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LAG München, Urteil vom 06.05.2015, 8 Sa 982/14
Schlagworte: | Urlaubsanspruch, Urlaubsabgeltung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht München | |
Aktenzeichen: | 8 Sa 982/14 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 06.05.2015 | |
Leitsätze: | 1. Wie bereits das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 12.06.2014 - 21 Sa 221/14 ausgesprochen hat, besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz in Form eines Ersatzurlaubes nach § 280 Abs.1 BGB und § 280 Abs.3 BGB, § 283 BGB i. V. m. § 249 Abs.1 BGB, der sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 251 Abs.1 BGB in einen Abgeltungsanspruch umwandelt, nicht nur dann, wenn sich der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Untergangs des originären Urlaubsanspruchs mit der Urlaubsgewährung in Verzug befunden hat, sondern bereits dann, wenn er seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, dem Arbeitnehmer von sich aus rechtzeitig Urlaub zu gewähren. |
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Vorinstanzen: | Arbeitsgericht München, Urteil vom 13.11.2014, 13 Ca 7172/14 | |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 13.11.2014 - 13 Ca 7172/14 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltung.
Der Kläger war bei dem Beklagten seit 01.08.2001 befristet als Wissenschaftler angestellt. Das Arbeitsverhältnis wurde mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 31.12.2013. Auf dieses Anstellungsverhältnis fanden die Vorschriften des TVöD Anwendung. Das monatliche Bruttogehalt des Klägers betrug zuletzt € 5.089,23.
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Der Projektleiter der Theoriegruppe sandte einer Reihe von Mitarbeitern, u. a. auch dem Kläger, eine E-Mail vom 16.05.2013 (Bl. 49 d. A.) des Inhalts, dass er von der Personalabteilung gebeten worden sei, alle Mitarbeiter darauf hinzuweisen, dass Urlaub nach Vertragsende nicht ausgezahlt bzw. an einen neuen Arbeitgeber transferiert werden könne. Urlaub, der nicht während der Vertragslaufzeit genommen werde, verfalle automatisch. Entsprechendes wurde nochmals auf einer Informationsveranstaltung für die Beschäftigten der Theoriegruppe am 18.09.2013 mitgeteilt, allerdings nahm der Kläger an dieser Veranstaltung nicht persönlich teil. Mit Schreiben vom 23.10.2013, welches der Kläger nach eigenen Angaben Anfang November 2013 erhielt, wurde er darauf hingewiesen, dass sein Vertrag mit Ablauf des 31.12.2013 ende. Außerdem wurde er gebeten, noch vorhandene Urlaubstage bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses einzubringen (Bl. 50 d. A.).
In der Folge nahm der Kläger am 15.11.2013 sowie am 02.12.2013 zwei Urlaubstage. Ausweislich der Gehaltsabrechnung für Dezember 2013 (Bl. 26 d. A.) hatte der Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch 51 Resturlaubstage. Dieser Umfang des Resturlaubs ist unstreitig.
Unter dem 23.12.2013 (Anlage K 7) verfasste der Kläger ein Schreiben zur Abgeltung seines Resturlaubs von 51 Tagen. Dies sandte er nach seinen Angaben per E-Mail noch am 23.12.2013 an den Beklagten. Von Montag, den 23.12.2013 bis über den Jahreswechsel hinaus war das Institut des Beklagten geschlossen. Mit Schreiben vom 10.01.2014 (Bl. 28 d. A.) lehnte der Beklagte den Antrag auf Urlaubsabgeltung ab mit der Begründung, der Kläger hätte seinen Urlaub im Hinblick auf das bekannte Arbeitsvertragsende am 31.12.2013 rechtzeitig einbringen müssen. Daraufhin erhob der Kläger unter dem 25.06.2014, eingegangen beim Arbeitsgericht München am selben Tag, Klage.
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht die Auffassung vertreten, er habe einen Urlaubsabgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Er habe aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse seinen Urlaub vor Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses in natura nicht nehmen können. Die E-Mail vom 16.05.2013 habe er nicht erhalten. Die Abgeltung habe er noch im Jahr 2013 beantragt. Urlaub sei abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden könne. Der gesetzliche Verfall des Urlaubs zum 31.12. gelte nicht mehr für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Nach Aufgabe der Surrogationstheorie durch das Bundesarbeitsgericht folge der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht mehr dem strengen Fristenregime, das für den originären Urlaubserteilungsanspruch gelte. Die völlige Aufgabe der Surrogatstheorie habe zur Folge, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nunmehr einen auf eine finanzielle Vergütung gerichteten reinen Geldanspruch darstelle. Der Abgeltungsbetrag errechne sich aus dem dreifachen monatlichen Bruttolohn des Klägers in Höhe von € 5.089,23 dividiert durch 65 Arbeitstage und multipliziert mit den 51 nicht genommenen Urlaubstagen. Nachdem der Urlaubsabgeltungsantrag spätestens am 10.01.2014 bei dem Beklagten eingegangen sei, befinde sich dieser seit diesem Zeitpunkt im Verzug und habe deshalb Verzugszinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszins zu bezahlen.
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, Urlaubsabgeltung in Höhe von € 11.979,26 zuzüglich Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.01.2014 an den Kläger zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt:
Klageabweisung.
