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LAG Hamm, Be­schluss vom 14.02.2013, 16 Sa 1511/12

   
Schlagworte: Urlaubsabgeltung: Vererblichkeit, Urlaub: Tod des Arbeitnehmers
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 16 Sa 1511/12
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 14.02.2013
   
Leitsätze:

1. Mit dem Tod des Arbeitnehmers erlischt dessen höchstpersönliche Leistungspflicht, damit nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sein auf Befreiung von der Arbeitspflicht gerichteter Urlaubsanspruch. Demgegenüber werden der Anspruch auf Jahresurlaub und der auf Zahlung des Urlaubsentgelts nach der Rechtsprechung des EuGH in der Richtlinie 2003/88/EG als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs behandelt.

Dem EuGH wird zum einen die Frage vorgelegt, ob der mit dem Tod des Arbeitnehmers eintretende Untergang der einen Komponente des Urlaubsanspruchs, nämlich der Freistellung, den Untergang des Zahlungsanspruchs mit sich zieht.

Zum anderen wird der EuGH gefragt, ob der Anspruch auf Urlaubsabgeltung so an die Person des Arbeitnehmers gebunden ist, dass dies einer Beurteilung als reiner Geldforderung entgegensteht.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Urlaub von sich aus festzulegen.

Im Hinblick darauf, dass die Richtlinie Mindestvorschriften für die Sicherheit und Gesundheit des Arbeitnehmers bei der Arbeitszeitgestaltung enthält, stellt sich die Frage, ob eine effektive Umsetzung der Richtlinie eine dahingehende Verpflichtung des Arbeitgebers erfordert.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bocholt, 3 Ca 310/11
Aussetzung des Verfahrens zur Vorlage beim EuGH gem. Art.267 AEUV
   

Te­nor:

Das Ver­fah­ren wird aus­ge­setzt und dem Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on wer­den gemäß Art. 267 des Ver­tra­ges über die Ar­beits­wei­se der Eu­ropäischen Uni­on (AEUV) fol­gen­de Fra­gen vor­ge­legt:

1. Ist Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88/EG da­hin aus­zu­le­gen, dass er ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, wo­nach der An­spruch auf be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laub beim Tod des Ar­beit­neh­mers in sei­ner Ge­samt­heit un­ter­geht, nämlich ne­ben dem nicht mehr zu ver­wirk­li­chen­den An­spruch auf Frei­stel­lung von der Ar­beits­pflicht auch der An­spruch auf Zah­lung des Ur­laubs­ent­gelts?

2. Ist Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88/EG da­hin aus­zu­le­gen, dass der An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung des be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laubs bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses in der Wei­se an die Per­son des Ar­beit­neh­mers ge­bun­den ist, dass die­ser An­spruch nur ihm zu­steht, da­mit er die mit der Gewährung des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs ver­bun­de­nen Zwe­cke der Er­ho­lung und Frei­zeit auch zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt ver­wirk­li­chen kann?

3. Ist Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88/EG da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass der Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet ist, dem Ar­beit­neh­mer im Hin­blick auf den Schutz der Si­cher­heit und der Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer bei der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung Ur­laub bis zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res oder spätes­tens bis zum Ab­lauf ei­nes für das Ar­beits­verhält­nis maßgeb­li­chen Über­tra­gungs­zeit­raums auch tatsächlich zu gewähren, oh­ne dass es dar­auf an­kommt, ob der Ar­beit­neh­mer ei­nen Ur­laubs­an­trag ge­stellt hat?

Gründe

A – Sach­ver­halt

Die Par­tei­en strei­ten um die Be­zah­lung von Ur­laubs­ansprüchen beim Tod des Ar­beit­neh­mers.

Die Kläge­rin ist die Ehe­frau und Al­lein­er­bin des am 19.11.2010 ver­stor­be­nen Ar­beit­neh­mers J1 B1 der Be­klag­ten. Die­ser war seit dem 01.08.1998 bei der Be­klag­ten beschäftigt. Er be­zog zu­letzt ein mo­nat­li­ches Ge­halt von durch­schnitt­lich 2.600,-- € brut­to. Die Ehe wur­de am 17.11.2010 ge­schlos­sen. Be­reits am 26.10.2010 hat­te Herr B1 die Kläge­rin tes­ta­men­ta­risch als Al­lein­er­bin ein­ge­setzt.

Bei der Be­klag­ten han­delt es sich um ein Un­ter­neh­men des Ein­zel­han­dels. Sie war Voll­mit­glied im Ein­zel­han­dels­ver­band NRW und ist nach ih­ren An­ga­ben seit dem 01.08.2002 Mit­glied oh­ne Ta­rif­bin­dung. Bei­de Par­tei­en ge­hen da­von aus, dass der Man­tel­ta­rif­ver­trag für den Ein­zel­han­del des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len auf das Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­det. Er enthält in § 15 ur­laubs­recht­li­che Re­ge­lun­gen.

Herr J1 B1 war seit dem Jah­re 2009 schwer er­krankt. Er war im Jah­re 2009 vom 03.02. bis zum 02.10. so­wie in der Fol­ge­zeit an wei­te­ren Ein­zel­ta­gen ar­beits­unfähig. Im Jah­re 2010 be­stand Ar­beits­unfähig­keit eben­falls an ein­zel­nen Ta­gen so­wie durch­ge­hend ab dem 11.10.2010.

