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LAG Düsseldorf, Urteil vom 07.07.2011, 5 Sa 416/11
Schlagworte: | Krankheit: Urlaub, Urlaub: Krankheit | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Düsseldorf | |
Aktenzeichen: | 5 Sa 416/11 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 07.07.2011 | |
Leitsätze: | 1) Urlaubsabgeltungsansprüche von dauerhaft erkrankten Arbeitnehmern können auch für Zeiten geltend gemacht werden, die länger als 18 Monate zurückliegen. Art. 9 Abs. 1 des IAO-Übereinkommens Nr. 132 findet keine Anwendung. 2) Für Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer bei gleichzeitiger Arbeitsunfähigkeit Arbeitslosengeld I bezieht, entstehen keine gesetzlichen Urlaubs-und Urlaubsabgeltungsansprüche. |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Solingen, Urteil vom 27.01.2011, 1 Ca 1578/10 | |
Tenor:
1)Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 27.01.2011 - 1 Ca 1578/10 lev - teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.249,16 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seitdem 06.11.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2)Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
3)Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen die Klägerin zu 7/10, die Beklagte zu 3/10; die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 13/25, die Beklagte zu 12/25.
TATBESTAND:
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, den gesetzlichen Urlaubsanspruch der Klägerin abzugelten.
Die am 10.12.1948 geborene Klägerin ist seit dem 14.05.1965 bei der Beklagten als gewerbliche Arbeitnehmerin beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien bildet ein Arbeitsvertrag vom 01.04.1975 (Bl. 11 ff. d. A.), indem es u. a. heißt:
Ziffer 3 - Urlaub
Der jährliche Erholungsurlaub richtet sich nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages der Chemischen Industrie im Regierungsbezirk Köln/Düsseldorf.
Der Urlaub beträgt zur Zeit 21 + 1** Arbeitstage.
** für zehnjährige Firmenzugehörigkeit
Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
Der Urlaubsanspruch erlischt am 31. März des Folgejahres.
Der Bruttomonatslohn der Klägerin betrug zuletzt 2.459,95 €.
Die Klägerin, die im Jahre 2007 keinen Erholungsurlaub genommen hatte, war seit dem 23.01.2007 durchgehend arbeitsunfähig krank und bezog bis zum 22.07.2008 Krankengeld.
Unter dem 30.06.2008 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III (Bl. 66 ff. d. A.). In der Bescheinigung für die Bundesagentur für Arbeit bestätigte die Beklagte unter Ziffer 3.4:
Das Beschäftigungsverhältnis ist beendet, das Arbeitsverhältnis besteht jedoch fort (z. B. bei einvernehmlicher unwiderruflicher oder sonstiger Freistellung während der Kündigungsfrist oder Aussteuerung aus dem Krankengeldbezug).
Grund: Aussteuerung
Zeitraum: 22.07.2008
In der Folgezeit erhielt die Klägerin vom 22.07.2008 bis zum 21.08.2010 Arbeitslosengeld. Seit dem 01.07.2010 bezieht sie "vorgezogene Altersrente für Frauen".
Der spätere Prozessbevollmächtigte der Klägerin kündigte das mit der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23.09.2010 fristgerecht zum 31.10.2010 und machte gleichzeitig Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2007 bis 2010 in Höhe von 124 Urlaubstagen geltend (vgl. hierzu Bl. 23 und 24 d. A.). Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 26.10.2010 endgültig ab (Bl. 27 ff. d. A.).
Die Klägerin, deren Arbeitsunfähigkeit über den 31.10.2010 und über den 31.03.2011 fortbestand, hat mit ihrer am 08.11.2010 beim Arbeitsgericht Solingen anhängig gemachten Klage ihr Begehren weiterverfolgt und die Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 13.966,12 € brutto für 124 Urlaubstage geltend gemacht.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte verpflichtet sei, den gesamten ihr zustehenden Urlaub für die Jahre 2007 bis 2010 nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, da sie aufgrund ihrer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage gewesen wäre, den Urlaub in Anspruch zu nehmen. Dieser Abgeltungsanspruch, so die Klägerin weiter, beziehe sich nicht nur auf den gesetzlichen Mindest-, sondern auch auf den tariflichen Mehrurlaub nach den Regelungen im Manteltarifvertrag für die Chemische Industrie (MTV Chemie), da dort nicht zwischen den gesetzlichen und den tariflichen Urlaubsansprüchen unterschieden werde.