Der Beklagte hat zur Klage ausgeführt, ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG bzw. § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD bestehe nicht. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe der
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Kläger keinen Urlaubsanspruch mehr gehabt. Dieser sei mit Ablauf des Kalenderjahres 2013 verfallen. Der Kläger habe weder den ihm zustehenden Urlaub während des Urlaubsjahres beantragt noch sei ihm dieser von dem Beklagten versagt worden. Spätestens Ende Oktober habe der Kläger gewusst, dass sein Arbeitsvertrag nicht über den 31.12.2013 hinaus verlängert werden würde. Betriebliche Gründe für eine Nichtinanspruchnahme des Urlaubs hätten nicht vorgelegen. Entscheidend sei, dass der Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden müsse. Geschehe dies nicht, so verfalle der Urlaub. Ein Übertragungstatbestand habe nicht vorgelegen. Das Bundesurlaubsgesetz gehe davon aus, dass Urlaub in erster Linie in natura einzubringen und zu gewähren sei. Der Arbeitnehmer solle gerade nicht die Wahl haben zwischen der Einbringung des Urlaubs in natura und der Urlaubsabgeltung. Anderes ergebe sich auch nicht aus der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht habe lediglich entschieden, dass ein einmal entstandener Urlaubsabgeltungsanspruch ein reiner Geldanspruch sei, der auch bei Arbeitsunfähigkeit des ausscheidenden Arbeitnehmers nicht dem Fristenregime des Bundesurlaubsgesetzes unterliege. Vorliegend sei jedoch der Verfall des Abgeltungsanspruchs nicht von Belang, da ein solcher Anspruch mangels Vorhandenseins von Urlaubsansprüchen gar nicht erst entstanden sei.
Mit Endurteil vom 13.11.2014 - 13 Ca 7172/14 - hat das Arbeitsgericht München der Klage stattgegeben.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der Kläger habe einen Anspruch auf Abgeltung von 51 Urlaubstagen gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG bzw. § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG habe der Arbeitgeber den Urlaub abzugelten, der dem Arbeitnehmer wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden könne. Dies seien vorliegend die geltend gemachten 51 Resturlaubstage aus den Jahren 2012 und 2013.
Dem Kläger habe unstreitig im Dezember 2013 unmittelbar vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2013 noch ein Resturlaubsanspruch von 51 Tagen zugestanden. Dies ergebe sich auch aus der Lohnabrechnung für Dezember 2013.
Der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs sei ein reiner Geldanspruch und unterfalle nicht dem Fristenregime des Bundesurlaubsgesetzes in § 7 Abs. 3 BUrlG (BAG, Urteil v. 19.06.2012 - 9 AZR 652/10). Der Abgeltungsanspruch verfalle nicht mit Ablauf des Urlaubsjahres. Deshalb könne es dahinstehen, ob der Kläger seinen Urlaubsabgeltungsanspruch noch vor Ablauf des Kalenderjahres 2013 oder erst im Januar 2014 bei dem Beklagten ordnungsgemäß geltend gemacht habe. Nachdem der Beklagte den Abgeltungsanspruch bereits mit Schreiben vom 10.01.2014 abgelehnt habe, habe der Kläger den Abgeltungsanspruch jedenfalls innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfristen geltend gemacht.
Unzutreffend meine der Beklagte, ein Urlaubsabgeltungsanspruch sei nicht in Folge eines Verfalls des Urlaubsanspruchs mit Ablauf des Jahres 2013 gar nicht erst entstanden.
Der Abgeltungsanspruch sei ein Geldanspruch, dessen Erfüllbarkeit nicht dem Fristenregime des Bundesurlaubsgesetzes unterliege. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werde es in jedem Fall unmöglich, den Urlaub in natura zu nehmen. Dies unterscheide die Lage des ausgeschiedenen maßgeblich von der des im Arbeitsverhältnis bleibenden Arbeitnehmers. Aus diesem Grund stelle die Zuerkennung eines nicht nach § 7 Abs. 3 BUrlG befristeten Urlaubsabgeltungsanspruchs auch keine ungerechtfertigte Besserstellung des ausscheidenden Arbeitnehmers gegenüber der Situation bei Verbleib im Arbeitsverhältnis dar. Zwar könne im fortbestehenden Arbeitsverhältnis nur innerhalb des Fristenregimes des § 7 Abs. 3 BUrlG die Erfüllung des Urlaubsanspruchs verlangt werden. Jedoch sei hier eine Freistellung grundsätzlich möglich, da nicht genommener Urlaub übertragen werden könne und unter bestimmten Voraussetzungen auch werden müsse. Dagegen werde eine
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Freistellung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in jedem Fall unmöglich. In § 7 Abs. 4 BUrlG selbst sei kein Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs geregelt. Auch mache der Wortlaut des § 7 Abs. 4 BUrlG die Abgeltung nicht von einer Geltendmachung, sondern allein von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängig. § 7 Abs. 3 BUrlG normiere seinem Wortlaut und Sinn nach allein die zeitliche Bindung und Übertragung des Urlaubs als Freizeitanspruch (BAG, Urteil v. 19.06.2012, bereits zitiert). Ob der Kläger den Urlaub vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich hätte nehmen können, sei im Zusammenhang mit dem Urlaubsabgeltungsanspruch unerheblich. Der Urlaubsanspruch verwandle sich gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses automatisch in einen Abgeltungsanspruch, ohne dass es dafür weiterer Handlungen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers bedürfte (BAG, Urteil v. 19.08.2003 - 9 AZR 619/02).
