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BAG, Ur­teil vom 17.05.2011, 9 AZR 189/10

   
Schlagworte: Urlaub, Urlaubszeit
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 189/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.05.2011
   
Leitsätze: 1. Bei einer jahresübergreifenden Kündigungsfrist kann der Arbeitgeber die Freistellungserklärung zum Zweck der Erfüllung des Urlaubsanspruchs auch - soweit kein abweichender Festlegungswunsch des Arbeitnehmers verbindlich ist - im Vorgriff auf das Urlaubsjahr abgeben.(Rn.20) 2. Die Erklärung muss so eindeutig sein, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, ob der Anspruch auf den gekürzten Vollurlaub oder der Anspruch auf den Vollurlaub erfüllt werden soll. Zweifel gehen zulasten des Erklärenden.(Rn.27)
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt, Urteil vom 11.06.2008, 7 Ca 9518/07
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 27.08.2009, 11/18 Sa 1114/08
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

9 AZR 189/10

11/18 Sa 1114/08

Hes­si­sches

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am 17. Mai 2011

UR­TEIL

Brüne, Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 17. Mai 2011 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Düwell, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Krasshöfer und Dr. Suckow so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kran­zusch und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Pie­lenz für Recht er­kannt:


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Auf die Re­vi­si­on des Klägers wird das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 27. Au­gust 2009 - 11/18 Sa 1114/08 - auf­ge­ho­ben.

Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 11. Ju­ni 2008 - 7 Ca 9518/07 - ab­geändert. Es wird fest­ge­stellt, dass dem Kläger für das Jahr 2007 wei­te­re fünf Ta­ge Ur­laub zu­stan­den.

Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über Rest­ur­laub aus dem Jahr 2007.

Die Be­klag­te, ein Bank­un­ter­neh­men, beschäftig­te den Kläger als An­ge­stell­ten zu ei­nem mo­nat­li­chen Brut­to­ar­beits­ent­gelt iHv. zu­letzt 4.957,52 Eu­ro. Der ar­beits­ver­trag­li­che Ur­laubs­an­spruch um­fass­te jähr­lich 30 Ar­beits­ta­ge.

Mit Schrei­ben vom 13. No­vem­ber 2006 erklärte die Be­klag­te die or­dent­li­che Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 31. März 2007. In dem Schrei­ben heißt es ua. wie folgt:

„Sie wer­den ab so­fort un­ter An­rech­nung Ih­rer Ur­laubs­ta­ge von Ih­rer Ar­beit un­ter Fort­zah­lung Ih­rer Bezüge frei­ge­stellt.“

Im Zeit­raum vom 14. No­vem­ber 2006 bis zum 31. Mai 2007 er­brach­te der Kläger für die Be­klag­te kei­ne Ar­beits­leis­tung.

Mit rechts­kräfti­gem Ur­teil vom 2. Mai 2007 (- 7 Ca 7989/06 -) stell­te das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main fest, das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en sei durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 13. No­vem­ber 2006 nicht auf­gelöst wor­den.


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Am 1. Ju­ni 2007 nahm der Kläger sei­ne Tätig­keit für die Be­klag­te wie

der auf.

Auf den An­trag des Klägers vom 12. Ju­ni 2007 gewähr­te der Vor-

ge­setz­te der Be­klag­ten dem Kläger für den Zeit­raum vom 8. Ok­to­ber bis zum 2. No­vem­ber 2007 17,5 Ar­beits­ta­ge Er­ho­lungs­ur­laub und 2,5 Ta­ge Frei­zeit­aus­gleich für Mehr­ar­beit, die der Kläger zu­vor am Wo­chen­en­de ge­leis­tet hat­te.

Den An­trag des Klägers, ihm im Zeit­raum vom 19. bis zum 28. De-

zem­ber 2007 Er­ho­lungs­ur­laub zu gewähren, lehn­te die Be­klag­te ab.

Mit Schrei­ben vom 8. Fe­bru­ar 2010 erklärte die Be­klag­te die außer-

or­dent­li­che frist­lo­se Kündi­gung, hilfs­wei­se die or­dent­li­che Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 30. Ju­ni 2010. Der Kläger er­hob vor dem Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main (- 7 Ca 1040/10 -) Kündi­gungs­schutz­kla­ge.

Der Kläger hat die Rechts­auf­fas­sung ver­tre­ten, ihm stünden für das

Jahr 2007 fünf Ar­beits­ta­ge Rest­ur­laub zu. Die Be­klag­te ha­be durch die vom 13. No­vem­ber 2006 da­tie­ren­de Frei­stel­lungs­erklärung nicht sei­nen Ur­laubsan­spruch aus dem Jahr 2007, der erst am 1. Ja­nu­ar 2007 ent­stan­den sei, erfüllen können. Zu­dem ha­be er als Erklärungs­empfänger der Erklärung nicht ent­neh­men können, ob die Be­klag­te sämt­li­che Ur­laubs­ansprüche für das Jahr 2007 oder le­dig­lich den auf den Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar bis zum 31. März 2007 ent­fal­len­den Teil­ur­laubs­an­spruch von 7,5 Ar­beits­ta­gen ha­be erfüllen wol­len.

