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LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 10.06.2008, 11 Sa 1397/07

   
Schlagworte: Kündigung: Probezeit, Probezeit, Personalratsanhörung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Aktenzeichen: 11 Sa 1397/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 10.06.2008
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Oldenburg
   

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT

NIE­DERSACHSEN

 

Verkündet am:

10.06.2008

Ge­richts­an­ge­stell­te als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

11 Sa 1397/07

3 Ca 95/07 ArbG Ol­den­burg

In dem Rechts­streit 

Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­ter,

ge­gen

be­klag­tes und be­ru­fungs­kla­gen­des Land,

hat die 11. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 06. Mai 2008 durch

den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Voigt,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn Oehl­mann,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn Wei­kert

für Recht er­kannt:

Die Be­ru­fung des be­klag­ten Lan­des ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ol­den­burg vom 25.07.2007 – 3 Ca 95/07 - wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung.

Der am 21.03.1962 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te und zwei Kin­dern un­ter­halts­pflich­ti­ge Kläger ist Di­plom-In­ge­nieur. Auf­grund ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges vom 15.08.2008 (Bl. 5 d. A.) war er seit dem 16.08.2006 im Re­chen­zen­trum der Uni­ver­sität A-Stadt ge­gen ein mo­nat­li­ches Ent­gelt von 1.746,94 € brut­to in Teil­zeit beschäftigt. Mit Schrei­ben vom 31.01.2007 (Bl. 17 d. A.) hörte das be­klag­te Land den bei der Uni­ver­sität A-Stadt ge­bil­de­ten Per­so­nal­rat zu ei­ner be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers mit fol­gen­dem Wort­laut an:

Kündi­gung während der Pro­be­zeit
hier: Beschäftig­ter C., IBIT, IT-Diens­te, EG 11 TV-L

Sehr ge­ehr­te Da­men und Her­ren,
das Ar­beits­verhält­nis von Herrn C. soll während der Pro­be­zeit gekündigt wer­den. Un­be­scha­det der Tat­sa­che, dass die Gründe für die Kündi­gung dem Be­trof­fe­nen nicht mit­zu­tei­len sind, ver­wei­se ich auf den als An­la­ge 1 bei­gefügten Ver­merk von Herrn G. vom 30.01.2007 an die Lei­tung des Geschäfts­be­reichs IT-Diens­te.

Ich bit­te um Be­neh­mens­her­stel­lung gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 3 in Ver­bin­dung mit § 76 Abs. 2 NPers­VG.

Bei­gefügt war der in Be­zug ge­nom­me­ne Ver­merk des Vor­ge­setz­ten Herrn G. vom 30.01.2007 (Bl. 18 d.A.). Die­ser weist als Über­schrift aus:

„Be­treff: Be­wer­tung der Tätig­keit von Herrn C. während der Pro­be­zeit vom 15.08.06 bis 15.02.07.“

Der Per­so­nal­rat for­der­te von der be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung ab­zu­se­hen. Hin­sicht­lich der Gründe wird auf das Schrei­ben vom 07.02.2007 (Bl. 20/21 d. A.) ver­wie­sen. Ei­ne ab­sch­ließen­de Stel­lung­nah­me des be­klag­ten Lan­des vom 12.02.2007 an den Per­so­nal­rat (Bl. 19 d. A.) schließt wie folgt:

„Nach ab­sch­ließen­der in­halt­li­cher Klärung se­he ich kei­ne Ver­an­las­sung, die be­ab-

 

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sich­tig­te Maßnah­me in Fra­ge zu stel­len. Da­her wer­de ich das Ar­beits­verhält­nis von Herrn C. mit heu­ti­gem Ta­ge kündi­gen.“

Ent­spre­chend kündig­te das be­klag­te Land mit Schrei­ben vom 12.02.2007 (Bl. 7 d. A.), dem Kläger zu­ge­gan­gen am 13.02.2007, das Ar­beits­verhält­nis in­ner­halb der Pro­be­zeit zum 28.02.2007. Der Kläger macht gel­tend, das be­klag­te Land ha­be den Per­so­nal­rat nicht ord­nungs­gemäß be­tei­ligt.