Die Argumentation des Beklagten, es sei zwar zutreffend, dass der Abgeltungsanspruch nicht dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG unterliege, allerdings habe vorliegend bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, nämlich am 31.12.2013, kein abzugeltender Urlaubsanspruch mehr bestanden, weil der Kläger im Urlaubsjahr 2013 keinen Urlaub beansprucht habe und betriebliche Gründe einer Inanspruchnahme des Urlaubs vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht entgegengestanden hätten, vermöge nicht zu überzeugen. Nach Auffassung der Kammer wandle sich der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestehende Urlaubsanspruch automatisch in einen Urlaubsabgeltungsanspruch. Dabei könne das Bestehen des Abgeltungsanspruchs nicht davon abhängig gemacht werden, ob das Arbeitsverhältnis zum 31.12., d. h. mit Ablauf des Urlaubsjahres, ende oder zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt während des Urlaubsjahres. Mit der Argumentation des Beklagten würde eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses etwa zum 30.12. im Falle des Klägers zur Folge haben, dass er einen vollen Urlaubsabgeltungsanspruch erhielte, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur einen Tag später würde in der juristischen Sekunde vor Entstehen des Abgeltungsanspruchs der gesamte Urlaubsanspruch verfallen. Dies würde zu unbilligen Ergebnissen führen.
Es sei vorliegend auch unerheblich, dass der Kläger vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses entgegen den Aufforderungen des Beklagten keinen Urlaub geltend gemacht habe. Wolle der Arbeitgeber die Umwandlung verhindern, müsse er den Urlaubsanspruch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllen, indem er erkläre, zu einem bestimmten Zeitpunkt Urlaub zu erteilen, sofern Urlaubswünsche des Arbeitnehmers i. S. einer „Inanspruchnahme“ nicht erfolgt seien (vgl. Hessisches LAG, Urteil v. 25.01.2013 - 14 Sa 865/12). Ebenso wie der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch auch dadurch erfüllen könne, dass er den Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch freistelle (st. Rspr. des BAG, vgl. nur Urteil v. 14.08.2007 - 9 AZR 934/06), könne er eine solche Freistellung auch vor Ablauf der Befristung eines Arbeitsverhältnisses ohne weiteres vornehmen. Die Freistellung bei Urlaub erfolge durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Grundsätzlich habe der Arbeitgeber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs zwar die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass der Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstünden, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen. Mache der Arbeitnehmer aber keine anderen Urlaubswünsche geltend, sei die Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses ebenso wie während des Laufs der Kündigungsfrist ordnungsgemäß.
Vorliegend habe der Kläger den Urlaub auch wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr nehmen können. Der Gesetzeswortlaut in § 7 Abs. 4 BUrlG stelle nicht darauf ab, aus welchen Gründen der Urlaub nicht mehr eingebracht werden könne und ob dies möglicherweise vom Arbeitnehmer zu vertreten sei. Bestünden bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Urlaubsansprüche, die nicht mehr erfüllt und auch nicht auf das nächste Urlaubsjahr übertragen
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werden könnten, könne der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden.
Ergänzend wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils (Bl. 86 ff. d. A.) verwiesen.
Gegen diese Entscheidung, die ihm am 26.11.2014 zugestellt wurde, wendet sich der Beklagte mit seiner am 18.12.2014 eingelegten und am 23.01.2015 begründeten Berufung.
Zur Begründung seines Rechtsmittels bringt er im Wesentlichen folgendes vor: Die Argumentation des Arbeitsgerichts, dem Kläger stünde der eingeklagte Urlaubsanspruch in Höhe von 51 Tagen zu, da er sich nach § 7 Abs. 4 BUrlG mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses automatisch in einen Abgeltungsanspruch verwandelt habe, der nach Aufgabe der Surrogationstheorie ein reiner Geldanspruch sei, sei nicht tragfähig.
Für den Resturlaub aus dem Jahr 2012 könne diese Argumentation auf keinen Fall Bestand haben.
Dieser sei zwar ausweislich der Gehaltsabrechnung von Dezember 2013 in das Jahr 2013 übertragen worden; dieser Urlaub müsse jedoch in jedem Fall mit dem 31.12.2014 erloschen sei.
Die Argumentation des Arbeitsgerichts sei jedoch auch grundsätzlich fehlerhaft. Deutlich werde dies aus der Überlegung, dass dahinstehen könne, ob der Kläger seinen Urlaubsabgeltungsanspruch im Jahr 2013 oder im Januar 2014 geltend gemacht habe. Es gehe bei der hier streitigen Rechtsfrage nicht darum, wann der Kläger seinen Abgeltungsanspruch geltend gemacht habe. In der Tat sei es für die Geltendmachung des Abgeltungsanspruchs unerheblich, ob diese noch im laufenden Urlaubsjahr erfolgt sei; nur zu dieser Frage habe das BAG in der herangezogenen Entscheidung vom 19.06.2012 - 9 AZR 652/10 - Stellung genommen. Indes müsse in einem logischen Zwischenschritt zunächst einmal überhaupt noch ein Urlaubsanspruch bestanden haben. Dass dies der Fall sein müsse, habe das Arbeitsgericht zwar indirekt zugestanden, wenn es von der Umwandlung des noch bestehenden Urlaubsanspruchs in den Abgeltungsanspruch gesprochen habe; wirklich Stellung genommen habe es zu dieser Frage jedoch nicht. Es habe lediglich darauf verwiesen, dass der Arbeitgeber die Umwandlung hätte verhindern können, wenn er den Urlaub vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses aktiv erteilt hätte. Mit keinem Wort habe das Arbeitsgericht begründet, warum in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden der Urlaub nicht mit Ablauf des 31.12. untergehen solle. Es erschließe sich nicht, warum der Arbeitgeber gezwungen sein solle, den Urlaub aktiv zu erteilen und warum der Arbeitnehmer von der Verpflichtung befreit sein solle, seinen Urlaub rechtzeitig zu beantragen.
