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BAG, Ur­teil vom 15.01.2014, 10 AZR 243/13

   
Schlagworte: Wettbewerbsverbot, Karenzentschädigung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZR 243/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 15.01.2014
   
Leitsätze: Wird bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt, ohne dass eine Mindesthöhe iSv. § 74 Abs. 2 HGB vereinbart wird, ist das Wettbewerbsverbot für den Arbeitnehmer unverbindlich.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Oldenburg, Teilurteil vom 20.3.2012 - 1 Ca 531/10
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 9.1.2013 - 16 Sa 563/12
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


10 AZR 243/13
16 Sa 563/12
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Nie­der­sach­sen

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

15. Ja­nu­ar 2014

UR­TEIL

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­ter, Wi­derkläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

Streit­hel­fer,

pp.

Kläger, Wi­der­be­klag­ter, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 15. Ja­nu­ar 2014 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Mi­kosch, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt
 


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Schmitz-Scho­le­mann und Rein­fel­der so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kiel und Gut­hier für Recht er­kannt:

1. Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen vom 9. Ja­nu­ar 2013 - 16 Sa 563/12 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Der Streit­hel­fer trägt die Kos­ten der Streit­hil­fe. Der Be­klag­te hat die übri­gen Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Zah­lung ei­ner Ka­ren­zentschädi­gung für die Mo­na­te Sep­tem­ber und Ok­to­ber 2010.

Der Be­klag­te pro­du­ziert und ver­treibt Fut­ter- und Pfle­ge­mit­tel für Pfer­de. Der Kläger war bei ihm seit dem 1. Ja­nu­ar 2008 als Ex­port­ver­triebs­mit­ar­bei­ter an­ge­stellt. Er be­zog ein Mo­nats­ge­halt von 7.500,00 Eu­ro brut­to; die pri­va­te Pkw-Nut­zung wur­de iHv. 1.089,20 Eu­ro brut­to als geld­wer­ter Vor­teil be­wer­tet.

Der Ar­beits­ver­trag vom 24. Sep­tem­ber 2007 enthält ua. fol­gen­de Re­ge­lung:

„§ 15 Wett­be­werbs­ver­ein­ba­rung

(1) Der Mit­ar­bei­ter ver­pflich­tet sich, nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses für die Dau­er von 2 Jah­ren für kein Kon­kur­renz­un­ter­neh­men selbstständig oder un­selbstständig tätig zu wer­den.

(2) Die Fir­ma ver­pflich­tet sich, dem Mit­ar­bei­ter für die Dau­er des Wett­be­werbs­ver­bo­tes ei­ne Entschädi­gung zu zah­len, die in ihr Er­mes­sen ge­stellt wird. Die Ka­ren­zentschädi­gung ist fällig am En­de ei­nes je­den Mo­nats.

(3) Auf die Ka­ren­zentschädi­gung wird al­les an­ge­rech­net, was der Mit­ar­bei­ter durch an­der­wei­ti­ge Ver­wer­tung sei­ner Ar­beits­kraft er­wirbt oder zu er­wer­ben böswil­lig un­terlässt.

(4) Der Mit­ar­bei­ter ist ver­pflich­tet, während der Dau­er des Wett­be­werbs­ver­bo­tes auf Ver­lan­gen Aus­kunft über die

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Höhe sei­ner Bezüge zu ge­ben und die An­schrif­ten sei­nes je­wei­li­gen Ar­beit­ge­bers mit­zu­tei­len. Am Schluss ei­nes Ka­len­der­jah­res ist er ver­pflich­tet, sei­ne Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung vor­zu­le­gen.“

Der Be­klag­te kündig­te das Ar­beits­verhält­nis or­dent­lich „aus be­triebs­wirt­schaft­li­chen Gründen“ zum 31. Au­gust 2010. Der Kläger erklärte mit Schrei­ben vom 31. Au­gust 2010, er wer­de sich an das ver­trag­li­che Wett­be­werbs­ver­bot hal­ten und er­war­te bis zum 15. Sep­tem­ber 2010 ei­ne Bestäti­gung, in wel­cher Höhe der Be­klag­te die mo­nat­li­che Ka­ren­zentschädi­gung zah­len wer­de, min­des­tens sei sie je­doch in der ge­setz­li­chen Höhe zu leis­ten.


Der Be­klag­te focht dar­auf­hin mit Schrei­ben vom 8. Sep­tem­ber 2010 den Ar­beits­ver­trag an. Zur Be­gründung führ­te er aus, dass er von dem Kläger über die von ihm er­ziel­ba­ren Umsätze arg­lis­tig getäuscht wor­den sei. Das Wett­be­werbs­ver­bot sei un­be­stimmt und nich­tig. In je­dem Fall sei es für ihn un­ver­bind­lich. Nur hilfs­wei­se neh­me er ei­ne Er­mes­sens­ausübung vor. We­gen der ge­rin­gen Umsätze des Klägers sei ei­ne Ka­ren­zentschädi­gung von al­len­falls 20 % des letz­ten Ent­gelts an­ge­mes­sen.