Das Ar­beits­ge­richt Ol­den­burg hat mit Ur­teil vom 25.07.2007 der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Zur Be­gründung hat es aus­geführt, die Kündi­gung vom 12.02.2007 sei un­wirk­sam we­gen un­zu­rei­chen­der Be­tei­li­gung des Per­so­nal­ra­tes nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 NPers­VG. Für die­se Form der Be­tei­li­gung gälten die­sel­ben Grundsätze wie für die Anhörung des Be­triebs­ra­tes nach § 102 Be­trVG. Grundsätz­lich ha­be der Ar­beit­ge­ber der Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tung die Per­so­na­li­en des zu kündi­gen­den Ar­beit­neh­mers, Beschäfti­gungs­dau­er, Kündi­gungs­art so­wie die Kündi­gungs­gründe mit­zu­tei­len. Auch der Grund­satz der sub­jek­ti­ven De­ter­mi­na­ti­on des Anhörungs­ver­fah­rens führe nicht da­zu, dass auf die Mit­tei­lung persönli­cher Umstände ganz ver­zich­tet wer­den könne. Nur wenn es dem Ar­beit­ge­ber we­gen der Schwe­re even­tu­el­ler Kündi­gungs­vorwürfe auf die ge­nau­en Da­ten er­sicht­lich nicht an­kom­me und wenn die Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tung die un­gefähren Da­ten ken­ne und da­her die Kündi­gungs­ab­sicht des Ar­beit­ge­bers aus­rei­chend be­ur­tei­len könne, ste­he die feh­len­de Mit­tei­lung der ge­nau­en So­zi­al­da­ten der Wirk­sam­keit ei­ner Kündi­gung nicht ent­ge­gen. Die­sen An­for­de­run­gen genüge das Anhörungs­schrei­ben vom 31.01.2007 nicht. Es las­se die Art der aus­zu­spre­chen­den Kündi­gung of­fen, es fehl­ten die So­zi­al­da­ten des Klägers. Al­lein der Um­stand, dass ein Mit­glied des Per­so­nal­ra­tes im Zu­ge ei­nes Be­wer­be­r­aus­wahl­ver­fah­rens Kennt­nis der So­zi­al­da­ten er­langt ha­be, be­le­ge nicht, dass die­se Da­ten auch dem Per­so­nal­rat als Gre­mi­um im Zu­ge der Ent­schei­dung über die be­ab­sich­tig­te Kündi­gung po­si­tiv be­kannt ge­we­sen sei­en.

Ge­gen die­ses ihm am 13.08.2007 zu­ge­stell­te Ur­teil hat das be­klag­te Land am 12.09.2007 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 11.10.2007 be­gründet.

Zur Be­gründung der Be­ru­fung führt das be­klag­te Land aus, dem an den Per­so­nal­rat ge­rich­te­ten Schrei­ben vom 31.01.2007 sei mit aus­rei­chen­der Deut­lich­keit so­wohl die Art der aus­zu­spre­chen­den Kündi­gung als auch die ein­zu­hal­ten­de Kündi­gungs­frist zu ent­neh­men ge­we­sen. Der Be­griff „Kündi­gung we­gen der Pro­be­zeit“ sei ein fest­ste­hen­der Be­griff im Per­so­nal­ver­tre­tungs­recht. Dies las­se den Rück­schluss zu, dass kei­ne außer­or­dent­li­che

 