Zum Zeit­punkt sei­nes To­des be­saß Herr J1 B1 nach An­ga­ben der Be­klag­ten 140,5 of­fe­ne Ur­laubs­ta­ge, nach An­ga­ben der Kläge­rin be­lie­fen sich die­se auf 146 Ta­ge. Bei der Be­klag­ten be­stand je­den­falls bis ein­sch­ließlich 2010 die Hand­ha­bung, dass Ar­beit­neh­mer mit ih­rem Ein­verständ­nis Ur­laubs­ansprüche an­sam­meln konn­ten, sei es, weil sie für ein größeres Er­eig­nis an­ge­spart wur­den, sei es, weil sie we­gen ei­nes erhöhten Ar­beits­an­fal­les nicht ge­nom­men wer­den konn­ten. Mit Schrei­ben vom 05.01.2011 teil­te die Be­klag­te mit, dass ab 2011 dar­auf zu ach­ten sei, dass der Rest­ur­laub nicht wei­ter auf­ge­baut wer­de. Nach An­ga­ben der Kläge­rin hat­te Herr B1 im Jah­re 2010 tatsächlich 15,5 Ur­laubs­ta­ge er­hal­ten. Zur An­samm­lung der Ur­laubs­ansprüche ist es nach dem Vor­trag der Kläge­rin ge­kom­men, weil Herr B1 auf­grund per­so­nel­ler Engpässe den Ur­laub nicht neh­men konn­te. Die Be­klag­te hat kei­nen Grund für die An­samm­lung der Ur­laubs­ansprüche an­ge­ge­ben.

Mit Schrei­ben vom 31.01.2011 mach­te die Kläge­rin ne­ben ei­nem ta­rif­li­chen An­spruch auf Ge­halts­fort­zah­lung im Ster­be­fall Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche für 146 Ur­laubs­ta­ge gel­tend. Die Be­klag­te lehn­te mit Schrei­ben vom 03.02.2011 bei­de Ansprüche ab, den An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung mit der Be­gründung, dass Zwei­fel dar­an bestünden, dass ein ver­erb­ba­rer An­spruch be­ste­hen könne. Mit ih­rer am 17.02.2011 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat die Kläge­rin ih­re Ansprüche wei­ter ver­folgt. Den An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung für 146 Ur­laubs­ta­ge hat sie mit 14.600,-- € be­rech­net. Mit Schrift­satz vom 26.05.2011 hat die Kläge­rin ih­re Kla­ge um ei­nen Be­trag von 1.400,-- € für 14 Ur­laubs­ta­ge er­wei­tert, was sie da­mit be­gründet, dass ih­rem ver­stor­be­nen Ehe­mann während sei­ner Ar­beits­unfähig­keit Ur­laub gewährt wor­den sei.

Mit Ur­teil vom 01.12.2011 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­ge­wie­sen. Für die Ent­schei­dung über die Ur­laubs­ab­gel­tung hat es sich zur Be­gründung auf die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts be­zo­gen, wo­nach bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses durch den Tod des Ar­beit­neh­mers ein Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch nicht ent­ste­he.

Ge­gen die­ses Ur­teil hat die Kläge­rin ord­nungs­gemäß Be­ru­fung ein­ge­legt. Sie stützt ih­ren Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch im We­sent­li­chen dar­auf, dass es mit Eu­ro­pa­recht nicht ver­ein­bar sei, den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch von der Erfüll­bar­keit des Ur­laubs­an­spruchs abhängig zu ma­chen. Sei der Ur­laubs­an­spruch we­gen des Ver­ster­bens des Ar­beit­neh­mers für den Ar­beit­ge­ber nicht erfüll­bar, so ha­be dies kei­ne Aus­wir­kun­gen auf den mit dem Tod des Ar­beit­neh­mers ent­ste­hen­den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruchs. Außer­dem hat sie sich dar­auf be­ru­fen, dass Herr B1 sei­nen Ur­laub nicht ha­be neh­men dürfen.

Mit Be­schluss vom 18.10.2012 hat das Be­ru­fungs­ge­richt das Ver­fah­ren um den An­spruch der Kläge­rin auf Ur­laubs­ab­gel­tung in Höhe von 14.600,-- € und wei­te­ren 1.400,-- € nebst Zin­sen ab­ge­trennt.

Un­ter Be­zug­nah­me auf ih­ren erst­in­stanz­li­chen An­trag ver­folgt die Kläge­rin im ab­ge­trenn­ten Be­ru­fungs­ver­fah­ren nun­mehr das Be­geh­ren,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 14.600,-- € nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 04.02.2011 und wei­te­re 1.400,-- € zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil. Die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts hält sie für ver­ein­bar mit Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88/EG, wie das Bun­des­ar­beits­ge­richt ausführ­lich be­gründet ha­be.

B - Recht­li­cher Rah­men

I – Uni­ons­recht

Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 04.11.2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (im Fol­gen­den: Ar­beits­zeit­richt­li­nie)

Art. 7

Jah­res­ur­laub

(1) Die Mit­glied­staa­ten tref­fen die er­for­der­li­chen Maßnah­men, da­mit je­der Ar­beit­neh­mer ei­nen be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laub von vier Wo­chen nach Maßga­be der Be­din­gun­gen für die In­an­spruch­nah­me und die Gewährung erhält, die in den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und/oder nach den ein­zel­staat­li­chen Ge­pflo­gen­hei­ten vor­ge­se­hen sind.