Der Kläger be­zog vom 1. Sep­tem­ber bis 7. No­vem­ber 2010 Ar­beits­lo­sen­geld iHv. 74,75 Eu­ro täglich. Den ent­spre­chen­den Leis­tungs­be­scheid hat er dem Be­klag­ten eben­so über­mit­telt wie ei­ne Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung sei­nes neu­en Ar­beit­ge­bers für den Zeit­raum von 8. No­vem­ber bis 31. De­zem­ber 2010.


Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, das zwi­schen den Par­tei­en schrift­lich ver­ein­bar­te Wett­be­werbs­ver­bot ent­hal­te ei­ne Entschädi­gungs­re­ge­lung und sei des­halb nicht nich­tig. Sei die Höhe der Ka­ren­zentschädi­gung zu nied­rig, sei das Wett­be­werbs­ver­bot le­dig­lich un­ver­bind­lich; er ha­be sich für des­sen Ein­hal­tung ent­schie­den. Bei der zu tref­fen­den Er­mes­sens­ent­schei­dung sei der Be­klag­te nicht völlig frei, son­dern müsse sich an die ge­setz­li­che Min­desthöhe hal­ten. Ein Recht auf Los­sa­gung vom Wett­be­werbs­ver­bot in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 75 Abs. 1 HGB ha­be dem Be­klag­ten nicht zu­ge­stan­den. Je­den­falls ha­be er ein sol­ches Recht nicht wirk­sam aus­geübt, da ein
 


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An­fech­tungs­grund nicht be­ste­he und die Mo­nats­frist des § 75 Abs. 1 HGB nicht ge­wahrt sei.

Der Kläger hat be­an­tragt, 


den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, an ihn als Ka­ren­zentschädi­gung 4.294,50 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 6. Ok­to­ber 2010 und wei­te­re 4.294,50 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 1. No­vem­ber 2010 zu zah­len.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, das Wett­be­werbs­ver­bot sei nich­tig. Ei­ne Ka­ren­zentschädi­gung, die in das Er­mes­sen des Ar­beit­ge­bers ge­stellt wer­de, genüge dem Schrift­for­mer­for­der­nis des § 74 Abs. 1 HGB nicht, da sie nicht hin­rei­chend be­stimmt sei. Auf das Ge­setz ver­wei­se das Ver­bot ge­ra­de nicht. Ei­ne ergänzen­de Aus­le­gung, die zu ei­ner Entschädi­gung in ge­setz­li­cher Höhe führe, fin­de nicht statt. Aus die­sem Grund ver­bie­te sich auch im Rah­men der Er­mes­sens­ausübung nach § 315 BGB ein Rück­griff auf die Wer­tung des § 74 Abs. 2 HGB. Die vor­sorg­lich ge­trof­fe­ne Er­mes­sens­ausübung sei rechts­feh­ler­frei; auf­grund der schlech­ten Leis­tung des Klägers sei ei­ne Ka­ren­zentschädi­gung in Höhe von 20 % des bis­he­ri­gen Ver­diens­tes an­ge­mes­sen. Im Übri­gen ha­be sich der Be­klag­te wirk­sam von dem Wett­be­werbs­ver­bot los­ge­sagt; die Ge­samt­umstände der An­fech­tung des Ar­beits­ver­trags sei­en ihm erst­mals durch das Schrei­ben des Klägers vom 31. Au­gust 2010 be­kannt ge­wor­den. Letzt­lich ste­he ihm ein Zurück­be­hal­tungs­recht nach § 273 Abs. 1 BGB iVm. § 74c HGB zu. Der Kläger ha­be we­der sei­nen ak­tu­el­len Ar­beits­ver­trag noch ei­ne Steu­er­be­schei­ni­gung am Schluss des Vier­tel­jah­res vor­ge­legt.


Ar­beits­ge­richt und Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­ben der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on be­gehrt der Be­klag­te wei­ter­hin de­ren Ab­wei­sung. Der Streit­hel­fer ist dem Rechts­streit auf Sei­ten des Be­klag­ten bei­ge­tre­ten.
 


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Ent­schei­dungs­gründe


Die zulässi­ge Re­vi­si­on des Be­klag­ten ist un­be­gründet. Der Kläger hat aus § 15 Abs. 2 Satz 1 des Ar­beits­ver­trags vom 24. Sep­tem­ber 2007 iVm. § 315 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 BGB ei­nen An­spruch auf die be­gehr­te Ka­ren­zentschädi­gung iHv. je 4.294,50 Eu­ro brut­to für die Mo­na­te Sep­tem­ber und Ok­to­ber 2010 nebst Zin­sen.


I. § 15 des Ar­beits­ver­trags enthält ein wirk­sa­mes, aber für den Kläger un­ver­bind­li­ches Wett­be­werbs­ver­bot iSd. § 74 ff. HGB, für des­sen Ein­hal­tung er sich ent­schie­den hat.