Der Kläger hat mit Schrift­satz vom 10. De­zem­ber 2007, der der Be-

klag­ten am 20. De­zem­ber 2007 zu­ge­stellt wor­den ist, Kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt mit dem sinn­gemäßen An­trag er­ho­ben, ihm 4,5 Ta­ge Er­ho­lungs­ur­laub zu gewähren. Der Kläger hat die Kla­ge in der ers­ten In­stanz um den hilfs­wei­se ge­stell­ten An­trag er­wei­tert, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, Rest­ur­laub im Um­fang von fünf Ar­beits­ta­gen durch Zah­lung ei­nes Brut­to­be­trags iHv. 1.144,05 Eu­ro zuzüglich Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit ab­zu­gel­ten. Mit dem Be­ru­fungs­schrift­satz hat der Kläger die Kla­ge er­neut er­wei­tert und vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­letzt be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm fünf Ta­ge Er­satz­ur­laub zu


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gewähren,

hilfs­wei­se für den Fall des Un­ter­lie­gens mit dem Haupt­an­trag,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn ei­nen Brut­to­be­trag iHv. 1.144,05 Eu­ro zuzüglich Zin­sen in Höhe von acht Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig-keit zu zah­len.

Die Be­klag­te, die der Kla­ge­er­wei­te­rung wi­der­spro­chen hat, hat be­an-

tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie ist der An­sicht, sie ha­be die Ur­laubs­ansprüche des Klägers erfüllt.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt

hat die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Se­nat zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sein Kla­ge­ziel wei­ter. Im Hin­blick dar­auf, dass das Ar­beits­verhält­nis im Jah­re 2010 er­neut von der Be­klag­ten gekündigt wor­den und des­sen Fort­be­stand oder Be­en­di­gung we­gen ei­nes noch lau­fen­den Ver­fah­rens un­ge­wiss ist, hat er in der Re­vi­si­ons­in­stanz be­an­tragt fest­zu­stel­len, dass ihm für das Jahr 2007 fünf wei­te­re Ar­beits­ta­ge Ur­laub zu­stan­den.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Re­vi­si­on ist be­gründet. Sie führt zur Auf­he­bung des Be-

ru­fungs­ur­teils (§ 562 Abs. 1 ZPO), Abände­rung der kla­ge­ab­wei­sen­den Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts und Statt­ga­be der Kla­ge.

I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat das ursprüng­li­che Kla­ge­be­geh­ren als

zulässig, aber nicht be­gründet er­ach­tet. Es hat im We­sent­li­chen aus­geführt, die Be­klag­te ha­be die Ur­laubs­ansprüche für das Jahr 2007 durch die Frei­stel­lung des Klägers im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar bis zum 31. März 2007 erfüllt. Die Be­klag­te sei nicht ge­hin­dert ge­we­sen, dem Kläger während der Kündi­gungs­frist Ur­laub zu gewähren. Die auf die Frei­stel­lung des Klägers zie­len­de Erklärung der Be­klag­ten vom 13. No­vem­ber 2006 ha­be der Kläger da­hin­ge­hend ver-


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ste­hen müssen, dass die Be­klag­te ua. den ge­sam­ten am 1. Ja­nu­ar 2007 ent­ste­hen­den An­spruch auf Jah­res­ur­laub ha­be erfüllen wol­len.

II. Das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist nach § 562 Abs. 1 ZPO auf­zu-

he­ben. Es hält ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung nicht stand. Mit der von dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­ge­be­nen Be­gründung durf­te die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das kla­ge­ab­wei­sen­de Ur­teil des Ar­beits­ge­richts nicht zurück­ge­wie­sen wer­den. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist feh­ler­haft zu dem Er­geb­nis ge­langt, die Be­klag­te ha­be den aus dem Jahr 2007 re­sul­tie­ren­den Ur­laubs­an­spruch des Klägers durch die Frei­stel­lung ab 1. Ja­nu­ar 2007 vollständig erfüllt.

1. Zu­tref­fend ist zunächst der recht­li­che Aus­gangs­punkt, den das Lan­des-

ar­beits­ge­richt sei­ner Ent­schei­dung - oh­ne dies ei­gens zu the­ma­ti­sie­ren - zu-

grun­de ge­legt hat: Am 1. Ja­nu­ar 2007 er­warb nach § 4 BUrlG der länger als

sechs Mo­na­te beschäftig­te Kläger den An­spruch auf den vol­len Jah­res­ur­laub.

Des­sen Dau­er ist ar­beits­ver­trag­lich auf 30 Ar­beits­ta­ge be­stimmt.

2. Ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on war die Be­klag­te recht­lich nicht
ge­hin­dert, dem Kläger mit der vom 13. No­vem­ber 2006 da­tie­ren­den Erklärung Er­ho­lungs­ur­laub im Vor­griff auf das Ur­laubs­jahr 2007 zu er­tei­len. Der Ar­beit­ge­ber als Schuld­ner des Ur­laubs­an­spruchs kann die von ihm ge­schul­de­te Er­füllungs­hand­lung, die Fest­le­gung des Ur­laubs­zeit­raums, im Re­gel­fall vor der Ent­ste­hung des Ur­laubs­an­spruchs zu Be­ginn des Ur­laubs­jah­res vor­neh­men. Der Erfüllungs­er­folg tritt in ei­nem sol­chen Fal­le erst ein, in­dem der Ar­beit­neh­mer den Ur­laub im Fol­ge­jahr tatsächlich an­tritt.

a) Ur­laubs­gewährung ist nach § 7 Abs. 1 BUrlG die Be­frei­ung von der

Ar­beits­pflicht für ei­nen be­stimm­ten zukünf­ti­gen Zeit­raum (BAG 11. Ju­li 2006 - 9 AZR 535/05 - Rn. 20, AuA 2007, 52). Die Frei­stel­lung zum Zwe­cke der Gewährung von Er­ho­lungs­ur­laub er­folgt durch ein­sei­ti­ge emp­fangs­bedürf­ti­ge Wil­lens­erklärung des Ar­beit­ge­bers (vgl. BAG 14. Au­gust 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 10, AP BUrlG § 7 Nr. 38 = EzA BUrlG § 7 Nr. 119), die als sol­che mit


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Zu­gang beim Ar­beit­neh­mer nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wirk­sam wird (vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 23, BA­GE 130, 119).

b) So­fern der Ar­beit­neh­mer nicht ab­wei­chen­de Ur­laubswünsche äußert,

kann der Ar­beit­ge­ber die Frei­stel­lung im Vor­griff auf das kom­men­de Ur­laubs­jahr erklären und dem Ar­beit­neh­mer da­mit jah­resüberg­rei­fend Er­ho­lungs­ur­laub gewähren. Die­sen Rechts­satz hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt be­reits meh­re­ren Ent­schei­dun­gen zu­grun­de ge­legt, oh­ne ihn aus­drück­lich zu for­mu­lie­ren (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 8 und 34, AP BUrlG § 7 Über­tra­gung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116; 23. Ja­nu­ar 1996 - 9 AZR 554/93 - zu II 1 a der Gründe, AP BUrlG § 5 Nr. 10 = EzA BUrlG § 5 Nr. 16; 18. De­zem­ber 1986 - 8 AZR 481/84 - zu 2 b der Gründe, BA­GE 54, 59).

aa) Wünscht der Ar­beit­neh­mer ei­nen jah­resüberg­rei­fen­den Ur­laub, ist er

be­rech­tigt, im lau­fen­den Ur­laubs­jahr ne­ben dem aus die­sem Jahr re­sul­tie­ren­den Ur­laub auch den Ur­laub aus dem Fol­ge­jahr zu be­an­tra­gen (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 46, AP BUrlG § 7 Über­tra­gung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Um den zeit­li­chen Gleich­lauf zwi­schen An­trag und Be­wil­li­gung zu gewähr­leis­ten, ist es sach­ge­recht, dem Ar­beit­ge­ber die Be­fug­nis ein­zuräum­en, den Ur­laub zu die­sem Zeit­punkt in vol­lem Um­fang zu gewähren. In­so­weit kor­re­spon­diert der Zeit­punkt, zu dem der Ar­beit­ge­ber die von ihm ge­schul­de­te Erfüllungs­hand­lung vor­nimmt, mit dem Zeit­punkt, zu dem der Ar­beit­neh­mer den erst im Fol­ge­jahr ent­ste­hen­den Ur­laubs­an­spruch gel­tend zu ma­chen be­fugt ist. Wäre die Rechts­auf­fas­sung der Re­vi­si­on zu­tref­fend, sähe sich der Ar­beit­ge­ber ge­zwun­gen, ei­nen jah­resüberg­rei­fen­den Ur­laub, der Ur­laub aus dem Fol­ge­jahr um­fasst, durch zwei ge­trenn­te Erklärun­gen zu er­tei­len: Den ers­ten Teil, der den Ur­laub bis zum Jah­res­en­de um­fass­te, durch ei­ne Erklärung im ab­lau­fen­den Jahr; den zwei­ten Teil, der den Zeit­raum ab dem 1. Ja­nu­ar des Fol­ge­jah­res um­fass­te, durch ei­ne wei­te­re Erklärung zu Be­ginn des Jah­res. Dies entspräche we­der den In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers noch de­nen des Ar­beit­neh­mers. Denn der Ar­beit­neh­mer blie­be vor dem An­tritt sei­nes Ur­laubs im Un­ge­wis­sen über die Dau­er sei­nes Ur­laubs.


aa) Die Erklärung der Be­klag­ten ist ei­ne nicht­ty­pi­sche Wil­lens­erklärung. Die

Aus­le­gung sol­cher Erklärun­gen ist in ers­ter Li­nie Sa­che der Tat­sa­chen­ge­rich­te