Entgegen der von der Beklagten vorprozessual geäußerten Meinung sei ihr Abgeltungsanspruch auch nicht auf die letzten 18 Monate beschränkt, weil ein Vertrauensschutz für die Arbeitgeber nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dem Jahre 1996 nicht mehr bestehe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.966,12 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % 22 -Punkten über dem Basiszinssatz seitdem 06.11.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass sich ein Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin allenfalls auf den gesetzlichen Mindesturlaub erstrecken könnte, weil die Regelungen im MTV Chemie ein eigenständiges, weitestgehend vom Gesetzesrecht gelöstes Urlaubsregime enthielten.
Die Beklagte hat weiter - unter Hinweis auf den Vorlagebeschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15.04.2010 - 16 Sa 1176/09 - die Auffassung vertreten, dass eine rückwirkende Geltendmachung des Urlaubsanspruchs auf die letzten 18 Monate des Arbeitsverhältnisses beschränkt sei. Urlaubsabgeltung für die Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld könne die Klägerin überdies nicht beanspruchen, weil das Arbeitsverhältnis in dieser Zeit geruht hätte. Dies gelte gleichermaßen für den Zeitraum ab dem Rentenbeginn am 01.07.2010.
Mit Urteil vom 27.01.2011 hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Solingen - 1 Ca 1578/10 lev - dem Klagebegehren in Höhe von 8.945,60 € brutto entsprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Klägerin stünden für insgesamt 80 Tage (gesetzlicher Mindesturlaub für die Jahre 2007 bis 2010) Urlaubsabgeltungsansprüche gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG zu. Diese würden nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie dauerhaft arbeitsunfähig krank gewesen wäre.
Der Abgeltungsanspruch könne entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamm auch nicht auf 18 Monate begrenzt werden; eine Beschränkung der Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche auf bestimmt Zeiträume in der Vergangenheit sei gerade nicht vorgesehen. Schließlich sei auch während des Bezugs von Arbeitslosengeld und des damit verbundenen Ruhens des Arbeitsverhältnisses der gesetzliche Urlaubsanspruch entstanden und nicht nachträglich erloschen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin die Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs begehrt hat und hierzu auf ein eigenständiges Urlaubsregime im MTV Chemie verwiesen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 03.03.2011 zugestellte Urteil mit einem am 01.04.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 03.05.2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Sie wiederholt ihren Sachvortrag aus der ersten Instanz und unterstreicht nochmals ihre Rechtsauffassung, wonach jegliche Abgeltungsansprüche der Klägerin für die Vergangenheit auf 18 Monate beschränkt sein müssten.
Die Beklagte meint darüber hinaus, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien während des Bezugs von Arbeitslosengeld geruht hätte und deshalb kein Urlaubsanspruch entstanden sei. Dies müsse jedenfalls schon deshalb gelten, weil die Klägerin während der Zeit vom 22.07.2008 bis zum 21.07.2010 Arbeitslosengeld, also eine Entgeltersatzleistung bezogen hätte.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Solingen - 1 Ca 1578/10 lev - vom 27.01.2011 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug. Mit Blick auf das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Bezugs von Arbeitslosengeld meint die Klägerin, dass nur der Gesetzgeber durch eine entsprechende Neuregelung das Entstehen von Doppelansprüchen für diese Zeiten verhindern könne; bis dahin müsse es beim durch das Europarecht abgesicherten Abgeltungsanspruch verbleiben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist nämlich an sich statthaft ( 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig ( 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ( 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
In der Sache selbst hatte die Berufung teilweise Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG für die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2010 einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 38 Urlaubstage in Höhe von 4.249,16 € brutto. Der darüber hinausgehende Abgeltungsanspruch der Klägerin ist unbegründet, so dass aufgrund der insoweit erfolgreichen Berufung die Klage im Übrigen abzuweisen war.
