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LAG Nürn­berg, Ur­teil vom 30.04.2012, 7 Sa 557/11

   
Schlagworte: Insolvenz des Arbeitgebers, Insolvenzanfechtung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Aktenzeichen: 7 Sa 557/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 30.04.2012
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Nürnberg, Endurteil vom 13.4.2011, 7 Ca 5449/10
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.10.2013, 6 AZR 466/12
   

Ur­teil:

1. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts Nürn­berg - Ge­richts­tag Weißen­burg – vom 13.04.2011 auf­ge­ho­ben.

2. Die Wi­der­kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

3. Der Be­klag­te trägt die Kos­ten des Rechts­streits.

4. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten um die Fra­ge, ob die Kläge­rin ver­pflich­tet ist, Ar­beits­ent­gelt zurück­zu­zah­len.

Die Kläge­rin war seit 01.03.1983 bei der Fir­ma A… + B… GmbH & Co. KG (i.F.: Schuld­ne­rin) als Ar­beit­neh­me­rin beschäftigt.

Da die Schuld­ne­rin das Ar­beits­ent­gelt für No­vem­ber 2006 nicht zahl­te, er­hob die Kläge­rin ei­ne ent­spre­chen­de Kla­ge beim Ar­beits­ge­richt Nürn­berg, die un­ter dem Ak­ten­zei­chen 7 Ca 9536/06 W geführt wur­de. Das Ver­fah­ren en­de­te am 16.01.2007 mit ei­nem ge­richt­li­chen Ver­gleich. Dar­in ver­pflich­te­te sich die Schuld­ne­rin, für No­vem­ber 2006 2.321,65 € brut­to ent­spre­chend 1.024,29 € net­to zuzüglich 40,00 € vermögens­wirk­sa­me Leis­tun­gen zu zah­len.

In ei­nem wei­te­ren Ver­fah­ren vor dem Ar­beits­ge­richt Nürn­berg, das die Vergütung für De-zem­ber 2006 zum Ge­gen­stand hat­te (7 Ca 549/07 W), ver­pflich­te­te sich die Schuld­ne­rin in ei­nem Ver­gleich vom 09.02.2007, an die Kläge­rin 1.665,67 € brut­to ent­spre­chend 782,08 € net­to zuzüglich 40,00 € vermögens­wirk­sa­me Leis­tun­gen zu zah­len.

Die Kläge­rin be­trieb, ver­tre­ten durch ih­re da­ma­li­gen Pro­zess­ver­tre­ter, aus bei­den Ver­glei­chen die Zwangs­voll­stre­ckung.

Der Geschäftsführer der Schuld­ne­rin, Herr S…, be­an­trag­te am 10.05.2007 beim Amts­ge­richt Ans­bach die Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens. Das In­sol­venz­ver­fah­ren wur­de am 01.07.2007 eröff­net. Zum In­sol­venz­ver­wal­ter wur­de der Be­klag­te be­stellt.

Der Be­klag­te kündig­te das Ar­beits­verhält­nis mit der Kläge­rin mit Schrei­ben vom 16.07.2007 zum 31.10.2007.

Un­ter dem 23.04.2010 mach­te der Be­klag­te ge­genüber der Kläge­rin gel­tend, sie ha­be am 02.03.2007 ei­ne Zah­lung in Höhe von 1.121,07 € und am 19.03.2007 die Zah­lung in Höhe von 870,61 € er­hal­ten. Der Be­klag­te erklärte die in­sol­venz­recht­li­che An­fech­tung der Zah-lung und for­der­te die Kläge­rin auf, bis 05.05.2010 die Sum­me, 1.991,68 €, zuzüglich Zin-sen seit 01.07.2007 zu zah­len.

Mit Kla­ge vom 25.08.2010 be­gehr­te die Kläge­rin die Fest­stel­lung, dass der Be­klag­te kei­nen Rück­zah­lungs­an­spruch ha­be. Der Be­klag­te be­an­trag­te mit Schrift­satz vom 10.09.2010, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Am 29.12.2010 er­hob er Wi­der­kla­ge auf Zah­lung der gel­tend ge­mach­ten Beträge. Dar­auf­hin nahm die Kläge­rin die Fest­stel­lungs­kla­ge zurück.

Das Ar­beits­ge­richt Nürn­berg ver­ur­teil­te die Kläge­rin mit Ur­teil vom 13.04.2011, an den Be­klag­ten 1.991,68 € zuzüglich Zin­sen hier­aus seit 01.07.2007 zu zah­len.

Das Ur­teil wur­de der Kläge­rin am 29.08.2011 zu­ge­stellt.

Die Kläge­rin leg­te ge­gen das Ur­teil am 28.09.2011 Be­ru­fung ein und be­gründe­te sie am 30.11.2011. Bis da­hin war die Be­ru­fungs­be­gründungs­frist verlängert wor­den.

