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LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.08.2006, 6 Sa 72/06
Schlagworte: | Kündigung: Außerordentlich, Beleidigung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein | |
Aktenzeichen: | 6 Sa 72/06 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 29.08.2006 | |
Leitsätze: |
|
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Neumünster, Urteil vom 15.12.2005, 2 Ca 1290 a/05 | |
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 6 Sa 72/06
2 Ca 1290 a/05 ArbG Neumünster
(Bitte bei allen Schreiben angeben!)
Verkündet am 29.08.2006
gez. K...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
pp.
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 23.05.2006 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht O...-E... als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter V... und M... als Beisitzer
für Recht erkannt:
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1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Neumünster vom 15. Dezember 2005, Aktenzeichen 2 Ca 1290 a/05, abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.--.-.-.-.-.-.-.-
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
Nr. 46
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T a t b e s t a n d :
Streitgegenständlich ist eine außerordentliche Kündigung der Beklagten.
Der am 14.02.1948 geborene Kläger türkischer Herkunft ist bei der Beklagten als angelernter Chemiehelfer zu einem durchschnittlichen Bruttomonatslohn von € 2.500,-- beschäftigt.
Die Beklagte stützt die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung vom 15.07.2005, dem Kläger zugegangen am 18.07.2005, auf eine grobe Beleidigung des Klägers im Zusammenhang mit der Aushändigung einer Abmahnung. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach einem bewilligten Türkeiurlaub vom 20.06. bis 24.06.2005 war der Kläger für den 27.06.2005, um 13:25 Uhr zur Arbeit eingeteilt. Aufgrund einer Panne verpasste er am 27.06.2005 seinen geplanten Rückreiseflug und konnte seinen Dienst nicht termingerecht antreten. Hiervon unterrichtete er die Linienkoordinatorin, die Zeugin S..., telefonisch um 18:30 Uhr. Es ist zwischen den Parteien streitig, ob die Zeugin S... daraufhin erklärte, dass er an diesem Tag nicht mehr zu kommen brauche.
Die Beklagte verfasste daraufhin das Abmahnungsschreiben vom 28.06.2006 folgenden Inhalts:
„Sie hatten Urlaub vom 20.06.2005 bis zum 24.06.2005. Am Montag, den 27.06.2005 erwarteten wir Sie um 13:25 Uhr zur Arbeitsaufnahme. Um 18:30 Uhr meldeten Sie sich telefonisch bei Frau S... und teilten mit, dass Sie nicht zur Arbeit kommen können, da der Flug aus der Türkei nach Deutschland Verspätung hat.
Wenn Sie aus dem Urlaub zurück erwartet werden und Ihre Arbeitsaufnahme eingeplant ist, ist es Ihre Pflicht, sich unverzüglich und rechtzeitig vor der Arbeitsaufnahme bei einer Arbeitsverhinderung mit Ihrem Vorgesetzten in Verbindung zu setzen.
Um eine optimale Personaleinsatzplanung durchführen zu können und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu gewährleisten, ist eine rechtzeitige Abmeldung vor Arbeitsbeginn erforderlich.