1.Der Urlaubsanspruch der Klägerin für die Jahre 2007 bis 2010 ist erstmalig ab dem 01.01.2007 entstanden und konnte danach auch angesichts der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht verfallen oder erlöschen.
1.1Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Anschluss an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009 (- C 350/06 - und C 520/06 - AP Nr. 1 zu Richtlinie 2003/88/EG Schultz-Hoff) verfällt der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch nicht nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, so dass er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Der gesetzliche Mindesturlaub ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses - unabhängig von der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs in einem gedachten fortbestehenden Arbeitsverhältnis - nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten (BAG 04.05.2010 - 9 AZR 183/09 - DB 2010, 1945; BAG 23.03.2010 - 9 AZR 128/09 - DB 2010; BAG 24.03.2009 - 9 AZR 983/07 - AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG; vgl. auch: LAG Hessen 07.12.2010 - 19 Sa 939/10 - NZA-RR 2011, 120, jeweils m. w. N.).
1.2Hieraus folgt für die vorliegende Fallkonstellation, dass die Klägerin in den Jahren 2007 bis 2010 ihren gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch in Höhe von jeweils 20 Arbeitstagen pro Jahr erworben hatte, obwohl sie angesichts der durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit keinerlei Arbeitsleistung erbracht hatte. Der danach mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2010 entstandene Urlaubsabgeltungsanspruch wird auch durch die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit der Klägerin über den 31.03.2011 hinaus nicht tangiert. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht nämlich mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses als reiner Geldanspruch selbst dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin bis zum Ende des Übertragungszeitraums am 31. März des dem Urlaubsjahr folgenden Jahres fortdauert (so ausdrücklich BAG 04.05.2010 - 9 AZR 183/09 - a. a. O.; BAG 23.03.2010 - 9 AZR 128/09 - a. a. O.).
Darüber hinaus ist es der Beklagten verwehrt, sich angesichts der geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf einen Vertrauensschutz für die Vergangenheit zu berufen. Zwar war die langjährige Rechtsprechung der Urlaubssenate des Bundesarbeitsgerichts, die seit 1982 vom Verfall von Urlaubs-(Abgeltungs)ansprüchen bei bis zum Ende des Übertragungszeitraums fortdauernder Arbeitsunfähigkeit ausging, geeignet, Vertrauen der Arbeitgeberseite auf den Fortbestand dieser Rechtsprechung zu begründen. Mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23.11.1996 trat aber eine wesentliche Änderung ein. Danach entfiel die Vertrauensgrundlage, so dass das Vertrauen von Arbeitgebern auf die Fortdauer der bisherigen, zum nationalen Recht ergangenen Rechtsprechung nicht länger schutzwürdig war (BAG 23.03.2010 - 9 AZR 128/09 - a. a. O.). Die Klägerin macht rückwirkend für die Vergangenheit Urlaubsansprüche bis zum Jahr 2007 geltend, für die nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Vertrauensschutz nicht mehr angenommen werden kann.
1.3Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf den Vorlagenbeschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15.04.2010 (- 16 Sa 1176/09 - LAGE § 7 BUrlG Abgeltung Nr. 27) die Auffassung vertritt, dass es der Klägerin nur gestattet werden kann, für die letzten 18 Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüche geltend zu machen, folgt dem die erkennende Berufungskammer nicht. Derartige Ansprüche sind nicht nach Art. 9 Abs. 1 des IAO-Übereinkommens Nr. 132 vom 24.06.1970 verfallen.
1.3.1Nach Art. 9 Abs. 1 des IAO-Übereinkommens Nr. 132 ist der in Art. 8 Abs. 2 des Übereinkommens erwähnte ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen.
1.3.2Entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts Hamm ist diese Regelung auf Fälle der vorliegenden Art aber gerade nicht, jedenfalls nicht unmittelbar anzuwenden.