Die Kläge­rin macht gel­tend, auf das Ar­beits­verhält­nis fänden die Re­ge­lun­gen des Man­tel-ta­rif­ver­trags für die baye­ri­sche Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie An­wen­dung. Die Gel­tung der Ta­rif­verträge sei im Ar­beits­ver­trag vom 13.09.1983 ver­ein­bart wor­den. In ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 11.09.1995, die anläss­lich ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges ab­ge­schlos­sen wor­den sei, hätten die Be­triebs­par­tei­en die Wei­ter­gel­tung der Re­ge­lun­gen des Man­tel­ta­rif­ver­trags der baye­ri­schen Me­tall­in­dus­trie ver­ein­bart, bis die­se aus­lie­fen oder durch an-de­re er­setzt würden. We­gen des Wort­lauts des Ar­beits­ver­trags so­wie der Be­triebs­ver­ein-ba­rung wird auf die vor­ge­leg­ten Ko­pi­en Be­zug ge­nom­men (Bl. 243 und 228 d.A.).

Die Kläge­rin macht gel­tend, der gel­tend ge­mach­te An­spruch sei ent­spre­chend der ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist ver­fal­len. Sie trägt vor, sie ha­be mit Schrei­ben vom 02.06.2010 die Rück­zah­lung ab­ge­lehnt.

Die Kläge­rin führt aus, der Recht­spre­chung, wo­nach ei­ne Be­frie­di­gung, die im Rah­men von Zwangs­voll­stre­ckungs­maßnah­men er­langt sei, in­kon­gru­ent im Sin­ne des § 131 In­sO sei, sei nicht zu fol­gen. So­wohl der Wort­laut als auch die Ge­set­zes­sys­te­ma­tik ste­he der Aus­le­gung, wie sie von der Recht­spre­chung vor­ge­nom­men wer­de, ent­ge­gen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Nürn­berg vom 13.04.2011, Az.: 7 Ca 5449/10, ab­zuändern und die Wi­der­kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Be­klag­te be­an­tragt:

I. Die Be­ru­fung wird zurück­ge­wie­sen.

II. Die Be­ru­fungskläge­rin hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Der Be­klag­te macht gel­tend, das Erst­ur­teil ent­spre­che der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs so­wie des Bun­des­ar­beits­ge­richts.

Die ta­rif­li­che Aus­schluss­frist grei­fe nicht. Ge­setz­li­che Schuld­verhält­nis­se stünden außer-halb der Re­ge­lungs­macht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en. Die §§ 129 ff In­sO be­gründe­ten ein sol­ches ge­setz­li­ches Schuld­verhält­nis.

Ei­ne Be­weis­auf­nah­me hat nicht statt­ge­fun­den.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die Be­ru­fung ist zulässig. Sie ist statt­haft, § 64 Ab­satz 1 und 2 b) ArbGG, so­wie form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, § 66 Ab­satz 1 ArbGG.

Die Be­ru­fung ist be­gründet.

Der Be­klag­te hat kei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung des Ar­beits­ent­gelts für die Mo­na­te No­vem­ber und De­zem­ber 2006, das die Kläge­rin im We­ge der Zwangs­voll­stre­ckung er-hal­ten hat, §§ 131 Ab­satz 1 Zif­fer 2, 143 In­sO; § 22 Nr. 3 Ab­satz 2 und 3 des Man­tel­ta­rif­ver­trags für die Ar­beit­neh­mer der baye­ri­schen Elek­tro- und Me­tall­in­dus­trie (TR 5/10 – 300 ab 145), i. F.: MTV.

Der An­spruch ist be­reits gemäß der ta­rif­li­chen Aus­schluss­frist ver­fal­len, § 611 BGB iVm § 22 Man­tel­ta­rif­ver­trag.

Der zi­tier­te Man­tel­ta­rif­ver­trag fin­det auf das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en An­wen­dung.

Der Ar­beits­ver­trag, den die Kläge­rin und die Schuld­ne­rin am 13.09.1983 ab­ge­schlos­sen ha­ben, enthält ei­ne dy­na­mi­sche Ver­wei­sungs­klau­sel. Dar­in ist be­stimmt, dass für das Ar­beits­verhält­nis „al­le übri­gen“ Be­stim­mun­gen für die ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer der baye­ri­schen Me­tall­in­dus­trie ein­sch­ließlich al­ler dies­bezügli­chen Ergänzungs- und Zu­satz-ab­kom­men gel­ten sol­len.

Es lässt sich nicht fest­stel­len, ob es sich bei der Klau­sel um ei­ne sog. Gleich­stel­lungs­ab­re­de han­delt. Dies ist der Fall, wenn die Schuld­ne­rin ta­rif­ge­bun­den war und mit der Klau­sel ei­ne An­wen­dung der ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge auch für die nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Mit­ar­bei­ter her­beiführen woll­te. Ob die Schuld­ne­rin bei Ab­schluss des Ar­beits­ver­trags ta­rif­ge­bun­den war, lässt sich dem Sach­vor­trag der Par­tei­en nicht ent­neh­men.

Letzt­lich kann dies da­hin­ste­hen.

War die Schuld­ne­rin nicht ta­rif­ge­bun­den, gel­ten die für die Gleich­stel­lungs­ab­re­de ent­wi­ckel­ten Grundsätze der Recht­spre­chung oh­ne­hin nicht.