(2) Der be­zahl­te Min­dest­jah­res­ur­laub darf außer bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht durch ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung er­setzt wer­den.

Art. 15

Güns­ti­ge­re Vor­schrif­ten

Das Recht der Mit­glied­staa­ten, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen oder die An­wen­dung für die Si­che­rung und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­ren Ta­rif­verträgen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern zu fördern oder zu ge­stat­ten, bleibt un­berührt.

Nach Art. 17 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie können die Mit­glied­staa­ten von be­stimm­ten Vor­schrif­ten die­ser Richt­li­nie ab­wei­chen. Hin­sicht­lich des Art. 7 der Richt­li­nie ist kei­ne Ab­wei­chung er­laubt.

II- Na­tio­na­les Recht

1) Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB)

§ 249 BGB

(1) Wer zum Scha­dens­er­satz ver­pflich­tet ist, hat den Zu­stand her­zu­stel­len, der be­ste­hen würde, wenn der zum Er­satz ver­pflich­ten­de Um­stand nicht ein­ge­tre­ten wäre.

...

§ 251 BGB

(1) So­weit die Her­stel­lung nicht möglich ist oder zur Entschädi­gung des Gläubi­gers nicht genügend ist, hat der Er­satz­pflich­ti­ge den Gläubi­ger in Geld zu entschädi­gen.

...

§ 280 BGB

(1) Ver­letzt der Schuld­ner ei­ne Pflicht aus dem Schuld­verhält­nis, so kann der Gläubi­ger Er­satz des hier­durch ent­ste­hen­den Scha­dens ver­lan­gen. ...

(2) Scha­dens­er­satz we­gen Verzöge­rung der Leis­tung kann der Gläubi­ger nur un­ter der zusätz­li­chen Vor­aus­set­zung des § 286 ver­lan­gen.

...

§ 286 BGB

(1) Leis­tet der Schuld­ner auf ei­ne Mah­nung des Gläubi­gers nicht, die nach dem Ein­tritt der Fällig­keit er­folgt, so kommt er durch die Mah­nung in Ver­zug. ...

(2) Der Mah­nung be­darf es nicht, wenn

1. für die Leis­tung ei­ne Zeit nach dem Ka­len­der be­stimmt ist,

...

§ 287 BGB

Der Schuld­ner hat während des Ver­zu­ges je­de Fahrlässig­keit zu ver­tre­ten. Er haf­tet we­gen der Leis­tung auch für Zu­fall, es sei denn, dass der Scha­den auch bei recht­zei­ti­ger Leis­tung ein­ge­tre­ten sein würde.

§ 613

Der zur Dienst­leis­tung Ver­pflich­te­te hat die Diens­te im Zwei­fel in Per­son zu leis­ten. Der An­spruch auf die Diens­te ist im Zwei­fel nicht über­trag­bar.

§ 1922

(1) Mit dem Tod ei­ner Per­son (Erb­fall) geht de­ren Vermögen (Erb­schaft) als Gan­zes auf ei­ne oder meh­re­re Per­so­nen (Er­ben) über.

...

2) Bun­des­ur­laubs­ge­setz (BUrlG) vom 08.01.1963 in der Fas­sung vom 07.05.2002

§ 1 Ur­laubs­an­spruch

Je­der Ar­beit­neh­mer hat in je­dem Ka­len­der­jahr An­spruch auf be­zahl­ten Er­ho­lungs­ur­laub.

§ 3 Dau­er des Ur­laubs

(1) Der Ur­laub beträgt jähr­lich min­des­tens 24 Werk­ta­ge

§ 7 Zeit­punkt, Über­trag­bar­keit und Ab­gel­tung des Ur­laubs

(1) Bei der zeit­li­chen Fest­le­gung des Ur­laubs sind die Ur­laubswünsche des Ar­beit­neh­mers zu berück­sich­ti­gen, es sei denn, dass ih­rer Berück­sich­ti­gung drin­gen­de be­trieb­li­che Be­lan­ge oder Ur­laubswünsche an­de­rer Ar­beit­neh­mer, die un­ter so­zia­len Ge­sichts­punk­ten den Vor­rang ver­die­nen, ent­ge­gen­ste­hen. ...

(2) Der Ur­laub ist zu­sam­menhängend zu gewähren, es sei denn, dass drin­gen­de be­trieb­li­che oder in der Per­son des Ar­beit­neh­mers lie­gen­de Gründe ei­ne Tei­lung des Ur­laubs er­for­der­lich ma­chen. Kann der Ur­laub aus die­sen Gründen nicht zu­sam­menhängend gewährt wer­den, und hat der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf Ur­laub von mehr als zwölf Werk­ta­gen, so muss ei­ner der Ur­laubs­tei­le min­des­tens zwölf auf­ein­an­der­fol­gen­de Werk­ta­ge um­fas­sen.

(3) Der Ur­laub muss im lau­fen­den Ka­len­der­jahr gewährt und ge­nom­men wer­den. Ei­ne Über­tra­gung des Ur­laubs auf das nächs­te Ka­len­der­jahr ist nur statt­haft, wenn drin­gen­de be­trieb­li­che oder in der Per­son des Ar­beit­neh­mers lie­gen­de Gründe dies recht­fer­ti­gen. Im Fall der Über­tra­gung muss der Ur­laub in den ers­ten drei Mo­na­ten des fol­gen­den Ka­len­der­jah­res gewährt und ge­nom­men wer­den. ...

