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LAG Köln, Ur­teil vom 19.08.2011, 12 Sa 110/11

   
Schlagworte: Urlaub, Krankheit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 12 Sa 110/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 19.08.2011
   
Leitsätze:

1. Der Arbeitnehmer kann nicht gesetzlichen Urlaub neben tariflichem Urlaub fordern, vielmehr besteht für die ersten 24 Werktage - bzw. hier die ersten 20 Arbeitstage - Urlaub im Jahr Anspruchskonkurrenz durch mehrere Anspruchsgrundlagen. Wird der gesetzliche Urlaubsanspruch erfüllt, verbleibt allein der diesen Anspruch übersteigende tarifliche Erholungsurlaub. Bestehen aber für denselben Anspruch unterschiedliche Anspruchsgrundlagen, besteht kein Grund für eine Tilgungsbestimmung.

2. Deutliche Anhaltspunkte für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen unterscheidet, sind dann anzunehmen, wenn sich die Tarifvertragsparteien in weiten Teilen vom gesetzlichen Urlaubsregime lösen und stattdessen eigene Regeln aufstellen, was im Rahmen des TVöD der Fall ist.

3. Sind aber Arbeitsleistung und Vergütung aufgrund des Ruhens des Arbeitsverhältnisses gemäß § 33 Abs. 2 TVöD von vornherein ausgeschlossen, so fehlt es an einem Austauschverhältnis, aus dem Urlaubsansprüche erwachsen können

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Aachen, Urteil vom 03.12.2010, 5 Ca 367/10
   

Te­nor:

1. Die Be­ru­fung des Klägers und die An­schluss­be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Aa­chen vom 03.12.2010 – 5 Ca 367/10 d – wer­den zurück­ge­wie­sen.

2. Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens tra­gen der Kläger zu 92 % und die Be­klag­te zu 8 %.

3. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche für ins­ge­samt 163 Ur­laubs­ta­ge.

Der Kläger war bei der Be­klag­ten seit dem 01.05.1982 als Werk­statt­meis­ter zu ei­nem mo­nat­li­chen Brut­to­ge­halt von zu­letzt 3.591,57 € beschäftigt. Auf das Ar­beits­verhält­nis fin­det der TVöD An­wen­dung. Das Ar­beits­verhält­nis en­de­te auf­grund ei­nes Ver­gleichs durch ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge Kündi­gung zum 30.09.2010.

Seit dem 10.01.2005 ist der Kläger als schwer­be­hin­der­ter Mensch mit ei­nem Grad der Be­hin­de­rung von 50 % an­er­kannt.

In der Zeit vom 08.12.2004 bis zu­min­dest Au­gust 2008 war der Kläger ar­beits­unfähig krank. Im Jahr 2004 hat der Kläger zu­vor le­dig­lich 21 Ta­ge Ur­laub in An­spruch ge­nom­men. In der Zeit vom 01.07.2005 bis zu 31.01.2007 be­zog der Kläger ei­ne vol­le Er­werbs­min­de­rungs­ren­te auf Zeit. Seit dem 01.02.2007 be­zieht er gemäß Ren­ten­be­scheid vom 08.02.2007 Er­werbs­min­de­rungs­ren­te we­gen teil­wei­ser Er­werbs­min­de­rung auf un­be­stimm­te Zeit. Der Ren­ten­be­scheid we­gen teil­wei­ser Er­werbs­min­de­rung vom 08.02.2007 ging am 12.02.2007 beim V K D , dem Be­vollmäch­tig­ten des Klägers in Ren­ten­an­ge­le­gen­hei­ten, ein. Dar­auf­hin sand­te der Kläger ein Schrei­ben an die Be­klag­te mit Ein­gang am 28.02.2007, mit dem er die Wei­ter­beschäfti­gung mit re­du­zier­ter St­un­den­zahl be­an­sprucht. In der Fol­ge­zeit wur­de der Kläger von der Be­klag­ten nicht beschäftigt.

Mit am 23.08.2010 beim Ar­beits­ge­richt Aa­chen ein­ge­gan­ge­ner Kla­ge­er­wei­te­rung vom 20.08.2010, die al­lein Ge­gen­stand des Be­ru­fungs­ver­fah­rens ist und der Be­klag­ten am 30.08.2010 zu­ge­stellt wor­den ist, macht der Kläger die Ab­gel­tung von ins­ge­samt 163 Ur­laubs­ta­gen für 2004 – 2010 gel­tend.

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, für das Jahr 2004 sei­en noch 9 Ur­laubs­ta­ge ab­zu­gel­ten, für das Jahr 2005 30 Ur­laubs­ta­ge, für die Jah­re 2006 - 2009 je­weils 25 Ur­laubs­ta­ge und für das Jahr 2010 24 Ur­laubs­ta­ge. Die ta­rif­li­che Kürzungs­re­ge­lung des § 26 Abs. 2 c TVöD kom­me nur für den Ta­ri­fur­laub, nicht aber für den ge­setz­li­chen Ur­laub zur An­wen­dung. Das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses ste­he ei­nem Ent­ste­hen des Ur­laubs­an­spru­ches nicht ent­ge­gen.

Der Kläger hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn Ur­laubs­ab­gel­tung in Höhe von 27.018,88 € brut­to nebst 5 Pro­zent­punk­ten Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz ab dem 30.08.2010 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat die An­sicht ver­tre­ten, dass dem Kläger ein An­spruch auf Ab­gel­tung des über den ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruch hin­aus­ge­hen­den ta­rif­li­chen Ur­laubs nichts zu­ste­he. In Zei­ten des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses sei ein Ur­laubs­an­spruch grundsätz­lich aus­ge­schlos­sen. Je­den­falls sei­en die Ansprüche des Klägers teil­wei­se ver­fal­len, da das Ar­beits­verhält­nis­ses durch die auflösen­de Be­din­gung gemäß § 33 TVöD nach Be­zug der vollständi­gen Ren­te we­gen Er­werbs­unfähig­keit be­en­det ge­we­sen sei und der Kläger die Ansprüche nicht recht­zei­tig gel­tend ge­macht ha­be.