Die in Bezug genommene Entscheidung des hessischen LAG vom 25.01.2013 helfe nicht, da die Fallkonstellation dort eine andere gewesen sei.
Auch die Argumentation des Arbeitsgerichts, wonach es zu unbilligen Ergebnissen führen würde, wenn einem Arbeitnehmer, der etwa zum 30.12. ausscheide, der volle Urlaub abgegolten werden müsse, verfange nicht. Denn wenn ein Arbeitnehmer mit 51 Tagen Resturlaub am 30.12. ausscheide, sei nur mehr ein Tag erfüllbar, so dass auch nur ein Tag abgegolten werden müsse. Das Arbeitsgericht habe hier übersehen, dass ein Abgeltungsanspruch nicht nur entstehen, sondern auch erfüllbar sein müsse, wie das BAG unter dem 24.11.1987 und dem 20.04.1989 entschieden habe.
Der maßgebliche Unterschied zwischen dem hier zu entscheidenden Sachverhalt und den bisher entschiedenen Fallkonstellationen sei somit das Datum der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Während in den übrigen Urteilen ein Ausscheiden während des laufenden Jahres zur Diskussion gestanden habe, habe das Arbeitsverhältnis des Klägers am 31.12. endet. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entstehe nach dem Wortlaut des Gesetzes jedoch nur, wenn der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden könne. Bei
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einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12. könne der Urlaub jedoch in einem logischen Zwischenschritt wegen Verfalls nicht mehr gewährt werden; denn es sei mit Ablauf des 31.12. nach § 7 Abs. 3 BUrlG erloschen. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung könne erst eine juristische Sekunde nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen. Die rechtzeitige Geltendmachung sei eine Obliegenheit des Arbeitnehmers.
Genau betrachtet stütze sich der Kläger auf zwei unterschiedliche Anspruchsgrundlagen, zum einen auf einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG, zum anderen auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 i. V. m. 249 Abs. 1 BGB. Zu letzterem bemühe der Kläger die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 12.06.2014.
Der eingeklagte Anspruch ergebe sich aber aus keiner dieser vermeintlichen Anspruchsgrundlagen.
Soweit sich der Kläger auf § 7 Abs. 4 BUrlG stützen möchte, stelle er wesentlich auf den Wegfall der Surrogationstheorie ab. Die Aufgabe dieser Theorie habe jedoch nichts mit dem vorliegend geltend gemachten Anspruch zu tun. Bei der Surrogationstheorie sei es im Ergebnis allein darum gegangen, welchen Einfluss die Entwicklung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf den Urlaubsabgeltungsanspruch habe. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zunächst als gegeben, als entstanden, hingenommen worden; anschließend sei aber zu fragen gewesen, ob er erfüllbar gewesen sei, was insbesondere bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers verneint worden sei. In einer Fallkonstellation wie der vorliegenden habe die Surrogationstheorie jedoch bereits früher keine Rolle gespielt, ihre Aufgabe sei hier unerheblich. Es liege daran, dass hier kein Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden sei, über dessen Schicksal wegen der späteren Entwicklung hätte entschieden werden können. Der Kläger und das Arbeitsgericht würden das Schicksal eines Abgeltungsanspruchs diskutieren, ohne zu überprüfen, ob im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überhaupt ein Urlaubsanspruch bestanden habe.
Dies sei aber nach wie vor die entscheidende Vorfrage. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 4 BUrlG. Dort sei die Rede davon, dass der Urlaub nicht mehr genommen werden könne, dies zudem wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Vorliegend habe der Urlaub jedoch wegen Verfalls nicht mehr gewährt werden können. Dagegen hätten weder das BAG noch der Europäische Gerichtshof Bedenken geäußert. Nach der Auffassung des Klägers würde der Urlaub des Arbeitnehmers mit Ablauf des 31.12. nicht mehr verfallen, sofern er mit Ablauf des 31.12. aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide. Verfallen würden jedoch danach die Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern, die nach dem 31.12. aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Es könne jedoch nicht ernstlich angenommen werden, dass wegen der Aufgabe der Surrogationstheorie Urlaubsansprüche generell nicht mehr mit Ablauf des Kalenderjahres verfallen sollten.
Auch der Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg in der genannten Entscheidung könne nicht gefolgt werden. Seine Interpretation des § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG sei gelinde gesagt abenteuerlich. Aus der Reihenfolge „zu gewähren und zu nehmen“ könne nicht geschlossen werden, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, Urlaub einseitig zuzuweisen. Die natürliche Reihenfolge sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer den Antrag stelle, was sich aus § 7 Abs. 1 BUrlG ergebe, wonach bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen seien. Lägen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, sei der Urlaub nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG „zu gewähren“. Erst anschließend - dies liege in der Natur der Sache und sei eine pure Selbstverständlichkeit -könne und müsse der Urlaub „genommen“ werden. Inwiefern sich aus der Formulierung „zu nehmen“ keine Verpflichtung zur Antragsstellung seitens des Arbeitnehmers ergeben solle, werde das Geheimnis des LAG Berlin-Brandenburg bleiben.