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Kündi­gung aus­ge­spro­chen wer­den soll­te. Die Dau­er der Pro­be­zeit er­ge­be sich aus dem bei­gefügten Ver­merk des Vor­ge­setz­ten Herrn G. Die Kündi­gungs­frist während der Pro­be­zeit er­ge­be sich aus § 34 Abs. 1 TV-L. Das Be­en­di­gungs­da­tum des Ar­beits­verhält­nis­ses ha­be sich für den Per­so­nal­rat da­mit aus­rei­chend er­ken­nen las­sen. Fer­ner sei der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu ent­neh­men, dass im all­ge­mei­nen dem Be­triebs­rat das Le­bens­al­ter und die Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit des be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­ters dann mit­zu­tei­len sei, wenn der Ar­beit­ge­ber da­von aus­ge­hen müsse, dass sie für die Be­ur­tei­lung der Wirk­sam­keit der Kündi­gung von Be­deu­tung sind. Er­fah­rungs­gemäß ent­schei­de sich aber der Ar­beit­ge­ber während der Pro­be­zeit bei Leis­tungsmängeln, wie sie durch den Ver­merk aus­rei­chend do­ku­men­tiert wor­den sei­en, un­ge­ach­tet ir­gend­wel­cher So­zi­al­da­ten zu ei­ner Kündi­gung.

Das be­klag­te und be­ru­fungsführen­de Land be­an­tragt,

das an­ge­foch­te­ne Ur­teil ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Das Ar­beits­ge­richt ha­be zu­tref­fend die An­sicht ver­tre­ten, dass die Be­tei­li­gung des Per­so­nal­ra­tes nicht ord­nungs­gemäß er­folgt sei. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts gehörten zur um­fas­sen­den Un­ter­rich­tung auch während der Pro­be­zeit die Mit­tei­lung der Per­son des zu Kündi­gen­den, die Art der Kündi­gung, Kündi­gungs­zeit­punkt und die Gründe der Kündi­gung. Auch in­ner­halb der Pro­be­zeit könne außer­or­dent­lich gekündigt wer­den. Ei­ne Kündi­gung während der Pro­be­zeit sei nicht au­to­ma­tisch ei­ne frist­ge­rech­te. Auch aus der Über­schrift des Anhörungs­schrei­bens sei in­so­weit kein zwin­gen­der Schluss ge­recht­fer­tigt. Hin­sicht­lich der So­zi­al­da­ten ha­be das be­klag­te Land in der Kam­mer­ver­hand­lung vom 25.07.2007 beim Ar­beits­ge­richt aus­drück­lich erklärt, dass die Per­so­nal­rats­vor­la­ge bei der Ein­stel­lung die An­ga­be von So­zi­al­da­ten nicht vor­se­he. Da­mit sei dem Per­so­nal­rat als Kol­le­gi­al­or­gan die So­zi­al­da­ten der zur Ein­stel­lung vor­ge­se­he­nen Mit­ar­bei­ter nicht mit­ge­teilt wor­den. Dies sei auch nicht ver­zicht­bar ge­we­sen. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt for­mu­lie­re, dass die So­zi­al­an­ga­ben „für die Be­ur­tei­lung durch den Be­triebs­rat un­ver­zicht­ba­re Da­ten sind“. Es he­be da­mit nicht al­lein dar­auf ab, ob die So­zi­al­da­ten für den Kündi­gungs­ent­schluss des Ar­beit­ge­bers von Be­lang sind oder nicht. Sch­ließlich

 

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sei auch die an­zu­wen­den­de Kündi­gungs­frist für den Per­so­nal­rat nicht aus­rei­chend er­kenn­bar ge­we­sen.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze so­wie die Pro­to­kollerklärun­gen der Par­tei­en Be­zug ge­nom­men.


Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung ist gemäß §§ 519, 520 ZPO, §§ 64, 66 ArbGG zulässig.

Sie ist aber un­be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge mit zu­tref­fen­der Be­gründung statt­ge­ge­ben.