Mit Ur­teil vom 3. De­zem­ber 2010 hat das Ar­beits­ge­richt Aa­chen der Kla­ge teil­wei­se statt­ge­ge­ben und die Be­klag­te zur Ab­gel­tung von Ur­laubs­ta­gen für das Jahr 2005 ver­ur­teilt. Im Übri­gen hat es die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, dass dem Kläger für den Zeit­raum 01.01.2005 - 30.06.2005 10 Ur­laubs­ta­ge so­wie 3 Ta­ge Schwer­be­hin­der­ten­zu­satz­ur­laub zu­ste­hen, die noch ab­zu­gel­ten sei­en. Der Ur­laub sei nach En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses ab­zu­gel­ten, da er nicht gewährt wer­den konn­te, weil der Ar­beit­neh­mer ar­beits­unfähig er­krankt war. Die­ser Uralub sei auch nicht ver­fal­len. Der Be­klag­ten sei in­so­weit auch kein Ver­trau­ens­schutz zu gewähren. Da das Ar­beits­verhält­nis auf­grund des Ver­gleichs vom 29.09.2010 auf­grund der be­klag­ten­sei­ti­gen Kündi­gung vom 19.01.2010 zum 30.09.2010 ge­en­det ha­be, kom­me es für die Gel­tend­ma­chung und da­mit die Aus­schluss­frist auf die­sen Zeit­punkt an. Der Kläger ha­be den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch aber be­reits mit Kla­ge­er­wei­te­rung vom 20.08.2010 gel­tend ge­macht.

Im Übri­gen sei die Kla­ge ab­zu­wei­sen, da dem Kläger für das Jahr 2004 kei­ne 9 Ur­laubs­ta­ge mehr zuständen. Durch die Gewährung von 21 Ur­laubs­ta­gen im Jahr 2004 sei der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch erfüllt wor­den. Der ta­rif­li­che Mehr­ur­laub von 9 Ta­gen sei gemäß § 26 Abs. 2 a TVöD mit dem 31.05.2005 ver­fal­len, weil der Kläger an die­sem Tag nach wie vor ar­beits­unfähig war. In­so­weit hätten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in § 26 TVöD ein weit­ge­hend vom Ge­set­zes­recht gelöstes Ur­laubs­re­gime ge­schaf­fen und ei­ge­ne Re­ge­lun­gen auf­ge­stellt. Aus die­sem Grund sei auch der ta­rif­li­che Mehr­ur­laub für 2005 ver­fal­len. Für die Zeit ab dem 01.07.2005 ste­he dem Kläger kein Ur­laubs­an­spruch zu, da die­ser we­gen des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht mehr ent­ste­hen konn­te, weil der Kläger in die­sem Zeit­raum ei­ne vol­le Er­werbs­min­de­rungs­ren­te auf Zeit be­zog. Dies gilt auch für den Zeit­raum ab dem 01.02.2007 in dem der Kläger ei­ne Er­werbs­min­de­rungs­ren­te we­gen teil­wei­ser Er­werbs­min­de­rung auf un­be­stimm­te Zeit be­zog. In­so­weit ha­be der Kläger sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung nach § 33 Abs. 3 TVöD nicht in­ner­halb von 2 Wo­chen nach Zu­gang des Ren­ten­be­schei­des schrift­lich be­an­tragt. Der Ren­ten­be­scheid vom 08.02.2007 ging dem Kläger am 12.02.2007 beim V K D dem Be­vollmäch­tig­ten des Klägers in Ren­ten­an­ge­le­gen­hei­ten, zu. Die Wei­ter­beschäfti­gung hat er je­doch erst am 28.02.2007 gel­tend ge­macht. Das Ar­beits­verhält­nis ha­be da­her wei­ter­hin bis zu sei­ner Be­en­di­gung ge­ruht, so dass Ur­laubs­ansprüche nicht ent­stan­den sind.

Ge­gen das dem Kläger am 12.01.2011 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die­ser am 28.11.2011 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 11.03.2011 be­gründet.

Des­wei­te­ren hat die Be­klag­te ge­gen das ihr am 11.01.2011 zu­ge­stell­te Ur­teil am 14.02.2011 Be­ru­fung ein­ge­legt.

Zur Be­gründung sei­ner Be­ru­fung ver­tritt der Kläger die An­sicht, dass im Jah­re 2004 zunächst der Ta­ri­fur­laub er­teilt wor­den sei, so dass ihm noch 9 Ta­ge Rest­ur­laub von dem ge­setz­li­chen Ur­laub zustünden. In § 26 TVöD sei ge­ra­de kein vom Ge­set­zes­recht los­gelöstes Ur­laubs­re­gime ent­hal­ten, da die­ser le­dig­lich in ei­ni­gen Tei­len das Ge­set­zes­recht zu­guns­ten der Ar­beit­neh­mer ver­bes­se­re. Auch im ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis entstünden Ur­laubs­ansprüche, was nur dann nicht der Fall sei, wenn es ei­ne ge­setz­li­che Re­ge­lung hier­zu ge­be. Zu­dem hätten ab dem 01.02.2007 die Vor­aus­set­zun­gen des § 33 Abs. 3 TVöD vor­ge­le­gen, da die 2-Wo­chen­frist nicht ab­ge­lau­fen sei, da es im Rah­men des § 33 Abs. 3 TVöD auf die Kennt­nis des Klägers persönlich an­kom­me.