Aufgrund Ihrer verspäteten Meldung mahnen wir Sie ab. Sollten Sie sich weitere gleiche oder gleichartige arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen zu Schulden kommen lassen, müssen Sie mit ernsthaften Konsequenzen für Ihr Arbeitsverhältnis rechnen.“
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Am 30.06.2005 suchten der Linienleiter, der Zeuge L..., und die Zeugin S... den Kläger an dessen Arbeitsplatz auf, um ihm die Abmahnung auszuhändigen. Der Kläger beanstandete, dass sich aus dem Inhalt der Abmahnung nicht ergebe, dass er gegenüber der Zeugin S... ausdrücklich angeboten habe, den Rest der Schicht noch zu arbeiten, was die Zeugin S... jedoch abgelehnt habe. Auf Wunsch des Klägers wurde das Gespräch im Beisein des Betriebsratsmitglieds F... in dessen Büro fortgesetzt. Im Verlauf des Gesprächs schob der Zeuge L... schließlich dem Kläger das Abmahnungsschreiben über den Tisch hinweg mit einer energischen Bewegung zurück. Daraufhin erklärte der Kläger sinngemäß „Ist das hier Konzentrationslager oder was?“ Hiervon unterrichtete der Zeuge L... den Fertigungsleiter, den Zeugen Sch..., per E-Mail am 30.06.2005 und nochmals persönlich am Freitag, den 01.07.2005. Am 01.07.2005 hörte der Zeuge Sch... zudem das Betriebsratsmitglied F... zu dem strittigen Personalgespräch vom 30.06.2005 an. Daraufhin lud er den Kläger unter Hinweis auf das Erörterungsthema zu einem Personalgespräch am 05.07.2005 ein, an welchem ebenfalls die Zeugen Sch..., L... und S... teilnahmen. Auf Wunsch des Klägers nahm zudem der Mitarbeiter Y... als Übersetzer teil. Auf Nachfrage bestätigte der Kläger, dass er die strittige Erklärung abgegeben habe. Nach einer kurzen Zeit des Schweigens wies der Zeuge Sch... den Kläger laut und energisch auf den Bedeutungsgehalt des Wortes Konzentrationslager und die Tragweite seiner Äußerung hin. Er erklärte, dass die Beklagte eine besondere, wertschätzende Verpflichtung gegenüber ihren Mitarbeitern als Firmenphilosophie (Credo, Bl. 66 d.GA.) habe und dass dessen Äußerung auch und gerade vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Herrschaft des Dritten Reichs völlig inakzeptabel sei. Der Zeuge Y... übersetzte für den Kläger. Nach einer kurzen Pause antwortete der Kläger, dass er es so nicht gemeint habe. Er habe sich vielmehr ungerecht behandelt gefühlt. Es ist zwischen den Parteien streitig, ob sich der Kläger bei den Anwesenden für die strittige Äußerung vom 30.06.2005 entschuldigte.
Am 06.07.2005 legte die Zeugin S... dem Kläger einen Änderungsvertrag vom 01.07.2005 zum Zwecke der Änderung der Arbeitszeiten zur Unterschrift vor. Der Kläger informierte sich zunächst bei dem Betriebsrat und letzterer bemängelte die fehlende Betriebsratsbeteiligung. Die Beklagte beschloss daraufhin, zunächst das Betriebsrats-Anhörungsverfahren durchzuführen. Noch am gleichen Tage erlitt der
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Kläger während des Dienstes einen Zusammenbruch und musste vom Notarzt in eine Klinik eingewiesen werden, wo er drei Tage stationär behandelt wurde. Im Anschluss daran war er arbeitsunfähig krankgeschrieben.
Am 12.07.2005 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an (Bl. 10 f. d.GA.), worauf der Betriebsrat am 15.07.2005 erklärte, dass er keine Stellungnahme abgebe. Daraufhin sprach die Beklagte die außerordentliche Kündigung vom 15.07.2005 (Bl. 4 d.GA.), die dem Kläger am 18.07.2006 zuging, aus.
Hiergegen hat der Kläger am 22.07.2005 vor dem Arbeitsgericht Neumünster Kündigungsfeststellungsklage erhoben.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Mit Urteil vom 15.12.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit der vom Kläger eingeräumten Erklärung „Ist das Konzentrationslager oder was?“ habe er die Beklagte und deren in Führungsverantwortung stehenden Mitarbeiter verunglimpft. Gleichwohl sei die außerordentliche Kündigung vorliegend nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit nicht gerechtfertigt gewesen. Nachdem der Zeuge Sch... den Begriff des Konzentrationslagers erläutert hatte, habe der Kläger die strittige Äußerung nicht wiederholt, sondern durch seine Äußerung, dass er das so nicht gemeint habe, Einsicht gezeigt, dass sein Verhalten nicht in Ordnung gewesen sei. Diese Einsicht stelle zwar keine Entschuldigung dar und beseitige damit nicht die Schwere der von ihm ausgegangenen Verunglimpfung der Beklagten, wiege aber angesichts der langen Beschäftigungszeit auch nicht so schwer, dass sie zur fristlosen Kündigung rechtfertige. Vielmehr habe der Kläger durch seine Einsicht deutlich gemacht, dass die strittige Äußerung nur aufgrund seiner Verärgerung erfolgt sei, was er inhaltlich aber gar nicht gemeint habe. Die bei der Beklagten geltenden Ethikrichtlinien (Firmencredo) seien vom Kläger jedoch nicht in einer Art und Weise verletzt worden, dass die weitere Zusammenarbeit der Parteien unzumutbar
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geworden sei. Dies gelte auch im Hinblick darauf, dass der Kläger keinerlei Vorbildfunktion gegenüber anderen Mitarbeitern ausübe. Auch könnten von einem Mitarbeiter der einfachsten Lohngruppe nicht stets abgewogene Formulierungen erwartet werden.