Nach wohl herrschender Meinung in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte hat die Bundesrepublik Deutschland dem IAO-Übereinkommen zwar durch Gesetz vom 30.04.1975 zugestimmt. Hierdurch ist das IAO-Übereinkommen Nr. 132 aber nicht innerstaatliches Recht in dem Sinne geworden, dass seine Vorschriften normativ auf alle Arbeitsverhältnisses in der Bundesrepublik einwirken. Nur ein die Vorgaben des IAO-Übereinkommens ausführendes innerstaatliches Gesetz bindet die nationalen Gerichte bei der Rechtsanwendung. Allein durch ein derartiges
Gesetz können subjektive Rechte und Pflichten einzelner begründet werden (LAG Düsseldorf, 08.02.2011 - 16 Sa 1574/10 - n. v.; LAG Baden-Württemberg 02.12.2010 - 22 Sa 59/10 - EzA-SD 2011, Nr. 4, 10; LAG Hessen 07.12.2010 - 19 Sa 939/10 - a. a. O.; vgl. auch: BAG 07.12.1993 - 9 AZR 683/92 - AP Nr. 15 zu § 7 BUrlG).
Hinzu kommt nach Meinung der erkennenden Berufungskammer, dass zumindest zweifelhaft ist, ob selbst bei unterstellter Anwendung von Art. 9 Abs. 1 des IAO-Übereinkommens Nr. 132 der Sachverhalt erfasst werden soll, der hier den Streitgegenstand bildet. Immerhin geht es um die spezielle Frage, ob ein Urlaubs-oder Urlaubsabgeltungsanspruch, der wegen fortdauernder Arbeitsunfähigkeit nicht realisiert werden konnte, noch nachträglich zu gewähren ist. Angesichts der Tatsache, dass gerade diesen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der (erdiente) Urlaubsanspruch nicht genommen werden soll, verbietet sich die Anwendung von Regelungen, die bereits nach Ablauf eines relativ kurzen Zeitraums im Ergebnis zum Verfall von Urlaubsansprüchen führen würde. Eine derartige Beschränkung träfe gerade die langzeiterkrankten Arbeitnehmer, denen nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der nicht genommene Urlaub erhalten werden soll. In diesem Sinne hat auch der EuGH in seiner Entscheidung vom 20.01.2009 (a. a. O.) keine Beschränkung für die Vergangenheit vorgenommen, wobei wegen der Art des zu entscheidenden Falles allerdings auch keine aktuelle Veranlassung bestand, zu den hier zu diskutierenden Rückwirkungszeiträumen Stellung zu nehmen.
Auch das Bundesarbeitsgericht scheint indessen der hier vertretenen Auffassung zu folgen. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 23.03.2010 (a. a. O.) umfänglich zum Vertrauensschutz Stellung genommen, den das Gericht für die Zeit ab dem 24.11.1996 nicht mehr bejaht hat. Hieraus ergibt sich inzident, dass das Bundesarbeitsgericht dann aber auch eine Anwendung von Art. 9 Abs. 1 des IAO-Übereinkommens Nr. 132 vom 24.06.1970 offensichtlich nicht in Betracht zieht.
1.4Selbst wenn man dem oben unter 1.3 Gesagten nicht folgen wollte und im Ansatz der mehrfach zitierten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15.04.2010 (a. a. O.) folgt, bleibt fraglich, ob eine rückwirkende Beschränkung des Urlaubsbegehrens auf maximal 18 Monate aus Rechtsgründen geboten oder erforderlich ist.