Der Kläger be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Aa­chen vom 03.12.2010 (5 Ca 367/10 d) ab­zuändern und nach den Schluss­anträgen ers­ter In­stanz zu er­ken­nen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung des Klägers zurück­zu­wei­sen.

Im We­ge der An­schluss­be­ru­fung be­an­tragt sie darüber hin­aus,

un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Aa­chen vom 3. De­zem­ber 2010 (5 Ca 367/10 d), die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die An­schluss­be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te ver­tei­digt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil. Hin­sicht­lich der Ur­laubs­ab­gel­tung 2005 ist sie der An­sicht, dass der ent­spre­chen­de Ur­laubs­an­spruch je­den­falls ver­fal­len sei.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf die ein­ge­reich­ten Schriftsätze nebst An­la­gen, die zum Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung ge­wor­den sind, Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

I. Die Be­ru­fung des Klägers ist zulässig, weil sie statt­haft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) so­wie 29 form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist dem­ge­genüber un­zulässig, da die Be­ru­fungs­frist des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG nicht ge­wahrt wor­den ist. Die un­zulässi­ge Haupt­be­ru­fung der Be­klag­ten ist aber in ei­ne zulässi­ge An­schluss­be­ru­fung im Sin­ne des § 524 ZPO um­zu­deu­ten (BGH vom 30.10.2008, III ZB 41/08, NJW 2009, 442, 443; Mu­sielak/Ball, ZPO 8. Auf­la­ge 2011, § 524 Rd­nr. 15). Für die Um­deu­tung genügt es, wenn die­se von dem mut­maßli­chen Par­tei­wil­len ge­deckt wird. Dies ist hier vor­lie­gend in je­dem Fall ge­ge­ben, da die Be­klag­te nach dem ge­richt­li­chen Hin­weis auf die versäum­te Be­ru­fungs­frist nun­mehr selbst von ei­ner An­schluss­be­ru­fung spricht. Die for­mel­len Vor­aus­set­zun­gen des § 524 ZPO sind ge­wahrt, da die An­sch­ließung bis zum Ab­lauf der dem der Be­ru­fungs­be­klag­ten ge­setz­ten Frist zur Be­ru­fungs­er­wi­de­rung gemäß § 524 Abs. 1 S. 2 ZPO er­folgt ist. Im Übri­gen genügt der Schrift­satz der Be­klag­ten vom 18.04.2011 auch in­halt­lich zum for­mel­len Er­for­der­nis des § 524 ZPO.

II. Die Be­ru­fung und die An­schluss­be­ru­fung sind je­doch nicht be­gründet.

Mit zu­tref­fen­der Be­gründung hat das Ar­beits­ge­richt dem Kläger Ur­laubs­ab­gel­tung für 13 Ur­laubs­ta­ge für das Jahr 2005 gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG in Höhe von 2.154,88 € zu­ge­spro­chen und die Kla­ge im übri­gen ab­ge­wie­sen.

Nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist Ur­laub, der we­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ganz oder teil­wei­se nicht mehr gewährt wer­den kann, vom Ar­beit­ge­ber ab­zu­gel­ten. Bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers zum 30.09.2010 stand für den Kläger je­doch nur noch ein Ur­laub in Höhe von 13 Ur­laubs­ta­gen aus dem Jahr 2005 of­fen, der ab­zu­gel­ten war. Für die ein­zel­nen gel­tend ge­mach­ten Jah­re gilt Fol­gen­des:

1. Der Kläger hat kei­nen Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch für Ur­laub aus dem Jahr 2004. Für das Jahr 2004 sind dem Kläger un­strei­tig 21 Ur­laubs­ta­ge gewährt wor­den. So­weit ihm darüber hin­aus noch wei­te­re 9 Ur­laubs­ta­ge zu­stan­den, han­delt es sich in­so­weit um ta­rif­li­chen Ur­laub, wel­cher gemäß § 26 Abs. 2 a TVöD zum 31.05.2005 ver­fal­len ist, da er nicht bis zu die­sem Zeit­punkt an­ge­tre­ten wor­den ist.

