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BAG, Ur­teil vom 26.09.2007, 10 AZR 568/06

   
Schlagworte: Gleichbehandlungsgrundsatz, Lohn und Gehalt, Weihnachtsgeld, Einmalzahlung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZR 568/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.09.2007
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Herford, Urteil vom 28.10.2004 - 3 Ca 402/04
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 2.2.2006 - 8 Sa 472/05
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


10 AZR 568/06
8 Sa 472/05
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Hamm

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
26. Sep­tem­ber 2007

UR­TEIL

Brüne, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 26. Sep­tem­ber 2007 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Frei­tag, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Mar­quardt, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Si­mon und Großmann für Recht er­kannt:


1. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm vom 2. Fe­bru­ar 2006 - 8 Sa 472/05 - wird zurück­ge­wie­sen.
 


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2. Die Be­klag­te hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über ein Weih­nachts­geld für das Jahr 2003. 


Die Kläge­rin ist seit länge­rem als ge­werb­li­che Ar­beit­neh­me­rin bei der Be­klag­ten beschäftigt. Die nicht ta­rif­ge­bun­de­ne Be­klag­te stellt mit ca. 450 Mit­ar­bei­tern Kunst­stoff-Pro­duk­te für den Be­reich Pkw-Aus­stat­tung her. Die­se hat­te in der Ver­gan­gen­heit ein frei­wil­li­ges Weih­nachts­geld ge­zahlt. Im Sep­tem­ber 2000 schlos­sen die Be­klag­te und der Be­triebs­rat ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Grundsätze zur Son­der­zah­lung Weih­nachts­geld“. Dar­in war ua. ver­ein­bart, dass das jähr­li­che Weih­nachts­geld in ei­ner Band­brei­te von 30 % bis 100 % ei­nes durch­schnitt­li­chen Mo­nats­brut­to­ver­diens­tes lie­ge und nach der Zahl von Krank­heits­ta­gen ge­staf­felt wer­de, wo­bei bei über 15 Krank­heits­ta­gen nur 30 % des Mo­nats­brut­tos zu zah­len war. Die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung kündig­te die Be­klag­te am 25. Sep­tem­ber 2001 zum nächst­zulässi­gen Ter­min.


We­gen der schwie­ri­gen wirt­schaft­li­chen La­ge der Be­klag­ten wur­den den Ar­beit­neh­mern Mit­te De­zem­ber 2001 mit Wir­kung ab dem 1. Ja­nu­ar 2002 neue Ar­beits­verträge an­ge­bo­ten. Ne­ben ei­ner An­he­bung der Ar­beits­zeit von 37,5 auf 40 St­un­den pro Wo­che soll­te bei den Leis­tungslöhnen in der Pro­duk­ti­on der Grund­lohn von 9,30 Eu­ro im Spritz­guss und 8,82 Eu­ro in der Mon­ta­ge ge­senkt wer­den auf ein­heit­lich 8,18 Eu­ro. Et­wa 400 Mit­ar­bei­ter ak­zep­tier­ten die neu­en Ar­beits­verträge und ar­bei­te­ten seit Ja­nu­ar 2002 zu den neu­en Be­din­gun­gen. Die Kläge­rin so­wie wei­te­re ca. 50 Beschäftig­te wa­ren mit der Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen nicht ein­ver­stan­den und er­hiel­ten ih­re bis­he­ri­ge Vergütung wei­ter.

Im Jahr 2002 wur­de das Weih­nachts­geld ent­spre­chend der gekündig­ten Be­triebs­ver­ein­ba­rung letzt­ma­lig ge­zahlt. An­fang Fe­bru­ar 2003 bot die Be­klag­te den­je­ni­gen Mit­ar­bei­tern, wel­che die neu­en Ar­beits­verträge un­ter­schrie­ben hat­ten, ei­ne Zu­satz­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag an, die al­le Empfänger - bis auf ei­nen - an­nah­men. Die Kläge­rin und die übri­gen Ar­beit­neh­mer, die die neu­en Ar­beits­verträge nicht un­ter­schrie­ben hat­ten, er­hiel­ten die­ses An­ge­bot nicht. Der Zu­satz lau­tet:

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„Fir­ma O gewährt für 2003 ein zusätz­li­ches Weih­nachts­geld nach fol­gen­der Re­ge­lung:


1. Staf­fe­lung


Die Be­rech­nung des jähr­li­chen Weih­nachts­gel­des un­ter-liegt ei­ner Staf­fe­lung nach Krank­heits­ta­gen des ein­zel­nen Ar­beit­neh­mers. Die Höhe des Weih­nachts­gel­des liegt in der Band­brei­te von 30 % bis 100 % ei­nes Brut­to-Mo­nats­grund­lohns.

