Drit­tel des ver­kehrsübli­chen Ge­halts be­trug.

III. Nach al­le­dem war die Be­ru­fung des Klägers zurück­zu­wei­sen.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Ge­setz­lich be­gründ­ba­re Gründe für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG lie­gen nicht.

 

gez. ... gez. ... gez. ...

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