a. Die Be­klag­te hat dem Kläger im Jahr 2004 den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub gewährt. Nach der frühe­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts war man­gels ei­ner Leis­tungs­be­stim­mung nach der Aus­le­gungs­re­gel des § 366 Abs. 2 BGB da­von aus­zu­ge­hen, dass der Ar­beit­ge­ber zunächst auf den ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruch und so­dann auf den ta­rif­li­chen Ur­laubs­an­spruch leis­tet (BAG vom 5. Sep­tem­ber 2002 - 9 AZR 244/01 - Rd­nr. 68 nach Ju­ris). Es kommt nach Auf­fas­sung der Kam­mer nicht dar­auf an, ob hier­an an­ge­sichts der neue­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zum Fort­be­stand des ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruchs bei dau­er­haf­ter krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit fest­zu­hal­ten ist, da der ta­rif­li­che Ur­laubs­an­spruch dem Ar­beit­neh­mer als Gläubi­ger nun­mehr die ge­rin­ge­re Si­cher­heit im Sin­ne des § 366 Abs. 2 BGB bie­tet, da ei­ne Til­gungs­be­stim­mung für den vor­lie­gen­den Fall nicht in Be­tracht kommt. Ge­setz­li­cher und ta­rif­li­cher Ur­laubs­an­spruch rich­ten sich nämlich auf die­sel­be Leis­tung, die Gewährung von Er­ho­lungs­ur­laub. Mit der Ur­laubs­gewährung wer­den da­her bei­de Ur­laubs­ansprüche gleich­zei­tig erfüllt. Der Ar­beit­neh­mer kann nicht ge­setz­li­chen Ur­laub ne­ben ta­rif­li­chem Ur­laub for­dern, viel­mehr be­steht für die ers­ten 24 Werk­ta­ge - bzw. hier die ers­ten 20 Ar­beits­ta­ge - Ur­laub im Jahr An­spruchs­kon­kur­renz durch meh­re­re An­spruchs­grund­la­gen. Wird der ge­setz­li­cher Ur­laubs­an­spruch erfüllt, ver­bleibt al­lein der die­sen An­spruch über­stei­gen­de ta­rif­li­che Er­ho­lungs­ur­laub (LAG Ber­lin-Bran­den­burg vom 2. De­zem­ber 2009 - 17 Sa 621/09 - Rd­nr. 19 nach Ju­ris; Hes­si­sches LAG vom 26.04.2010 - 17 Sa 1772/09 - Rd­nr. 33 nach Ju­ris). An­ders aus­ge­drückt, wird im Fal­le des auf meh­re­ren An­spruchs­grund­la­gen be­ru­hen­den Ur­laubs die­ser mit sei­ner Gewährung ein­ma­lig und im Hin­blick auf al­le ihn tra­gen­den An­spruchs­grund­la­gen erfüllt. Da­mit geht der Ur­laubs­an­spruch ins­ge­samt, al­so be­zo­gen auf sei­ne ge­setz­li­che Re­ge­lung eben­so wie sei­ne ta­rif­ver­trag­li­che un­ter. Nach Erfüllung des Ur­laubs in der ge­setz­lich be­stimm­ten Höhe ver­bleibt so­dann al­lein der die­sen An­spruch über­stei­gen­de ta­rif­li­che Er­ho­lungs­ur­laub (Nat­zel, NZA 2011, 77, 78).

So­weit das Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf in sei­ner Ent­schei­dung vom 30.09.2010 - 5 Sa 353/10 - an­ge­nom­men hat, dass je­den­falls ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung des § 366 Abs. 2 BGB ge­bo­ten sei, da der ge­setz­li­che Min­des­t­ur­laub und der ta­rif­li­che Mehr­ur­laub ein un­ter­schied­lich recht­li­ches Schick­sal er­lei­den könn­ten und so­mit als meh­re­re Schul­den im Sin­ne des § 366 Abs. 2 BGB zu be­han­deln sei­en, folgt die Kam­mer die­sem nicht. Es fehlt in­so­weit an ei­ner für die Ana­lo­gie er­for­der­li­chen Re­ge­lungslücke. Dass vor­lie­gend so­wohl die ge­setz­li­che Min­des­t­ur­laubs­re­ge­lung als auch die ta­rif­li­che Er­ho­lungs­ur­laubs­re­ge­lung ei­nen ein­heit­li­chen An­spruch mit un­ter­schied­li­chen An­spruchs­grund­la­gen re­gelt, er­gibt sich be­reits dar­aus, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ge­ra­de nicht nur den über den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laub in den Ta­rif­ver­trag auf­ge­nom­men ha­ben, son­dern den Ge­samt­ur­laub. Der Ta­rif­ver­trag selbst dif­fe­ren­ziert dem­nach nicht. Be­ste­hen aber für den­sel­ben An­spruch un­ter­schied­li­che An­spruchs­grund­la­gen, be­steht kein Grund für ei­ne Til­gungs­be­stim­mung. Es ist in­so­weit der Rechts­ord­nung nicht fremd, dass die­se An­spruchs­grund­la­gen ein un­ter­schied­li­ches Schick­sal er­lei­den können z. B. auf­grund un­ter­schied­li­cher Ver­falls- oder Verjährungs­fris­ten. Viel­mehr wi­der­spricht es der Re­ge­lungs­sys­te­ma­tik im Zi­vil­recht, wenn der Schuld­ner mit sei­ner Erfüllungs­hand­lung ei­ne recht­li­che Be­stim­mung in dem Sin­ne vor­zu­neh­men hätte, dass da­mit die Erfüllungs­wir­kung be­zo­gen auf ei­ne be­stimm­te An­spruchs­grund­la­ge ge­sche­hen soll. Das ver­langt das Ge­setz an kei­ner Stel­le; viel­mehr geht es ge­ra­de­zu in sei­ner Sys­te­ma­tik da­von aus, dass ein An­spruch nur ein­mal be­ste­hen, ihm aber meh­re­re Rechts­grund­la­gen zu Grun­de lie­gen können. Ei­ne Re­ge­lungslücke ist des­halb nicht ge­ge­ben (so auch Nat­zel, NZA 2011, 77, 79).