1.4.1Die Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof hat in ihren Schlussanträgen vom 07.07.2011 in der Rechtssache C-214/10 (Schulte) im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens des Landesarbeitsgerichts Hamm zur hier streitigen Rechtsfrage Stellung genommen. Die Generalanwältin schlägt danach dem Europäischen Gerichtshof vor, die vom Landesarbeitsgericht Hamm gestellten Vorlagefragen dahingehend zu beantworten, dass Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen sei, dass er einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten, nach denen der Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch bei Ablauf des Bezugszeitraums sowie eines Übertragungszeitraums erlischt, auch dann, wenn der Arbeitnehmer längerfristig arbeitsunfähig ist, nicht entgegensteht, sofern der Übertragungszeitraum so bemessen ist, dass der Zweck des primären Anspruchs auf Erholung gewahrt wird. Eine Übertragungsmöglichkeit für einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten nach Ablauf des Bezugsjahres soll dieser Anforderung genügen, wobei er unionsrechtlich nicht zwingend geboten sei. Vielmehr stehe es den Mitgliedsstaaten frei, unter Beachtung der Grenzen der Richtlinie auch andere Regelungen zu erlassen (vgl.: EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin vom 07.07.2001 - C-214/10 Schulte - zitiert nach juris).
1.4.2Hieraus folgt zunächst, dass es nach den einschlägigen europäischen Vorgaben nicht erforderlich ist, Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche auf einen Zeitraum von 18 Monaten zu begrenzen. Nach der Rechtsauffassung der Generalanwältin sollen auch andere Regelungen vorstellbar sein, die von den Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft eigenständig festgelegt werden können. Hierzu ist für die Bundesrepublik Deutschland festzuhalten, dass eine derartige Begrenzungsregelung derzeit noch nicht erfolgt ist.
1.4.3Die erkennende Berufungskammer hält es allerdings für denkbar und angemessen, hinsichtlich des Rückwirkungszeitraums auf Rechtsgedanken des Verjährungsrechts zurückzugreifen und insbesondere auf § 195 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre beträgt.
1.4.3.1Allerdings ist in diesem Zusammenhang zunächst festzuhalten, dass eine unmittelbare Anwendung der Verjährungsvorschriften des BGB und insbesondere des § 195 BGB ausgeschlossen ist.
Ein Anspruch ist nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals vom Gläubiger geltend gemacht und mit einer Klage durchgesetzt werden kann. Dies setzt grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs voraus, da erst von diesem Zeitpunkt an der Gläubiger mit Erfolg die Leistung fordern und gegebenenfalls den Ablauf der Verjährungsfrist durch Klageerhebung unterbinden kann. Der Urlaubsanspruch entsteht in diesem Sinne zwar nach vollendeter Wartezeit jeweils mit Beginn des Urlaubsjahres, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer zu Beginn des Jahres arbeitsfähig ist oder nicht. Während der Arbeitsunfähigkeit kann jedoch der Arbeitnehmer die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nicht verlangen und der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch nicht erfüllen. Damit fehlt es an der Fälligkeit, die das Entstehen eines Anspruchs im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB regelmäßig voraussetzt (so ausdrücklich: LAG Hessen 07.12.2010 - 19 Sa 939/10 - a. a. O.; a. A.: LAG Düsseldorf 01.10.2010 - 9 Sa 1541/09 - ArbuR 2011, 128).
1.4.3.2Scheidet demnach eine unmittelbare Anwendung der §§ 194 ff. mangels Fälligkeit und Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruches aus, so können die dortigen Regelungen nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer aber herangezogen werden, um den Zeitraum einzugrenzen, für den Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche in der Vergangenheit geltend gemacht werden. Die Regelungen über die Verjährung von Ansprüchen verfolgen unter anderem den Zweck, innerhalb angemessener Fristen für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit Sorge zu tragen. Insbesondere der Schuldner soll Gewissheit darüber erlangen, wie lange er mit der Geltendmachung etwaiger Ansprüche zu rechnen hat, um sich gegebenenfalls durch Rückstellungen oder Rücklagen abzusichern. In einer vergleichbaren Situation befindet sich aber auch der Arbeitgeber, der angesichts eines dauererkrankten Arbeitnehmers weiß, dass für diesen jährlich Urlaubsansprüche entstehen, die nach der Wiedergenesung oder der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu gewähren bzw. abzugelten sind. Insofern scheint es geboten, den "Rückwirkungszeitraum" nicht nur zu begrenzen, sondern an allgemein gültigen Fristen zu orientieren. Hierfür bietet sich die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB an.