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bb) Erklärt der Ar­beit­ge­ber, der Ar­beit­neh­mer sol­le mit Be­ginn des Fol­ge

jah­res den am 1. Ja­nu­ar ent­ste­hen­den Ur­laub neh­men, ist mit die­ser Erklärung - so­viel ist der Re­vi­si­on zu­zu­ge­ste­hen - der Ur­laubs­an­spruch noch nicht erfüllt. Die Frei­stel­lungs­erklärung des Ar­beit­ge­bers, der Schuld­ner des Ur­laubs­an­spruchs ist, ist le­dig­lich die von ihm ge­schul­de­te Erfüllungs­hand­lung. Der Er­folg, auf den der Ar­beit­ge­ber mit der Ab­ga­be der Frei­stel­lungs­erklärung zielt, die Erfüllung des Ur­laubs­an­spruchs, tritt erst ein, wenn der Ar­beit­neh­mer den Ur­laub im fest­ge­leg­ten Zeit­raum tatsächlich nimmt, al­so ins­be­son­de­re kein Erfüllungs­hin­der­nis wie et­wa ei­ne krank­heits­bding­te Ar­beits­unfähig­keit der Frei­stel­lung ent­ge­gen­steht (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 34, AP BUrlG § 7 Über­tra­gung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

3. Hin­ge­gen be­ruht die tra­gen­de Erwägung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, die

Be­klag­te ha­be dem Kläger im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar bis zum 31. März 2007 den Voll­ur­laub für das Jahr 2007 gewährt, auf re­vi­si­blen Rechts­feh­lern. Der in dem Kündi­gungs­schrei­ben vom 13. No­vem­ber 2006 ent­hal­te­nen Erklärung der Be­klag­ten, sie kündi­ge zum 31. März 2007 und stel­le den Kläger ab so­fort un­ter An­rech­nung sei­ner Ur­laubs­ta­ge von der Ar­beit un­ter Fort­zah­lung der Bezüge frei, lässt sich nicht mit der er­for­der­li­chen Deut­lich­keit ent­neh­men, dass die Be­klag­te auch den vol­len und nicht nur den an­tei­li­gen Ur­laub­an­spruch des Klägers für das Jahr 2007 erfüllen woll­te.

a) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, die Frei­stel­lungs­erklärung
der Be­klag­ten sei ih­rem Wort­laut nach un­be­grenzt. Der Kläger als Empfänger der Erklärung ha­be da­her nicht da­von aus­ge­hen dürfen, die Be­klag­te ha­be ihm Ur­laub in ein­ge­schränk­tem Um­fang gewähren wol­len. Die­se Aus­le­gung ent­spre­che dem für den Kläger er­kenn­ba­ren In­ter­es­se der Be­klag­ten, die Ku­mu­la­ti­on von An­nah­me­ver­zugs­lohn- und Ur­laubs­ansprüchen zu ver­hin­dern.

b) Das von dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­fun­de­ne Aus­le­gungs­er­geb­nis hält
ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Kon­trol­le nicht stand.


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und des­halb durch das Re­vi­si­ons­ge­richt nur be­schränkt re­vi­si­bel. Der Über­prüfung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt un­ter­liegt al­lein die Fra­ge, ob das Tat­sa­chen­ge­richt die Rechts­vor­schrif­ten über die Aus­le­gung von Wil­lens­erklärun­gen (§§ 133, 157 BGB) rich­tig an­ge­wandt, Denk­ge­set­ze und Er­fah­rungssätze be­ach­tet und den Tat­sa­chen­stoff vollständig ver­wer­tet hat (vgl. BAG 14. März 2006 - 9 AZR 11/05 - Rn. 13, AP BUrlG § 7 Nr. 32 = EzA BUrlG § 7 Nr. 117).