b. Der über den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub hin­aus­ge­hen­de Mehr­ur­laub für 2004 im Um­fang von 9 rest­li­chen Ur­laubs­ta­gen ist mit dem 31. Mai 2005 gemäß § 26 Abs. 2 a) TVöD ver­fal­len. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en können Ur­laubs- und Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche, die den von Ar­ti­kel 7 Abs. 1 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie gewähr­leis­te­ten und von den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG be­gründe­ten An­spruch auf Min­dest­jah­res­ur­laub von 4 Wo­chen über­stei­gen, frei re­geln (BAG vom 23.03.2010 - 9 AZR 128/09, Rd­nr. 19 nach Ju­ris m. w. N.). Die Re­ge­lungs­macht der Ta­rif­part­ner ist nicht durch die für ge­setz­li­che Ur­laubs­ansprüche im Pri­vat­rechts­ver­kehr er­for­der­li­che richt­li­ni­en­kon­for­me Fort­bil­dung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG gem. Art. 7 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie (2003/88/EG) be­schränkt. Ei­nen ta­rif­lich an­ge­ord­ne­ten Ver­fall des über­ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruchs und sei­ner Ab­gel­tung steht nach dem Richt­li­ni­en­recht und der Recht­spre­chung des EuGH kein Uni­ons­recht ent­ge­gen (BAG vom 23.03.2010 - 9 AZR 128/09 - Rd­nr. 19 nach Ju­ris; BAG v. 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – Rn. 48 nach Ju­ris). Da­mit ist die zu be­ur­tei­len­de ta­rif­li­che Vor­schrift an­hand in­ner­staat­li­chen Rechts aus­zu­le­gen.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat in­so­weit die Aus­le­gungs­re­gel auf­ge­stellt, dass für ei­nen Re­ge­lungs­wil­len, der zwi­schen ge­setz­li­chen und über­ge­setz­li­chen ver­trag­li­chen Ansprüchen un­ter­schei­det, deut­li­che An­halts­punk­te be­ste­hen müssen. Da­bei ist es da­von aus­ge­gan­gen, dass die Ver­trags­par­tei­en nur aus­nahms­wei­se vom Ge­set­zes­recht ab­wei­chen wol­len. (BAG vom 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rd­nr. 84 nach Ju­ris m. w. N.). Der "Gleich­lauf" der Ansprüche ist da­bei die Re­gel, die Aus­nah­me ihr un­ter­schied­li­ches recht­li­ches Schick­sal (BAG vom 23.03.2010 - 9 AZR 128/09 –Rn. 37 nach Ju­ris). Deut­li­che An­halts­punk­te für ei­nen Re­ge­lungs­wil­len der Ver­trags- oder Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, der zwi­schen ge­setz­li­chen und über­ge­setz­li­chen Ur­laubs (-ab­gel­tungs)ansprüchen un­ter­schei­det, sind dann an­zu­neh­men, wenn sich die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in wei­ten Tei­len vom ge­setz­li­chen Ur­laubs­re­gime lösen und statt­des­sen ei­ge­ne Re­geln auf­stel­len. Im Fall ei­ner sol­chen ei­genständi­gen, zu­sam­menhängen­den und in sich kon­sis­ten­ten Re­ge­lung ist oh­ne ent­ge­gen­ste­hen­de An­halts­punk­te in der Re­gel da­von aus­zu­ge­hen, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Ansprüche nur be­gründen und fort­be­ste­hen las­sen wol­len, so­weit ei­ne ge­setz­li­che Ver­pflich­tung be­steht. Ei­ne aus­drück­li­che Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen ge­setz­li­chen und über­ge­setz­li­chen Ansprüchen ist dann nicht not­wen­dig (BAG. vom 23.03.2010 - 9 AZR 128/09 – Rd­nr. 50 nach Ju­ris).