Die Kündi­gung ist un­wirk­sam we­gen un­zu­rei­chen­der Anhörung des Per­so­nal­ra­tes im Ver-ah­ren der Be­neh­mens­her­stel­lung nach § 75 Abs. 1 Nr. 3, § 76 Abs. 2 Satz 3 NPers­VG. Für die Be­tei­li­gung des Per­so­nal­ra­tes bei Kündi­gun­gen sind nach § 76 Abs. 1 Satz 2, § 68 Abs. 2 NPers­VG die­sel­ben Rechts­grundsätze maßgeb­lich, wie bei der Anhörung des Be­triebs­ra­tes nach § 102 Be­trVG. Dies ist zwi­schen den Par­tei­en im Grund­satz auch nicht strit­tig. Im kon­kre­ten Fall weist die In­for­ma­ti­on des Per­so­nal­ra­tes mit Da­tum vom 30.01.2007 ei­ne größere Zahl von Aus­las­sun­gen auf, die je­den­falls in der Ge­samt­heit zu der recht­li­chen Be­ur­tei­lung führen, dass ei­ne ord­nungs­gemäße In­for­ma­ti­on des Per­so­nal­ra­tes nicht ge­ge­ben war. Auch bei der so ge­nann­ten Pro­be­zeitkündi­gung sind die grundsätz­li­chen An­for­de­run­gen an den In­halt der Anhörung nicht ab­ge­senkt (BAG vom 16.9.2004, 2 AZR 511/03, AP § 102 Be­trVG 1972 Nr. 142; LAG Rhein­land-Pfalz vom 5.4.89, 2 Sa 754/88, PersR 90, 344). Da­nach sind die Per­son des zu Kündi­gen­den, die Kündi­gungs­frist und die Gründe der Kündi­gung mit­zu­tei­len.

Bei iso­lier­ter Be­trach­tung der ein­zel­nen Punk­te er­gibt sich fol­gen­de recht­li­che Be­ur­tei­lung:

Der Per­so­nal­rat ist durch Beifügen des Ver­merks des Vor­ge­setz­ten Herrn G. über die sach­li­chen Gründe der Kündi­gung aus­rei­chend in­for­miert wor­den. Das zieht auch der Kläger nicht in Zwei­fel.

 

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Dem Anhörungs­schrei­ben lässt sich bei Würdi­gung des Ge­samt­zu­sam­men­hangs in aus­rei­chen­der Wei­se ent­neh­men, dass ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung ge­wollt ge­we­sen ist. Auch für die wech­sel­sei­ti­gen Erklärun­gen im Mit­be­stim­mungs­ver­fah­ren gel­ten die Grundsätze über die Aus­le­gung von Wil­lens­erklärun­gen der §§ 133, 157 BGB. Da­nach ist ei­ne Wil­lens­erklärung un­ter Berück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­sit­te vom Empfänger­ho­ri­zont aus­zu­le­gen. Zwar um­fasst der ein­schlägi­ge Mit­be­stim­mungs­tat­be­stand des § 75 Abs. 1 Nr. 3 NPers­VG glei­cher­maßen die außer­or­dent­li­che Kündi­gung als auch die or­dent­li­che Pro­be­zeitkündi­gung. Die außer­or­dent­li­che Kündi­gung ist aber so­wohl nach den recht­li­chen Grund­la­gen als auch der Rechts­wirk­lich­keit, ins­be­son­de­re im öffent­li­chen Dienst, ein Aus­nah­me­tat­be­stand. Der Re­gel­fall der Kündi­gung ist die or­dent­li­che Kündi­gung. Da in dem Anhörungs­schrei­ben kei­ner­lei Hin­wei­se dar­auf hin­deu­ten, dass An­lass für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung ge­ge­ben war, war ei­ne or­dent­li­che Pro­be­zeitkündi­gung auch aus der Per­spek­ti­ve des Per­so­nal­ra­tes na­he­lie­gend. Ein ge­gen­tei­li­ges Verständ­nis des Per­so­nal­ra­tes lässt sich auch aus des­sen Stel­lung­nah­me nicht er­se­hen.