1.4.3.3Folgt man dieser Rechtsauffassung, die nach Einschätzung der erkennenden Kammer einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern herstellt, erweisen sich die streitbefangenen Urlaubsabgeltungsansprüche als noch nicht verfallen. Die Klägerin macht unter anderem Urlaubsabgeltungsansprüche für das Jahr 2007 geltend. Diese wären - bei entsprechender Anwendung der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB - mit Ablauf des 31.12.2010 verjährt. Zwischen den Parteien ist aber unstreitig, dass die Klägerin spätestens mit Schreiben vom 23.09.2010 ihre Urlaubsabgeltungsansprüche schriftlich und damit rechtzeitig geltend gemacht hat.
1.5Als Zwischenergebnis ist demgemäß festzuhalten, dass es der Klägerin grundsätzlich nicht verwehrt werden kann, auch Urlaubsansprüche bzw. Urlaubsabgeltungsansprüche rückwirkend bis zum Jahre 2007 geltend zu machen, weil die 18-Monatsfrist des Art. 9 Abs. 1 des IAO Übereinkommens Nr. 132 auf Fälle der vorliegenden Fallkonstellation nicht anzuwenden ist. Darüber hinaus ist der Rückwirkungszeitraum bis einschließlich zum Jahr 2007 noch nicht so lang, dass von einer unangemessenen und mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG nicht zu vereinbarenden Zeitspanne gesprochen werden kann. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin hinsichtlich des streitbefangenen Urlaubsabgeltungsanspruchs die Ausschlussfristen des § 17 MTV Chemie nicht eingehalten haben könnte.
2.In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Beklagten ist die erkennende Berufungskammer allerdings der Auffassung, dass die Klägerin für den Zeitraum vom 22.07.2008 bis zum 31.07.2010 keinen Urlaubsanspruch und damit auch keinen Urlaubsabgeltungsanspruch erworben hat, weil sie in dieser Zeit beschäftigungslos gewesen ist und Arbeitslosengeld bezogen hat.
2.1Das Arbeitsgericht hat in seiner erstinstanzlichen Entscheidung zutreffend festgestellt, dass eine andauernde Arbeitsunfähigkeit oder der Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zwangsläufig zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses führt. Erforderlich ist vielmehr eine Vereinbarung der Parteien über die Suspendierung der wechselseitigen Hauptleistungspflichten. Hiernach liegt ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses nur dann vor, wenn nach dem Willen und den Vorstellungen beider Parteien das rechtlich an sich fortbestehende Arbeitsverhältnis tatsächlich nur formaler Natur ist und keine irgendwie gearteten rechtlichen Bindungen im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Arbeit begründet werden. In diesem Zusammenhang kann das Verhalten der Parteien im Zusammenhang mit der Erteilung der Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III in der Tat zur Auslegung dieser Vorgaben berücksichtigt werden. Die Anforderung der Arbeitsbescheinigung und ein mit der Bescheinigung verbundener Verzicht auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers können grundsätzlich ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses auslösen (vgl. hierzu: BAG 11.10.1995 - 10 AZR 985/94 - NZA 1996, 542).
2.2Allerdings ist in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung heftig umstritten, welche Auswirkungen das Ruhen des Arbeitsverhältnisses auf das Entstehen und den Fortbestand des gesetzlichen Mindesturlaubs hat.
2.2.1Ruht das Arbeitsverhältnis, weil der arbeitsunfähige Arbeitnehmer eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit bezieht, so soll nach der wohl herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch entstehen. Ein Verfall dieses Anspruchs mit dem 31.03. des Folgejahres tritt danach nicht ein (LAG Düsseldorf 08.12.2011 - 16 Sa 1574/10 - zitiert nach juris; LAG Baden-Württemberg 02.12.2010 - 22 Sa 59/10 - EzA-SD 2011, Nr. 4, 10; LAG Baden-Württemberg 29.04.2010 - 11 Sa 64/09 - ZTR 2010, 415; vgl. auch: LAG Schleswig-Holstein 16.12.2010 - 4 Sa 209/10 - BB 2011, 372).