Gegen dieses ihr am 18.01.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.02.2006 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am Montag, den 20.03.2006 begründet.
Die Beklagte trägt vor,
durch die strittige Äußerung des Klägers sei das Vertrauensverhältnis erheblich gestört. Der Kläger habe hierdurch die in Führungsverantwortung stehenden Mitarbeiter bezichtigt, eine menschenverachtende zynische Einstellung gegenüber ihnen unterstellten Mitarbeitern zu haben und das ihnen zustehende Direktionsrecht in eklatant missbräuchlicher Art und Weise zu nutzen. Derartige Äußerungen seien unentschuldbar und zeigten eine erhebliche Missachtung des Klägers gegenüber den Führungskräften. Gerade weil bei ihr, der Beklagten, Mitarbeiter 44 unterschiedlicher Nationalitäten und Glaubensrichtungen beschäftigt seien, bestehe eine besondere Sensibilität gegenüber diesem Thema. Dies komme auch in dem sog. Firmencredo zum Ausdruck. Der Kläger habe die strittige Äußerung bewusst getätigt und sich gerade nicht aus eigenem Antrieb hierfür entschuldigt.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Neumünster vom 15.12.2005, Az.: 2 Ca 1290 a/05, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt
das angefochtene Urteil. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe er sich für seine Äußerung am 05.07.2005 ausdrücklich gegenüber dem Zeugen Sch... entschuldigt, nachdem der Zeuge Y... ihm den Begriff des Konzentrationslagers nochmals übersetzt hatte. Daraufhin habe der Zeuge Sch... erklärt, dass diese Sache nunmehr erledigt sei, er, der Kläger, indessen beim nächsten Mal eine fristlose Kündigung bekäme. Des Weiteren rügt der Kläger die Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB.
Das Berufungsgericht hat über die Behauptung des Klägers, dass er sich bei dem Fertigungsleiter Sch... am 05.07.2005 für die Äußerung „Ist das hier Konzentrationslager, oder was?“ entschuldigte und dass dieser die Entschuldigung angenommen habe, Beweis erhoben durch die vom Kläger benannten Zeugen Sch..., L... und Y.... Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Vernehmungsprotokolle vom 29.08.2006 verwiesen (Bl. 90 ff. d.GA.).
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 29.08.2006 verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. c; 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.
Die Berufung war auch in der Sache begründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 15.07.2005 der Beklagten fristlos mit deren Zugang am 18.07.2005. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stellt das Verhalten des Klägers unter Berücksichtigung aller Umstände der beiderseitigen Interessen einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB dar (I.) dar. Die außerordent-
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liche Kündigung war auch nicht verfristet nach § 626 Abs. 2 BGB (II.). Die Interessenabwägung fiel zulasten des Klägers aus (III.)
I. Eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB ist berechtigt, wenn sie aufgrund eines wichtigen Grundes ausgesprochen wird, aufgrund dessen es dem Arbeitgeber unzumutbar ist, den Arbeitnehmer auch nur bis zum Ablauf der geltenden Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Ein wichtiger Grund ist dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen. Im Rahmen der außerordentlichen Kündigung ist mithin zunächst in einer ersten Stufe zu prüfen, ob ein arbeitsvertraglicher Pflichtverstoß bzw. der Kündigungssachverhalt unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung abzugeben. In der zweiten Prüfungsstufe ist sodann zu klären, ob es dem Arbeitgeber im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles und der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist, den Arbeitnehmer auch nur für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen (BAG, Urt. v. 11.12.2003 – 2 AZR 36/03 -, AP Nr. 179 zu § 626 BGB; BAG, Urt. v. 27.03.2003 – 2 AZR 51/02 -, AP Nr. 36 zu § 87 BetrVG 1972 ‚Überwachung’; BAG, Urt. v. 20.01.1994 – 2 AZR 521/93 -, AP Nr. 115 zu § 626 BGB; LAG Düsseldorf, Urt. v. 11.05.2005 – 12 (11) Sa 115/05 -, zit. n. Juris).