...

(4) Kann der Ur­laub we­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ganz oder teil­wei­se nicht mehr gewährt wer­den, so ist er ab­zu­gel­ten.

§ 13 Un­ab­ding­bar­keit

(1) Von den vor­ste­hen­den Vor­schrif­ten mit Aus­nah­me der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 kann in Ta­rif­verträgen ab­ge­wi­chen wer­den. Die ab­wei­chen­den Be­stim­mun­gen ha­ben zwi­schen nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­bern und Ar­beit­neh­mern Gel­tung, wenn zwi­schen die­sen die An­wen­dung der ein­schlägi­gen ta­rif­li­chen Ur­laubs­re­ge­lung ver­ein­bart ist. Im Übri­gen kann, ab­ge­se­hen von § 7 Abs. 2 Satz 2, von den Be­stim­mun­gen die­ses Ge­set­zes nicht zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers ab­ge­wi­chen wer­den.

3) Der Man­tel­ta­rif­ver­trag für den Ein­zel­han­del in Nord­rhein-West­fa­len in sei­ner bis zum 31.12.2011 gülti­gen Fas­sung

§ 15 Ur­laub

(1) Der Ur­laub dient der Er­hal­tung und Wie­der­her­stel­lung der Ar­beits­kraft des Ar­beit­neh­mers. ...

(2) Ur­laubs­jahr ist das Ka­len­der­jahr. ...

(3) Der Ur­laub beträgt je Ka­len­der­jahr

...

nach dem voll­ende­ten 30. Le­bens­jahr 36 Werk­ta­ge.

...

(9) Kann der Ur­laub we­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ganz oder teil­wei­se nicht mehr gewährt wer­den, so ist er ab­zu­gel­ten. Hier­bei ist je Ur­laubs­tag 1/26 des Mo­nats­ein­kom­mens zu­grun­de zu le­gen.

C – Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit und Erläute­rung der Vor­la­ge­fra­gen

I

1) Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat durch Ur­teil vom 20.09.2011 (9 AZR 416/10, ju­ris; NZA 2012, 326) ent­schie­den, dass mit dem Tod des Ar­beit­neh­mers der Ur­laubs­an­spruch erlösche, da des­sen höchst­persönli­che Leis­tungs­pflicht nicht mehr be­ste­he und al­le Ansprüche auf Be­frei­ung von die­ser Ar­beits­pflicht un­ter­gin­gen. Dies gel­te auch für den Ur­laubs­an­spruch, der sich des­halb nicht mehr in ei­nen Ab­gel­tungs­an­spruch um­wan­deln könne. Die­ses Er­geb­nis ent­spre­che dem von § 7 Abs. 4 BUrlG und Art. 7 Abs. 2 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie ver­folg­ten Ab­gel­tungs­zweck. Auf der Grund­la­ge der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts besäße die Kläge­rin kei­nen An­spruch auf Ab­gel­tung der Ur­laubs­ta­ge, die ih­rem Ehe­mann bei des­sen Tod noch zu­stan­den.

a) Das Bun­des­ar­beits­ge­richt de­fi­niert den In­halt des Ur­laubs­an­spruchs seit sei­ner grund­le­gen­den Ent­schei­dung vom 28.01.1982 (6 AZR 571/79, ju­ris; BA­GE 37, 382) als Be­sei­ti­gung der Ar­beits­pflicht des Ar­beit­neh­mers für die Dau­er der Ur­laubs­zeit. Die übri­gen Pflich­ten des Ar­beits­ver­tra­ges wer­den durch die Ur­laubs­gewährung grundsätz­lich nicht berührt. Dies gilt vor al­lem für die Ent­gelt­zah­lungs­pflicht des Ar­beit­ge­bers. Die Gewährung des Ur­laubs in Form der Frei­stel­lung von der Ar­beits­pflicht stellt le­dig­lich ei­ne Ne­ben­pflicht des Ar­beit­ge­bers dar. Der Ar­beit­ge­ber ist nicht we­gen der Ur­laubs­gewährung zur Zah­lung ei­nes Ur­laubs­ent­gelts ver­pflich­tet, son­dern zur Zah­lung des Ar­beits­ent­gelts. Der ver­trag­li­che Ent­gelt­an­spruch des Ar­beit­neh­mers be­steht auch für die Dau­er der Frei­stel­lung durch Ur­laubs­gewährung fort (BAG vom 08.03.1984, 6 AZR 600/82, ju­ris; BA­GE 45, 184). Der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch nach § 1 BUrlG enthält da­nach ei­ne Aus­nah­me von dem Grund­satz „oh­ne Ar­beit kein Lohn".

b) An die­ser Recht­spre­chung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt bis­lang fest­ge­hal­ten, auch wenn es sei­ne Recht­spre­chung mit Ur­teil vom 24.03.2009 den eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­ga­ben an­ge­passt hat (9 AZR 983/07, Ju­ris, BAG NZA 2009, 538). Es hat sei­ne Ent­schei­dung zur Ver­erb­bar­keit des Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruchs vom 20.09.2011 (9 AZR 416/10, aaO.) hier­auf gestützt und an sei­ne frühe­re Recht­spre­chung zur Ur­laubs­ab­gel­tung beim Tod des Ar­beit­neh­mers an­ge­knüpft (s. Ur­tei­le vom 26.04.1990, 8 AZR 517/89, ju­ris, BA­GE 65, 122; vom 23.06.1992, 9 AZR 111/91, ju­ris, BA­GE 70, 348).