2.2.2Nach anderer Auffassung wird in einem ruhenden Arbeitsverhältnis kein Urlaubsanspruch erworben, weil die gegenseitigen Hauptleistungspflichten suspendiert sind. Jedenfalls soll es möglich sein, tarifvertragliche Kürzungsregelungen zu vereinbaren, die den Erholungsurlaub des Arbeitnehmers für die Zeit des Ruhens nach dem so genannten Zwölftelungsprinzip kürzen (vgl. hierzu: LAG Köln 29.04.2010 - 6 Sa 103/10 - zitiert nach juris; LAG Düsseldorf 01.10.2010 - 9 Sa 1541/09 - a. a. O.).
2.2.3Die erkennende Kammer neigt zu der oben dargestellten Rechtsauffassung, dass auch in einem Arbeitsverhältnis, das wegen des befristeten Bezugs von Erwerbsminderungsrente ruht, ein Urlaubsanspruch erworben wird, der im Übrigen auch nicht kürzbar sein dürfte. Im ruhenden Arbeitsverhältnis entfallen die wechselseitigen Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses, also die Pflicht zur Arbeitsleistung und die zur Vergütung derselben. Diese Pflichten stehen zueinander in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Urlaubsgewährung ist dagegen keine Hauptpflicht, weil ihr keine entsprechende Pflicht des Arbeitnehmers gegenübersteht. Es handelt sich vielmehr um eine auf Gesetz beruhende Nebenpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis.
Hinzu kommt, dass auch bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis wegen des Bezugs einer befristeten Erwerbsminderungsrente die Urlaubsgewährung (nur) deshalb nicht möglich ist, weil beim Arbeitnehmer eine dauernde oder längere Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Diese Ursache, die für die Erhaltung des´Urlaubsanspruchs entscheidend ist, wird durch den Bezug einer Erwerbsminderungsrente bzw. durch das Ruhen des Arbeitsverhältnisses nicht verdrängt, so dass es in Ansehung der Entscheidung des EuGH vom 20.01.2009 dabei verbleiben muss, dass auch in diesen Fällen der Urlaubsanspruch des betroffenen Arbeitnehmers entsteht und nach Ablauf des Übertragungszeitraums nicht verfällt.
Diese Einschätzung dürfte im Übrigen auch vom Gesetzgeber geteilt werden. Er hat durch die Regelungen in § 17 BEEG und § 4 Arbeitsplatzschutzgesetz ausreichend und nachvollziehbar deutlich gemacht, dass in den dort angesprochenen Beispielen, in denen es zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses gekommen ist, gleichwohl Urlaubsansprüche entstehen, die indessen einer (zulässigen) gesetzlichen Kürzungsmöglichkeit zugeführt werden.
2.3Indessen bedurfte es keiner abschließenden Beantwortung der Frage, ob bei weiterbestehender Arbeitsunfähigkeit und einem vereinbarten oder sonst vorgeschriebenen Ruhen des Arbeitsverhältnisses Urlaubsansprüche entstehen können. Die erkennende Berufungskammer ist der Auffassung, dass - trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit - Urlaubsansprüche dann nicht entstehen können, wenn die Arbeitnehmerin gleichzeitig Arbeitslosengeld wegen bestehender Beschäftigungslosigkeit bezieht.
2.3.1Der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 20.01.2009 - C-350/06 und C-520/06 - a. a. O.) hat in seiner Entscheidung mehrmals betont, dass eine einzelstaatliche Rechtsvorschrift, die das Erlöschen von Urlaubsansprüchen nach dem Ende eines gesetzlich festgelegten Übertragungszeitraumes vorsieht, mit europäischen Vorgaben nicht in Einklang steht, wenn hiervon Fälle erfasst werden, in denen der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraumes oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat und er deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Hieraus wird deutlich, dass Ursache für die Nichtgewährung des Urlaubs (allein) die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin gewesen sein muss.