Die Staf­fe­lung wird wie folgt fest­ge­legt:

über 15 Kran­ken­ta­ge 30 % des Mo­nats­brut­tos als Weih­nachts­geld
bis zu 15 Kran­ken­ta­gen 40 %
bis zu 12 Kran­ken­ta­gen 50 %
bis zu 10 Kran­ken­ta­gen 60 %
bis zu 8 Kran­ken­ta­gen 70 %
bis zu 5 Kran­ken­ta­gen 80 %
bis zu 3 Kran­ken­ta­gen 90 %
0 Kran­ken­ta­ge 100 %

Der Be­trach­tungs­zeit­raum wird auf den 01.11. des Vor­jah­res bis 31.10. des lau­fen­den Jah­res fest­ge­legt. Die Aus­zah­lung wird je­weils mit der No­vem­ber-Ab­rech­nung im De­zem­ber des lfd. Jah­res vor­ge­nom­men. Vor­schuss-Zah­lun­gen auf das Weih­nachts­geld sind nicht vor­ge­se­hen.

2. Son­der­re­ge­lun­gen

Nach­ste­hen­de Fehl­zei­ten sind ge­son­dert zu be­trach­ten:

- Ar­beits- und We­ge­unfälle
wer­den bei der Er­mitt­lung der Kran­ken­ta­ge nicht hin­zu­ge­nom­men, es sei denn, sie sind in gro­ber Fahrlässig­keit be­gründet

- El­tern­zeit, Wehr-/Zi­vil­dienst­zei­ten
In die­ser Zeit ruht das Ar­beits­verhält­nis und be­gründet so­mit kei­nen An­spruch auf Weih­nachts­geld. Die übri­gen Zei­ten in­ner­halb des Be­trach­tungs­zeit­raums wer­den mit ei­nem Weih­nachts­geld in Höhe von 30 % ei­nes Mo­nats­brut­tos un­abhängig evtl. Fehl­zei­ten be­wer­tet, das an­tei­lig je nach Dau­er der Ar­beits­ver­pflich­tung ge­zahlt wird.


- Lang­zeit­kran­ke über 6 Mo­na­te er­hal­ten ein
Weih­nachts­geld in Höhe von 30 % ei­nes Mo­nats­brut­to-Grund­loh­nes, das an­tei­lig je nach Dau­er der Ar­beits­leis­tung inkl. der Lohn­fort­zah­lungs­zeiträume ge­zahlt wird
 


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- Aus­zu­bil­den­de, die im ak­tu­el­len Be­trach­tungs­zeit­raum ih­re Aus­bil­dung auf­neh­men, er­hal­ten als Weih­nachts­geld ei­nen Be­trag in Höhe von € 50,00.


- Mit­ar­bei­ter, die wg. Er­rei­chen der Al­ters­gren­ze, Be­rufs- oder Er­werbs­unfähig­keit in­ner­halb des Be­trach­tungs­zeit­raums aus dem Un­ter­neh­men aus­schei­den, er­hal­ten ein Weih­nachts­geld in Höhe von 55 % ei­nes Brut­to-Mo­nats­grund­lohns un­abhängig evtl. Fehl­zei­ten.


2.1 Be­stands­schutz für älte­re Mit­ar­bei­ter

Mit­ar­bei­ter, die bis zum 31.10. des lau­fen­den Jah­res das 50. Le­bens­jahr voll­endet und über min­des­tens 10 Jah­re Be­triebs­zu­gehörig­keit verfügen, er­hal­ten bei Fehl­zei­ten von über 10 Ka­len­der­ta­gen oder mehr 55 % Weih­nachts­geld.