Nach Auf­fas­sung der Kam­mer sind die­se Vor­aus­set­zun­gen, die sich die Kam­mer zu Ei­gen macht, ei­ner Ab­wei­chung der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en vom Ge­set­zes­recht für den TVöD nach Ta­rif­wort­laut, -zu­sam­men­hang, -zweck und -ge­schich­te erfüllt. Die Ver­trags­par­tei­en ha­ben in § 26 TVöD ein weit­ge­hend vom Ge­set­zes­recht gelöstes Ur­laubs­re­gime ge­schaf­fen. So sieht § 26 Abs. 2 a TVöD ei­ne von Ar­ti­kel 7 Abs. 1 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie und dem Bun­des­ur­laubs­ge­setz ab­wei­chen­de Re­ge­lung vor, die zum Ver­fall des ta­rif­li­chen Mehr­ur­laubs führt. Die­se Ab­wei­chung zeigt sich ei­ner­seits in der vom Bun­des­ur­laubs­ge­setz ab­wei­chen­de Fris­ten­re­ge­lung. Nach § 26 Abs. 2 a TVöD muss der Er­ho­lungs­ur­laub im Fall der Über­tra­gung in den ers­ten 3 Mo­na­ten des fol­gen­den Ka­len­der­jah­res an­ge­tre­ten wer­den; soll­te er we­gen Ar­beits­unfähig­keit oder be­trieb­li­chen/dienst­li­chen Gründen nicht bis da­hin an­ge­tre­ten wer­den können, ist er ab­wei­chend vom Bun­des­ur­laubs­ge­setz, noch­mals bis zum 31. Mai über­trag­bar. Auch genügt, an­ders als im Bun­des­ur­laubs­ge­setz, im Rah­men von § 26 Abs. 2 a TVöD, dass der Ur­laub im lau­fen­den Jahr bzw. im Über­tra­gungs­zeit­raum an­ge­tre­ten wird: Er muss al­so - an­ders als im Bun­des­ur­laubs­ge­setz - nicht vollständig in­ner­halb der Fris­ten ge­nom­men wor­den sein. Dies hat auch das Bun­des­ar­beits­ge­richt im Rah­men der Aus­le­gung ei­ner ver­gleich­ba­ren ta­rif­li­chen Re­ge­lung berück­sich­tigt (BAG, 23.03.2010 - 9 AZR 128/09 - Rd­nr. 52 nach Ju­ris) und als An­halts­punkt für ein ei­genständi­ges Ur­laubs­re­gime be­wer­tet. Darüber hin­aus be­stimmt § 26 Abs. 2 S. 1 TVöD, dass das Bun­des­ur­laubs­ge­setz nur im Übri­gen gel­ten soll. Hier­in zeigt sich die ab­wei­chen­de Be­hand­lung des ta­rif­li­chen Ur­laubs ge­genüber dem ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub (Brei­er/Das­sau/Kie­fer/Lang/Lan­gen­brinck TVöD, § 26 Rd­nr. 62). Wei­ter spricht für ein ei­genständi­ges Ur­laubs­re­gime die Re­ge­lung in § 26 Abs. 2 b TVöD, wo in Ab­wei­chung zum ge­setz­li­chen Teil­ur­laub nach § 5 Abs. 1 BUrlG ge­ne­rell die Zwölf­te­lung des Ur­laubs­an­spruchs bei Ein- und Aus­tritt im lau­fen­den Ur­laubs­jahr an­ge­ord­net wird. Auch in­so­weit steht die ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lung er­kenn­bar ne­ben der ge­setz­li­chen Re­ge­lung, in­dem sie dar­auf hin­weist, dass § 5 BUrlG un­berührt bleibt. Wei­ter enthält der TVöD in § 27 Re­ge­lun­gen zum Zu­satz­ur­laub und in § 28 Re­ge­lun­gen zum Son­der­ur­laub und so­mit ei­genständi­ge Re­ge­lun­gen in Zu­sam­men­hang mit Ur­laub. Auch die Ta­rif­ge­schich­te des TVöD, der ab dem 01.10.2005 u. a. den Bun­des­an­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag (BAT) vom 23.02.1961 ab­gelöst hat, spricht für ein ei­genständi­ges Ur­laubs­re­gime. In­so­weit zeich­ne­te sich der BAT in den §§ 47, 48 und 51 BAT durch ein Mo­dell aus, dass viel­fach ab­wei­chen­de Re­ge­lun­gen vom Ge­setz ent­hielt (so auch LAG Hamm vom 24.02.2011 - 16 Sa 727/10 - Rd­nr. 16 nach Ju­ris). Da mit der Ta­rif­re­form im öffent­li­chen Dienst auch ei­ne Ver­schlan­kung der ta­rif­li­chen Re­ge­lung be­ab­sich­tigt war, soll­ten de­kla­ra­to­ri­sche Re­ge­lun­gen je­doch un­ter­blei­ben (Brei­er/Das­sau/Kie­fer/Lang/Lan­gen­brinck, TVöD § 26, Rd­nr. 58). Dass da­mit aber von dem ei­genständi­gen Ur­laubs­re­gime ab­gerückt wer­den soll­te, ist nicht er­kenn­bar. Nach al­le­dem ist von ei­nem ei­genständi­gen Ur­laubs­re­gime im Be­reich des TVöD aus­zu­ge­hen (so auch: LAG Düssel­dorf vom 20.01.2011 - 11 Sa 1493/10 - Rd­nr. 35 nach Ju­ris, LAG Rhein­land-Pfalz vom 19.08.2010 - 10 Sa 244/10 - Rd­nr. 34 nach Ju­ris; a.A.: LAG München, Urt. v. 29.07.2010 - 3 Sa 280/10; LAG Han­no­ver, Urt. v. 04.10.2010 - 8 Sa 357/10; LAG Hamm, Urt. v. 20.01.2011 - 16 Sa 282/10 ).

2. Der Kläger hat ge­gen die Be­klag­te ei­nen An­spruch auf den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub im Um­fang von 10 Ta­gen und an­tei­li­gen Schwer­be­hin­der­ten­ur­laub im Um­fang von 3 Ta­gen gemäß den §§ 3, 5 BUrlG, 7 Abs. 4 BUrlG, § 125 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 3 SGB IX für das Jahr 2005. Die Ansprüche sind zwi­schen den Par­tei­en dem Grun­de nach un­strei­tig. Ins­be­son­de­re sind die Ansprüche nicht gemäß § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG er­lo­schen, da der Kläger bis zum En­de des Ur­laubs­jah­res und des Über­tra­gungs­zeit­raums ar­beits­unfähig er­krankt war und des­we­gen nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts in der Fol­ge der Ent­schei­dung Schultz-Hoff des EuGH vom 20.Ja­nu­ar 2009 (C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135 - 139) der An­spruch auf Ab­gel­tung ge­setz­li­chen Voll- oder Teil­ur­laubs be­ste­hen bleibt (BAG vom 24.03.2009 - 9 AZR 983/07 - Rd­nr. 47 nach Ju­ris). Der Min­des­t­ur­laub ist bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses - un­abhängig von der Erfüll­bar­keit des Frei­stel­lungs­an­spruchs in ei­nem ge­dach­ten fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis - nach § 7 Abs. 4 BUrlG ab­zu­gel­ten. Die­ses Er­geb­nis hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt für Ar­beits­verhält­nis­se mit pri­vat­recht­lich or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­ge­bern aus ei­ner Rechts­fort­bil­dung von § 3 Abs. 3 und 4 BUrlG an­hand der Vor­ga­ben in Ar­ti­kel 7 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie 2003/88/EG her­ge­lei­tet (BAG vom 24.03.2009 - 9 AZR 983/07 - Rd­nr. 47 ff.). Die über den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub hin­aus­ge­hen­den ta­rif­li­chen Teil­ur­laubs­ansprüche sind, sind dem­ge­genüber ver­fal­len. In­so­weit kann auf die Ausführun­gen un­ter II.1.b ver­wie­sen wer­den.

