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Kündigung wegen verweigerter ärztlicher Untersuchung
Manchmal tritt jedoch auch der umgekehrte Fall ein: Der Arbeitnehmer hält sich für arbeitsfähig, der Arbeitgeber bestreitet dies.
Ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in diesem Fall zu einer ärztlichen Untersuchung verpflichten darf und zu welche Konsequenzen eine Weigerung des Arbeitnehmers führt, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.02.2010, 6 Sa 640/09.
- Verpflichtung zu ärztlicher Untersuchung
- Der Fall des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz: Arbeitgeber ordnet ärztliche Untersuchung wegen Zweifeln an Dienstfähigkeit einer Beschäftigten an. Wegen Weigerung erhält Arbeitnehmerin Abmahnung und außerordentliche Kündigung
- Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Außerordentliche Kündigung rechtmäßig
Verpflichtung zu ärztlicher Untersuchung
Ärztliche Untersuchungen auf Erkrankungen im Umfeld von Beschäftigungsverhältnissen standen vor nicht allzu langer Zeit im Brennpunkt des öffentlichen Interesses (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell 09/239: Ärztliche Untersuchung und Datenschutz). Heftig, teils empört wurde vor allem die Zulässigkeit sogenannter „Einstellungsuntersuchungen“ diskutiert. Weit weniger groß ist die Kontroverse um Untersuchungen während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses. Und dies, obwohl sie viel eher an der Tagesordnung sind, das Persönlichkeitsrechts ebenso betreffen, und die möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen einer Weigerung - insbesondere die Kündigung - für den Arbeitnehmer härter sind, als für den Bewerber. Wenigstens für den öffentlichen Dienst sind die Verhältnisse hier allerdings auch relativ klar. Die wichtigsten Regelungen sind die §§ 3, 33 des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes (TVöD), die im Wesentlichen den §§ 7, 59 des nun nicht mehr geltenden Bundesangestelltentarifvertrags (BAT) entsprechen.
Nach § 3 TVöD ist „der Arbeitgeber bei begründeter Veranlassung berechtigt, den Beschäftigten zu verpflichten, durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass er zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage ist.“ Begründete Veranlassung liegt nach der zum BAT ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vor, wenn konkrete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Arbeitnehmer seinen arbeitsvertraglichen Pflichten gesundheitsbedingt dauerhaft nicht mehr nachkommen kann.
Nach § 33 Abs. 3 TVöD endet das Arbeitsverhältnis nämlich automatisch, wenn der Beschäftigte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erhält. Stellt er schuldhaft den Rentenantrag nicht, obwohl er zur Rente berechtigt wäre, endet das Arbeitsverhältnis, wenn durch medizinisches Gutachten die Erwerbsunfähigkeit festgestellt wird (§ 33 Abs 4 S.1 TVöD).
Die §§ 3, 33 TVöD dienen insbesondere dem durch die Art. 12 und 14 Grundgesetz (GG) geschützten Interesse des Arbeitgebers daran, für einen dauerhaft / wiederkehrend arbeitsunfähigen Arbeitnehmer keine Entgeltfortzahlungen leisten zu müssen. Denn das Risiko solcher „Erwerbsunfähigkeit“ soll die Solidargemeinschaft der Rentenversicherten und nicht der Arbeitgeber tragen. Nach der Rechtsprechung des BAGs begründeten die Vorläufervorschriften §§ 7, 59 BAT für im öffentlichen Dienst Beschäftigte eine arbeitsvertragliche Pflicht, sich einer entsprechenden medizinischen Begutachtung zu unterziehen. Darin liege zwar ein Eingriff in die Intimsphäre und damit in das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG). Der sei aber in der Abwägung mit den Interessen des Arbeitgebers grundsätzlich zumutbar.
Ein Verstoß gegen diese Pflicht konnte eine ordentliche verhaltensbedingte oder sogar eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rechtfertigen. Das galt sowohl für die unterlassene Beantragung einer Rente, als auch für die Weigerung, sich untersuchen zu lassen. Auch wer beispielsweise den untersuchenden Arzt nicht von seiner Schweigepflicht entband, oder sich weigerte, diesem Dokumente früherer Untersuchungen herauszugeben, konnte gekündigt werden. Das Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein hat diese Rechtsprechung unter Geltung des TVöD bereits bestätigt. Um die Berechtigung diese Rechtsprechung ging es nun auch in einem aktuellen Urteil des LAG Rheinland-Pfalz (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.02.2010, 6 Sa 640/09).
Der Fall des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz: Arbeitgeber ordnet ärztliche Untersuchung wegen Zweifeln an Dienstfähigkeit einer Beschäftigten an. Wegen Weigerung erhält Arbeitnehmerin Abmahnung und außerordentliche Kündigung
Die Klägerin war bei der beklagten Bundeswehr in Vollzeit als Schreibkraft in einem Bundeswehrkrankenhaus angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis fand über eine Bezugnahmeklausel der BAT, später der TVöD Anwendung.
Die Klägerin war seit längerem anerkannt schwerbehindert (60% Behinderung) und deshalb nach dem TV ordentlich nicht kündbar.