Liegt ei­ne Gleich­stel­lungs­ab­re­de vor, ist, da der Ar­beits­ver­trag vor dem 1. Ja­nu­ar 2002 ver­ein­bart wor­den ist, die frühe­re Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu Gleich­stel­lungs­ab­re­den an­zu­wen­den. Da­nach führt der Weg­fall der Ta­rif­ge­bun­den­heit des Ar­beit­ge­bers da­zu, dass die in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­verträge nur noch sta­tisch in der Fas­sung an­zu­wen­den sind, die zum Zeit­punkt des Ein­tritts der feh­len­den Ta­rif­ge­bun­den­heit galt (vgl. Bun­des­ar­beits­ge­richt - Ur­teil vom 19.10.2011 - 4 AZR 811/09 = DB 2011/2783). Ei­ne ent­spre­chen­de Aus­le­gung von Alt­verträgen hat da­nach zur Fol­ge, dass die ver­trag­li­che An­bin­dung an die dy­na­mi­sche Ent­wick­lung der ta­rif­lich ge­re­gel­ten Ar­beits­be­din­gun­gen en­det, wenn sie ta­rif­recht­lich auch für ei­nen ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer en­det, z.B. durch den Aus­tritt des Ar­beit­ge­bers aus dem zuständi­gen Ar­beit­ge­ber­ver­band, durch das Her­aus­fal­len des Be­triebs aus dem Gel­tungs­be­reich oder durch den Über­gang des Be­triebs auf ei­nen nicht ta­rif­ge­bun­de­nen neu­en Ar­beit­ge­ber (vgl. Bun­des­ar­beits­ge­richt - Ur­teil vom 29.08.2007 - 4 AZR 765/06 = Ar­buR 2008/181).

Es ist we­der er­sicht­lich, dass ei­ne et­wai­ge Ta­rif­bin­dung der Schuld­ne­rin ent­fal­len wäre, noch, dass ein Be­triebsüber­gang auf ei­nen nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Rechts­nach­fol­ger statt­ge­fun­den hat.

Dies er­gibt sich ins­be­son­de­re nicht aus der von der Kläge­rin vor­ge­leg­ten Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 11.09.1995. Die­se be­trifft zwar den Über­gang ei­nes Be­triebs­teils der Schuld­ne­rin. Es ist in­des nicht er­sicht­lich, dass das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin von die­sem Teil­be­triebsüber­gang be­trof­fen war. Der Um­stand, dass der Be­klag­te als In­sol­venz­ver­wal­ter der Schuld­ne­rin das Ar­beits­verhält­nis gekündigt hat, spricht für die Fortführung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Schuld­ne­rin.

Der streit­ge­genständ­li­che An­spruch ist von § 22 MTV um­fasst.

Es wird nicht über­se­hen, dass nach ei­ner Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 19.11.2003 (10 AZR 110/03 = BA­GE 108/367 und NZA 2004/208) ei­ne ta­rif­li­che Aus­schluss­frist auf Ansprüche des In­sol­venz­ver­wal­ters aus § 143 Ab­satz 1 In­sO nicht an­wend­bar sein soll. Dies wird da­mit be­gründet, dass die §§ 129 ff In­sO ein ge­setz­li­ches Schuld­verhält­nis oh­ne je­de Rück­sicht auf ein in der In­sol­venz fort­be­ste­hen­des Ar­beits­verhält­nis oder ein frühe­res Ar­beits­verhält­nis zum In­sol­venz­schuld­ner be­gründe­ten und ein der­ar­ti­ges ge­setz­li­ches Schuld­verhält­nis außer­halb der Re­ge­lungs­macht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ste­he.

Dem kann sich das er­ken­nen­de Ge­richt nicht an­sch­ließen. Da­bei wird nicht in Ab­re­de ge­stellt, dass das An­fech­tungs­recht ein ge­setz­li­ches Schuld­verhält­nis in der Wei­se be­gründet, dass der Empfänger der Leis­tung auf­grund ei­ner ge­setz­li­chen Re­ge­lung zur Rück­gewähr ver­pflich­tet wird. Es ist auch der An­sicht zu fol­gen, dass ein ge­setz­li­ches Schuld­verhält­nis an sich außer­halb der Re­ge­lungs­macht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en steht. Ge­nau­so we­nig, wie Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Vor­aus­set­zun­gen und Fol­gen ei­ner un­er­laub­ten Hand­lung re­geln können, ist ih­nen ei­ne Dis­po­si­ti­on der in­sol­venz­recht­li­chen An­fech­tungsmöglich­kei­ten zugäng­lich. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en können aber wie bei sons­ti­gen ge­setz­li­chen An­spruchs­grund­la­gen re­geln, wie und in­ner­halb wel­cher Frist For­de­run­gen, die sich aus der Wahr­neh­mung des An­fech­tungs­rechts er­ge­ben, gel­tend zu ma­chen sind.

Dem­gemäß kann zwar nicht die An­fech­tung gemäß §§ 129 ff In­sO als sol­che, wohl aber der sich aus der An­fech­tung gemäß § 143 In­sO er­ge­ben­de Rück­gewähran­spruch der ta­rif­li­chen Aus­schluss­frist un­ter­lie­gen. Ei­ne wei­ter­ge­hen­de Re­ge­lung be­inhal­tet § 22 MTV nicht.