1. Die strittige Äußerung des Klägers ist an sich geeignet, einen fristlosen Kündigungsgrund darzustellen.
a) Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten einerseits oder von Arbeitskollegen andererseits, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, können einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen. Der Arbeitnehmer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Entsprechendes gilt für bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen, etwa wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen (BAG, Urt. v. 26.05.1977 - 2 AZR 632/76 -, BAGE 29, 195;
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Urt. v. 06.02.1997 - 2 AZR 38/96 -, zit n. Juris; 21.01.1999 - 2 AZR 665/98 -, BAGE 90, 367; 17.02.2000 - 2 AZR 927/98 -, zit. n. Juris). Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt zum einen weder Formalbeleidigungen und bloße Schmähungen noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen (BVerfG, Beschl. v. 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266; 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96 -, BVerfGE 99, 185). Zum anderen ist dieses Grundrecht nicht schrankenlos gewährt, sondern wird insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss in ein ausgeglichenes Verhältnis mit diesem gebracht werden (BVerfG, Beschl. v. 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, a.a.O.). Zwar können die Arbeitnehmer unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen, ggf. auch überspitzt oder polemisch, äußern. Im groben Maße unsachliche Angriffe, die u. a. zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber dagegen nicht hinnehmen (BAG, Urt. v. 02.04.1987 - 2 AZR 418/86 -, AP Nr. 96, zu § 626 BGB; v. 17.02.2000 - 2 AZR 927/98 -, zit. n. Juris). Dabei ist die strafrechtliche Beurteilung kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend (BAG, Urt. v. 01.07.1999 - 2 AZR 676/98 -, AP Nr. 11 zu § 15 BBiG). Auch eine einmalige Ehrverletzung ist kündigungsrelevant und umso schwerwiegender, je unverhältnismäßiger und je überlegter sie erfolgte (BAG, Urt. v. 17.02.2000 - 2 AZR 927/98 –, zit. n. Juris).
b) Hiervon ausgehend ist das Verhalten bzw. die strittige Äußerung des Klägers in dem Personalgespräch vom 30.06.2005 an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bieten. Dabei kommt es letztlich nicht darauf an, ob der Kläger tatsächlich – wie die Beklagte behauptet – gesagt hat „Das ist hier wie in einem Konzentrationslager!“ oder nur die vom Kläger eingeräumte Äußerung „Ist das hier Konzentrationslager oder was?“ gefallen ist. Auch durch die vom Kläger eingeräumte provokante Fragestellung hat der Kläger die von seinen Vorgesetzten getroffenen Maßnahmen (Ausspruch und Aushändigung einer Abmahnung) erkennbar mit den unrechtmäßigen und willkürlichen Terrorverhältnissen in den Konzentrationslagern verglichen.
aa) Der Vergleich betrieblicher Verhältnisse und Vorgehensweisen mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem und erst recht mit den in Konzentrationslagern begangenen Verbrechen bildet in der Regel einen wichtigen Grund zur Kündigung. Die
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Gleichsetzung noch so umstrittener betrieblicher Vorgänge und der Vergleich des Arbeitgebers oder der für ihn handelnden Menschen mit den vom Nationalsozialismus geförderten Verbrechen und den Menschen, die diese Verbrechen begingen, stellt eine grobe Beleidigung der damit angesprochenen Personen und zugleich eine Verharmlosung des in der Zeit des Faschismus begangenen Unrechts und eine Verhöhnung seiner Opfer dar (BAG, Ur. V. 24.11.2005 – 2 AZR 584/05 -, NZA 2006, 650 ff.; Urt. v. 09.08.1990 – 2 AZR 623/89 -, zit. n. Juris).
