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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/108

Kün­di­gung: Mit­tei­lungs­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers

Plant der Ar­beit­ge­ber ei­ne or­dent­li­che Kün­di­gung wäh­rend der ers­ten sechs Mo­na­te ("War­te­zeit"), braucht er dem Per­so­nal­rat die So­zi­al­da­ten nicht mit­zu­tei­len: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 23.04.2009, 6 AZR 516/08
Betriebsratsbüro Betriebsratsbeschluss Was müs­sen Be­triebs- und Per­so­nal­rä­te vor ei­ner War­te­zeit­kün­di­gung wis­sen?

24.06.2009. Der all­ge­mei­ne Kün­di­gungs­schutz, den Ar­beit­neh­mer auf der Grund­la­ge des Kün­di­gungs­schutz­ge­set­zes (KSchG) in An­spruch neh­men kön­nen, greift erst ab ei­ner Be­schäf­ti­gungs­dau­er von mehr als sechs Mo­na­ten (§ 1 Abs.1 KSchG).

Da­her kann der Ar­beit­ge­ber wäh­rend der sechs­mo­na­ti­gen War­te­zeit je­der­zeit ei­ne or­dent­li­che Kün­di­gung aus­so­re­chen, oh­ne dass er da­für Grün­de im Sin­ne von § 1 Abs.1 KSchG bräuch­te. Und auch der Son­der­kün­di­gungs­schutz für Schwer­be­hin­der­te greift erst nach sechs Mo­na­ten ein.

Auf die sog. So­zi­al­da­ten des ge­kün­dig­ten Ar­beit­neh­mers (Al­ter, Be­schäf­ti­gungs­dau­er, Un­ter­halts­pflich­ten, Schwer­be­hin­de­rung) kommt es da­her für die Wirk­sam­keit ei­ner sol­chen Kün­di­gung recht­lich nicht an.

Trotz­dem kann man fra­gen, ob der Ar­beit­ge­ber dem Per­so­nal­rat auch vor ei­ner sol­chen War­te­zeit­kün­di­gung im Rah­men der ge­bo­te­nen An­hö­rung nicht viel­leicht doch die So­zi­al­da­ten des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers mit­tei­len muss, da­mit sich der Per­so­nal­rat ein voll­stän­di­ges Bild ma­chen und auf die­ser Grund­la­ge den Kün­di­gungs­ent­schluss des Ar­beit­ge­bers be­ein­flus­sen kann.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat sol­chen Über­le­gun­gen aber ei­ne Ab­sa­ge er­teilt: BAG, Ur­teil vom 23.04.2009, 6 AZR 516/08.

Müssen der Be­triebs- bzw. Per­so­nal­rat bei der Anhörung zu ei­ner War­te­zeitkündi­gung über die So­zi­al­da­ten des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers in­for­miert wer­den?

Das Bun­des­per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­setz so­wie die Per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­set­ze der ein­zel­nen Bun­desländer be­gründen ei­ne Ver­pflich­tung des öffent­li­chen Ar­beit­ge­bers, den Per­so­nal­rat zu ei­ner be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung an­zuhören. Wird ei­ne Kündi­gung oh­ne vor­he­ri­ge Anhörung des Per­so­nal­ra­tes aus­ge­spro­chen, ist sie un­wirk­sam.

Im Be­reich der Pri­vat­wirt­schaft gilt nicht an­de­res. Hier sind Ar­beit­ge­ber gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) ver­pflich­tet, den Be­triebs­rat vor je­der Kündi­gung an­zuhören. Die­se Pflicht ist ein Kern­ele­ment der Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats in per­so­nel­len An­ge­le­gen­hei­ten.

Ei­ne ord­nungs­gemäße Un­ter­rich­tung des Per­so­nal­rats setzt im All­ge­mei­nen vor­aus, dass der Ar­beit­ge­ber dem Per­so­nal­rat ne­ben dem Kündi­gungs­zeit­punkt, dem Kündi­gungs­grund und der Kündi­gungs­art auch die Per­so­nal­da­ten des zu kündi­gen­den Ar­beit­neh­mers (Le­bens­al­ter, Be­triebs­zu­gehörig­keit, Fa­mi­li­en­stand und An­zahl der Kin­der) mit­teilt. Die Pflicht zur Anhörung des Per­so­nal­ra­tes gilt aus­nahms­los, d.h. auch dann, wenn der Ar­beit­ge­ber in­ner­halb der Pro­be­zeit von sechs Mo­na­ten kündigt.