Nach der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 18.12.2008 (8 AZR 105/08 = AP Nr. 9 zu § 717 ZPO und ZTR 2009/432) sind „Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis” im Sinn ei­ner ta­rif­li­chen Aus­schluss­klau­sel grundsätz­lich al­le denk­ba­ren Ansprüche, die mit dem Ar­beits­verhält­nis in ei­nem Zu­sam­men­hang ste­hen. Es kom­me da­nach nur dar­auf an, ob der be­tref­fen­de Le­bens­vor­gang ei­ne en­ge Ver­knüpfung mit dem Ar­beits­verhält­nis auf-wei­se. Be­reits aus dem Wort­laut „An­spruch aus dem Ar­beits­verhält­nis“ wer­de deut­lich, dass An­spruchs­grund­la­ge für den An­spruch nicht der Ar­beits­ver­trag sein müsse. Denn es wer­de nicht auf ar­beits­ver­trag­li­che Ansprüche ab­ge­stellt. Er­for­der­lich sei le­dig­lich, dass das Ar­beits­verhält­nis die Grund­la­ge für den An­spruch bil­de. Un­ter die Ver­fall­klau­sel fie­len dem­nach al­le Ansprüche, die sich aus den Be­zie­hun­gen zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer ergäben oder die in eng mit dem Ar­beits­verhält­nis ver­bun­de­nen recht­li­chen Be­zie­hun­gen zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer ih­ren Ent­ste­hungs­grund hätten. Er­fasst würden des­halb von ei­ner ta­rif­li­chen Aus­schluss­klau­sel, die für „Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis“ gel­te, auch ge­setz­li­che Ansprüche auf Rück­gewähr rechts­grund­los er­brach­ter Leis­tun­gen des Ar­beit­ge­bers.

Das er­ken­nen­de Ge­richt sieht kei­nen Grund, ei­nen An­spruch aus § 717 Ab­satz 2 ZPO, um den es in der zi­tier­ten Ent­schei­dung ging, an­ders zu be­han­deln als ei­nen An­spruch aus § 143 In­sO.

Die­ses Er­geb­nis wird durch die Ent­schei­dung des Ge­mein­sa­men Se­nats der obers­ten Ge­richtshöfe des Bun­des vom 27.09.2010 (GmS-OGB 1/09 = BGHZ 187/105 und NZA 2011/534) bestätigt.

Da­nach ist der Streit über die Rück­gewähr vom Schuld­ner ge­leis­te­ter Ar­beits­vergütung nach § 143 In­sO ei­ne Rechts­strei­tig­keit aus dem Ar­beits­verhält­nis. Rechts­strei­tig­kei­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis sei­en nach der Be­gründung der zi­tier­ten Ent­schei­dung sol­che, die ei­nem Ar­beits­verhält­nis entsprängen, das zur Zeit der Kla­ge be­ste­he, zu­vor be­stan­den ha­be oder be­gründet wer­den sol­le. Die Rück­gewähr ver­dien­ten Ar­beits­ent­gelts nach § 143 Ab­satz 1 In­sO, das der Ar­beit­neh­mer auf­grund sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses und in Erfüllung der sich dar­aus er­ge­ben­den bei­der­sei­ti­gen Haupt­leis­tungs­pflich­ten er­hal­ten ha­be, sei auf die Rück­ab­wick­lung ei­ner ar­beits­recht­li­chen Leis­tungs­be­zie­hung ge­rich­tet: Der Mas­se soll im In­ter­es­se der Gläubi­ger wie­der zu­geführt wer­den, was ihr im Rah­men der ar­beits­recht­li­chen Aus­tausch­be­zie­hung zwi­schen späte­rem Schuld­ner und Ar­beit­neh­mer in - aus der Sicht des In­sol­venz­ver­wal­ters - an­fecht­ba­rer Wei­se ent­zo­gen wur­de. Die wirk­sa­me An­fech­tung ermögli­che dem In­sol­venz­ver­wal­ter, in die ar­beits­recht­li­che Leis­tungs­be­zie­hung kor­ri­gie­rend ein­zu­grei­fen. Der Ar­beit­neh­mer müsse zu­guns­ten der Mas­se das ver­dien­te Ar­beits­ent­gelt zurück­gewähren. Im Ge­gen­zug le­be nach § 144 Ab­satz 1 In­sO sein Vergütungs­an­spruch wie­der auf.

Et­was an­de­res kann für die Fra­ge, ob der An­spruch nach § 143 In­sO un­ter ei­ne (ta­rif­li­che) Aus­schluss­frist fällt, nicht gel­ten.

Der Be­klag­te hat die ta­rif­li­che Frist, in­ner­halb der der An­spruch ge­richt­lich gel­tend zu ma­chen war, nicht ein­ge­hal­ten.

§ 22 MTV enthält ei­ne zwei­stu­fi­ge Aus­schluss­frist. Die da­nach vor­ge­se­hen drei­mo­na­ti­ge Frist zur Gel­tend­ma­chung hat der Be­klag­te al­ler­dings ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin ein­ge­hal­ten. Die Aus­schluss­frist be­ginnt mit Fällig­keit des An­spruchs zu lau­fen. Der Rück­gewähran­spruch wur­de erst mit Zu­gang des Schrei­bens des Be­klag­ten vom 23.04.2010 fällig. Dar­in übte der Be­klag­te sein An­fech­tungs­recht aus und for­der­te die Kläge­rin auf, das emp­fan­ge­ne Geld bis 05.05.2010 zurück­zu­zah­len.

Der Be­klag­te hat die Frist, in­ner­halb der er den An­spruch hätte ge­richt­lich gel­tend ma­chen müssen, nicht ein­ge­hal­ten.