1. Das Wett­be­werbs­ver­bot sieht in § 15 Abs. 2 des Ar­beits­ver­trags ei­ne Entschädi­gung vor (§ 74 Abs. 2 HGB) und ist des­halb nicht nich­tig; das ge­setz­li­che Schrift­for­mer­for­der­nis (§ 74 Abs. 1 HGB) ist ein­ge­hal­ten.

a) Wett­be­werbs­ver­bo­te, die ent­ge­gen § 74 Abs. 2 HGB kei­ne Ka­ren­zentschädi­gung vor­se­hen, sind nich­tig (st. Rspr., zu­letzt zB BAG 28. Ju­ni 2006 - 10 AZR 407/05 - Rn. 11 mwN). We­der der Ar­beit­neh­mer noch der Ar­beit­ge­ber können aus ei­ner sol­chen Ab­re­de Rech­te her­lei­ten. Zwar sieht § 74 Abs. 2 HGB vor, das Wett­be­werbs­ver­bot sei oh­ne ei­ne der Höhe nach aus­rei­chen­de Entschädi­gungs­zu­sa­ge „un­ver­bind­lich“. Wird über­haupt kei­ne Ka­ren­zentschädi­gung ver­ein­bart, sind Un­ver­bind­lich­keit und Nich­tig­keit aber iden­tisch, weil der Ar­beit­neh­mer auch dann, wenn er das Wett­be­werbs­ver­bot ein­hal­ten würde, kei­ne Zah­lungs­ansprüche dar­aus her­lei­ten könn­te (BAG 13. Sep­tem­ber 1969 - 3 AZR 138/68 - Teil I: III 3 der Gründe, BA­GE 22, 125).


b) Die Par­tei­en ha­ben ei­nen An­spruch des Klägers auf ei­ne Entschädi­gung ver­ein­bart. Dass ih­re Höhe in das Er­mes­sen des Be­klag­ten ge­stellt wur­de, be­deu­tet nicht, dass kei­ne Entschädi­gung zu­ge­sagt wur­de. Dies er­gibt ei­ne Aus­le­gung von § 15 Abs. 2 des Ar­beits­ver­trags.


aa) Bei der Re­ge­lung in § 15 Abs. 2 des Ar­beits­ver­trags han­delt es sich um ei­ne ty­pi­sche Ver­trags­re­ge­lung, de­ren Aus­le­gung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt
 


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un­ein­ge­schränkt kon­trol­lier­bar ist (vgl. da­zu zu­letzt zB BAG 13. Ju­ni 2012 - 10 AZR 313/11 - Rn. 24 mwN).

bb) Durch § 15 Abs. 2 Satz 1 des Ar­beits­ver­trags hat sich der Be­klag­te - wie schon der ein­deu­ti­ge Wort­laut er­gibt - ver­pflich­tet, dem Kläger für die Dau­er des Wett­be­werbs­ver­bots ei­ne Entschädi­gung zu zah­len. Da­mit wird ein An­spruch des Klägers be­gründet, wenn er sei­ne Ver­pflich­tun­gen aus dem Wett­be­werbs­ver­bot einhält. Dar­an ändert sich durch den Re­la­tiv­satz, wo­nach die Entschädi­gung in das Er­mes­sen der Fir­ma ge­stellt wird, nichts. Die­se For­mu­lie­rung be­trifft die Höhe des Entschädi­gungs­an­spruchs, nicht den An­spruch selbst. Ei­nen übe­rein­stim­men­den an­ders­lau­ten­den Wil­len bei­der Ver­trags­par­tei­en oder sons­ti­ge Umstände, die dar­auf hin­deu­ten würden, dass die Par­tei­en ent­ge­gen § 74 Abs. 2 HGB ein entschädi­gungs­lo­ses Wett­be­werbs­ver­bot ver­ein­ba­ren woll­ten (vgl. da­zu auch BAG 28. Ju­ni 2006 - 10 AZR 407/05 - Rn. 14), be­haup­tet auch der Be­klag­te nicht. Ent­ge­gen des­sen An­nah­me er­gibt sich ei­ne Nich­tig­keit der Ver­ein­ba­rung auch nicht dar­aus, dass er - wie er meint - die Ka­ren­zentschädi­gung auf „Null“ fest­set­zen könn­te. Ei­ne sol­che Fest­set­zung wäre schon we­gen § 74 Abs. 2 HGB un­bil­lig iSv. § 315 Abs. 1 und Abs. 3 BGB, so­dass durch Ur­teil ein an­ge­mes­se­ner Entschädi­gungs­an­spruch zu be­stim­men wäre, der auf § 15 Abs. 2 des Ar­beits­ver­trags be­ruht (vgl. im Ein­zel­nen un­ten zu III). Dem Kläger wird da­her in je­dem Fall - im Rah­men des § 74c HGB - ei­ne Ka­ren­zentschädi­gung gewährt, wenn er sei­ne aus dem Wett­be­werbs­ver­bot fol­gen­den Ver­pflich­tun­gen einhält.


c) Die Par­tei­en ha­ben das ge­setz­li­che Schrift­for­mer­for­der­nis (§ 74 Abs. 1 HGB) ein­ge­hal­ten.