Es sei in diesem Zusammenhang noch einmal zu betonen, dass dem Kläger durch eine E-Mail vom 16.05.2013 (Anlage B 1) mitgeteilt worden sei, dass nicht genommener Urlaub automatisch verfalle.
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Diese E-Mail sei nachweisbar in den elektronischen Posteingangsbereich des Klägers gelangt. Im Übrigen habe die Beklagte den Kläger noch einmal mit Schreiben vom 13.10.2013 (Anlage B 2) darauf hingewiesen, dass noch vorhandene Urlaubstage bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses einzubringen seien, was unstreitig sei. Dass der Kläger diesen Hinweisen und der Aufforderung, Urlaub zu nehmen, nicht nachgekommen sei, könne dem Beklagten nicht angelastet werden.
Auch die Argumentation des LAG Berlin-Brandenburg, dass der Urlaub seiner Zielrichtung nach zum Arbeitsschutzrecht zähle, sei im Ergebnis nicht haltbar. Das Arbeitsschutzrecht sei klassischer Weise dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Verstöße würden nicht durch die Arbeitsgerichtsbarkeit sanktioniert. Es sei also gewagt, das Urlaubsrecht dem Arbeitsschutzrecht zuzuteilen. Allenfalls könne dies für den gesetzlichen Mindesturlaub gelten.
Ein weiterer Aspekt komme hinzu: Sollte das Urlaubsrecht tatsächlich dem Arbeitsschutzrecht zuzuordnen seien, müsste zwingend auf die Erteilung im Kalenderjahr geachtet werden. § 7 Abs. 3 BUrlG sehe jedoch explizit den Verfall vor, was bei Arbeitsschutzrecht nicht hinnehmbar wäre. Es liege auf der Hand, dass es nicht gewollt sei, dass der Arbeitgeber auch ohne Anträge den Urlaub seinen Arbeitnehmern zwangsweise gewähren müsse.
Überdies setzte ein Schadensersatzanspruch regelmäßig ein Verschulden voraus. Ein solches sei jedoch nicht feststellbar, wenn der Verfall des Urlaubsanspruchs infolge Zeitablaufs darauf zurückzuführen sei, dass der betroffene Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt habe. Dies gelte umso mehr, als dem Arbeitgeber die Anordnung eines Zwangsurlaubs nur in engen Grenzen möglich sei (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG).
Jedenfalls würde sich die Frage eines Mitverschuldens stellen.
Eine europarechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers, zwangsweise Urlaub zu erteilen, bestehe nicht.
Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass gerade im wissenschaftlichen Bereich eine vom Arbeitgeber zwangsweise ausgesprochene Urlaubserteilung einem Berufsverbot von gewisser Dauer nahekomme. Hier müsse es deshalb sein Bewenden damit haben, dass die Mitarbeiter dazu aufgefordert würden, ihren Urlaub einzubringen. Eine zwangsweise Erteilung durch den Arbeitgeber scheide, auch mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit, aus.
Schließlich sei nicht zu verkennen, dass viele Wissenschaftler gerade gegen Ende des Arbeitsverhältnisses das vitale Interesse hätten, Projekte, Experimente etc. noch zu Ende zu führen.
Die Beklagte beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München, Az. 13 Ca 7172/14, vom 13.11.2014 wird abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Ersturteil. Vollkommen zu Recht habe das Arbeitsgericht im Anschluss an das Urteil des BAG vom 19.06.2012 darauf abgestellt, dass der Abgeltungsanspruch ein reiner Geldanspruch sei und nicht dem Fristenregime des Bundesurlaubsgesetzes in dessen § 7 Abs. 3 unterfalle. Es könne daher dahinstehen, ob das Arbeitsverhältnis hier am 31.12.2013 geendet habe und somit der Urlaubsanspruch eigentlich nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen sei. Auf die juristische Sekunde, die die Beklagte für erforderlich halte, komme es nicht mehr an. In § 7 Abs. 4 BUrlG, der die Abgeltung von Resturlaub regle, werde ausdrücklich nicht auf die Fristenregelung des Abs. 3 Bezug genommen. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass der Abgeltungsanspruch den gleichen Fristen unterliegen solle, hätte er dies hier geregelt.
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Soweit der Beklagte vortrage, der Urlaub aus dem Kalenderjahr 2012 sei zwar wirksam auf das Jahr 2013 übertragen worden, jedoch jedenfalls mit dem 31.12.2013 erloschen, bleibe er hierfür jedes Argument schuldig. Wenn der Urlaub wirksam auf das Kalenderjahr 2013 übertragen worden sei, so gebe es keinen Grund dafür, dass dieser übertragene Urlaub auch dann nicht abgegolten werden müsse, wenn der Beklagte diesen nicht aktiv zugeteilt habe. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt habe, sei es nicht nur Sache des Arbeitnehmers, den Urlaub zu beantragen, sondern auch Sache des Arbeitgebers, diesen zwangsweise zuzuteilen, sofern der Arbeitnehmer den Urlaub nicht rechtzeitig beantrage.
Der Beklagte verkenne auch, dass der Europäische Gerichtshof in seinen jüngsten Urteilen immer wieder das Recht des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung gestärkt habe.