Die feh­len­de An­ga­be der Kündi­gungs­frist al­lein bleibt im Er­geb­nis unschädlich. Es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass man­gels an­de­rer An­halts­punk­te im öffent­li­chen Dienst Ar­beits­verhält­nis­se auf Grund­la­ge des je­wei­li­gen Ta­rif­ver­tra­ges be­gründet wer­den. Die zwi­schen­zeit­li­che Pro­ble­ma­tik des ta­rif­lo­sen Zu­stan­des nach Kündi­gung des BAT lag hier nicht mehr vor. Die maßgeb­li­che Kündi­gungs­frist während der Pro­be­zeit in § 34 TV-L konn­te das be­klag­te Land in­so­weit bei der Anhörung be­rech­tigt als be­kannt vor­aus­set­zen, oh­ne die­se noch ein­mal aus­drück­lich zu be­nen­nen. Nach den Grundsätzen der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts kommt es in­so­weit auch nicht auf ei­ne tag­ge­naue Be­zeich­nung an, son­dern es genügt, wenn der Per­so­nal­rat das un­gefähre Be­en­di­gungs­da­tum er­mit­teln kann (Ur­teil vom 15.12.1994, 2 AZR 327/94, AP § 1 KSchG 1969 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 67; vom 24.10.1996, 2 AZR 895/95, AP § 17 KSchG 1969 Nr. 8) .

Je­den­falls als pro­ble­ma­tisch er­weist es sich, dass der Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses und da­mit der Ab­lauf der Pro­be­zeit nicht ex­akt da­tumsmäßig wie­der­ge­ge­ben ist. In dem Anhörungs­schrei­ben selbst fehlt ei­ne An­ga­be da­zu ganz. Al­ler­dings ist in dem bei­gefügten Ver­merk des Vor­ge­setz­ten Herrn G. der Zeit­raum 15.08.2006 bis 15.02.2007 an­ge­ge­ben. Tatsächlich hat das Ar­beits­verhält­nis des Klägers aber erst am 16.08.2006 be­gon­nen. Um­ge­kehrt wäre bei dem an­ge­ge­be­nen Be­ginn am 15.08.2006 die Pro­be­zeit be­reits am 14.02.2007 ab­ge­lau­fen. Schon die Ver­schie­bung des maßgeb­li­chen Zeit­rau­mes um ei­nen Tag kann aber da­zu führen, dass aus der Mit­be­stim­mungs­form des Be­neh­mens nach Ab­lauf der Pro­be­zeit ein vol­les Mit­be­stim­mungs­recht des Per­so­nal­ra­tes nach § 65

 

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Abs. 2 Nr. 9 NPers­VG erwächst. Auch die Ab­wei­chung um nur ei­nen Ka­len­der­tag kann in­so­weit rechts­er­heb­lich sein. Geht man von der ständi­gen For­mu­lie­rung des Bun­des­ar­beits­ge­richts aus, wo­nach der Be­triebs­rat oh­ne Nach­for­schun­gen in der La­ge sein muss, sich ein ei­ge­nes Bild der An­ge­le­gen­heit zu ma­chen (et­wa BAG vom 15.11.1995, 2 AZR 974/94, AP § 102 Be­trVG 1972 Nr. 73), so ist fest­zu­stel­len, dass der Per­so­nal­rat an der maßgeb­li­chen Stel­le des Da­tums des Ab­laufs der Pro­be­zeit un­zu­tref­fend bzw. un­klar in­for­miert wor­den ist.

Am schwers­ten wiegt je­doch, dass dem Per­so­nal­rat - außer der Be­triebs­zu­gehörig­keit - kei­ne der grund­le­gen­den per­so­nel­len Da­ten des Klägers mit­ge­teilt wor­den sind, al­so we­der Ge­burts­da­tum, Fa­mi­li­en­stand oder das Vor­han­den­sein von Kin­dern. Das Ge­setz selbst nennt in­so­weit kei­ne Min­dest­an­for­de­run­gen. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt stellt für die Be­stim­mung des Um­fangs der er­for­der­li­chen In­for­ma­tio­nen dar­auf ab, wel­che Be­deu­tung den per­so­nel­len Da­ten für die Be­ur­tei­lung des Kündi­gungs­ent­schlus­ses zu­kommt. Im Ur­teil vom 15.12.1994 (2 AZR 327/94, AP § 1 KSchG 1969 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 67) hat es aus­geführt, das Le­bens­al­ter und die Be­triebs­zu­gehörig­keit sei­en „im all­ge­mei­nen“ für die Be­ur­tei­lung durch den Be­triebs­rat un­ver­zicht­ba­re Da­ten. Ähn­lich heißt es im Ur­teil vom 15.11.1995 (2 AZR 974/94, AP § 102 Be­trVG 1972 Nr. 73) im all­ge­mei­nen sei­en Le­bens­al­ter und Be­triebs­zu­gehörig­keit mit­zu­tei­len, wenn der Ar­beit­ge­ber da­von aus­ge­hen müsse, dass sie für die Be­ur­tei­lung der Kündi­gung von Be­deu­tung sei. Ein­zu­be­zie­hen in die­se Min­dest­an­for­de­run­gen ist fer­ner der Fa­mi­li­en­stand (so et­wa Ri­char­di/Thüsing Be­trVG 11. Aufl. § 102 Rn. 51; Lo­ren­zen/Et­zel/Ger­hold/Sch­latz­mann/Re­hak/ Fa­ber BPers­VG Kom­men­tar § 79 Rn. 31;Il­bertz/Wid­mai­er BPers­VG 10. Aufl. § 79 Rn. 3).