Die Kläge­rin hat den er­ho­be­nen An­spruch mit Schrei­ben vom 02.06.2010 ab­ge­lehnt. Dies er­gibt sich aus dem Vor­brin­gen der Kläge­rin, das der Be­klag­te nicht be­strei­tet und das da­her als zu­ge­stan­den an­zu­se­hen ist, § 138 Ab­satz 3 ZPO.

Der Be­klag­te hätte in­ner­halb von sechs Mo­na­ten, ge­rech­net ab die­sem Zeit­punkt, die im Schrei­ben vom 23.04.2010 be­zeich­ne­ten For­de­run­gen ein­kla­gen müssen. Dies ist nicht er­folgt. Die vor­lie­gen­de Wi­der­kla­ge ist erst nach Ab­lauf der Frist, nämlich am 29.12.2010 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen.

Darüber hin­aus lie­gen nach Auf­fas­sung des er­ken­nen­den Ge­richts die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Rücker­stat­tung des Ar­beits­ent­gelts durch die Kläge­rin nicht vor, § 131 Satz 1 Nr. 2 In­sO.

Zwar hat der Be­klag­te un­ter dem 23.04.2010 die in­sol­venz­recht­li­che An­fech­tung der Zah­lun­gen an die Kläge­rin erklärt. Die im We­ge der Zwangs­voll­stre­ckung er­lang­ten Zah­lun­gen sind in­des nicht an­fecht­bar. Ins­be­son­de­re liegt nach Auf­fas­sung des er­ken­nen­den Ge­richts ei­ne in­kon­gru­en­te De­ckung im Sin­ne des § 131 In­sO nicht vor.

Die Be­frie­di­gung, die die Kläge­rin er­langt hat – Zah­lung des Lohns für die Mo­na­te No­vem­ber und De­zem­ber 2006 – hat­te sie im Sin­ne der ge­nann­ten Re­ge­lung zu be­an­spru­chen.

Die Kläge­rin hat für No­vem­ber und De­zem­ber 2006 ei­nen Vergütungs­an­spruch er­wor­ben, §§ 611, 612, 614 BGB. Sie hat für die Schuld­ne­rin ei­ne ent­spre­chen­de Ar­beits­leis­tung er­bracht. Dies ist zwi­schen den Par­tei­en nicht strei­tig. Die er­folg­te Zah­lung stand ihr da­her zu.

Die Kläge­rin hat­te die Zah­lun­gen auch „zu der Zeit“ zu be­an­spru­chen. Die­ses Tat­be­stands­merk­mal be­trifft die Fra­ge, ob die erfüll­te For­de­rung fällig, be­tagt oder be­fris­tet war (vgl. Frank­fur­ter Kom­men­tar zur In­sol­venz­ord­nung, 6. Auf­la­ge, Rd­Nr.14 zu § 131). Der An­spruch auf Ar­beits­vergütung war fällig, § 614 BGB. Auch darüber be­steht zwi­schen den Par­tei­en kein Streit.

Sch­ließlich hat­te die Kläge­rin das Ar­beits­ent­gelt „in der Art“ zu be­an­spru­chen.

Al­ler­dings wird nicht ver­kannt, dass der Bun­des­ge­richts­hof § 131 In­sO in ständi­ger Recht­spre­chung in der Wei­se aus­legt, dass ei­ne Be­frie­di­gung als nicht be­an­sprucht gilt, wenn sie durch Zwangs­voll­stre­ckung oder auch nur un­ter dem Druck ei­ner dro­hen­den Zwangs­voll­stre­ckung er­langt ist (vgl. Bun­des­ge­richts­hof - Ur­teil vom 09.09.1997 - IX ZR 14/97 = BGHZ 136/309 und NJW 1997/3445; Ur­teil vom 20.01.2011- IX ZR 8/10 = DB 2011/468 und MDR 2011/512).