Die Frage, ob der Arbeitgeber auf die Erfüllung des Urlaubsanspruchs achten müsse, sei jüngst zutreffend vom LAG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 12.06.2014 - 21 Sa 221/14 - bejaht worden. Denn der gesetzliche Urlaubsanspruch diene dem Gesundheitsschutz und habe arbeitsschutzrechtlichen Charakter. Die beklagtenseits zitierten Urteile vom 24.11.1987 und 20.04.1989 seien durch die neuere Rechtsprechung überholt.
Zu Recht habe das Arbeitsgericht auch ausgeführt, dass das Bestehen des Abgeltungsanspruchs nicht davon abhängig gemacht werden könne, ob das Arbeitsverhältnis zum 31.12., also mit dem Ablauf des Urlaubsjahres, ende, oder zu einem beliebigen anderen
Zeitpunkt während des Urlaubsjahres. Mit der Argumentation des Beklagten würde eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.12. eines Jahres zur Folge haben, dass der Arbeitnehmer einen vollen Urlaubsabgeltungsanspruch erhielte, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur einen Tag später würde in der juristischen Sekunde vor Entstehen des Urlaubsabgeltungsanspruchs aber der gesamte Urlaubsanspruch verfallen. Dies würde zu unbilligen Ergebnissen führen, die vom Gesetzgeber nicht gewollt seien.
Auch die in der Berufungsbegründung enthaltene Argumentation, in diesem Falle sei nur ein Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von einem Tag entstanden, könne nicht überzeugen. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entstehe mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und zwar in der Höhe, in der der nicht genommene Urlaub noch vorhanden sei. Auf die Einbringungsmöglichkeit noch im laufenden Kalenderjahr könne es dabei nicht ankommen. Bei dieser Argumentation wiederum würden Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse im ersten Kalenderhalbjahr bzw. bis ca. November des streitigen Jahres endeten, gegenüber solchen Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse erst zum Ende Dezember endeten, ohne sachlichen Grund besser gestellt. Es könne und dürfe nicht davon abhängen, wann ein Arbeitsverhältnis ende; jeder
Beendigungszeitpunkt müsse zu den gleichen rechtlichen Folgen führen.
Nicht überzeugen könne auch die Argumentation des Beklagten, dass gerade im wissenschaftlichen Bereich eine Urlaubserteilung durch den Arbeitgeber ausscheide. Wenn es zutreffe, dass das Interesse bestehe, Projekte etc. noch zu Ende zu führen, würde dem Beklagten mehr Arbeitsleistung zufließen, als er bei gehöriger Urlaubserfüllung erhielte. Es sei konsequent, diesen zusätzlichen Wert durch Urlaubsabgeltung auszugleichen.
Im Termin vor der Berufungskammer hat der Kläger erklärt, er wisse nicht, ob er die von der Beklagten behauptete E-Mail vom 16.05.2013 in seinem Account erhalten habe.
Ergänzend wird wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz auf die Schriftsätze des Beklagten vom 23.01.2015 und vom 13.03.2015, auf den Schriftsatz des Klägers vom 02.03.2015 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 25.03.2015 Bezug genommen.
Der Beklagte hat am 02.04.2015 nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung einen weiteren Schriftsatz, datierend vom 31.03.2015, vorgelegt (vgl. Bl. 151 ff. d. A.). Die Kammer hat am
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05.05.2015 entschieden, dass eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht veranlasst sei (Bl. 156 d. A.).
Entscheidungsgründe
I. Die gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
1. Dem Beklagten mag insoweit zu folgen sein, als er annimmt, der erhobene Abgeltungsanspruch sei nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG bzw. aus § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD herzuleiten, weil die Urlaubsansprüche des Klägers wegen ihrer Befristung auf das Kalenderjahr (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG, § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD) und wegen des Fehlens der Übertragungsvoraussetzungen (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG, § 26 Abs. 2 TVöD) bei Ende des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.12.2013 bereits erloschen waren, sodass einer Umwandlung in einen Abgeltungsanspruch das Substrat gefehlt habe, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses also nicht mehr kausal für die Unmöglichkeit gewesen sei, den Urlaub - in natura - zu gewähren.
2. Jedoch ergibt sich der erhobene Anspruch entgegen der Auffassung des Beklagten unter Schadensersatzgesichtspunkten aus § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 BGB i. V. m. § 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB.
1. 2.1 Wie bereits das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 12.06.2014 - 21 Sa 221/14 (DB 2014, 2114 - 2116, Juris) ausgesprochen hat, besteht entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz in Form eines Ersatzurlaubes nach § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 BGB i. V. m. § 249 Abs. 1 BGB, der sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 251 Abs. 1 BGB in einen Abgeltungsanspruch umwandelt, nicht nur dann, wenn sich der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Untergangs des originären Urlaubsanspruchs mit der Urlaubsgewährung in Verzug befunden hat, sondern bereits dann, wenn er seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, dem Arbeitnehmer von sich aus rechtzeitig Urlaub zu gewähren. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber die nicht rechtzeitige Urlaubsgewährung nicht zu vertreten hat. Denn mit dem Untergang des Urlaubsanspruchs wird seine Erfüllung unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), so dass der Arbeitnehmer nach § 280 Abs. 3, § 283 Satz 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann.