Die An­ga­ben der Per­so­nal­da­ten wa­ren vor­lie­gend auch nicht aus­nahms­wei­se ver­zicht­bar. Zwar können die­se An­ga­ben ent­behr­lich sein, et­wa wenn sie bei schwe­ren Fehl­ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers für die Ar­beit­ge­ber­ent­schei­dung er­kenn­bar kei­ne Rol­le spie­len (BAG vom 15.11.1995, 2 AZR 974/94, AP § 102 Be­trVG 1972 Nr. 73). Die­se Über­le­gung lässt sich aber in die­ser All­ge­mein­heit nicht auf die Pro­be­zeitkündi­gung über­tra­gen. Da nach der Kon­zep­ti­on des Per­so­nal­ver­tre­tungs­rechts im Land Nie­der­sach­sen der Per­so­nal­rat bei der Pro­be­zeitkündi­gung kein voll aus­ge­prägtes Mit­be­stim­mungs­recht hat, son­dern le­dig­lich das Mit­be­tei­li­gungs­recht in der schwäche­ren Form der Be­neh­mens­her­stel­lung, die der Anhörung des Be­triebs­rats nach § 102 Be­trVG ähnelt, ist der Per­so­nal­rat um­so mehr dar­auf an­ge­wie­sen, durch Ver­hand­lungsführung und Über­zeu­gungs­kraft den Ar­beit­ge­ber in sei­nem Kündi­gungs­ent­schluss zu be­ein­flus­sen. Es sind in­so­weit man­nig­fal­ti­ge Kon­stel­la­tio­nen denk­bar, in de­nen sich aus den so­zia­len Da­ten des Be­trof­fe­nen ge-

 

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wich­ti­ge Ar­gu­men­te er­ge­ben können. So wird kann et­wa die Be­ur­tei­lung des Leis­tungs­ver­hal­tens und die Einschätzung der zukünf­ti­gen fach­li­chen Ent­wick­lungs­aus­sich­ten des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers durch­aus er­heb­lich da­von abhängen, in wel­cher Le­bens- und Be­rufs­pha­se sich die­ser be­fin­det. Schon das ei­ge­ne Le­bens­al­ter des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers ist des­halb ein wich­ti­ges Ent­schei­dungs­da­tum, das nicht oh­ne Wei­te­res ver­zicht­bar ist. Das gilt erst recht für die In­for­ma­ti­on darüber, ob der Ar­beit­neh­mer ver­hei­ra­tet ist und Kin­der hat oder nicht. Ne­ben den rein fi­nan­zi­el­len As­pek­ten die­ser Da­ten kann An­lass ge­ge­ben sein, et­wa be­son­de­re vorüber­ge­hen­de fa­mi­liäre Si­tua­tio­nen des Ar­beit­neh­mers ein­zuschätzen und zu würdi­gen. Auch bei der Pro­be­zeitkündi­gung ist die An­ga­be der we­sent­li­chen So­zi­al­da­ten da­her ein not­wen­di­ger Be­stand­teil der vollständi­gen In­for­ma­ti­on des Per­so­nal­ra­tes. Auf ei­ne schwe­re Ver­trags­pflicht­ver­let­zung, bei der für so­zia­le Rück­sicht­nah­me kein Raum mehr ist, wird die Kündi­gung hier nicht gestützt.