Frag­lich ist aber, ob der Ar­beit­ge­ber dem Per­so­nal­rat auch bei ei­ner be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung in­ner­halb der sechs­mo­na­ti­ven War­te­zeit vor Ein­grei­fen des ge­setz­li­chen Kündi­gungs­schut­zes gemäß § 1 KSchG die So­zi­al­da­ten des zu kündi­gen­den Ar­beit­neh­mers mit­tei­len muss. Hier­ge­gen spricht, dass der Ar­beit­neh­mer bis­lang auf­grund der War­te­zeit­re­ge­lung kei­nen Kündi­gungs­schutz ge­nießt und dem­nach die Kündi­gung sei­tens der Ge­rich­te nicht auf ih­re so­zia­le Recht­fer­ti­gung über­prüft wird.

Zu die­ser Fra­ge hat nun­mehr das BAG mit Ur­teil vom 23.04.2009 (6 AZR 516/08) Stel­lung ge­nom­men. Das Ur­teil liegt der­zeit nur in Ge­stalt ei­ner Pres­se­mit­tei­lung des BAG vor.

Der Streit­fall: An­ge­stell­ter im öffent­li­chen Dienst soll vor Ab­lauf von sechs Mo­na­ten we­gen Leis­tungsmängeln or­dent­lich gekündigt wer­den

Das be­klag­te Land war mit den Ar­beits­leis­tun­gen des Klägers nicht zu­frie­den und kündig­te die­sem da­her vor Ab­lauf der sechs­mo­na­ti­gen Pro­be­zeit.

Vor Aus­spruch der Kündi­gung wur­de der Per­so­nal­rat im Rah­men des Ver­fah­rens zur Be­neh­mens­her­stel­lung über die Kündi­gungs­gründe so­wie die Tat­sa­che, dass die Kündi­gung in der Pro­be­zeit er­fol­gen sol­le, un­ter­rich­tet. Mit Aus­nah­me der Be­triebs­zu­gehörig­keit wur­den dem Per­so­nal­rat je­doch kei­ne per­so­nel­len Da­ten des Ar­beit­neh­mers mit­ge­teilt. Ins­be­son­de­re wa­ren dem Anhörungs­schrei­ben des be­klag­ten Lan­des kei­ne An­ga­ben zum Le­bens­al­ter, dem Fa­mi­li­en­stand und der Kin­der­an­zahl des Ar­beit­neh­mers zu ent­neh­men.

Mit der beim Ar­beits­ge­richt (ArbG) Ol­den­burg (Ur­teil vom 25.07.2007, 3 Ca 95/07) ein­ge­reich­ten Kla­ge rügte der Kläger ei­ne ord­nungs­gemäße Per­so­nal­rats­anhörung und be­an­trag­te da­her fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis nicht durch die Kündi­gung des be­klag­ten Lan­des be­en­det wur­de.

So­wohl das ArbG Ol­den­burg als auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nie­der­sa­chen (Ur­teil vom 10.06.2008, 11 Sa 1397/07) ga­ben dem Kläger recht, d. h. die Kündi­gungs­schutz­kla­ge hat­te in bei­den In­stan­zen Er­folg.

Ent­schei­dend war nach der An­sicht des LAG, dass der Ar­beit­ge­ber dem Per­so­nal­rat – mit Aus­nah­me der Be­triebs­zu­gehörig­keit – kei­ne wei­te­ren Per­so­nal­da­ten des Klägers mit­ge­teilt hat­te, so dass die Kündi­gung man­gels ord­nungs­gemäßer Per­so­nal­rats­anhörung un­wirk­sam sei.

Zwar führ­te das LAG aus, dass in Ein­z­elfällen auf die Mit­tei­lung der So­zi­al­da­ten ver­zich­tet wer­den könne, ins­be­son­de­re dann, wenn der Ar­beit­ge­ber die Kündi­gung auf ein schwe­res Fehl­ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers stütze, da in­so­weit er­kenn­bar sei, dass die­se für die Ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers nicht von maßgeb­lich sei­en.

Die­se Über­le­gun­gen könn­ten je­doch nicht oh­ne wei­te­res auf ei­ne War­te­zeitkündi­gung über­tra­gen wer­den, so das LAG.