Nachdem ihre Arbeitsergebnisse sich deutlich verschlechtert hatten, äußerte der leitende Flottenarzt ernsthafte Zweifel an ihrer Dienstfähigkeit und empfahl dringend, ein medizinisches sowie ein psychiatrisches Gutachten erstellen zu lassen. Die Arbeitgeberin fasste einen entsprechenden Beschluss unter ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrates und der Behindertenbeauftragten. Zur ersten anberaumten Untersuchung erschien die Klägerin nicht. In einem zweiten Termin wurden dann erhebliche Zweifel an ihrer Erwerbsfähigkeit festgestellt.
Sie wurde daraufhin dreimal aufgefordert, einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen unterließ dies aber. Mitte 2006 bat der Arbeitgeber sie im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) nach § 84 Abs. 2 des neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) zu einem Gespräch. Auch diese Einladung lehnte die Klägerin ab.
Der Arbeitgeber forderte sie daraufhin erneut auf, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen. Nachdem die Klägerin auch dem nicht Folge geleistet hatte, erteilte der Arbeitgeber ihr eine Abmahnung.
Nachdem sie zu einem vierten Untersuchungstermin erneut nicht erschienen war, kündigte der Arbeitgeber mit Zustimmung des Personalrates und des Integrationsamts das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sozialer Auslauffrist.
In ihrer Kündigungsschutzklage behauptete die Klägerin insbesondere, die Abmahnung habe sie nie erhalten, schon deshalb sei die Kündigung nicht gerechtfertigt. Außerdem habe der Arbeitnehmer es unterlassen, ein BEM vorzunehmen um einen leidensgerechten Arbeitsplatz für sie zu finden, wozu er nach § 84 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) verpflichtet gewesen wäre. Die Klage wurde abgewiesen, die Klägerin legte gegen das Urteil Berufung zum LAG ein.
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Außerordentliche Kündigung rechtmäßig
Die Berufung wurde ebenfalls zurückgewiesen, d.h. die Arbeitnehmerin unterlag.
Das LAG sah die außerordentliche Kündigung als gerechtfertigt an. Es gab für den Arbeitgeber einen begründeten Anlass, eine Untersuchung anzuordnen, so das Gericht. Indem die Arbeitnehmerin diese mehrfach verweigert hatte, habe sie ihre arbeitsvertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt. Eine weitere Abmahnung hielt das LAG nicht für nötig. Dass der Arbeitnehmerin die Abmahnung möglicherweise nicht zugegangen war, sei nämlich irrelevant, weil auch eine formell unwirksame Abmahnung die Warnfunktion erfülle.
Ein betriebliches Eingliederungsmanagement ist zwar grundsätzlich notwendig, so das LAG weiter. Dieser Pflicht kann der Arbeitgeber aber nur nachkommen, wenn eine Mitwirkungsbereitschaft des Arbeitnehmers besteht. An dieser habe die Klägerin es fehlen lassen.
Das Urteil scheint auf den ersten Blick überzeugend, die Verweigerungshaltung der Klägerin zu beharrlich, als dass eine Kündigung hätte unwirksam sein können.
Dennoch wirft die Entscheidung einige grundsätzliche und einige einzelfallbezogene Fragen auf. Zunächst erscheint die Entbehrlichkeit einer weiteren Abmahnung fraglich. Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass eine nur formell unwirksame Abmahnung im Rahmen der Kün-digung ausreicht, weil sie dem Arbeitnehmer ausreichend vor Augen führt, dass sein Verhalten nicht geduldet wird. Im vorliegenden Fall hatte die Arbeitnehmerin allerdings vorgetragen, die Abmahnung gar nicht erhalten zu haben. Dass die Abmahnung dennoch ihre Warnfunktion erfüllen soll, überrascht etwas: Was nicht zugeht, kann auch nicht warnen.
Interessanter ist jedoch das Verhältnis einer verweigerten ärztlichen Untersuchung zu einem BEM. Ohne ein ausreichend durchgeführtes BEM läuft der Arbeitgeber Gefahr, dass eine krankheitsbedingte Kündigung unwirksam ist. Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 10.12.2009, 2 AZR 400/08) hat dem Arbeitgeber dabei eine recht aktive Rolle zugedacht: Selbst die Weigerung der Arbeitnehmerin an einem BEM teilzunehmen, enbindet ihn nicht von der Pflicht zur Durchführung der BEM. Im entschiedenen Fall hielt das BAG die Kündigung deshalb für unwirksam, gab dem Arbeitgeber jedoch mit auf den Weg, er hätte die Arbeitnehmer, die sich grundsätzlich zur Durchführung eines BEM bereit erklärt hatte, dann jedoch eine Reha-Maßnahme verweigerte, zur Durchführung der Reha anhalten und im Weigerungsfall (verhaltensbedingt) kündigen können (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/074: Anforderungen an betriebliches Eingliederungsmanagment).
Zu bedenken ist jedoch, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet ist, sich auf ein BEM einzulassen. Anders als im vom BAG entschiedenen Fall hatte die Arbeitnehmerin im vorliegenden Fall sich nicht zu einem BEM bereit erklärt. Da die ärztliche Untersuchung nicht nur dazu dienen sollte, dem Arbeitgeber Klarheit über die Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmerin zu verschaffen, sondern auch ein BEM einleiten sollte, stellt sich durchaus die Frage, ob die Arbeitnehmerin nicht zu Recht eine ärztliche Untersuchung verweigert hat. Hiermit setzt sich das LAG nicht auseinander.
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Letzte Überarbeitung: 24. August 2016
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