bb) Unter Zugrundlegung dieser Grundsätze hat der Kläger die Beklagte bzw. deren handelnden Führungspersonen grob beleidigt. Durch die verallgemeinernde Äußerung „Ist das hier Konzentrationslager oder was?“ hat der Kläger nicht nur seine an dem Gespräch teilnehmenden Vorgesetzten bezichtigt, die verbrecherischen Methoden in Konzentrationslagern anzuwenden, sondern gleichsam den gesamten Betrieb der Beklagten mit dem Terrorsystem des NS-Regimes gleichgesetzt. Hierbei handelt es sich um eine derartig grobe Beleidigung, die nach Auffassung der Kammer den Beleidigungscharakter des Vorwurfs „Arschloch“ sowie des so genannten „Götzzitats“ (= Leck mich am Arsch) noch bei weitem übertrifft. Derartige Beleidigungen gegenüber dem Arbeitgeber oder den Vorgesetzten berechtigen in aller Regel auch ohne vorherige Abmahnung zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung (LAG Köln, Urt. v. 18.04.2006 – 9 Sa 1623/05 -, zit. n. Juris; LAG Niedersachen, Beschl. v. 25.10.2004 – 5 TaBV 96/03 -, NZA-RR 2005, 530 ff.; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 08.11.2000 – 9 Sa 967/00 -, zit. n. Juris; Hessisches LAG, Urt. v. 13.02.1984 – 11 Sa 1509/83 -, NZA 1984, 200).
2. Die grobe Beleidigung der Beklagten bzw. der Führungspersonen durch den Kläger ist auch unter Berücksichtigung des Verlaufs des Personalgesprächs am 30.06.2005 nicht zu entschuldigen. Insbesondere haben die Vorgesetzten des Klägers ihn nicht zu einer derartig groben Beleidigung provoziert. Weder der Inhalt der Abmahnung noch das Verhalten der an dem Gespräch beteiligten Vorgesetzten des Klägers gaben in irgendeiner Weise Anlass für diese Reaktion des Klägers. Mit der dem Kläger ausgehändigten Abmahnung hat die Beklagte gerügt, dass der Kläger seine Verspätung bzw. seine Arbeitsverhinderung am 27.06.2005 nicht unverzüglich bei Dienstbeginn telefonisch angezeigt hatte. Ihm wurde gerade nicht zum Vorwurf gemacht, dass er nicht zur Arbeit erschienen war, sondern dass er das Nichterschei-
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nen nicht rechtzeitig angezeigt hatte. Insoweit kam es auch gar nicht darauf an, dass der Kläger – wie dieser stets einwandte – der Zeugin S... am 27.06.2005 telefonisch angeboten hatte, für den Rest der Schicht noch zur Arbeit zu kommen, diese das Arbeitsangebot aber aufgrund des langen Fluges des Klägers abgelehnt hatte. Auch die Diktion der Abmahnung ist nicht zu beanstanden. Sie ist sachlich und ohne besondere Schärfe gefasst. Zudem haben die Vorgesetzten des Klägers auf dessen Wunsch hin zu dem Personalgespräch ein Betriebsratsmitglied hinzugezogen. Die Rechte des Klägers aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers waren damit gewahrt.
3. Der Kläger ist auch nicht in dem Maße durch den Zeugen L... provoziert worden, dass die strittige Beleidigung entschuldigt werden könnte. Auch wenn der Zeuge L... – der Vortrag des Klägers als wahr unterstellt – ihm, dem Kläger, am Ende des Personalgespräches das Abmahnungsschreiben über den Tisch hinweg barsch zugeworfen hat, entschuldigt dies die grobe Beleidigung nicht. Dieses Verhalten des Vorgesetzten des Klägers ist zwar eine unsachliche Reaktion auf die Weigerung des Klägers, die schriftliche Abmahnung entgegenzunehmen und deren Erhalt zu quittieren, kann letztlich aber als Schlusspunkt einer „Endlosdiskussion“ über die Berechtigung der Abmahnung angesehen werden. Der Kläger verkennt an dieser Stelle, dass es sich bei einer Abmahnung um eine einseitige, nicht formbedürftige Willenserklärung handelt. Die Abmahnung war bereits (mündlich) ausgesprochen worden. Lediglich aus Beweis- und Dokumentationsgründen wird eine Abmahnung häufig schriftlich erstellt. Sofern der Kläger mit der Abmahnung nicht einverstanden war, hätte er die Möglichkeit gehabt, eine Gegenvorstellung zur Personalakte einzureichen oder die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte ggf. auch gerichtlich geltend zu machen. Über diese Rechte hätte er sich auch bei dem anwesenden Betriebsratsmitglied informieren können. Eine grobe Beleidigung der vorliegenden Art war indessen unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt.
4. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er den Bedeutungsgehalt des Wortes „Konzentrationslager“ nicht kannte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer zweifelsfrei fest, dass er trotz seiner eingeschränkten Deutschkenntnisse genau wusste, dass ein Konzentrationslager im Nationalsozialismus ein Zwangsarbeiter- und Massenvernichtungslager ins-
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besondere für Juden und politische Gegner war. Dies hat der Zeuge Y... eindeutig ausgesagt. Dieser hat in sich schlüssig und widerspruchslos bestätigt, dass der Kläger den Bedeutungsgehalt des Wortes „Konzentrationslager“ kannte. Der Kläger fühlte sich von der Beklagten bzw. seinen Vorgesetzen wegen des Ausspruchs der Abmahnung ungerecht behandelt und hat deshalb aus Wut und Verärgerung deren Verhalten mit den verbrecherischen Handlungen der Schergen des SS-Regimes in Konzentrationslagern verglichen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass er sich in dem Moment möglicherweise nicht bewusst war, dass das von ihm gerügte Verhalten des Zeugen L... (Zuwerfen der Abmahnung) bzw. der Beklagten (Ausspruch einer Abmahnung) vom subjektiv gefühlten Unrechtsgehalt in keiner Weise mit den Verbrechen in Konzentrationslagern zu vergleichen war. Der Kläger kann sich mithin nicht auf einen Erklärungsirrtum dahingehend berufen, dass er gar nicht gewusst habe, was das Wort „Konzentrationslager“ bedeutet.
5. Entgegen der Auffassung des Klägers ist ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung nicht deshalb zu verneinen, weil die Beklagte bzw. der Fertigungsleiter und Prokurist Sch... ihm am 05.07.2005 verziehen und lediglich im Wiederholungsfalle eine fristlose Kündigung angedroht habe.
Es ist zwar anerkannt, dass in dem Falle, dass der Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers zum Anlass für eine Abmahnung nimmt, gleichzeitig zu erkennen gibt, dass er dieses Verhalten noch nicht als für eine Kündigung ausreichend ansieht, sondern lediglich für den Wiederholungsfall in Aussicht stellt. Allein auf den gleichen Sachverhalt kann er sodann keine nachfolgende Kündigung stützen (Beckerle, Die Abmahnung, 9. Auflage, Rn. 296). Anderenfalls würde er sich widersprüchlich verhalten (venire contra factum proprium). Gleiches gilt zumindest auch dann, wenn der Arbeitgeber eine Entschuldigung des Arbeitnehmers annimmt und gleichzeitig zu erkennen gibt, dass er den Vorfall nicht zum Anlass einer Kündigung nehmen wird. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Kläger indessen nicht bewiesen.
a) Am 30.06.2005 hat sich der Kläger unstreitig nicht bei den anwesenden Gesprächsteilnehmern für seine Äußerung in Zusammenhang mit den Konzentrationslagern entschuldigt. Angesichts der nach der strittigen Äußerung am 30.06.2005 un-
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streitig herrschenden Betroffenheit der Anwesenden, was diese durch das betretende Schweigen erkennbar zum Ausdruck gebracht haben, hätte sich der Kläger sogleich von seiner Äußerung distanzieren und sich entschuldigen müssen. Dies hat er unstreitig nicht getan.