bb) Die Erklärung des Ar­beit­ge­bers, er stel­le den Ar­beit­neh­mer zum

Zwe­cke der Gewährung von Er­ho­lungs­ur­laub frei, ist als emp­fangs­bedürf­ti­ge Erklärung nach § 133 BGB aus der ob­jek­ti­vier­ten Sicht des Ar­beit­neh­mers aus­zu­le­gen (vgl. BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 19, BA­GE 131, 30). Die Erklärung muss hin­rei­chend deut­lich er­ken­nen las­sen, dass ei­ne Be­frei­ung von der Ar­beits­pflicht zur Erfüllung des An­spruchs auf Ur­laub gewährt wird. An­de­ren­falls kann nicht fest­ge­stellt wer­den, ob der Ar­beit­ge­ber als Schuld­ner des Ur­laubs­an­spruchs die ge­schul­de­te Leis­tung be­wir­ken will (§ 362 Abs. 1 BGB), als Gläubi­ger der Ar­beits­leis­tung auf de­ren An­nah­me ver­zich­tet (§ 615 Satz 1 BGB) oder er dem Ar­beit­neh­mer nach § 397 Abs. 1 BGB an­bie­tet, die Ar­beits­pflicht ver­trag­lich zu er­las­sen (vgl. BAG 14. März 2006 - 9 AZR 11/05 - Rn. 11, AP BUrlG § 7 Nr. 32 = EzA BUrlG § 7 Nr. 117). Will der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer während des Laufs der Kündi­gungs­frist zum Zwe­cke der Gewährung von Er­ho­lungs­ur­laub von der Ver­pflich­tung zur Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung frei­stel­len, muss der Ar­beit­neh­mer als Adres­sat der Erklärung hin­rei­chend deut­lich er­ken­nen können, in wel­chem Um­fang der Ar­beit­ge­ber den Ur­laubs­an­spruch des Ar­beit­neh­mers erfüllen will. Erklärt sich der Ar­beit­ge­ber nicht mit der er­for­der­li­chen Deut­lich­keit, geht dies zu sei­nen Las­ten. Denn als Erklären­der hat er es in der Hand, die Frei­stel­lungs­erklärung sprach­lich so zu fas­sen, dass der Ar­beit­neh­mer über ih­ren In­halt nicht im Zwei­fel ist.

cc) Auch un­ter Be­ach­tung des ein­ge­schränk­ten Prüfungs­maßstabs ist die

Aus­le­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts rechts­feh­ler­haft. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Aus­le­gungs­re­geln der §§ 133, 157 BGB nicht rich­tig an­ge­wandt


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und den Tat­sa­chen­stoff nicht vollständig ver­wer­tet. Das rügt die Re­vi­si­on zu Recht.

Der Erklärung der Be­klag­ten, sie stel­le den Kläger „ab so­fort un­ter An-

rech­nung Ih­rer Ur­laubs­ta­ge von Ih­rer Ar­beit un­ter Fort­zah­lung Ih­rer Bezüge frei“ lässt nicht hin­rei­chend deut­lich er­ken­nen, ob die Be­klag­te dem Kläger ne­ben dem Rest­ur­laub für das Jahr 2006 den ge­sam­ten Jah­res­ur­laub für 2007, den er am 1. Ja­nu­ar 2007 er­warb, oder le­dig­lich den auf den Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar bis zum 31. März 2007 ent­fal­len­den Teil­ur­laub gewähren woll­te. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat nicht be­ach­tet, dass die Frei­stel­lungs­erklärung in dem Schrei­ben der Be­klag­ten vom 13. No­vem­ber 2006 ent­hal­ten ist. Dies ist ein Um­stand, der für die Aus­le­gung der Erklärung maßge­ben­de Be­deu­tung hat. Mit die­sem Schrei­ben erklärte die Be­klag­te auch die Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 31. März 2007. Sie brach­te für den Kläger er­kenn­bar zum Aus­druck, sie ge­he da­von aus, der Kläger wer­de mit Wir­kung zum 31. März 2007 aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­den und in­fol­ge­des­sen für das Jahr 2007 le­dig­lich ei­nen Teil­ur­laubs­an­spruch er­wer­ben. Denn nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG hat ein Ar­beit­neh­mer, der nach erfüll­ter War­te­zeit in der ers­ten Hälf­te ei­nes Ka­len­der­jahrs aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­det, le­dig­lich An­spruch auf ein Zwölf­tel des Jah­res­ur­laubs für je­den vol­len Mo­nat des Be­ste­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses. Auf der Grund­la­ge ei­nes ar­beits­ver­trag­li­chen Ge­samt­ur­laubs­an­spruchs im Um­fang von 30 Ar­beits­ta­gen sind dies un­ter Außer­acht­las­sung der Run­dungs­vor­schrift des § 5 Abs. 2 BUrlG 7,5 Ar­beits­ta­ge (3 Mo­na­te x 1/12 von 30 Ar­beits­ta­gen). Un­ter die­sen Umständen war für den Kläger nicht zwei­fels­frei zu er­ken­nen, ob die Be­klag­te über den in je­dem Fall ge­schul­de­ten Teil­ur­laubs­an­spruch hin­aus den ih­rer Rechts­auf­fas­sung nach nicht ge­schul­de­ten Ur­laub, der sich aus der Dif­fe­renz zwi­schen dem Teil­ur­laub und dem ge­sam­ten Jah­res­ur­laub er­gibt, gewähren woll­te. Die­ser Zwei­fel geht zu­las­ten der Be­klag­ten. Ihr ob­lag es, durch ei­ne ein­deu­ti­ge Erklärung ge­gen­über dem Kläger klar­zu­stel­len, dass sie un­abhängig von der mit der Kündi­gung zum Aus­druck ge­brach­ten An­sicht, der Kläger ha­be nur An­spruch auf den gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG gekürz­ten Voll­ur­laub, vor­sorg­lich den­noch den An­spruch des Klägers auf den vol­len Jah­res­ur­laub erfüllen wol­le. Im


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Übri­gen hat­te die Be­klag­te selbst Zwei­fel über den In­halt ih­rer Frei­stel­lungs­erklärung. Wäre sie da­von aus­ge­gan­gen, sie ha­be den Ur­laubs­an­spruch durch die Frei­stel­lung in der Kündi­gungs­frist vollständig erfüllt, hätte sie dem Kläger auf des­sen An­trag vom 12. Ju­ni 2007 nicht ab dem 8. Ok­to­ber 2007 er­neut Ur­laub gewährt. Viel­mehr ist an­zu­neh­men, dass sie den Kläger dar­auf hin­ge­wie­sen hätte, dass sie ih­rer An­sicht nach den ge­sam­ten Ur­laub be­reits in der Kündi­gungs­frist gewährt ha­be.