aa) Das nach­ver­trag­li­che Wett­be­werbs­ver­bot be­darf der Schrift­form (§ 74 Abs. 1 HGB iVm. § 126 Abs. 2 BGB). Das Schrift­for­mer­for­der­nis hat ne­ben der Klar­stel­lungs- und Be­weis­funk­ti­on vor al­lem ei­ne Warn­funk­ti­on. Es sol­len nicht nur Strei­tig­kei­ten darüber ver­mie­den wer­den, ob und mit wel­chem In­halt ei­ne Wett­be­werbs­ver­ein­ba­rung ge­schlos­sen wur­de. Viel­mehr soll der Ar­beit­neh­mer vor übe­reil­ten Ent­schlüssen im Hin­blick auf sein künf­ti­ges be­ruf­li­ches Fort­kom­men möglichst be­wahrt wer­den (BAG 14. Ju­li 2010 - 10 AZR 291/09 - Rn. 29,
 


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BA­GE 135, 116; 24. Ok­to­ber 1972 - 3 AZR 102/72 - zu I 3 der Gründe). Ein un­ter Ver­s­toß ge­gen die ge­setz­li­che Schrift­form ver­ein­bar­tes Wett­be­werbs­ver­bot ist gemäß § 125 BGB nich­tig (BAG 14. Ju­li 2010 - 10 AZR 291/09 - Rn. 28 mwN, aaO). Auf ei­ne nich­ti­ge Ver­ein­ba­rung können sich bei­de Ver­trags­par­tei­en nicht be­ru­fen.


bb) Ist durch Ge­setz Schrift­form vor­ge­schrie­ben, muss die Ur­kun­de ei­genhändig durch Na­mens­un­ter­schrift oder mit­tels no­ta­ri­ell be­glau­big­ten Hand­zei­chens un­ter­zeich­net wer­den (§ 126 Abs. 1 BGB). Bei ei­nem Ver­trag muss die Un­ter­zeich­nung der Par­tei­en auf der­sel­ben Ur­kun­de er­fol­gen (§ 126 Abs. 2 Satz 1 BGB). Nach § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB genügt es, dass je­de Par­tei die für die an­de­re Par­tei be­stimm­te Ur­kun­de un­ter­zeich­net, wenn über den Ver­trag meh­re­re gleich­lau­ten­de Ur­kun­den auf­ge­nom­men wer­den.


cc) Der von bei­den Par­tei­en un­ter­zeich­ne­te Ar­beits­ver­trag vom 24. Sep­tem­ber 2007 erfüllt die ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen. Er enthält in sei­nem § 15 die vollständi­ge Wett­be­werbs­ver­ein­ba­rung ein­sch­ließlich des An­spruchs des Klägers auf ei­ne Ka­ren­zentschädi­gung. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­klag­ten ver­langt das Schrift­form­ge­bot nicht, dass die Ka­ren­zentschädi­gung der Höhe nach be­reits fest­ge­legt wäre (BAG 28. Ju­ni 2006 - 10 AZR 407/05 - Rn. 16; 14. Au­gust 1975 - 3 AZR 333/74 - zu 1 d der Gründe). Ent­schei­dend ist viel­mehr, dass der we­sent­li­che In­halt des der Schrift­form un­ter­lie­gen­den Rechts­geschäfts sich aus der Ur­kun­de er­gibt (BAG 14. Ju­li 2010 - 10 AZR 291/09 - Rn. 33, BA­GE 135, 116 [zu ei­ner zu­sam­men­ge­setz­ten Ur­kun­de]). Dies ist der Fall.

2. Das ver­ein­bar­te Wett­be­werbs­ver­bot war für den Kläger un­ver­bind­lich, da aus ihm nicht klar er­kenn­bar war, dass die Höhe der Entschädi­gung nach § 74 Abs. 2 HGB er­reicht wird.


a) Ist in ei­nem Wett­be­werbs­ver­bot ei­ne ge­genüber der Vor­ga­be des § 74 Abs. 2 HGB zu nied­ri­ge Ka­ren­zentschädi­gung ver­ein­bart, ist die­ses nicht nich­tig, son­dern le­dig­lich un­ver­bind­lich. In der Kon­se­quenz kann sich der Ar­beit­neh­mer ent­schei­den, ob er sich an das Wett­be­werbs­ver­bot hält (st. Rspr., zB
 


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BAG 18. Ja­nu­ar 2000 - 9 AZR 929/98 - zu II a der Gründe; 13. Sep­tem­ber 1969 - 3 AZR 138/68 - zu Teil I: III 3 der Gründe, BA­GE 22, 125; vgl. auch für den Fall des un­zulässig be­ding­ten Wett­be­werbs­ver­bots oder des un­ver­bind­li­chen Vor­ver­trags: 14. Ju­li 2010 - 10 AZR 291/09 - Rn. 18 ff. mwN, BA­GE 135, 116). Über den Fall ei­ner kon­kret zu nied­ri­gen Ka­ren­zentschädi­gung hin­aus tritt die Un­ver­bind­lich­keit aber auch ein, wenn aus dem Wett­be­werbs­ver­bot selbst un­klar bleibt, ob die ge­setz­li­che Entschädi­gungshöhe er­reicht wird (Bau­er/Dil­ler Wett­be­werbs­ver­bo­te 6. Aufl. Rn. 454 [„an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung“]; Oet­ker/ Kot­zi­an-Marggraf HGB 3. Aufl. § 74 Rn. 27; vgl. zur Ge­fahr der Un­klar­heit bei der Zu­sa­ge fes­ter Entschädi­gungs­sum­men: Preis/Stof­fels Der Ar­beits­ver­trag 4. Aufl. II W 10 Rn. 59). In die­sem Fall kann der Ar­beit­neh­mer nämlich nicht be­reits bei Ab­schluss des Wett­be­werbs­ver­bots be­ur­tei­len, ob ihm ei­ne Ka­ren­zentschädi­gung in der ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Höhe zu­ge­sagt ist (BAG 14. Ju­li 1981 - 3 AZR 414/80 - zu I 1 b der Gründe) und er sich des Wett­be­werbs zwin­gend ent­hal­ten muss (vgl. zu die­sem Ge­dan­ken BAG 14. Ju­li 2010 - 10 AZR 291/09 - Rn. 14, aaO).