Wie in der Ver­gan­gen­heit stellt das Bun­des­ar­beits­ge­richt in die­sem Ur­teil dar­auf ab, dass mit dem Tod des Ar­beit­neh­mers re­gelmäßig des­sen höchst­persönli­che Leis­tungs­pflicht nach § 613 BGB erlösche. Hier­aus fol­ge zu­gleich, dass auch al­le Ansprüche auf
Be­frei­ung von die­ser Ar­beits­pflicht un­ter­gin­gen. Ver­ster­be ein Ar­beit­neh­mer, so erlösche be­reits des­halb zu­gleich sein auf Be­frei­ung von der Ar­beits­pflicht ge­rich­te­ter Ur­laubs­an­spruch (vgl. Rd­nr. 17 und 22 des Ur­teils vom 20.09.2011).

Für den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch hat dies nach der Ent­schei­dung zur Fol­ge, dass ein sol­cher nicht ent­steht. Ster­be der Ar­beit­neh­mer, so führe nicht die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses im Sin­ne des § 7 Abs. 4 BUrlG, son­dern be­reits der Tod des Ar­beit­neh­mers zum Un­ter­gang des Ur­laubs­an­spruchs. Er könne sich nicht zeit­gleich in ei­nen Ab­gel­tungs­an­spruch um­wan­deln. An­spruchs­un­ter­gang und gleich­zei­ti­ge
Um­wand­lung des An­spruchs schlössen sich aus (Rd­nr. 22, 23 und 31 des Ur­teils vom 20.09.2011).

c) Die­se die ge­setz­li­chen Ansprüche nach dem Bun­des­ur­laubs­ge­setz be­tref­fen­de Recht­spre­chung ist durch die ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen des § 15 MTV nicht mo­di­fi­ziert wor­den. Die ta­rif­li­chen Be­stim­mun­gen fol­gen in­so­weit viel­mehr den ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen. § 15 Abs. 9 Satz 1 MTV ent­spricht wört­lich § 7 Abs. 4 BUrlG.

2) Dem­ge­genüber wer­den nach ständi­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der An­spruch auf Jah­res­ur­laub und der auf Zah­lung des Ur­laubs­ent­gelts in der Richt­li­nie 2003/88/EG als zwei As­pek­te ei­nes ein­zi­gen An­spruchs be­han­delt (vgl. Ur­teil vom 16.03.2006, Ro­bin­son-Steel C-131/04, Samm­lung 2006, I – 2531, NZA 2006, 481, Rd­nr. 58 zur Richt­li­nie 93/104/EG; Ur­teil vom 20.01.2009, Schultz-Hoff, C-350/06, Samm­lung 2009, I – 129 Rd­nr. 60, NZA 2009, 135). Hier­aus könn­te fol­gen, dass der Ur­laubs­an­spruch des Ar­beit­neh­mers bei sei­nem Tod nicht un­ter­geht, son­dern in­so­weit fort­be­steht, als er auf die Zah­lung des Ur­laubs­ent­gelts ge­rich­tet ist. Die­ser ori­ginäre Teil des Ur­laubs­an­spruchs könn­te nach na­tio­na­lem Recht (§ 1922 BGB) auf den oder die Er­ben über­ge­hen.

a) Grundsätz­lich steht es den Mit­glied­staa­ten al­ler­dings frei, in ih­ren in­ner­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten die Vor­aus­set­zun­gen für die Ausübung und die Um­set­zung des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub fest­zu­le­gen, sie dürfen da­bei die Ent­ste­hung die­ses An­spruchs selbst nicht von ir­gend­ei­ner Vor­aus­set­zung abhängig ma­chen.

Glei­ches kann für Re­ge­lun­gen gel­ten, die das Erlöschen die­ses An­spruchs vor­se­hen (EuGH vom 20.01.2009, Schultz-Hoff, aaO. Rd­nr. 48; vom 22.11.2011, KHS C-214/10, NZA 2011, 1333 Rd­nr. 28).

b) Bei dem An­spruch des Ar­beit­neh­mers auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub han­delt es sich um ei­nen be­son­ders be­deut­sa­men Grund­satz des So­zi­al­rechts der Uni­on. Ne­ben Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88/EG ist die­ser An­spruch auch in Art. 31 Abs. 2 der Char­ter der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on ver­an­kert, so­dass ihm seit dem 01.12.2009 der glei­che Rang wie den Verträgen zu­kommt. Das Ar­beits­verhält­nis des Herrn J1 B1, das am 19.11.2010 en­de­te, wur­de hier­von be­reits er­fasst.