An die­ser Stel­le ver­weist das LAG dar­auf, dass dem Per­so­nal­rat in die­sem Fal­le kein Mit­be­stim­mungs­recht, son­dern im Rah­men des Ver­fah­rens zur Be­neh­mens­her­stel­lung le­dig­lich ein Mit­be­tei­li­gungs­recht zu­steht. Der Per­so­nal­rat ist da­her, so das LAG, al­lei­ne dar­auf be­schränkt, in Form von Ver­hand­lungsführung und Über­zeu­gungs­kraft auf den Kündi­gungs­ent­schluss des Ar­beit­ge­bers ein­zu­wir­ken.

Hier könn­ten sich nach An­sicht des LAG Ar­gu­men­te aus den So­zi­al­da­ten des Ar­beit­neh­mers er­ge­ben, so dass die­se auch mit­zu­tei­len sind. Ins­be­son­de­re sei­en die Leis­tungs­be­ur­tei­lung und die zukünf­ti­gen Ent­wick­lungs­aus­sich­ten des Ar­beit­neh­mers er­heb­lich von des­sen je­wei­li­gen Le­bens- und Be­rufs­si­tua­ti­on abhängig.

BAG: Plant der Ar­beit­ge­ber ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung während der ers­ten sechs Mo­na­te ("War­te­zeit"), braucht er dem Per­so­nal­rat die So­zi­al­da­ten nicht mit­zu­tei­len

Die Re­vi­si­on des be­klag­ten Lan­des vor dem BAG hat­te Er­folg. Die Kla­ge wur­de un­ter Auf­he­bung und Abände­rung des vor­in­stanz­li­chen Ur­teils ab­ge­wie­sen.

Das BAG ist der An­sicht, dass der Ar­beit­ge­ber dem Per­so­nal­rat im Rah­men der Be­neh­mens­her­stel­lung das Le­bens­al­ter und die Un­ter­halts­pflich­ten dann nicht mit­tei­len müsse, wenn die­ser in­ner­halb der sechs­mo­na­ti­gen ge­setz­li­chen "Pro­be­zeit" auf­grund un­zu­rei­chen­der Ar­beits­leis­tung des Ar­beit­neh­mers kündigt.

In die­sem Fal­le sind die Per­so­nal­da­ten nach An­sicht des BAG un­ter kei­nem recht­li­chen Ge­sichts­punkt für den Kündi­gungs­ent­schluss des Ar­beit­ge­bers be­deut­sam. Dies des­halb, weil der Ar­beit­neh­mer man­gels sechs­mo­na­ti­ger War­te­zeit kei­nen Kündi­gungs­schutz ge­nießt und die Kündi­gung so­mit auch nicht so­zi­al ge­recht­fer­tigt sein muss.

Im übri­gen dient die War­te­zeit nach An­sicht des BAG da­zu, dem Ar­beit­ge­ber die Möglich­keit zu ge­ben, sich ei­ne sub­jek­ti­ve Mei­nung über die Leis­tung und Führung des Ar­beit­neh­mers zu bil­den, d.h. zu ei­ner Einschätz­tung zu kom­men, die kei­ner ob­jek­ti­ven Über­prüfung durch die Ge­rich­te un­ter­liegt. In die­ser Zeit be­steht auch für den Ar­beit­ge­ber ab­ge­se­hen von Miss­brauchfällen Kündi­gungs­frei­heit.

Der Ar­beit­ge­ber kann da­her, wenn sei­ne Über­prüfung der Leis­tung und Führung des Ar­beit­neh­mers ne­ga­tiv ausfällt, das Ar­beits­verhält­nis frei kündi­gen. Mögli­che In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers sind da­bei, je­den­falls von Rechts we­gen, nicht zu berück­sich­ti­gen.

Letzt­end­lich spricht für die An­sicht des BAG, dass der Ar­beit­ge­ber den Per­so­nal­rat nur in­so­weit zu un­ter­rich­ten hat, dass die­ser oh­ne ei­ge­ne Nach­for­schun­gen die Rechtmäßig­keit der ge­plan­ten Kündi­gung über­prüfen kann. Teilt der Ar­beit­ge­ber dem Per­so­nal­rat mit, dass ei­ne "Pro­be­zeitkündi­gung" auf­grund man­geln­der Ar­beits­leis­tun­gen des Ar­beit­neh­mers er­fol­gen soll, ist die­se Kündi­gung recht­lich oh­ne wei­te­res möglich.

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Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe schrift­lich ab­ge­fasst und veröffent­licht. Die Ent­schei­dungs­gründe im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 22. Januar 2014

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