b) Ein sol­cher Fall der Un­ge­wiss­heit über die Höhe der Entschädi­gung liegt hier vor. § 15 Abs. 2 Satz 1 des Ar­beits­ver­trags sieht zwar ei­nen An­spruch auf Entschädi­gung vor. We­der wird je­doch in der Ver­ein­ba­rung ei­ne kon­kre­te Sum­me ge­nannt, noch wird durch ei­ne Ver­wei­sung auf die ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten (vgl. zu ei­ner sol­chen Fall­ge­stal­tung: BAG 28. Ju­ni 2006 - 10 AZR 407/05 -; 14. Au­gust 1975 - 3 AZR 333/74 -) für den Ar­beit­neh­mer hin­rei­chend deut­lich ge­macht, dass ei­ne Ka­ren­zentschädi­gung min­des­tens in der ge­setz­lich ge­for­der­ten Höhe ge­schul­det wird.


3. Der An­spruch auf Ka­ren­zentschädi­gung aus ei­nem un­ver­bind­li­chen Wett­be­werbs­ver­bot setzt vor­aus, dass der Ar­beit­neh­mer sich zu Be­ginn der Ka­renz­zeit für die Ein­hal­tung des Wett­be­werbs­ver­bots ent­schei­det. Mit Schrei­ben vom 31. Au­gust 2010 hat der Kläger aus­drück­lich ge­genüber dem Be­klag­ten erklärt, sich an das Wett­be­werbs­ver­bot hal­ten zu wol­len, und da­mit sein Wahl­recht aus­geübt. Mit der Wett­be­werb­sent­hal­tung ent­steht der An­spruch auf Entschädi­gung (BAG 14. Ju­li 2010 - 10 AZR 291/09 - Rn. 22, BA­GE 135, 116).
 


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II. Der Be­klag­te hat sich nicht wirk­sam in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 75 Abs. 1 HGB vom Wett­be­werbs­ver­bot los­ge­sagt.


1. Der Ar­beit­ge­ber kann sich nach § 75 Abs. 1 HGB ana­log bin­nen ei­nes Mo­nats von dem Wett­be­werbs­ver­bot los­sa­gen, wenn er das Ar­beits­verhält­nis aus wich­ti­gem Grund gekündigt hat (BAG 23. No­vem­ber 2004 - 9 AZR 595/03 - zu A I 3 der Gründe, BA­GE 112, 376; 19. Mai 1998 - 9 AZR 327/96 -) oder die Par­tei­en aus glei­chem Grund das Ar­beits­verhält­nis ein­ver­nehm­lich auf­gelöst ha­ben (BAG 26. Ja­nu­ar 1973 - 3 AZR 233/72 -). Glei­ches gilt, wenn zwar nur ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung erklärt wur­de, aber für den Ar­beit­neh­mer er­kenn­bar ist, dass die­se nur das mil­de­re Mit­tel ge­genüber der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung dar­stellt (BAG 18. No­vem­ber 1967 - 3 AZR 471/66 - BA­GE 20, 162). Ei­ne Erklärung nach § 75 Abs. 1 HGB ver­folgt das Ziel, dass al­le bei­der­sei­ti­gen Rech­te und Pflich­ten aus ei­ner Wett­be­werbs­ver­ein­ba­rung weg­fal­len sol­len. Will sich ein Ar­beit­ge­ber in die­ser Wei­se von der ver­ein­bar­ten Kon­kur­renz­klau­sel los­sa­gen, muss er klar zum Aus­druck brin­gen, dass er nicht nur selbst kei­ne Ka­ren­zentschädi­gung zah­len, son­dern auch den Ar­beit­neh­mer von des­sen Un­ter­las­sungs­pflicht ent­bin­den will (BAG 13. April 1978 - 3 AZR 822/76 - zu II 2 der Gründe). Die Los­sa­gung muss ein­deu­tig er­fol­gen (ErfK/Oet­ker 14. Aufl. § 75 HGB Rn. 5).

2. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen nicht vor. Ei­ne Kündi­gung aus wich­ti­gem Grund hat der Be­klag­te mit Schrei­ben vom 30. Ju­li 2010 nicht aus­ge­spro­chen, son­dern ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung aus „be­triebs­wirt­schaft­li­chen Gründen“. Im Übri­gen ist im Hin­blick auf die­se Kündi­gung in­ner­halb der Mo­nats­frist des § 75 Abs. 1 HGB kei­ne Erklärung zum Wett­be­werbs­ver­bot ab­ge­ge­ben wor­den.