b) Vielmehr hat der Kläger erst unter dem Druck eines weiteren Personalgesprächs am 05.07.2005 und der deutlichen Worte des Produktionsleiters Sch... erklärt, dass er das so nicht gemeint habe. Hierbei handelt es sich nicht um eine Entschuldigung. Mit der Bitte um Entschuldigung gesteht jemand ein, dass eine Tat von ihm, die er bewusst oder unbewusst begangen hat, ein Fehler war. Das Opfer der Tat kann die Entschuldigung annehmen oder ablehnen (zit. n. wikipedia). Die Annahme einer Entschuldigung durch das Opfer ist gleichzeitig die Vergebung der Tat. Die Erklärung des Klägers „Das habe ich so nicht gemeint“ ist indessen nur ein Erklärungsversuch für die objektiv gesehene Beleidigung, indessen kein Eingestehen einer Schuld, die ihm seitens der Beklagten bzw. der Zeugen Sch..., L... und S... hätte vergeben werden können. Ungeachtet dessen hat er die Erklärung, dass er das nicht so gemeint habe, auch nur unter dem Druck der ihm vor Augen geführten Brisanz eines Vergleichs mit einem Konzentrationslager abgegeben. Die hierin möglicherweise gezeigte Einsicht, dass sein Verhalten nicht korrekt war, kam nach Auffassung der Kammer zu spät und nur auf Druck seiner Vorgesetzten.
c) Der Kläger hat auch nicht bewiesen, dass er sich neben der Äußerung, dass er das so nicht gemeint habe, auch noch ausdrücklich bei dem Zeugen Sch... für seine Beleidigung am 05.07.2005 entschuldigt hat. Das Ergebnis der Beweisaufnahme hat diese Behauptung des Klägers nicht bestätigt. Alle drei Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, dass der Kläger sich gerade nicht bei dem Zeugen Sch... für die strittige Äußerung entschuldigt hat. Auch auf mehrfache Nachfragen sind die Zeugen bei dieser Aussage geblieben. Der Glaubhaftigkeit der Aussage steht auch nicht entgegen, dass die Zeugin S... dem Kläger einen Tag später einen Änderungsvertrag zur Unterschrift vorgelegt hat. Hierzu hat der Zeuge Sch... plausibel ausgesagt, dass die beabsichtigte Vertragsänderung mit dem hier zugrunde liegenden Vorfall nichts zu tun gehabt habe und bereits vor dem 30.06.2005 von der Personalabteilung in die Wege geleitet worden sei. Die Änderung des Arbeitsvertrages sei am 05.07.2005 bereits von der Personalabteilung vorbereitet gewesen und dem Kläger sodann am
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06.07.2005 ausgehändigt worden. Die Personalabteilung war – soweit ersichtlich – am 05.07.2005 auch noch gar nicht über die strittige Äußerung des Klägers und die daraufhin möglicherweise zu treffenden arbeitsvertraglichen Maßnahmen informiert worden. Sie hatte mithin auch keinen Anlass, den Änderungsvertrag noch vor dem 06.07.2005 zurückzuziehen. Hier haben sich offenbar die Ermittlungen hinsichtlich des Vorfalles vom 30.06.2005 und die eingeleitete Vertragsänderung überschnitten. Jedenfalls ist die Aushändigung der Vertragsänderung kein zwingendes Indiz dafür, dass der Fertigungsleiter Sch... eine Entschuldigung des Klägers am 05.07.2005 angenommen hat.
Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Zeugen vorliegend die Unwahrheit gesagt haben. Allein der Umstand, dass die Zeugen alle Mitarbeiter der Beklagten und zugleich auch Vorgesetzte des Klägers waren, spricht nicht per se gegen deren Glaubwürdigkeit. Dies gilt insbesondere in Bezug auf den Zeugen Y..., der gerade nicht unmittelbarer Vorgesetzter des Klägers ist und zudem auch auf Wunsch des Klägers an dem Personalgespräch teilgenommen hatte. Als Landsmann hat er die wechselseitigen Erklärungen vom Deutschen ins Türkische bzw. umgekehrt übersetzt. Es ist überhaupt kein Grund ersichtlich, warum gerade dieser „neutrale“ Zeuge zulasten des Klägers gelogen haben soll. Die Zeugen haben sich auch nicht in Widersprüche verstrickt oder bewusst zögerlich ausgesagt.
Der Kläger hat mithin die streitige Behauptung einer angenommenen Entschuldigung durch den Zeugen Sch... nicht bewiesen.