a. So­weit die Be­klag­te sich im Rah­men ih­rer An­schluss­be­ru­fung dar­auf be­ruft, dass auch die wei­te­ren Ansprüche aus 2005 ver­fal­len sei­en, so ver­tritt sie wei­ter­hin die An­sicht, dass ihr auf­grund des Rechts­spre­chungs­wech­sels Ver­trau­ens­schutz zu gewähren sei. Der nach deut­schem Recht für Ar­beit­ge­ber aus Ar­ti­kel 12, 20 Abs. 3 GG ab­ge­lei­te­te Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes steht den Ansprüchen des Klägers auf Ab­gel­tung des Ur­laubs für 2005 je­doch nicht ent­ge­gen. In­so­fern führt das Bun­des­ar­beits­ge­richt aus, dass die mögli­chen be­son­de­ren Umstände für ei­nen Ver­trau­ens­schutz nach dem En­de der Um­set­zungs­frist für die ers­te Ar­beits­zeit­richt­li­nie 93/104/EG am 23. No­vem­ber 1996 nicht mehr ge­ge­ben wa­ren (BAG vom 23.03.2010 - 9 AZR 128/09 - Rd­nr. 107 nach Ju­ris). Da­nach hat sich das Bun­des­ar­beits­ge­richt im Zu­sam­men­hang mit der Über­tra­gung von Ur­laub nie mit Ar­ti­kel 7 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie be­fasst, so dass ei­ne ver­trau­ens­bil­den­de Aus­ein­an­der­set­zung der Recht­spre­chung mit dem Uni­ons­rechts fehl­te. Es han­del­te sich da­mit um ei­ne grundsätz­lich neue Fra­ge­stel­lung, so dass ein Ver­trau­en der Be­klag­ten dar­auf, dass § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG bei krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit bis zum En­de des Über­tra­gungs­zeit­raums nicht richt­li­ni­en­kon­form aus­zu­le­gen oder fort­zu­bil­den sein würde, nicht schutzwürdig sei (BAG, a.a.O., Rd­nr. 122 nach Ju­ris).Dem schließt sich die er­ken­nen­de Kam­mer an.

b. So­fern sich die Be­klag­te darüber hin­aus dar­auf wei­ter be­ru­fen möch­te, dass das Ar­beits­verhält­nis gemäß § 33 Abs. 2 S. 4 TVöD be­reits zu­vor ge­en­det hat, fehl­te es für die­se Be­en­di­gung be­reits an der gemäß § 92 SGB IV er­for­der­li­chen Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes. Zu­dem ha­ben sich die Par­tei­en in dem Ver­fah­ren Ar­beits­ge­richt Aa­chen - 5 Ca 4037/08 d - auf ei­ne Be­en­di­gung zum 30.09.2010 ge­ei­nigt, so dass ei­ne vor­he­ri­ge Be­en­di­gung von der Be­klag­ten nicht mehr ein­ge­wandt wer­den kann.

Der An­spruch ist der Höhe nach zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig. Der Zins­an­spruch folgt aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1S. 2 , 247 BGB.

c. Ein wei­ter­ge­hen­der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch für das Jahr 2005 steht dem Kläger nicht zu. In der Zeit vom 01.07.2005 bis zum 31.01.2007 ruh­te das Ar­beits­verhält­nis des Klägers gemäß § 33 Abs. 2 S. 5 und 6 TVöD, da er in die­sem Zeit­raum ei­ne vol­le Er­werbs­min­de­rungs­ren­te auf Zeit be­zog. Nach § 26 Abs. 2 c TVöD ver­min­dert sich die Dau­er des Er­ho­lungs­ur­laubs ein­sch­ließlich ei­nes et­wai­gen ta­rif­li­chen Zu­satz­ur­laubs für je­den Ka­len­der­mo­nat um 1/12, wenn das Ar­beits­verhält­nis ruht. Mit dem vom Ta­rif­ver­trag gemäß § 33 Abs. 2 S. 6 TVöD an­ge­ord­ne­ten Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses fin­det ei­ne grund­le­gen­de in­halt­li­che Um­ge­stal­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses da­hin­ge­hend statt, dass die bei­der­sei­ti­gen Haupt­leis­tungs­pflich­ten sus­pen­diert sind. Der Ar­beit­neh­mer wird von der Ver­pflich­tung zur Ar­beits­leis­tung frei­ge­stellt und der Ar­beit­ge­ber schul­det kein Ent­gelt. Es fehlt so­mit an dem für das ver­trag­li­che Ar­beits­verhält­nis ty­pi­schen Aus­tausch­verhält­nis.