2.2 Ein­trit­te / Aus­trit­te / Be­fris­tung


Ein­trit­te
Die un­ter Punkt 1 ge­nann­te Re­ge­lung gilt nicht für Mit­ar­bei­ter, die zum Stich­tag 31.10. des lau­fen­den Jah­res noch nicht über 24 Ka­len­der­mo­na­te im Un­ter­neh­men tätig ge­we­sen sind. An­ge­bro­che­ne Mo­na­te wer­den nicht berück­sich­tigt.
Für die­se Mit­ar­bei­ter gilt fol­gen­de Re­ge­lung: Ist der Mit­ar­bei­ter zum Stich­tag 31.10.

We­ni­ger als 6 Mo­na­te im Be­trieb kein An­spruch
Ab 6 - 12 Mo­na­te im Be­trieb 20 % ei­nes Mo­nats­brut­tos als Weih­nachts­geld, an­tei­lig
Ab 13 - 24 Mo­na­te 30 % ei­nes Mo­nats­brut­tos,

un­abhängig von even­tu­el­len Fehl­zei­ten

An­tei­lig be­deu­tet für die o.g. Fälle im­mer, dass für je­den Ka­len­der­mo­nat je­weils 1/12 des sich nach die­ser Re­ge­lung er­ge­ben­den Weih­nachts­gel­des ge­zahlt wird.


- Aus­trit­te
Steht der Mit­ar­bei­ter zum Stich­tag 31.10. in ei­nem durch den Ar­beit­neh­mer bzw. durch den Ar­beit­ge­ber be­triebs­be­dingt gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis, so hat er ei­nen Weih­nachts­geld­an­spruch in Höhe von 30 %, un­abhängig evtl. Fehl­zei­ten. Schei­det der Mit­ar­bei­ter vor dem Stich­tag 31.10. aus dem Un­ter­neh­men aus bzw. steht er zu die­sem Stich­tag in ei­nem ver­hal­tens- bzw. per­so­nen­be­dingt gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis, verfällt sein An­spruch auf Weih­nachts­geld.
 


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- Be­fris­tung
Die Mit­ar­bei­ter, die mit ei­nem be­fris­te­ten Ver­trag im Un­ter­neh­men tätig sind, ha­ben ei­nen Weih­nachts­geld­an­spruch ana­log der Re­ge­lung Pkt. 2.2 - Ein­trit­te bzw. nach 24 Ka­len­der­mo­na­ten Be­triebs­zu­gehörig­keit zum Stich­tag 31.10. ana­log der Re­ge­lung Pkt. 1 - Staf­fe­lung.
Die­se Be­trach­tung greift nur in den Fällen, in de­nen der Mit­ar­bei­ter oh­ne Un­ter­bre­chung zwi­schen den Be­fris­tun­gen für das Un­ter­neh­men O tätig ist.


3. Rück­zah­lung des Weih­nachts­gel­des

Schei­det der Mit­ar­bei­ter nach Zah­lung ei­nes Weih­nachts­gel­des bis zum 31.03. des Fol­ge­jah­res aus, ist er ver­pflich­tet, den 30 % ei­nes Mo­nats­brut­to-Ge­hal­tes über­stei­gen­den Be­trag zurück­zu­zah­len.
...“

Un­ter dem 25. Fe­bru­ar 2003 er­teil­te die Geschäfts­lei­tung der Be­klag­ten fol­gen­de In­for­ma­ti­on zum Weih­nachts­geld:

„Wir be­hal­ten uns vor, die­ses An­ge­bot zum Weih­nachts­geld nur den Mit­ar­bei­tern zu ma­chen, die durch Un­ter­schrift der neu­en Ar­beits­verträge ei­nen wich­ti­gen Bei­trag zum Fort­be­stand von O ge­leis­tet ha­ben. Wir se­hen dar­in ei­ne Möglich­keit, ei­ne be­ste­hen­de Ge­rech­tig­keitslücke zu schließen. Wir dan­ken an die­ser Stel­le den vie­len Mit­ar­bei­tern, die den Ver­trags­zu­satz zum Weih­nachts­geld be­reits un­ter­schrie­ben ha­ben und da­mit auch ihr Ver­trau­en in un­se­re Aus­sa­gen zum Aus­druck ge­bracht ha­ben. Für die an­de­ren hof­fen wir, die noch of­fe­nen Fra­gen hier­mit be­ant­wor­tet zu ha­ben.“

Im Ja­nu­ar 2004 mach­te die Kläge­rin ih­ren An­spruch auf Weih­nachts­geld in Höhe von 495,61 Eu­ro ge­genüber der Be­klag­ten er­folg­los gel­tend.