Un­ter Hin­weis auf das Pro­to­koll der Reichs­tags­kom­mis­si­on vom 11.11.1875 führt der Bun­des­ge­richts­hof hier­zu aus, im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren ha­be Ei­nig­keit darüber be­stan­den, dass die vom Gläubi­ger im Voll­stre­ckungs­we­ge vor­ge­nom­me­nen Hand­lun­gen un­ter § 30 Nr. 2 KO fal­len müss­ten. Des­we­gen sei­en aus dem ursprüng­lich vor­ge­se­he­nen Text "Rechts­hand­lun­gen des Schuld­ners" die Wor­te "des Schuld­ners" ge­stri­chen wor­den. Da­mit sei­en aus­drück­lich "Rechts­hand­lun­gen" schlecht­hin für an­fecht­bar erklärt wor­den, um auch Hand­lun­gen des Gläubi­gers zu er­fas­sen, an de­nen der Schuld­ner nicht be­tei­ligt sei. Ei­ne der­ar­ti­ge Hand­lung des Gläubi­gers set­ze nicht vor­aus, dass sie zum Ent­ste­hen ei­nes Pfändungs­pfand­rechts geführt hat. Die Aus­deh­nung der An­fech­tung auf Rechts­hand­lun­gen des Gläubi­gers be­deu­te auch nicht, dass die­se al­lein - oh­ne Zu­tun des Schuld­ners - zu der schließlich er­lang­ten Si­che­rung oder Be­frie­di­gung geführt ha­ben müss­ten. Ha­be der Schuld­ner zur Ab­wen­dung der Zwangs­voll­stre­ckung ge­leis­tet, fal­le die­se Rechts­hand­lung so­mit dem Wort­laut nach un­ter § 30 Nr. 2 KO. Für die An­fecht­bar­keit dürfe nicht den Aus­schlag ge­ben, wie weit Voll­stre­ckungs­zwang aus­geübt ha­be wer-den müssen, um zum Ziel zu ge­lan­gen. Noch we­ni­ger könne es dar­auf an­kom­men, ob bei der Geldpfändung ein Pfändungs­pfand­recht ent­ste­he oder nicht. Ent­schei­dend sei al­lein die in­halt­li­che Wer­tung des zu be­ur­tei­len­den Vor­gangs. Die Vor­schrift des § 30 Nr. 2 KO be­zwe­cke, den kon­kurs­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz zeit­lich vor­zu­zie­hen. Das die Ein­zelzwangs­voll­stre­ckung be­herr­schen­de Prio­ritätsprin­zip und der da­durch be­ding­te "Wett­lauf der Gläubi­ger" sei­en nur so lan­ge hin­zu­neh­men, wie für die zurück­ge­setz­ten Gläubi­ger noch ei­ne Aus­sicht be­ste­he, sich aus an­de­ren Vermögens­ge­genständen des Schuld­ners vol­le De­ckung zu ver­schaf­fen. Dies sei nicht mehr der Fall, wenn der Schuld­ner die Zah­lun­gen ein­ge­stellt ha­be oder der Eröff­nungs­an­trag ge­stellt sei und - wie das Ge­setz (An­mer­kung: § 30 Nr. 2 KO) an­neh­me - auch schon nicht mehr in den letz­ten zehn Ta­gen zu­vor. Der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz al­lein recht­fer­ti­ge al­ler­dings noch nicht die Kon­kursan­fech­tung nach § 30 Nr. 2 KO. Denn es ver­s­toße in glei­cher Wei­se ge­gen die Gleich­be­hand­lung al­ler Gläubi­ger, wenn der Schuld­ner, nach­dem der "ma­te­ri­el­le Kon­kurs" be­reits ein­ge­tre­ten sei, mit Hil­fe sei­ner letz­ten frei verfügba­ren Mit­tel auf ei­ne fälli­ge For­de­rung frei­wil­lig zah­le und an­de­re Gläubi­ger mit ih­ren eben­falls fälli­gen For­de­run­gen leer aus­gin­gen. In ei­nem sol­chen Fall sei die Zah­lung aber nicht nach § 30 Nr. 2 KO an­fecht­bar und nach § 30 Nr. 1 KO nur dann, wenn der be­frie­dig­te Gläubi­ger beim Er­werb sei­ner De­ckung den Ein­tritt der Kri­se des Schuld­ners nach­weis­lich ge­kannt ha­be. Bei ei­ner Si­che­rung oder Be­frie­di­gung, die der Gläubi­ger nach Ein­tritt der Kri­se im We­ge der Zwangs­voll­stre­ckung - mit oder oh­ne Pfändungs­pfand­recht, durch Zwangs­zu­griff oder durch Leis­tung zur Ab­wen­dung der Zwangs­voll­stre­ckung - er­hal­te, kom­me aber, ne­ben dem Ver­s­toß ge­gen den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz, noch hin­zu, dass der Gläubi­ger sei­ne Rechts­po­si­ti­on mit Hil­fe von staat­li­chen Zwangs­mit­teln durch­ge­setzt ha­be. Nach der Zah­lungs­ein­stel­lung oder dem An­trag auf Eröff­nung des Kon­kurs­ver­fah­rens oder in den letz­ten zehn Ta­gen zu­vor sol­le ei­ne Un­gleich­be­hand­lung der Gläubi­ger aber nicht mehr durch staat­li­che Macht­mit­tel er­zwun­gen wer­den. Ge­sche­he dies den­noch, sol­le das Er­geb­nis we­nigs­tens nicht kon­kurs­fest sein. Nach Ein­tritt des "ma­te­ri­el­len Kon­kur­ses" stel­le der Staat ein be­son­de­res Ge­samt­voll­stre­ckungs­ver­fah­ren zur Verfügung, das die Gleich­be­hand­lung al­ler Gläubi­ger gewähr­leis­ten sol­le.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat sich der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs an­ge­schlos­sen (vgl. Bun­des­ar­beits­ge­richt - Be­schluss vom 31.08.2010 - 3 ABR 139/09 = AP Nr. 19 zu § 48 ArbGG 1979 und NZA 2011/995; Ur­teil vom 19.05.2011 - 6 AZR 736/09 = DB 2011/2259 und EzA § 131 In­sO Nr. 3).

Das er­ken­nen­de Ge­richt ver­mag die­ser Recht­spre­chung nicht zu fol­gen. Es hält die dar­in prak­ti­zier­te Aus­le­gung des § 131 In­sO nicht für ge­bo­ten.
Al­ler­dings folgt die Kam­mer der Aus­gangsüber­le­gung, dass auch Ak­te staat­li­cher Ge­walt, ins­be­son­de­re Zwangs­voll­stre­ckungs­maßnah­men, als Rechts­hand­lun­gen an­zu­se­hen sind. Die­sem Er­geb­nis ent­spricht die Re­ge­lung in § 141 In­sO, wo­nach die An­fech­tung ei­ner Rechts­hand­lung nicht des­halb aus­ge­schlos­sen ist, weil sie durch Zwangs­voll­stre­ckung er­wirkt wur­de.