Ob ei­ne er­folg­rei­che An­fech­tung des Ar­beits­ver­trags nach § 123 BGB den Be­klag­ten in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 75 Abs. 1 HGB eben­falls zur Los­sa­gung be­rech­tigt hätte (so LAG München 19. De­zem­ber 2007 - 11 Sa 294/07 -; zu­stim­mend Bau­er/Dil­ler Rn. 653), kann da­hin­ste­hen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat rechts­kräftig fest­ge­stellt, dass der Ar­beits­ver­trag durch den Be-klag­ten man­gels An­fech­tungs­grund nicht wirk­sam an­ge­foch­ten wur­de. Im Übri­gen dürf­te das Schrei­ben vom 8. Sep­tem­ber 2010 nicht die An­for­de­run­gen an


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ei­ne Los­sa­gungs­erklärung erfüllen; im We­sent­li­chen hat der Be­klag­te sich dort nur auf die ver­meint­li­che Nich­tig­keit des Wett­be­werbs­ver­bots be­ru­fen.


III. Der Kläger hat aus § 15 Abs. 2 Satz 1 des Ar­beits­ver­trags iVm. § 74 Abs. 2 HGB, § 315 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 BGB ei­nen An­spruch auf ei­ne Ka­ren­zentschädi­gung iHv. 50 % sei­ner zu­letzt be­zo­ge­nen ver­tragsmäßigen Leis­tun­gen. Für die streit­ge­genständ­li­chen Mo­na­te er­gibt dies den von ihm be­an­spruch­ten Be­trag von je­weils 4.294,50 Eu­ro brut­to.

1. Ent­schließt sich der Ar­beit­neh­mer zur Ein­hal­tung ei­nes für ihn un­ver­bind­li­chen Wett­be­werbs­ver­bots, hat er An­spruch auf die ver­trag­lich ver­ein­bar­te Entschädi­gung, nicht hin­ge­gen auf die Min­des­tentschädi­gung nach § 74 Abs. 2 HGB (vgl. BAG 14. Ju­li 2010 - 10 AZR 291/09 - Rn. 38, BA­GE 135, 116; 18. Ja­nu­ar 2000 - 9 AZR 929/98 - zu II a der Gründe).


2. Ver­trag­lich ver­ein­bart ha­ben die Par­tei­en ei­ne Entschädi­gung, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Be­klag­ten ge­stellt wur­de. Stel­len die Par­tei­en ei­ne Leis­tung in das Er­mes­sen ei­ner Ver­trags­par­tei, hat die Leis­tungs­be­stim­mung man­gels ab­wei­chen­der An­halts­punk­te gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach bil­li­gem Er­mes­sen zu er­fol­gen (BAG 12. Ok­to­ber 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 25, BA­GE 139, 283 [zur Höhe ei­nes Bo­nus]).

a) Ei­ne Leis­tungs­be­stim­mung ent­spricht bil­li­gem Er­mes­sen, wenn die we­sent­li­chen Umstände des Falls ab­ge­wo­gen und die bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen an­ge­mes­sen berück­sich­tigt wor­den sind. Die Leis­tungs­be­stim­mung nach bil­li­gem Er­mes­sen ver­langt ei­ne Abwägung der wech­sel­sei­ti­gen In­ter­es­sen nach ver­fas­sungs­recht­li­chen und ge­setz­li­chen Wer­tent­schei­dun­gen, den all­ge­mei­nen Wer­tungs­grundsätzen der Verhält­nismäßig­keit und An­ge­mes­sen­heit so­wie der Ver­kehrs­sit­te und Zu­mut­bar­keit. In die Abwägung sind al­le Umstände des Ein­zel­falls ein­zu­be­zie­hen. Wel­che Umstände dies im Ein­zel­nen sind, hängt auch von der Art der Leis­tungs­be­stim­mung ab, die der Be­rech­tig­te zu tref­fen hat (BAG 10. Ju­li 2013 - 10 AZR 915/12 - Rn. 28). Maßgeb­lich ist der Zeit­punkt, in dem der Ar­beit­ge­ber die Er­mes­sens­ent­schei­dung zu tref­fen hat. Die Dar­le­gungs- und Be­weis­last dafür, dass die Leis­tungs­be­stim­mung der Bil­lig­keit ent-
 


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spricht, hat der Be­stim­mungs­be­rech­tig­te zu tra­gen. Dem In­ha­ber des Be­stim­mungs­rechts nach § 315 Abs. 1 BGB ver­bleibt für die rechts­ge­stal­ten­de Leis­tungs­be­stim­mung ein nach bil­li­gem Er­mes­sen aus­zufüllen­der Spiel­raum. In­ner­halb des Spiel­raums können dem Be­stim­mungs­be­rech­tig­ten meh­re­re Ent­schei­dungsmöglich­kei­ten zur Verfügung ste­hen (st. Rspr., zu­letzt zB BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 679/12 - Rn. 34 mwN).

b) Ob die Ent­schei­dung der Bil­lig­keit ent­spricht, un­ter­liegt der vol­len ge­richt­li­chen Kon­trol­le, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB (vgl. BAG 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 624/06 - Rn. 29). Die­se Sach­ent­schei­dung ist we­gen der zu berück­sich­ti­gen­den Umstände des Ein­zel­falls vor­ran­gig den Tat­sa­chen­ge­rich­ten vor-be­hal­ten (BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 679/12 - Rn. 35 mwN). Wel­che Fol­gen hier­aus für die Reich­wei­te der Über­prüfung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt zu zie­hen sind, kann da­hin­ste­hen (vgl. da­zu BAG 14. Ju­li 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 92 mwN, BA­GE 135, 128). Die lan­des­ar­beits­ge­richt­li­che Ent­schei­dung hält auch ei­ner un­ein­ge­schränk­ten Über­prüfung stand.