a) Es kommt also nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer Urlaub beantragt und dadurch den Arbeitgeber nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verzug gesetzt hat. Es ist auch unerheblich, ob für die Gewährung von Urlaub nach § 7 Abs. 3 BUrlG eine Zeit im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nach dem Kalender bestimmt ist, oder ob ein Fall der ernsthaften und endgültigen Urlaubsverweigerung im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorliegt und sich der Arbeitgeber deshalb zum Zeitpunkt des Verfalls des originären Urlaubsanspruchs in Verzug befindet. Dem Anspruch des Klägers steht so nicht entgegen, dass er keinen Urlaub beantragt hat.
b) Der Beklagte war verpflichtet, dem Kläger seinen gesetzlichen Urlaub auch ohne vorherige Aufforderung rechtzeitig zu gewähren. Dies folgt aus der Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes unter Berücksichtigung des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 04.11.2003 („Arbeitszeitrichtlinie“).
aa) Schon der Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG, wonach der Urlaub innerhalb des dort vorgegebenen Zeitraums „zu gewähren und zu nehmen“ ist, deutet darauf hin, dass ein Arbeitgeber von sich aus und nicht erst nach entsprechender Aufforderung durch den Arbeitnehmer gehalten ist, den Urlaubsanspruch rechtzeitig im Sinne
60 des § 7 Abs. 3 BUrlG zu erfüllen. Wenn der Arbeitgeber tatsächlich nur verpflichtet sein sollte, Urlaub auf entsprechende Aufforderung des Arbeitnehmers zu gewähren, hätte die Formulierung
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nahe gelegen, dass der Urlaub „zu nehmen und zu gewähren“ ist, oder ausdrücklich zu regeln, dass der Arbeitnehmer den Urlaub so rechtzeitig zu beantragen hat, dass er noch während des genannten Zeitraums gewährt werden kann.
bb) Für diese Auslegung spricht auch der Zweck des Urlaubsanspruchs. Sowohl nach deutschem Recht als auch nach Unionsrecht dient der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten (BAG v. 24.03.2009 - 9 AZR 983/07, Rn. 67, Juris; EuGH v. 26.06.2001 - C - 173/99, Rn. 44, Juris). Er gehört damit nach seiner Zielrichtung zum Arbeitsschutzrecht. Auf diesen Charakter des Anspruchs weist auch der Umstand hin, dass der Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub in Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie geregelt ist, die nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung enthält. Für das Arbeitsschutzrecht gilt jedoch, dass der Arbeitgeber seinen Pflichten zum Gesundheitsschutz auch ohne vorherige Aufforderung nachzukommen hat (vgl. für gesetzliche und tarifliche Höchstarbeitszeitgrenzen: BAG v. 06.05.2003 - 1 ABR 13/02, Juris, Rn. 65). Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner Organisationsmacht verpflichtet, seinen Betrieb so zu organisieren, dass die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden (vgl. BAG v. 06.05.2003 -1 ABR 13/02, Juris, Rn. 65; LAG Hamm, Vorlagebeschluss vom 14.02.2013 - 16 Sa 1511/12, Juris, Rn. 85). Ebenso, wie er verpflichtet ist, von sich aus die Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz sicherzustellen (vgl. etwa BAG v. 22.07.2010 - 6 AZR 78/09, Juris, Rn. 16), ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Erfüllung des Anspruchs auf den gesetzlichen Urlaub auch ohne Aufforderung durch den Arbeitnehmer zu gewährleisten.
cc) Dem steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen hat. Denn das Recht des Arbeitgebers, die zeitliche Lage des Urlaubs festzulegen, setzt weder voraus, dass ihm der Arbeitnehmer einen Urlaubswunsch mitgeteilt hat, noch dass er den Arbeitnehmer dazu befragt hat (vgl. BAG v. 24.03.2009 - 9 AZR 983/07, Rn. 23, Juris).
2.2 Den vom Beklagten gegen diese Auffassung erhobenen Bedenken vermag die erkennende Berufungskammer nicht zu folgen.
a) Die Auffassung des Beklagten, zunächst müsse der Arbeitnehmer aktiv werden, die natürliche Reihenfolge sei, dass erst der Antrag gestellt und dann der Urlaub gewährt werde, findet im Gesetz keine Stütze. Neben der Formulierung „gewährt und genommen“, auf die das LAG Berlin-Brandenburg a. a. O. hingewiesen hat, ergibt sich dies auch aus dem Umstand, dass in § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG die - dem Arbeitgeber obliegende - zeitliche Festlegung des Urlaubs an keine Voraussetzungen wie etwa die Stellung eines konkreten Antrags durch den Arbeitnehmer geknüpft ist. Dass Urlaubswünsche nur berücksichtigt werden können, wenn sie bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs dem Arbeitgeber bekannt sind, ist zwar richtig; der Beklagte übersieht aber, dass die Urlaubserteilung nicht die Äußerung von Wünschen voraussetzt (vgl. BAG v. 24.03.2009, a. a. O.), womit aus der Pflicht zur Berücksichtigung etwa vorhandener und dem Arbeitgeber mitgeteilter Wünsche nicht auf ein Antragserfordernis des Arbeitnehmers geschlossen werden kann.
b) Nicht zutreffend ist auch die Auffassung des Beklagten, eine Argumentation mit dem arbeitsschutzrechtlichen Charakter des Urlaubsanspruchs scheide aus, weil Arbeitsschutzrecht nicht im Bereich des Zivilrechts, sondern nur in dem des öffentlichen Rechts angesiedelt sei. Der Beklagte verkennt hier schon, dass nach wohl allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur auch zivilrechtliche Vorschriften zum sog. Arbeitsschutzrecht zählen können (vgl. nur ErfK-Wank, § 618 BGB, Rn. 3). Maßgeblich kommt es im Übrigen in diesem Zusammenhang nicht auf eine abstrakte Qualifizierung, sondern darauf an, dass der Zweck des Urlaubs - wie oben ausgeführt - darin zu sehen ist, dem Arbeitnehmer Erholung zu ermöglichen und so seine Gesundheit und Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Diese Zielrichtung dürfte auch der Beklagte nicht bestreiten wollen.