Nach Auf­fas­sung des er­ken­nen­den Ge­richts be­zieht sich der Be­griff der Rechts­hand­lung in­des le­dig­lich auf die Fra­ge, auf wel­chem Weg der Gläubi­ger Si­che­rung oder Be­frie­di­gung er­langt hat. Da­ge­gen be­trifft das Tat­be­stands­merk­mal „in der Art“ die ma­te­ri­ell­recht­li­che Be­rech­ti­gung für das Er­lang­te. Es ist dem­gemäß im Rah­men der Prüfung die­ser Vor­aus­set­zung zu prüfen, ob der Gläubi­ger an­stel­le der Leis­tung, die er zu for­dern hat, in der kri­ti­schen Zeit ei­ne an­de­re, nicht ge­schul­de­te Leis­tung erhält.

Dies er­gibt sich zum ei­nen aus dem Kon­text, in dem der Be­griff „in der Art“ steht. Ne­ben die­sem Be­griff wird dar­auf ab­ge­stellt, ob der Gläubi­ger, der ei­ne Si­che­rung oder Be­frie­di­gung er­hal­ten hat, über­haupt ei­nen An­spruch hat und ob er ihn „zu der Zeit“ hat. Bei­de Kri­te­ri­en be­tref­fen den ma­te­ri­ell­recht­li­chen Grund für das, was der Gläubi­ger er­langt hat. Dies spricht dafür, auch das Tat­be­stands­merk­mal „in der Art“, das in ei­ner Rei­he mit den an­de­ren bei­den Be­grif­fen steht, aus­sch­ließlich ma­te­ri­ell­recht­lich aus­zu­le­gen.

Die­se Aus­le­gung wird durch den be­reits ge­nann­ten § 142 In­sO gestützt. Wäre die Schluss­fol­ge­rung „Zwangs­voll­stre­ckungs­maßnah­me gleich Rechts­hand­lung gleich an­fecht­bar“ zu­tref­fend, be­durf­te es der Re­ge­lung des § 142 In­sO nicht.

Das von Bun­des­ge­richts­hof an­geführ­te Ar­gu­ment, die Vor­schrift des § 30 Nr. 2 KO (und dann wohl auch des § 131 In­sO) be­zwe­cke, den kon­kurs­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz zeit­lich vor­zu­zie­hen, das die Ein­zelzwangs­voll­stre­ckung be­herr­schen­de Prio­ritätsprin­zip und der da­durch be­ding­te "Wett­lauf der Gläubi­ger" sei­en nur so lan­ge hin­zu-neh­men, wie für die zurück­ge­setz­ten Gläubi­ger noch ei­ne Aus­sicht be­ste­he, sich aus an­de­ren Vermögens­ge­genständen des Schuld­ners vol­le De­ckung zu ver­schaf­fen, recht­fer­ti­gen nach An­sicht des er­ken­nen­den Ge­richts kei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung.

Zwar wird das dem In­sol­venz­recht zu­grun­de­lie­gen­de Prin­zip, dass die Gläubi­ger an dem ver­blie­be­nen Vermögen gleichmäßig be­frie­digt wer­den sol­len, nicht in Fra­ge ge­stellt. Der Ge­setz­ge­ber hat in­des ei­ne Rei­he von Re­ge­lun­gen ge­trof­fen, die der Um­set­zung die­ses Grund­sat­zes die­nen. Hier sind vor al­lem zu nen­nen § 240 ZPO, wo­nach ein Er­kennt­nis-ver­fah­ren un­ter­bro­chen wird, § 89 In­sO, wo­nach Zwangs­voll­stre­ckun­gen für ein­zel­ne In­sol­venzgläubi­ger während der Dau­er des In­sol­venz­ver­fah­rens un­zulässig sind, und § 88 In­sO, wo­nach ei­ne Si­che­rung, die ein In­sol­venzgläubi­ger im letz­ten Mo­nat vor dem An­trag auf Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens durch Zwangs­voll­stre­ckung an dem zur In­sol­venz­mas­se gehören­den Vermögen des Schuld­ners er­langt hat, mit der Eröff­nung des Ver­fah­rens un­wirk­sam wird. Aus die­sen dif­fe­ren­zier­ten Be­stim­mun­gen er­gibt sich, dass der Ge­setz­ge­ber ge­ra­de nicht da­von aus­ge­gan­gen ist, be­reits der Ein­tritt ei­nes „ma­te­ri­el­len Kon­kur­ses“ ha­be zur Fol­ge, dass der Staat (aus­sch­ließlich) ein be­son­de­res Ge­samt-voll­stre­ckungs­ver­fah­ren zur Verfügung stel­le, ins­be­son­de­re Zwangs­voll­stre­ckungs­maß-nah­men, die in der kri­ti­schen Pha­se vor der In­sol­venz durch­geführt wor­den sind, per se als un­zulässig bzw. an­fecht­bar an­zu­se­hen sind.