c) Al­ler­dings könn­te sich aus dem Zweck des uni­ons­recht­lich verbürg­ten An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub er­ge­ben, dass na­tio­na­le Be­stim­mun­gen, die zum Un­ter­gang die­ses An­spruchs beim Tod des Ar­beit­neh­mers führen, ihm nicht ent­ge­gen ste­hen. Mit dem uni­ons­recht­li­chen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub wird ein dop­pel­ter Zweck ver­folgt, der dar­in be­steht, es dem Ar­beit­neh­mer zu ermögli­chen, sich zum ei­nen von der Ausübung der ihm nach sei­nem Ar­beits­ver­trag ob­lie­gen­den Auf­ga­ben zu er­ho­len und zum an­de­ren über ei­nen Zeit­raum für Ent­span­nung und Frei­zeit zu verfügen (vgl. Ur­teil vom 20.01.2009, Schultz-Hoff aaO., Rd­nr. 25; vom 22.11.2011, KHS, aaO., Rd­nr. 31). Die­se Zweck­set­zung lässt sich mit dem Tod des Ar­beit­neh­mers nicht mehr ver­wirk­li­chen. Es stellt sich des­halb die Fra­ge, ob die Ent­gelt­kom­po­nen­te des Ur­laubs­an­spruchs so mit dem Frei­stel­lungs­an­spruch ver­knüpft ist, dass der An­spruch auf Ent­gelt­zah­lung mit dem An­spruch auf Ar­beits­be­frei­ung er­lischt, wenn letz­te­rer nicht mehr rea­li­siert wer­den kann oder ob der Ent­gelt­zah­lungs­an­spruch iso­liert be­trach­tet wer­den muss. Hierfür könn­te spre­chen, dass es sich bei dem Ur­laubs­an­spruch um ein aus dem Ar­beits­verhält­nis ab­ge­lei­te­tes Recht han­delt, das der Ar­beit­neh­mer er­wor­ben hat. So hat der Ge­richts­hof im Ur­teil vom 22.04.2010 (C-486/08 Ti­rol, ju­ris NZA 2010, 557, Rz. 32) aus Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88/EG ab­ge­lei­tet, dass bei ei­nem Über­gang von ei­ner Voll­zeit- zu ei­ner Teil­zeit­beschäfti­gung der An­spruch auf Jah­res­ur­laub, den der Ar­beit­neh­mer in der Zeit der Voll­zeit­beschäfti­gung er­wor­ben hat, nicht ge­min­dert wer­den darf. In der Sa­che hat er dem An­spruch da­mit ei­nen Vermögens­wert zu­ge­bil­ligt. Die wei­te­re in die­ser Ent­schei­dung auf­ge­stell­te Vor­aus­set­zung für den Er­halt des höhe­ren Ent­gelt­an­spruchs, dass dies nämlich nur gilt, wenn der Ar­beit­neh­mer tatsächlich nicht die Möglich­keit hat­te, die­sen An­spruch aus­zuüben, ist beim Tod des Ar­beit­neh­mers ge­ge­ben.

Darüber hin­aus be­tont der Ge­richts­hof in ständi­ger Recht­spre­chung, dass es den Mit­glied­staa­ten nicht er­laubt sei, be­reits die Ent­ste­hung die­ses aus­drück­lich al­len Ar­beit­neh­mern zu­er­kann­ten An­spruchs aus­zu­sch­ließen. In der Rechts­sa­che Do­m­in­guez hat der Ge­richts­hof ent­schie­den, dass der An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht von ei­ner ef­fek­ti­ven Min­dest­ar­beits­zeit von 10 Ta­gen oder ei­nem Mo­nat während des Be­zugs­zeit­raums abhängig ge­macht wer­den darf. Er hat da­mit nicht dar­auf ab­ge­stellt, ob ein kon­kre­tes Er­ho­lungs­bedürf­nis ent­stan­den ist. Dem­ge­genüber hat er in der Rechts­sa­che KHS al­ler­dings das An­sam­meln von Ur­laubs­ansprüchen mit dem Ver­weis dar­auf be­grenzt, dass dem Jah­res­ur­laub sei­ne po­si­ti­ve Wir­kung als Er­ho­lungs­zeit über ge­wis­se Gren­zen hin­aus feh­le (Ur­teil vom 20.11.2011, aaO., Rd­nr. 33).

Ob uni­ons­recht­lich der mit dem Tod des Ar­beit­neh­mers ein­tre­ten­de Un­ter­gang der ei­nen Kom­po­nen­te des Ur­laubs­an­spruchs, nämlich der Frei­stel­lung, den Un­ter­gang des Zah­lungs­an­spruchs mit sich zieht, ist Ge­gen­stand der ers­ten Vor­la­ge­fra­ge.

d) Für den Fall, dass der Ur­laubs­an­spruch des Ar­beit­neh­mers mit sei­nem Tod nicht un­ter­geht, son­dern je­den­falls in Form der Zah­lung des Ur­laubs­ent­gelts er­hal­ten bleibt, stellt sich den­noch die Fra­ge, wel­che Rechts­fol­gen die durch den Tod des Ar­beit­neh­mers ein­ge­tre­te­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses hat.

Nach Art. 7 Abs. 2 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie darf der be­zahl­te Min­dest­jah­res­ur­laub außer bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht durch ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung er­setzt wer­den. Hier­aus folgt zunächst ein Ab­gel­tungs­ver­bot im lau­fen­den Ar­beits­verhält­nis (EuGH vom 06.04.2006, Fe­de­ra­tie Neder­land­se Vak­be­we­ging, C-124/05, Samm­lung 2006, I – 34/34, NZA 2006, 719 LS). Wenn das Ar­beits­verhält­nis en­det, ist es je­doch nicht mehr möglich, tatsächlich be­zahl­ten Jah­res­ur­laub zu neh­men. Um zu ver­hin­dern, dass dem Ar­beit­neh­mer we­gen die­ser Unmöglich­keit je­der Ge­nuss ei­nes An­spruchs, selbst in fi­nan­zi­el­ler Form, ver­wehrt wird, sieht Art. 7 Abs. 2 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie vor, dass der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung hat (Ur­teil vom 20.01.2009, Schultz-Hoff aaO., Rd­nr. 56).