III. Der Se­nat kann in der Sa­che selbst ent­schei­den, da sich die die Be-

ru­fung zurück­wei­sen­de Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht aus an­de­ren Gründen als rich­tig er­weist (§ 561 ZPO) und die Sa­che zur End­ent­schei­dung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

1. Die Kla­ge ist zulässig. Der Kläger hat die im Be­ru­fungs­ver­fah­ren er-

wei­ter­ten Leis­tungs­anträge in der Re­vi­si­ons­in­stanz um­ge­stellt und schließlich be­an­tragt fest­zu­stel­len, dass ihm für das Jahr 2007 fünf wei­te­re Ar­beits­ta­ge Ur­laub zu­stan­den. Dies be­geg­net schon im Hin­blick dar­auf, dass der Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses un­ge­wiss ist, kei­nen durch­grei­fen­den pro­zess­recht­li­chen Be­den­ken.

a) Die in der Kla­ge­er­wei­te­rung lie­gen­de Kla­geände­rung in der Be­ru­fungs-

in­stanz hat der Se­nat nicht auf ih­re Zulässig­keit zu über­prüfen.

aa) Der Kläger hat den ursprüng­lich vor dem Ar­beits­ge­richt ge­stell­ten

Leis­tungs­an­trag, ihm 4,5 Ta­ge Ur­laub zu gewähren, in der Be­ru­fungs­in­stanz geändert und fünf Ta­ge Ur­laub ver­langt. Die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, die­sen zu­letzt ge­stell­ten Sach­an­trag zu be­schei­den, un­ter­liegt nicht der Über­prüfung durch den Se­nat. Gemäß § 533 Nr. 2 ZPO ist ei­ne Kla­ge­ände­rung im Be­ru­fungs­ver­fah­ren zulässig, wenn sie auf Tat­sa­chen gestützt wer­den kann, die das Be­ru­fungs­ge­richt sei­ner Ver­hand­lung und Ent­schei­dung über die Be­ru­fung oh­ne­hin nach § 529 ZPO zu­grun­de zu le­gen hat. Dies sind nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die vom Ge­richt des ers­ten Rechts­zugs fest­ge­stell­ten Tat­sa­chen.


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bb) Ob die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 533 ZPO vor­lie­gen, ist

in der Re­vi­si­ons­in­stanz nicht zu über­prüfen, wenn das Be­ru­fungs­ge­richt - wie hier das Lan­des­ar­beits­ge­richt - in der Sa­che über den er­wei­ter­ten Streit­ge­gen­stand ent­schie­den hat (vgl. BGH 25. Ok­to­ber 2007 - VII ZR 27/06 - Rn. 9, NJW-RR 2008, 262). Dies folgt aus ei­ner ent­spre­chen­den An­wen­dung von § 268 ZPO, dem zu­fol­ge ei­ne An­fech­tung der Ent­schei­dung, dass ei­ne Ände­rung der Kla­ge nicht vor­lie­ge oder dass die Ände­rung zu­zu­las­sen sei, nicht statt­fin­det. Nach dem Zweck des Be­ru­fungs­rechts dient die Be­ru­fungs­in­stanz in ers­ter Li­nie der Feh­ler­kon­trol­le der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung. § 533 ZPO ver­hin­dert des­halb, dass sich das Be­ru­fungs­ge­richt im Rah­men neu­er Streit­ge­gen­stände mit neu­em Streitstoff be­fas­sen und hier­zu ei­ne Sach­ent­schei­dung tref­fen muss. Die­ser Zweck kann nicht mehr er­reicht wer­den, wenn das Be­ru­fungs­ge­richt über die Kla­geände­rung sach­lich ent­schie­den hat. Da­bei spielt es kei­ne Rol­le, ob es zu ei­ner Sach­ent­schei­dung ge­langt ist, weil es die Vor­aus­set­zun­gen des § 533 ZPO be­jaht oder des­sen An­wend­bar­keit im Ein­zel­fall ver­neint hat.

b) Die in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat er­folg­ten An­trags-

ände­run­gen sind zulässig. So­weit der in der Re­vi­si­ons­ver­hand­lung ge­stell­te Fest­stel­lungs­an­trag hin­ter den in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung ge­stell­ten Leis­tungs­anträgen zurück­bleibt, han­delt es sich um ei­ne Be­schränkung des Leis­tungs­be­geh­rens, die als sol­che nicht als Kla­geände­rung an­zu­se­hen ist (§ 264 Nr. 2 ZPO).