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c) Nicht zu folgen ist auch der Einschätzung, dass ein Verschulden des Arbeitgebers nicht in Betracht komme, weil der Verfall des Urlaubs auf die fehlende Antragstellung zurückzuführen sei. Die diesem Gedanken zugrunde liegende Annahme, der Arbeitgeber sei ohne konkrete Antragstellung außer Stande, bestehende Urlaubsansprüche vollständig zu gewähren, ist unzutreffend. Für eine derartige Überforderung der Arbeitgeber im Allgemeinen oder des Beklagten im Speziellen fehlt jeder Anhaltspunkt. Die Sichtweise des Beklagten entspricht auch nicht der Auffassung des Gesetzgebers, der in § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG die Möglichkeit der Aufstellung von Urlaubsgrundsätzen und von Urlaubsplänen als selbstverständlich voraussetzt, wenn er diese der zwingenden Mitbestimmung eines bestehenden Betriebsrats unterwirft.
d) Auch der Hinweis auf ein Mitverschulden des Arbeitnehmers (§ 254 BGB) überzeugt nicht. Die Entstehung des Schadens kann nur der Arbeitgeber verhindern, der allein den Urlaub erteilen kann, ohne dass er dafür auf eine Mithilfe des Arbeitnehmers angewiesen wäre.
e) Die Berufungskammer vermag sich auch nicht der Auffassung anzuschließen, dass die unter 2.1 dargestellten Rechtssätze im Bereich der Forschungsunternehmen nicht gelten könnten. Werden Wissenschaftler in Forschungseinrichtungen auf der Grundlage von Arbeitsverträgen beschäftigt, beanspruchen arbeitsrechtliche Vorschriften grundsätzlich Geltung. Ansatzpunkte im Gesetz oder Tarifvertrag, die hier eine Ausnahme rechtfertigen würden, sind weder dargelegt noch ersichtlich.
Insbesondere gebietet die Berücksichtigung des objektiven Gehalts des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) keine Ausnahme. So ist nicht ersichtlich, dass im Forschungsbereich ein geringeres Bedürfnis der Beschäftigten bestünde, sich zu erholen. Dass die Erteilung des dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubs eine unverhältnismäßige Einschränkung der Forschungsfreiheit darstellt, trifft ebenso wenig zu wie die Annahme, darin liege eine rechtswidrige Einschränkung des von Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts, aus dem grd. ein Anspruch aus Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis herzuleiten ist.
f) Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass diese Erwägungen jedenfalls nur für den gesetzlichen Mindesturlaub gelten könnten, mag dem im Grundsatz beizupflichten sein; im Geltungsbereich des TVöD, wie er hier eröffnet ist, ist dieser Einwand jedoch unerheblich, weil für den tariflichen Urlaub nach § 26 Abs. 2 TVöD das Bundesurlaubsgesetz gelten soll, und weder die Sonderregelungen in § 26 Abs. 1 TVöD noch die Maßgaben in § 26 Abs. 2 TVöD für die vorliegende Fragestellung einschlägig sind.
3. Die Anwendung der oben unter 2.1 dargestellten Grundsätze ergibt, dass die Klage begründet ist.
3.1 Unstreitig stand dem Kläger zuletzt ein Urlaubsanspruch von 51 Arbeitstagen zu.
3.2 Diese Urlaubstage wurden dem Kläger vom Beklagten unstreitig nicht gewährt. Eine Freistellungserklärung zur Erfüllung dieses Urlaubsanspruchs ist nicht erfolgt.
3.3 Umstände, aus denen sich ergeben würde, dass der Beklagte das Erlöschen des Urlaubsanspruchs nicht zu vertreten hätte, sind weder vorgebracht noch ersichtlich. Insbesondere fehlt es an konkreten Anhaltspunkten, dass der Kläger auch bei erklärter Freistellung gearbeitet, den Urlaub also nicht genommen hätte.
3.4 Der somit entstandene Urlaubsersatzanspruch kann nicht mehr durch bezahlte Freistellung von der Arbeitsverpflichtung gewährt werden, da das Arbeitsverhältnis der Parteien unstreitig mit dem 31.12.2013 geendet hat; nach § 251 Abs. 1 BGB hat er sich damit in einen Abgeltungsersatzanspruch umgewandelt.
3.5 Dass der Kläger die Höhe des Betrags des Abgeltungsersatzanspruchs nicht zutreffend ermittelt hätte, behauptet auch der Beklagte nicht.
4. Die Zinsen ergeben sich aus § 288 Abs. 1 BGB.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
III. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen.
Dem Kläger steht gegen die vorliegende Entscheidung gleichwohl - mangels Beschwer -dieses Rechtsmittel nicht zur Verfügung.
Der Beklagte kann Revision zum Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe der nachfolgenden Rechtsmittelbelehrung einlegen.
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