Ei­ne Kürzungs­re­ge­lung für den Ur­laubs­an­spruch verstößt in die­sem Fall nicht ge­gen Ar­ti­kel 7 der Richt­li­nie 2003/88/EG in der Aus­le­gung, die die­ser durch die Recht­spre­chung des EuGH in der Ent­schei­dung vom 20.01.2009 (Schultz-Hoff) er­fah­ren hat. Es geht hier nämlich nicht um die Fra­ge der Aus­le­gung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG, son­dern um das Nicht­ent­ste­hen von Ur­laubs­ansprüchen im Fall des Ru­hens ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses. Im Fal­le des Ru­hens wird das Ar­beits­verhält­nis im Ge­gen­satz zu ei­nem Fall ei­ner lang­an­hal­ten­den Krank­heit in­halt­lich um­ge­stal­tet und be­steht nun­mehr als Rah­men un­ter Su­s­pen­die­rung der bei­der­sei­ti­gen Haupt­leis­tungs­pflich­ten. Es ist ge­ra­de Zweck des um­ge­stal­te­ten Ver­tra­ges - bei der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te so­gar auf An­trag des Ar­beit­neh­mers -, dass kei­ne Ar­beit ge­leis­tet wird. Sind aber Ar­beits­leis­tung und Vergütung von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen, so fehlt es an ei­nem Aus­tausch­verhält­nis, aus dem Ur­laubs­ansprüche er­wach­sen können. Die Ur­laubs­gewährung ver­bun­den mit der Fort­zah­lung des Ar­beits­ent­gelts ist für den Ar­beit­ge­ber Teil sei­ner Haupt­leis­tungs­pflicht ( LAG Ba­den-Würt­tem­berg v. 09.06.2011 - 6 Sa 109/10 – Rn. 57 nach Ju­ris, LAG Düssel­dorf 05.05.2010 - 7 Sa 1571/09,) und kei­ne Ne­ben­pflicht Die er­ken­nen­de Kam­mer folgt da­mit der Ent­schei­dung des LAG Köln (Ur­teil vom 29.04.2010 - 6 Sa 103/10 – Re­vi­si­on ein­ge­legt un­ter 9 AZR 442/10 und 10.03.2011 - 3 Sa 1057/10 – Re­vi­si­on ein­ge­legt un­ter 9 AZR 463/11 ) und des LAG Düssel­dorf (Ur­teil vom 05.05.2010 - 7 Sa 1571/09 - Re­vi­si­on ein­ge­legt un­ter Az. 9 AZR 475/10 ). Wenn auf­grund der Su­s­pen­die­rung der Haupt­leis­tungs­pflich­ten des Ar­beits­ver­tra­ges kein Vergütungs­an­spruch be­steht, kann auch kein An­spruch auf Ur­laub be­ste­hen (LAG München vom 26.05.2011 - 4 Sa 66/11 - Rd­nr. 27 nach Ju­ris). Dies berück­sich­tigt die ge­gen­tei­li­ge, zu­letzt vom LAG Ba­den-Würt­tem­berg (Ur­teil vom 29.04.2010 - 11 Sa 64/09 - ) und dem LAG Schles­wig-Hol­stein (Ur­teil vom 16.12.2010 - 4 Sa 209/10 – Re­vi­si­on ein­ge­legt un­ter 9 AZR 88/11 ) ver­tre­te­ne Rechts­auf­fas­sung nicht. Die­ser Ge­dan­ke wird nicht zu­letzt in den ver­gleich­ba­ren ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen in § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG und § 4 Abs. 1 Ar­beits­platz­schutz­ge­setz deut­lich, die in­so­weit ei­ne ent­spre­chen­de Re­ge­lung wie in § 26 Abs. 2 c TVöD ent­hal­ten. Die Kürzung nach § 26 Abs. 2 c TVöD er­fasst auf­grund der oben an­geführ­ten Über­le­gun­gen auch den ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruch (LAG Köln v. 29.04.2010 - 6 Sa 103/10 – Rn. 21 nach Ju­ris; Fie­berg NZA 2009, 929, 935) Nichts an­de­res folgt aus ei­ner jünge­ren Ent­schei­dung des 9. Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts (Ur­teil vom 15.12.2009 - 9 AZR 795/08). So­weit der 9. Se­nat dort ent­schie­den hat, dass das Ru­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses während der Teil­nah­me an Wehrübun­gen nicht auf­grund all­ge­mei­ner Be­stim­mun­gen da­zu führt, dass der ta­rif­li­che Jah­res­ur­laubs­an­spruch zeit­an­tei­lig ent­fal­le, ist die­ser Fall mit dem vor­lie­gen­den nicht ver­gleich­bar, da es hier nicht um ei­ne Wehrübung von 24 Ka­len­der­ta­gen, son­dern ei­nen Ru­hens­zeit­raum von meh­re­ren Jah­ren geht (so auch zu ei­nem Ru­hen von 1,5 Jah­ren : LAG Köln v. 10.03.2011 - 3 Sa 1057/10 – Rn. 23 nach Ju­ris)..

3. Auch für die Zeit ab dem 01.02.2007 bis zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses war von ei­nem Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses aus­zu­ge­hen, da gemäß § 33 Abs. 2 S. 1 TVöD das Ar­beits­verhält­nis mit Ab­lauf des Mo­nats, in dem der Be­scheid ei­nes Ren­ten­ver­si­che­rungs­trägers zu­ge­stellt wird, wo­nach der die Beschäftig­te voll oder teil­wei­se er­werbs­ge­min­dert ist, en­det. Vor­lie­gend ha­ben die Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers in Ren­ten­an­ge­le­gen­hei­ten ei­nen Ren­ten­be­scheid mit der Fest­stel­lung ei­ner Er­werbs­min­de­rungs­ren­te we­gen teil­wei­ser Er­werbs­min­de­rung auf un­be­stimm­te Zeit am 12.07.2007 er­hal­ten. Da­mit hätte gemäß § 33 Abs. 2 TVöD das Ar­beits­verhält­nis mit Ab­lauf des Mo­nats Fe­bru­ar 2007 ge­en­det, wenn der Kläger nicht recht­zei­tig gemäß § 33 Abs. 3 TVöD ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung schrift­lich be­an­tragt. Der Ren­ten­be­scheid ist dem Kläger gemäß § 41 Abs. 1 S. 2 VwVfG NRW über sei­ne Be­vollmäch­tig­ten in Ren­ten­an­ge­le­gen­hei­ten am 12.02.2007 be­kannt­ge­macht wor­den und da­mit auch im Sin­ne des § 33 Abs. 3 TVöD zu­ge­gan­gen. Der Kläger hat die Frist von 2 Wo­chen gemäß § 33 Abs. 3 TVöD nicht ge­wahrt, da er sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung erst am 28.02. gel­tend ge­macht hat. Da so­mit das Ar­beits­verhält­nis nur des­halb nicht ge­en­det hat, weil es an der er­for­der­li­chen Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes gemäß § 92 SGB IV fehl­te, ist ent­spre­chend § 33 Abs. 2 S. 6 TVöD von ei­nem wei­te­ren Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses aus­zu­ge­hen.

III. Die Kos­ten­fol­ge er­gibt sich aus den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Re­vi­si­on war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­zu­las­sen.

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