Das be­klag­te Land kann sich auch nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, dass dem Per­so­nal­rat die­se Da­ten im Rah­men des Ein­stel­lungs­ver­fah­rens - münd­lich - be­kannt ge­wor­den sei­en. Für die Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob das Kol­le­gi­al­or­gan Per­so­nal­rat aus­rei­chend und wirk­sam in­for­miert wor­den ist, ist nach §§ 28, 68 Abs. 2 Satz 5 NPers­VG - wie nach §§ 26 Abs. 2, 102 Be­trVG - dar­auf ab­zu­stel­len, wel­che In­for­ma­tio­nen dem emp­fangs­zuständi­gen Ver­tre­ter über­mit­telt wur­den (et­wa BAG Ur­teil vom 27.06.1985, 2 AZR 412/84, AP § 102 Be­trVG 1972 Nr. 37). Auf an­de­re Wei­se er­wor­be­nes Ein­zel­wis­sen von Mit­glie­dern des Per­so­nal­ra­tes bzw. Be­triebs­ra­tes ist nicht dem Gre­mi­um im Grund­satz nicht zu­zu­rech­nen. Da der im Ein­stel­lungs­ver­fah­ren be­tei­lig­te Herr G. zu­gleich stell­ver­tre­ten­der Per­so­nal­rats­vor­sit­zen­der war, stünde die­ses for­ma­le Ar­gu­ment ei­ner Ver­wer­tung frühe­rer münd­li­cher In­for­ma­tio­nen nicht ent­ge­gen.

Ge­gen ei­ne Be­zug­nah­me auf das Ein­stel­lungs­ver­fah­ren er­ge­ben sich schon grundsätz­li­che Be­den­ken. Zwar brau­chen In­for­ma­tio­nen, die dem Per­so­nal­rat be­reits be­kannt sind, nicht not­wen­dig noch ein­mal bei der Ein­lei­tung des Mit­be­stim­mungs­ver­fah­rens wie­der­holt zu wer­den (et­wa BAG vom 20.5.99, 2 AZR 532/98, BA­GE 91, 341 zu § 102 Abs. 1 Be-trVG). Vor­aus­set­zung ist dann aber, dass ein der­ar­ti­ges ak­tu­el­les Wis­sen des Per­so­nal­rats tatsächlich fest­stell­bar ist. Es wäre da­her zeit­lich ab­zu­gren­zen, nach wel­chem Zeit­ver­lauf noch ei­ne „Kennt­nis“ des Per­so­nal­rats an­ge­nom­men wer­den könn­te. Die Möglich­keit ei­ner all­ge­mei­nen Be­zug­nah­me auf das Ein­stel­lungs­ver­fah­ren würde dem ge­setz­li­chen Grund­satz, wo­nach der Ar­beit­ge­ber den Be­triebs- bzw. Per­so­nal­rat anläss­lich ei­ner be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung über die Per­son und die so­zia­len Da­ten vollständig zu in­for­mie­ren hat, nicht ge­recht. Bei nicht schrift­lich fi­xier­ten In­for­ma­tio­nen ist be­reits der zeit­li­che

 

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Ab­stand von 5 Mo­na­ten als be­denk­lich an­zu­se­hen. Dies braucht je­doch nicht ab­sch­ließend be­ant­wor­tet zu wer­den.

Je­den­falls lässt sich aus dem Sach­vor­trag des be­klag­ten Lan­des nicht aus­rei­chend nach­voll­zie­hen, wel­che In­for­ma­tio­nen Herr G. wann auf wel­che Wei­se er­hal­ten ha­ben soll. So ist un­klar, ob es um münd­li­che In­for­ma­tio­nen durch den Ar­beit­ge­ber anläss­lich der Ein­stel­lung ging oder Herr G. an den Ein­stel­lungs­gesprächen selbst teil­ge­nom­men hat. So­weit sich das be­klag­te Land auf die „un­gefähre“ Einschätzung des Al­ters des Klägers be­zieht, war da­mit die Fra­ge nach dem wei­te­ren Fa­mi­li­en­stand je­den­falls noch of­fen.