Sch­ließlich kann das Ar­gu­ment des in­sol­venz­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes auch des­halb nicht über­zeu­gen, weil die Recht­spre­chung aus­drück­lich frei­wil­li­ge Zah­lun­gen des Schuld­ners in der kri­ti­schen Zeit von der An­fecht­bar­keit nach § 131 In­sO aus-nimmt, ob­wohl die Zah­lung des Schuld­ners un­zwei­fel­haft ei­ne Rechts­hand­lung im Sin­ne des § 131 In­sO dar­stellt. Die da­mit ver­bun­de­ne un­ter­schied­li­che Wer­tung der bei­den Rechts­hand­lun­gen wird der Be­deu­tung des Zwangs­voll­stre­ckungs­rechts nicht ge­recht.

Dem Gläubi­ger ist es un­ter­sagt, sei­nen ver­bind­lich fest­ge­stell­ten An­spruch im We­ge der Selbst­hil­fe durch­zu­set­zen. Träger der Voll­stre­ckungs­ge­walt ist al­lein der Staat als In­ha­ber des Zwangs­mo­no­pols. Der Gläubi­ger hat ein In­ter­es­se an der Ver­wirk­li­chung sei­nes An­spruchs. Die­ses In­ter­es­se dient der Wah­rung des Rechts­frie­dens und der Rechts­ord­nung, wel­che ih­rer­seits Grund­be­stand­teil der rechts­staat­li­chen Ord­nung ist (vgl. Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt - Ur­teil vom 19.10.1982 - 1 BvL 34/80 und 1 BvL 55/80 = BVerfGE 61/126 und DB 1983/108; Bun­des­ge­richts­hof - Ur­teil vom 09.11.2000 - III ZR 314/99 = BGHZ 146/17 und NJW 2001/434).

Hin­zu kommt ein wei­te­rer Ge­sichts­punkt. Ge­ra­de dann, wenn - wie vor­lie­gend - das Zwangs­voll­stre­ckungs­ver­fah­ren ab­ge­schlos­sen ist, ist die ge­rin­ge­re Wer­tig­keit durch­geführ­ter Zwangs­voll­stre­ckungs­maßnah­men nicht ein­sich­tig. Vor Ab­schluss ei­nes Voll­stre­ckungs­ver­fah­rens greift § 88 In­sO. So­weit der Gläubi­ger bei In­sol­ven­zeröff­nung le­dig­lich ei­ne Si­che­rung er­langt hat, ist sie un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 88 In­sO un­wirk­sam.

Ei­ne er­lang­te Si­cher­heit ist darüber hin­aus gemäß § 131 In­sO an­fecht­bar, wenn der Gläubi­ger sie in­ner­halb von zwei wei­te­ren Mo­na­ten vor dem Eröff­nungs­an­trag er­langt hat, oh­ne dass sie ihm zu­steht, z.B. wenn er statt ei­nes ihm zu­ste­hen­den Geld­be­trags le­dig­lich ein Pfändungs­pfand­recht er­wor­ben hat, auf das ma­te­ri­ell­recht­lich ein An­spruch nicht be­steht. Nach Ab­schluss ei­nes Zwangs­voll­stre­ckungs­ver­fah­rens, das zur Be­frie­di­gung des Gläubi­gers geführt hat, tritt Rechts­si­cher­heit und da­mit Rechts­frie­den ein. Die Rechts­si­cher­heit ist ein we­sent­li­ches Ele­ment der Rechts­staat­lich­keit und da­mit ei­nes Kon­sti­tu­ti­ons­prin­zips des Grund­ge­set­zes. Aus ihm folgt die grundsätz­li­che Rechts­beständig­keit rechts­kräfti­ger Ent­schei­dun­gen und sons­ti­ger in Rechts­kraft er­wach­se­ner Ak­te der öffent­li­chen Ge­walt (vgl. BVerfG – Be­schluss vom 08.10.1992 - 1 BvR 1262/92 = NJW 1993/1125).

Es ist da­her nicht nach­zu­voll­zie­hen, wes­halb ei­ne Be­frie­di­gung, die im We­ge der Zwangs­voll­stre­ckung er­folgt und ab­ge­schlos­sen ist, al­lein aus die­sem Grund der in­sol­venz­recht­li­chen An­fech­tung un­ter­lie­gen soll.

Nach al­lem kommt das er­ken­nen­de Ge­richt zu der Über­zeu­gung, dass das Tat­be­stands­merk­mal „in der Art“ ma­te­ri­ell­recht­lich zu be­trach­ten ist.
Die Kläge­rin hat durch die Voll­stre­ckung Geld er­hal­ten, §§ 829, 835 Ab­satz 1 ZPO. Dies ent­spricht dem ma­te­ri­ell­recht­li­chen An­spruch der Kläge­rin, der auf die Zah­lung von Geld ge­rich­tet war.

Da zum ei­nen die ta­rif­li­che Aus­schluss­frist dem Rück­gewährungs­an­spruch ent­ge­gen­steht und die Kläge­rin zum an­de­ren nichts er­hal­ten hat, was sie im Sin­ne des § 131 In­sO nicht zu be­an­spru­chen hätte, war das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts auf­zu­he­ben und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 91 Ab­satz 1 ZPO.

Die Re­vi­si­on war zu­zu­las­sen. Das vor­ste­hen­de Ur­teil weicht von Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts ab, § 72 Ab­satz 2 Nr. 2 ArbGG.

 

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