II. Die außerordentliche Kündigung ist auch nicht wegen Überschreitung der Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.
a) Nach dieser Vorschrift greift die unwiderlegbare gesetzliche Vermutung ein, dass auch ein möglicherweise erheblicher wichtiger Grund nicht mehr geeignet ist, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Die Zweiwochenfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Erforderlich ist eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der maßgeblichen Umstände (BAG, Urt. v. 05.12.2002 – 2 AZR 478/01 -, AP Nr. 63 zu § 123 BGB). Um die vollständige Kennt-
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nis vom möglichen Kündigungssachverhalt zu erlangen, ist es dem Arbeitgeber zuzugestehen, Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung anzustellen, insbesondere den betroffenen Arbeitnehmer anzuhören. Solange der Arbeitgeber diese zur Sachverhaltsaufklärung nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, kann die Ausschlussfrist nicht beginnen. Die Hemmung des Fristablaufs setzt aber voraus, dass die vom Arbeitgeber ergriffenen Maßnahmen vom Standpunkt eines verständigen Vertragspartners zur genaueren Sachverhaltsermittlung auch tatsächlich erforderlich waren (ASP/ Dörner, 2. Aufl., Rn. 127 zu § 626 BGB). Die zügige Anhörung des zu kündigenden Arbeitnehmers muss schon unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht in der Regel als erforderlich angesehen werden.
b) Hieran gemessen hat die Beklagte die Ausschlussfrist zur Erklärung der außerordentlichen Kündigung gewahrt. Die Frist begann erst nach der Anhörung des Klägers zu laufen, d.h. am 05.07.2005. Die Anhörung des Klägers war erforderlich. Die Beklagte musste sich ein Bild davon machen, ob der Kläger sich des Bedeutungsgehalts des Wortes „Konzentrationslager“ auch tatsächlich bewusst war. Die Beklagte hat die Sachverhaltsermittlung in Anbetracht des zwischen dem Vorfall (Donnerstag, 30.06.2005) und der Anhörung des Klägers (Dienstag, 05.07.2005) liegenden Wochenendes auch zügig durchgeführt.
III. Auch die gebotene Interessenabwägung fällt vorliegend zulasten des Klägers aus. Zwar hat der Kläger aufgrund seiner langjährigen Beschäftigungszeit bereits ein hohes Maß an Bestandsschutz erworben. Auch sein fortgeschrittenes Alter und der dadurch bedingten schwierigen Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt stärkt das Interesse des Klägers am Erhalt seines Arbeitsplatzes. Indessen sind eine langjährige Beschäftigungszeit und ein hohes Lebensalter nicht stets Garanten für einen besonderen Kündigungsschutz und schon gar nicht ein Rechtfertigungsgrund für arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen der vorliegenden Art, die in erheblichem Maße den Vertrauensbereich tangieren (vgl. ASP/ Dörner, aaO., Rn. 96 zu § 626 BGB). Der Kläger lebt seit langem in Deutschland, sodass ihm der geschichtliche Hintergrund des Nationalsozialismus und die Verbrechen in den Konzentrationslagern auch bekannt waren, zumindest hätten bekannt sein müssen. Er hätte mithin wissen müssen,
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dass ein Vergleich der betrieblichen Verhältnisse der Beklagten mit den Verbrechen in den Konzentrationslagern eine grobe Beleidigung darstellt. Er war seit 15 Jahren bei der Beklagten beschäftigt und kannte deren Firmencredo. Mit dem Firmencredo hat die Beklagte für sich und ihre Führungsmitarbeiter Ethikrichtlinien aufgestellt, um einer Verunglimpfung der bei ihr beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verhindern. Der Kläger wusste mithin, dass die Beklagte aufgrund ihrer Firmenphilosophie auf gerechten und ethisch einwandfreien Umgang miteinander allergrößten Wert legt. Mit der strittigen Äußerung hat der Kläger nicht nur die Anwesenden in grober Weise beleidigt, sondern die gesamten betrieblichen Verhältnisse auf die Stufe mit den Verbrechen des Nationalsozialismus gestellt. Bildlich gesprochen hat er damit das Firmencredo mit „Füßen getreten“. Eine derartige Verletzung der Treuepflicht war für die Beklagte nicht hinnehmbar. Das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – auch unter Präventionsgesichtspunkten – überwog mithin das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.
IV. Nach alledem war die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO; 64 Abs. 6 ArbGG.
Die Revision war nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen; es handelte sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
gez. O...-E... gez. V... gez. M...
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