3. Die durch den Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 8. Sep­tem­ber 2010 ge­trof­fe­ne Be­stim­mung der Ka­ren­zentschädi­gung auf 20 % der vom Kläger zu­letzt be­zo­ge­nen Ent­gel­te ent­spricht nicht bil­li­gem Er­mes­sen iSd. § 315 Abs. 1 BGB.

a) Durch die Ka­ren­zentschädi­gung sol­len die Nach­tei­le aus­ge­gli­chen wer­den, die dem Ar­beit­neh­mer durch die Ein­schränkung sei­nes Er­werbs­le­bens in­fol­ge der Ka­renz ent­ste­hen (BAG 14. Sep­tem­ber 2011 - 10 AZR 198/10 - Rn. 11; 22. Ok­to­ber 2008 - 10 AZR 360/08 - Rn. 14). Um­ge­kehrt soll das Wett­be­werbs­ver­bot den Ar­beit­ge­ber da­vor schützen, dass Be­triebs­ge­heim­nis­se be­kannt wer­den oder der Ar­beit­neh­mer sein Wis­sen um be­trieb­li­che Abläufe und Geschäfts­ver­bin­dun­gen für ei­ne Kon­kur­renztätig­keit aus­nutzt (vgl. BAG 26. Mai 1992 - 9 AZR 27/91 - zu 3 der Gründe; 19. Mai 1983 - 2 AZR 171/81 - zu B II 2 der Gründe) und in den Kun­den- und Lie­fe­ran­ten­kreis des Ar­beit­ge­bers ein­bricht (BAG 21. April 2010 - 10 AZR 288/09 - Rn. 15, BA­GE 134, 147). Dem­ent­spre­chend können grundsätz­lich al­le Umstände Berück­sich­ti­gung fin­den, die mit dem Schutz be­rech­tig­ter geschäft­li­cher In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ei­ner-



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seits und der Er­schwe­rung des be­ruf­li­chen Fort­kom­mens des Ar­beit­neh­mers an­de­rer­seits in Zu­sam­men­hang ste­hen.

b) Darüber hin­aus ist aber die ge­setz­ge­be­ri­sche Ent­schei­dung des § 74 Abs. 2 HGB zu be­ach­ten, wo­nach die Entschädi­gung min­des­tens die Hälf­te der zu­letzt be­zo­ge­nen ver­trags­gemäßen Leis­tun­gen er­rei­chen muss. Der Ge­setz­ge­ber hat den dort be­stimm­ten Min­dest­be­trag als an­ge­mes­sen an­ge­se­hen, um die ge­gen­sei­ti­gen In­ter­es­sen im Re­gel­fall in Ein­klang zu brin­gen. Die­ses Min­dest­maß an Entschädi­gung muss ge­wahrt blei­ben, auch wenn die Wett­be­werbs­be­schränkung nur ein ge­rin­ges Maß er­reicht (BAG 18. No­vem­ber 1967 - 3 AZR 471/66 - zu III der Gründe, BA­GE 20, 162; Münch­KommHGB/von Ho­y­nin­gen-Hue­ne 3. Aufl. § 74 Rn. 43). In Fällen, in de­nen das be­ruf­li­che Fort¬kom­men be­son­ders stark be­ein­träch­tigt wird, kann ei­ne höhe­re Ka­ren­zentschädi­gung er­for­der­lich sein, da­mit das Wett­be­werbs­ver­bot nicht als un­ver­bind­lich iSv. § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB an­zu­se­hen ist (vgl. zum Verhält­nis von § 74a Abs. 1 Satz 1 zu Satz 2 und zu den Rechts­fol­gen: BAG 21. April 2010 - 10 AZR 288/09 - BA­GE 134, 147; Bau­er/Dil­ler Rn. 346). Die Fest­le­gung ei­ner ge­rin­ge­ren Entschädi­gung schei­det hin­ge­gen aus. An­ders als die Re­vi­si­on an­nimmt, be­deu­tet dies nicht, dass im Fall ei­nes un­ver­bind­li­chen Wett­be­werbs­ver­bots ei­ne Ka­ren­zentschädi­gung, die un­ter­halb der von § 74 Abs. 2 HGB vor­ge­schrie­be­nen Höhe liegt, stets auf die­sen Be­trag zu erhöhen wäre. Der Ar­beit­neh­mer weiß in die­sem Fall, wel­che Entschädi­gung ihm zu­steht, wenn er sein Wahl­recht zu­guns­ten ei­ner Ein­hal­tung des für ihn un­ver­bind­li­chen Wett­be­werbs­ver­bots ausübt und ist da­durch geschützt. Ist aber ei­ne Er­mes­sens­ent­schei­dung nach § 315 BGB zu tref­fen, kann die­se nicht oh­ne Be­ach­tung des vom Ge­setz­ge­ber fest­ge­leg­ten Min­dest­wer­tes er­fol­gen.


c) Da­nach ist die vom Be­klag­ten vor­ge­nom­me­ne Leis­tungs­be­stim­mung schon des­halb un­bil­lig, weil sie den in § 74 Abs. 2 HGB fest­ge­leg­ten Wert un­ter­schrei­tet.