Das BAG hat in sei­ner Ent­schei­dung vom 20.09.2011 (aaO., Rd­nr. 28) hier­in ei­nen An­spruch ge­se­hen, der nur in der Per­son des aus­ge­schie­de­nen Ar­beit­neh­mers ent­ste­hen könne. So­wohl die Nor­mie­rung des Ab­gel­tungs­ver­bots im lau­fen­den Ar­beits­verhält­nis als auch die Zu­er­ken­nung ei­ner fi­nan­zi­el­len Vergütung im Fal­le der Be­en­di­gung – an­stel­le des dem Ar­beit­neh­mer sonst zu­ste­hen­den Ur­laubs – knüpften an des­sen Per­son an. Wäre dies der Fall, so wäre der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch als höchst­persönli­cher An­spruch zu cha­rak­te­ri­sie­ren, was nach na­tio­na­lem Recht ei­ner Ver­erb­lich­keit ent­ge­genstände. Die Kläge­rin besäße in die­sem Fall kei­nen An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung.

Dies entspräche im Übri­gen der frühe­ren Recht­spre­chung des BAG, wo­nach der Ab­gel­tungs­an­spruch selbst dann er­satz­los un­ter­ging, wenn der Ar­beit­neh­mer starb, nach­dem das Ar­beits­verhält­nis be­en­det war (BAG vom 22.10.1991, 9 AZR 433/90, NZA 1993, 28). Al­ler­dings sieht das BAG in dem Ab­gel­tungs­an­spruch nun­mehr ei­ne rei­ne Geld­for­de­rung (BAG vom 19.06.2012, 9 AZR 652/10, NZA 2012, 1087). Dies hätte zur Fol­ge, dass er kei­nen an die Per­son des Ar­beit­neh­mers ge­bun­de­nen Ein­schränkun­gen un­terläge. Den­noch kann die Be­ur­tei­lung als rei­ne Geld­for­de­rung nicht als un­ein­ge­schränkt güns­ti­ge­re Qua­li­fi­zie­rung der For­de­rung im Sin­ne von Art. 15 Ar­beits­zeit­richt­li­nie an­ge­se­hen wer­den. Han­del­te es sich bei dem Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch um ei­ne an die Per­son des Ar­beit­neh­mers ge­bun­de­ne For­de­rung, so wäre sie nach na­tio­na­lem Recht zwar nicht ver­erb­bar und auch nicht ab­tret­bar, sie könn­te aber auch nicht gepfändet wer­den.

Mit der zwei­ten Fra­ge möch­te die vor­le­gen­de Kam­mer des­halb wis­sen, ob die Ur­laubs­ab­gel­tung nach Art. 7 Abs. 2 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie an die Per­son des Ar­beit­neh­mers ge­bun­den ist und dies ei­ner Be­ur­tei­lung als rei­ner Geld­for­de­rung ent­ge­gen­steht.

II

1) Un­abhängig von der vor­ste­hen­den Pro­ble­ma­tik weist der vor­lie­gen­de Fall die Be­son­der­heit auf, dass Herrn J1 B1 bei sei­nem Tod noch Ur­laubs­ansprüche im Um­fang von min­des­tens 140,5 Ur­laubs­ta­gen zu­stan­den, was be­deu­tet, dass er für meh­re­re Jah­re auch sei­nen jähr­li­chen Min­des­t­ur­laubs­an­spruch nicht ver­wirk­licht hat. Ob Herr B1 die­se Ur­laubs­ansprüche auf Ver­an­las­sung der Be­klag­ten an­ge­sam­melt hat­te, steht zwar nicht fest. Die Be­klag­te selbst hat je­doch vor­ge­tra­gen, dass sol­che Ur­laubs­ansprüche bei ihr ak­ku­mu­liert wer­den konn­ten. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist ei­ne sol­che Ab­spra­che je­den­falls in Gren­zen als ei­ne für den Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Re­ge­lung zulässig (BAG vom 21.06.2005, 9 AZR 200/04, ju­ris, AP Nr. 11 zu § 55 In­sO).