Dem­nach führt be­reits die un­zu­rei­chen­de In­for­ma­ti­on über die Per­so­nal­da­ten des Klägers zu ei­ner Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung. Wenn man dies hin­ge­gen an­ders be­ur­tei­le woll­te, liegt nach Auf­fas­sung der Kam­mer je­den­falls in­fol­ge der Sum­mie­rung meh­re­rer Un­ge­nau­ig­kei­ten und Aus­las­sun­gen in der Ge­samt­schau kei­ne wirk­sa­me In­for­ma­ti­on des Per­so­nal­rats vor. Zu­sam­men­fas­send sind fol­gen­de Mängel fest­zu­stel­len: die Kündi­gungs­art, Kündi­gungs­frist und -ter­min sind nicht an­ge­ge­ben, das Da­tum des Ab­laufs der Pro­be­zeit un­rich­tig, Ge­burts­da­tum, Fa­mi­li­en­stand, Kin­der sind wie­der­um gar nicht mit­ge­teilt. Da­mit war ei­ne aus­rei­chend vollständi­ge Grund­la­ge, um oh­ne wei­te­re Nach­for­schun­gen die Kündi­gungs­si­tua­ti­on zu be­ur­tei­len, für den Per­so­nal­rat nicht ge­ge­ben.

Of­fen blei­ben kann da­nach, ob die Kündi­gung be­reits des­we­gen un­wirk­sam ist, weil das Ver­fah­ren zur Be­neh­mens­her­stel­lung nicht vor Aus­spruch der Kündi­gung ab­ge­schlos­sen ge­we­sen ist. Nach § 76 Abs. 3 NPers­VG hat der Ar­beit­ge­ber dem Per­so­nal­rat mit­zu­tei­len, wenn er den Ein­wen­dun­gen des Per­so­nal­rats nicht ent­spre­chen und an der be­ab­sich­tig­ten Maßnah­me fest­hal­ten will. Wann das ent­spre­chen­de Schrei­ben des be­klag­ten Lan­des vom 12.02.2007 dem Per­so­nal­rat zu­ge­gan­gen ist, ist nicht vor­ge­tra­gen. Am 13.02.2007 wur­de das Kündi­gungs­schrei­ben dem Kläger über­ge­ben. Nach der ge­genüber § 79 Abs. 4 BPers­VG kon­kre­ti­sier­ten Fas­sung des § 76 Abs. 2 Satz 3 NPers­VG blie­be ei­ne Ver­let­zung die­ser Ver­fah­rens­vor­schrift je­doch un­er­heb­lich, weil da­nach le­dig­lich ei­ne oh­ne Durchführung des Ver­fah­rens nach Ab­satz 1 durch­geführ­te Kündi­gung un­wirk­sam ist. Da­mit löst die Ver­let­zung der Pflicht aus § 76 Abs. 3 NPers­VG je­den­falls im Verhält­nis ge­genüber dem zu kündi­gen­den Ar­beit­neh­mer kei­ne Un­wirk­sam­keits­fol­ge aus.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Re­vi­si­on ist nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu­ge­las­sen wor­den.

 

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil fin­det, wie sich aus der Ur­teils­for­mel er­gibt, die Re­vi­si­on statt.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils, die Re­vi­si­ons­be­gründung in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­hen.
Die An­schrift des Bun­des­ar­beits­ge­richts lau­tet:

Post­fach, 99113 Er­furt

oder

Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt.

Te­le­fax-Nr.: (0361) 26 36 – 20 00

Die Re­vi­si­ons- und die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift müssen von ei­nem Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

Die Re­vi­si­ons­schrift, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift und die sons­ti­gen wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren sol­len 7-fach – für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ein Ex­em­plar mehr – ein­ge­reicht wer­den.

 

Dr. Voigt

Oehl­mann

Wei­kert

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