4. Die von den Vor­in­stan­zen vor­ge­nom­me­ne Be­stim­mung der Höhe der Ka­ren­zentschädi­gung gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB auf die Hälf­te der zu­letzt be­zo­ge­nen Vergütung ist da­nach nicht zu be­an­stan­den. Sie berück­sich­tigt
 


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die Vor­ga­be des § 74 Abs. 2 HGB. Ei­ne höhe­re Entschädi­gung be­gehrt der Kläger nicht, so­dass da­hin­ste­hen kann, wel­che be­rech­tig­ten In­ter­es­sen bei­der Par­tei­en darüber hin­aus Berück­sich­ti­gung fin­den müss­ten.

5. Die Ka­ren­zentschädi­gung ist auch der Höhe nach zu­tref­fend be­rech­net. Der Kläger er­hielt ein Fest­ge­halt von 7.500,00 Eu­ro brut­to mo­nat­lich; die pri­va­te Nut­zung des ihm über­las­se­nen Kfz wur­de als geld­wer­ter Vor­teil iHv. 1.089,20 Eu­ro brut­to an­ge­setzt (zur Berück­sich­ti­gung die­ses Sach­be­zugs bei der Er­mitt­lung der Ka­ren­zentschädi­gung: BAG 17. Ju­ni 1997 - 9 AZR 801/95 - zu II 2 der Gründe). Hier­aus folgt grundsätz­lich ein An­spruch auf ei­ne Ka­ren­zentschädi­gung iHv. 4.294,60 Eu­ro brut­to.

Ob ei­ne An­rech­nung von Ar­beits­lo­sen­geld auf die Ka­ren­zentschädi­gung im We­ge der Aus­le­gung oder ana­lo­gen An­wen­dung des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB über­haupt in Be­tracht kommt, kann da­hin­ste­hen (kri­tisch BAG 14. Sep­tem­ber 2011 - 10 AZR 198/10 - Rn. 20 f.). Selbst wenn man zu­guns­ten des Be­klag­ten ei­ne An­rech­nungsmöglich­keit un­ter­stellt, kann nur der tatsächli­che Aus­zah­lungs­be­trag, nicht je­doch ein fik­tiv aus dem Ar­beits­lo­sen­geld hoch-ge­rech­ne­ter Brut­to­be­trag an­ge­rech­net wer­den (BAG 14. Sep­tem­ber 2011 - 10 AZR 198/10 - Rn. 22 ff. mwN). Das Ar­beits­lo­sen­geld iHv. 2.242,50 Eu­ro mo­nat­lich über­schrei­tet zu­sam­men mit der Ka­ren­zentschädi­gung iHv. 4.294,60 Eu­ro die in den streit­ge­genständ­li­chen Mo­na­ten re­le­van­te Gren­ze von 110 % des vor­her­ge­hen­den Brut­to­ent­gelts nicht.


Gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO er­gibt sich für die Mo­na­te Sep­tem­ber und Ok­to­ber 2010 je­weils ein An­spruch in Höhe von 4.294,50 Eu­ro brut­to. Der Zins­an­spruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 74b Abs. 1 HGB.


IV. Dem Be­klag­ten steht kein Zurück­be­hal­tungs­recht nach § 273 Abs. 1 BGB iVm. § 74c Abs. 2 HGB zu (vgl. da­zu BAG 23. No­vem­ber 2004 - 9 AZR 595/03 - zu A II der Gründe, BA­GE 112, 376; 12. Ja­nu­ar 1978 - 3 AZR 57/76 -). Der Kläger hat des­sen Aus­kunfts­an­spruch durch Vor­la­ge der Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung für das Jahr 2010 und des Leis­tungs­be­scheids der Agen­tur für Ar­beit erfüllt. Aus die­sen Un­ter­la­gen er­ge­ben sich al­le er­for­der­li­chen An­ga­ben zur
 


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Be­rech­nung der Höhe der Ka­ren­zentschädi­gung im Streit­zeit­raum. Die vom Be­klag­ten be­haup­te­te Ver­pflich­tung zur Vor­la­ge ei­ner Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung am Schluss ei­nes je­den Ka­len­der­vier­tel­jah­res er­gibt sich we­der aus § 15 des Ar­beits­ver­trags noch aus § 74c HGB. Im Übri­gen sah § 41b Abs. 1 EStG in der im Streit­zeit­raum an­wend­ba­ren Fas­sung ei­ne sol­che Be­schei­ni­gung nicht vor.


V. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO. 


Mi­kosch 

Schmitz-Scho­le­mann 

W. Rein­fel­der

D. Kiel 

W. Gut­hier

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