2) Nach na­tio­na­lem Recht kann der Ar­beit­neh­mer ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch ha­ben, wenn er Ur­laub be­an­tragt, der Ar­beit­ge­ber ihm die­sen grund­los nicht gewährt und der Ur­laub auf­grund sei­ner Be­fris­tung in der Fol­ge­zeit verfällt. Die­ser An­spruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 287 BGB. Mit der er­folg­lo­sen Gel­tend­ma­chung hat der Ar­beit­neh­mer den Ar­beit­ge­ber in Ver­zug ge­setzt. Nach § 249 Abs. 1 BGB schul­det der Ar­beit­ge­ber in sei­nem sol­chen Fall nach dem Grund­satz der Na­tu­ral­re­sti­tu­ti­on die Wie­der­her­stel­lung des un­ter­ge­gan­ge­nen Ur­laubs­an­spruchs, d.h. die zukünf­ti­ge Frei­stel­lung des Ar­beit­neh­mers. Kann er den Ur­laubs­an­spruch we­gen der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht mehr erfüllen, so ist er ab­zu­gel­ten. An­spruchs­grund­la­ge ist in die­sem Fall je­doch nicht die ur­laubs­recht­li­che Spe­zi­al­vor­schrift des § 7 Abs. 4 BUrlG, son­dern die dem all­ge­mei­nen Schuld­recht zu­zu­rech­nen­de Re­ge­lung des § 251 BGB (vgl. aus jünge­rer Zeit BAG vom 17.05.2011, 9 AZR 197/10, ju­ris Rd­nr. 10; s. auch Ur­teil vom 07.11.1985, 6 AZR 169/84, ju­ris, NZA 1986, 392; vom 26.06.1986, 8 AZR 75/83, ju­ris, NZA 1987, 98). Für die­se Er­satz­leis­tung er­scheint es nach na­tio­na­lem Recht nicht aus­ge­schlos­sen, dass sie nicht so mit der Per­son des Ar­beit­neh­mers ver­bun­den ist, dass dies ei­ner Ver­erb­lich­keit ent­ge­genstände. Im­mer­hin hat das BAG in sei­nem Ur­teil vom 20.09.2011 (9 AZR 416/10, aaO., Rd­nr. 48) das Vor­lie­gen ei­nes
Scha­dens­er­satz­an­spruchs ge­prüft und die­sen ver­neint, oh­ne in die­sem Zu­sam­men­hang dar­auf ab­zu­stel­len, dass der Ar­beit­neh­mer nur höchst­persönlich von sei­ner Ar­beits­pflicht be­freit wer­den könne.

3) Je­doch hat die Kläge­rin die in der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen sol­chen Scha­dens­er­satz­an­spruch nur all­ge­mein vor­ge­tra­gen, in­dem sie an­ge­ge­ben hat, dass Herr B1 den Ur­laub we­gen per­so­nel­ler Engpässe nicht hätte neh­men können. Die­ser Sach­vor­trag ist pro­zes­su­al nicht aus­rei­chend, um ei­nen An­spruch zu be­gründen. Die Kläge­rin hätte für je­den Ein­zel­fall an­ge­ben müssen, dass Herr B1 sei­nen Ur­laub gel­tend ge­macht und die Be­klag­te die Er­tei­lung grund­los ver­wei­gert hat. Der Ur­laubs­an­trag stellt die Mah­nung nach § 286 Abs. 1 BGB dar. Der Kläge­rin wird es kaum möglich sein, ih­ren Vor­trag ent­spre­chend die­sen An­for­de­run­gen zu ergänzen.

4) An­ders könn­te al­ler­dings zu ent­schei­den sein, wenn die Mah­nung gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ent­behr­lich wäre, weil die Zeit der Leis­tung nach dem Ka­len­der be­stimmt ist. Dies wird in der Li­te­ra­tur zum Teil ver­tre­ten (Stau­din­ger/Löwisch/Cas­pers, 2009, Kom­men­tar zum BGB, Buch 2, Recht der Schuld­verhält­nis­se, § 275 Rd­nr. 16). Die­se Auf­fas­sung ent­spricht je­doch nicht der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, das ent­schie­den hat, dass der Ar­beit­ge­ber nach § 7 Abs. 1 BUrlG nicht ver­pflich­tet ist, den Ur­laub von sich aus fest­zu­le­gen (Ur­teil vom 18.09.2001, 9 AZR 571/00, ju­ris, Rd­nr. 16).

Es fragt sich je­doch, ob an die­ser Recht­spre­chung im Hin­blick auf Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88/EG fest­ge­hal­ten wer­den kann. Die Richt­li­nie enthält Min­dest­vor­schrif­ten für Si­cher­heit und Ge­sund­heits­schutz bei der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung durch die Gewährung u.a. ei­nes Min­dest­jah­res­ur­laubs. Auf­grund sei­ner Or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­walt kann der Ar­beit­ge­ber dafür sor­gen, dass die Ar­beit­neh­mer die ih­nen zu­ste­hen­den Er­ho­lungs­zei­ten auch tatsächlich er­hal­ten. Er kann den Ur­laub er­tei­len und die Ar­beit­neh­mer in die La­ge ver­set­zen, den Ur­laub tatsächlich zu neh­men. Die Ver­ant­wor­tung hierfür durch das Er­for­der­nis ei­nes An­trags in vol­lem Um­fang dem Ar­beit­neh­mer zu über­las­sen, könn­te ei­ner ef­fek­ti­ven Um­set­zung des mit der Richt­li­nie ver­folg­ten Ar­beits­schut­zes ent­ge­gen­ste­hen. Dies gilt ins­be­son­de­re un­ter dem Ge­sichts­punkt, dass der Ar­beit­ge­ber von der Ver­pflich­tung zur Zah­lung der mit dem Ur­laubs­an­spruch ver­bun­de­nen fi­nan­zi­el­len Vergütung voll­ends frei wer­den könn­te. Er hätte mögli­cher­wei­se ein der Ver­wirk­li­chung der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­genläufi­ges wirt­schaft­li­ches In­ter­es­se.

5) Bei der drit­ten Fra­ge geht es des­halb um die dem Ar­beit­ge­ber für die Ver­wirk­li­chung des uni­ons­recht­lich ga­ran­tier­ten An­spruchs auf ei­nen be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laub ob­lie­gen­den Ver­pflich­tun­gen.

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