In der Be­ru­fungs­ver­hand­lung hat der Kläger von der Be­klag­ten im We-

ge der Leis­tungs­kla­ge ver­langt, ihm Er­satz­ur­laub zu gewähren, hilfs­wei­se, sei­ne Ur­laubs­ansprüche ab­zu­gel­ten. In der Re­vi­si­ons­in­stanz hat er sein Kla­ge­be­geh­ren auf die Fest­stel­lung be­schränkt, dass ihm im Jahr 2007 wei­te­re fünf Ar­beits­ta­ge Ur­laub zu­stan­den. Dies ist zulässig. Un­zulässig sind in der Re­vi­si­ons­in­stanz we­gen § 559 Abs. 1 ZPO nur Kla­geände­run­gen, mit de­nen neue Ansprüche in dem Rechts­streit ein­geführt wer­den sol­len (vgl. BAG 3. Mai 2006 - 0 AZR 310/05 - Rn. 52, EzA BGB 2002 § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 18). Denn der Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung in zwei­ter In­stanz bil­det nicht


bb) Der grundsätz­lich gel­ten­de Vor­rang der Leis­tungs­kla­ge (vgl. BAG

11. De­zem­ber 2001 - 9 AZR 435/00 - zu I der Gründe, EzA ZPO § 256 Nr. 59)

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nur bezüglich des tatsächli­chen Vor­brin­gens, son­dern auch für den durch den An­trag und den Kla­ge­grund be­stimm­ten Streit­ge­gen­stand die Ent­schei­dungs­grund­la­ge für das Re­vi­si­ons­ge­richt (vgl. BAG 20. Ja­nu­ar 2010 - 5 AZR 99/09 - Rn. 11, AP BGB § 611 Abhängig­keit Nr. 119 = EzA BGB 2002 § 611 Ar­beit­neh­mer­be­griff Nr. 16). Die Be­schränkung des An­trags, durch die der Kläger oh­ne Ände­rung des Kla­ge­grun­des vom Leis­tungs- zum Fest­stel­lungs­an­trag über­geht, verändert nicht den Streit­ge­gen­stand. In­so­weit liegt nur ei­ne Be­schränkung des Kla­ge­an­trags vor, die nach § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Kla­geände­rung gilt (vgl. BAG 7. De­zem­ber 2005 - 5 AZR 535/04 - Rn. 11, BA­GE 116, 267) und des­halb we­der ei­ner Ein­wil­li­gung der be­klag­ten Par­tei noch ei­ner Fest­stel­lung der Sach­dien­lich­keit be­darf. Ei­ne - wie hier - erklärte bloße An­trags­be­schränkung ist so­mit auch in der Re­vi­si­ons­in­stanz un­be­denk­lich zulässig (im Er­geb­nis eben­so: BAG 1. Fe­bru­ar 2006 - 5 AZR 187/05 - Rn. 15, BA­GE 117, 44).

c) Der Kläger hat ein recht­li­ches In­ter­es­se dar­an, durch das Ge­richt

fest­stel­len zu las­sen, ob ihm für das Jahr 2007 über den von der Be­klag­ten gewähr­ten Ur­laub hin­aus fünf Ar­beits­ta­ge Ur­laub zu­stan­den (§ 256 Abs. 1 ZPO).

aa) Es steht der An­nah­me ei­nes Fest­stel­lungs­in­ter­es­ses nicht ent­ge­gen,

dass der Zeit­raum, auf den sich die be­gehr­te Fest­stel­lung er­streckt, in der Ver­gan­gen­heit liegt. Der er­for­der­li­che Ge­gen­warts­be­zug (vgl. BAG 26. Sep­tem­ber 2002 - 6 AZR 523/00 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 73 = EzA ZPO § 256 Nr. 67) er­gibt sich im Streit­fall dar­aus, dass der Kläger die Be­klag­te abhängig vom Aus­gang des zwi­schen den Par­tei­en anhängi­gen Kündi­gungs­schutz­ver-fah­rens ent­we­der auf die Gewährung von Ur­laub oder die Ab­gel­tung sei­ner Ur­laubs­ansprüche in An­spruch neh­men will. Da­mit ver­folgt er die Erfüllung kon­kre­ter Leis­tungs­ansprüche aus ei­nem in der Ver­gan­gen­heit lie­gen­den Zeit­raum und er­strebt da­mit ei­nen ge­genwärti­gen recht­li­chen Vor­teil (vgl. BAG 13. Au­gust 2009 - 6 AZR 177/08 - Rn. 9, AP TVöD § 5 Nr. 2).