2.3.2Hiervon unterscheidet sich die vorliegende Fallkonstellation entscheidend. Die Klägerin kann zwar für sich in Anspruch nehmen, dass sie auch in der Zeit, in der sie von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld bezogen hat, arbeitsunfähig krank gewesen sein mag. Allerdings hatte die Beklagte mit dem Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III ihr Direktionsrecht gegenüber der Klägerin aufgegeben, was zu ihrer Beschäftigungslosigkeit und der späteren Zahlung von Arbeitslosengeld führte. Dies bedeutet, dass die Beklagte nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer aber dann auch nicht mehr in der Lage gewesen ist, der Klägerin tatsächlich Urlaub zu gewähren. Grund dafür, dass die Klägerin ihren Urlaub in dem hier angesprochenen Zeitraum nicht nehmen konnte, war damit nicht nur ihre Arbeitsunfähigkeit, sondern das fehlende Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten.
2.3.3Hinzu kommt, dass die Klägerin während des Bezugs von Arbeitslosengeld auch tatsächlich in der Lage gewesen wäre, Urlaub zu nehmen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Erreichbarkeitsanordnung vom 16.11.2001 ist ein Aufenthalt von bis zu drei Wochen pro Kalenderjahr außerhalb des Nahbereichs zulässig, wenn die Bundesagentur für Arbeit dem vorher zugestimmt hat. Bei dieser genehmigten Ortsabwesenheit handelt es sich zwar nicht um einen Urlaub im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes, dessen Regelungen nicht unmittelbar gelten. Danach steht auch hinreichend klar fest, dass der Empfänger von Arbeitslosengeld I oder Arbeitslosengeld II keinen Anspruch auf Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz besitzt (vgl. hierzu: BSG 10.08.2000 - B 11 AL 101/99 R - BSGE 87, 46; Bayerisches Landessozialgericht 03.03.2009 - L 11 AS 23/09 NZB - zitiert nach juris). Indessen zeigt die Regelung in der Erreichbarkeitsanordnung, dass - jedenfalls nach entsprechender Information der Bundesagentur - eine tatsächlich Urlaubsnahme immerhin im Umfang von drei Wochen pro Jahr für die Klägerin möglich gewesen wäre (oder sogar ist). Wenn sie hierdurch aber ihrem Erholungsbedürfnis Genüge tun konnte, muss ein weitergehender Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch versagt werden. Eine andere Betrachtungsweise könnte dazu führen, dass es zu einer doppelten Urlaubsgewährung kommen würde, die auch nach den mehrfach zitierten europäischen Vorgaben nicht gefordert wird.
In diesem Zusammenhang ist weiter darauf hinzuweisen, dass die Klägerin, anders als bei einer nur bestehenden Langzeiterkrankung - von der Bundesagentur für Arbeit - Entgeltersatzleistungen bezogen hat und es deshalb auch aus finanziellen Erwägungen nicht geboten ist, ihr für den Zeitraum des Bezugs von Arbeitslosengeld (zusätzlich) einen Urlaubsabgeltungsanspruch zuzubilligen.
3.Nach allem stehen der Klägerin für das Jahr 2007 20 Tage gesetzlichen Mindesturlaub und für das Jahr 2008 bis zum 30.06. nochmals 10 Tage zu. Für die Zeit vom 01.08. bis zum 31.10.2010 waren ihr mit Rücksicht auf § 5 Abs. 1 c BUrlG 8 Urlaubstage zuzubilligen, also insgesamt 38 Tage. Unter Berücksichtigung des vom Arbeitsgericht errechneten täglichen Urlaubsentgelts von 111,82 € brutto ergibt sich der aus dem Tenor ersichtliche Urlaubsabgeltungsanspruch von 4.249,16 € brutto.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91, 97 ZPO.
Die erkennende Kammer hat die Revision für beide Parteien zugelassen, weil sie das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bejaht hat, § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.
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