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steht der Zulässig­keit des Fest­stel­lungs­an­trags nicht ent­ge­gen. Der Vor­rang der Leis­tungs­kla­ge dient dem Zweck, Rechts­strei­tig­kei­ten pro­zess­wirt­schaft­lich sinn­voll zu er­le­di­gen (vgl. BAG 15. März 2005 - 9 AZR 142/04 - zu III 1 der Gründe, BA­GE 114, 80). Da­nach ist ei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge zulässig, wenn mit ihr ei­ne sach­ge­rech­te, ein­fa­che Er­le­di­gung der auf­ge­tre­te­nen Streit­punk­te zu er­rei­chen ist und pro­zess­wirt­schaft­li­che Über­le­gun­gen ge­gen ei­nen Zwang zur Leis­tungs­kla­ge spre­chen (vgl. BAG 16. De­zem­ber 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 19, BA­GE 129, 72).

Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen vor. Für den Kläger ist bis zum Schlus

der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat nicht ab­seh­bar ge­we­sen, ob sein An­spruch auf die Gewährung von Er­satz­ur­laub nach § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB oder auf die Ab­gel­tung die­ses Ur­laubs nach § 7 Abs. 4 BUrlG ge­rich­tet ist. Der In­halt des An­spruchs hängt vom Aus­gang des zwi­schen den Par­tei­en noch anhängi­gen Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses ab. Soll­te der Kläger mit sei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge Er­folg ha­ben, wäre die Be­klag­te - ei­nen Ur­laubs­an­spruch des Klägers un­ter­stellt - zur Gewährung von Ur­laub ver­pflich­tet. Soll­te sich die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 8. Fe­bru­ar 2010 hin­ge­gen als rechts­wirk­sam er­wei­sen, hätte der Kläger ei­nen An­spruch auf Ab­gel­tung des we­gen der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht gewähr­ten Ur­laubs. Das der Voll­stre­ckung nicht zugäng­li­che Fest­stel­lungs­ur­teil ist zu­dem ge­eig­net, den recht­li­chen Kon­flikt der Par­tei­en endgültig zu lösen und wei­te­re Pro­zes­se zu ver­mei­den. Zwi­schen den Par­tei­en be­steht le­dig­lich Streit über den Um­fang des dem Kläger zu­ste­hen­den Ur­laubs, nicht über die Aus­ge­stal­tung der Leis­tungs­pflich­ten der Be­klag­ten.

2. Die Kla­ge ist be­gründet. Dem Kläger steht für das Jahr 2007 Rest­ur­laub

zu. An­spruchs­grund­la­ge ist der die Par­tei­en ver­bin­den­de Ar­beits­ver­trag. Den 30 Ar­beits­ta­ge um­fas­sen­den An­spruch auf Jah­res­ur­laub hat die Be­klag­te durch die Frei­stel­lung des Klägers in den Zeiträum­en vom 1. Ja­nu­ar bis zum 31. Mai 2007 und vom 8. Ok­to­ber bis zum 2. No­vem­ber 2007 nicht vollständig, son­dern nur teil­wei­se erfüllt. Es ver­bleibt ein Rest­ur­laubs­an­spruch im Um­fang von fünf Ar­beits­ta­gen.


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a) Der Kläger er­warb zu Be­ginn des Jah­res 2007 ei­nen ar­beits­ver­trag-li­chen An­spruch auf 30 Ar­beits­ta­ge Er­ho­lungs­ur­laub, § 4 BUrlG.

b) Die Be­klag­te gewähr­te dem Kläger höchs­tens 25 Ar­beits­ta­ge Ur­laub.
Le­dig­lich in­so­weit konn­te der Ur­laubs­an­spruch des Klägers durch Erfüllung un­ter­ge­hen, § 362 Abs. 1 BGB. Der von dem Kläger mit dem Fest­stel­lungs­an­trag gel­tend ge­mach­te Rest­um­fang des vol­len Ur­laubs­an­spruchs, des­sen Be­rech­nung die Be­klag­te nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten ist, beträgt fünf Ar­beits­ta­ge.

aa) Hätte das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit Ab­lauf der Kündi­gungs­frist

am 31. März 2007 ge­en­det, wäre gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG der An­spruch auf 3/12 des Voll­ur­laubs gekürzt wor­den (sie­he II 3 b cc). Nur in­so­weit stell­te die Be­klag­te den Kläger in­ner­halb der Kündi­gungs­frist frei.

bb) Im Zeit­raum vom 8. Ok­to­ber bis zum 2. No­vem­ber 2007 er­teil­te die

Be­klag­te dem Kläger für die Mo­na­te Ju­ni bis De­zem­ber an­tei­lig 17,5 Ar-beits­ta­ge Ur­laub und be­rech­ne­te für die Zeit von Ja­nu­ar bis März 2007 je 2,5 Ur­laubs­ta­ge, das sind ins­ge­samt 7,5 Ur­laubs­ta­ge, an. Der rest­li­che As­pruch beträgt da­mit fünf Ta­ge.

IV. Die Be­klag­te hat als un­ter­le­ge­ne Par­tei die Kos­ten des Rechts­streits zu

tra­gen, § 91 Abs. 1 ZPO.

Düwell Suckow Krasshöfer

Pie­lenz Kran­zusch

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