Die Kläge­rin hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, das Weih­nachts­geld 2003 ste­he ihr aus dem ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz zu. Das Weih­nachts­geld aus­sch­ließlich Mit­ar­bei­tern zu­zu­bil­li­gen, die der nach­tei­li­gen Ver­tragsände­rung zu­ge­stimmt hätten, sei ei­ne sach­lich un­zulässi­ge Dif­fe­ren­zie­rung. In­so­weit ha­be die Be­klag­te das Maßre­ge­lungs­ver­bot nach § 612a BGB ver­letzt. We­gen der Wei­ge­rung, ih­ren Ar­beits­ver­trag zu ändern, dürfe die Be­klag­te sie nicht be­nach­tei­li­gen. Sie sei ge­nau­so zu stel­len, wie die Ar­beit­neh­mer, die die neu­en Be­din­gun­gen ak­zep­tiert hätten. Es kom­me im Er­geb­nis nicht dar­auf an, dass sie in die­sem Fall bes­ser stünde, als die Ar­beit­neh­mer, die die neu­en Ar­beits­verträge mit ge­rin­ge­rem Ent­gelt un­ter­schrie­ben hätten. Ei­ne Maßre­ge­lung könne auch dar­in lie­gen, dass der Ar­beit­ge­ber
 


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den Adres­sa­ten­kreis ei­ner frei­wil­li­gen Leis­tung um die­je­ni­gen Mit­ar­bei­ter ver­rin­ge­re, die zu­vor in zulässi­ger Wei­se ih­re ver­trag­li­chen Rech­te aus­geübt hätten.


Die Kläge­rin hat be­an­tragt, 


die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie 495,61 Eu­ro nebst 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 1. Ja­nu­ar 2004 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat zu ih­rem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Dif­fe­ren­zie­rung bei der Weih­nachts­geld­zah­lung sei Teil des neu­en Vergütungs­sys­tems. Nicht sämt­li­che Mit­ar­bei­ter hätten die an­ge­bo­te­ne Ent­geltände­rung ak­zep­tiert. Mit der ver­trag­li­chen Einführung ei­nes Weih­nachts­gel­des für den be­tref­fen­den Per­so­nen­kreis sei es ihr dar­um ge­gan­gen, die ent­stan­de­ne Loh­nun­ge­rech­tig­keit zu­min­dest teil­wei­se zu kom­pen­sie­ren. Es sei­en zwei ne­ben­ein­an­der ste­hen­de Vergütungs­sys­te­me ge­schaf­fen wor­den, wo­bei die­je­ni­gen Mit­ar­bei­ter, wel­che an den al­ten Ver­trags­be­din­gun­gen fest­hiel­ten, ih­re bis­he­ri­ge (höhe­re) Ar­beits­vergütung er­hiel­ten, während die an­de­re Grup­pe der Mit­ar­bei­ter, wel­che die neu­en Ver­trags­be­din­gun­gen ak­zep­tiert hätten, nun­mehr we­gen der nied­ri­ge­ren St­un­den­vergütung als wei­te­ren Vergütungs­be­stand­teil das von der Be­klag­ten un­ter Frei­wil­lig­keits- und Wi­der­rufs­vor­be­halt ge­zahl­te Weih­nachts­geld er­hiel­ten. Die vor­ge­nom­me­ne Dif­fe­ren­zie­rung ver­s­toße we­der ge­gen den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz noch ge­gen das Maßre­ge­lungs­ver­bot. Mit der For­de­rung nach höhe­rem St­un­den­lohn und Weih­nachts­geld ver­lan­ge die Kläge­rin ei­ne Bes­ser­stel­lung und pi­cke die „Ro­si­nen“ aus zwei un­ter­schied­li­chen Vergütungs­sys­te­men.

Die Vor­in­stan­zen ha­ben der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Mit ih­rer Re­vi­si­on ver­folgt die Be­klag­te ih­ren Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag wei­ter. Die Kläge­rin be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.


Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist un­be­gründet. 


Die Kläge­rin hat ei­nen An­spruch auf das ver­lang­te Weih­nachts­geld für das Jahr 2003.
 


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I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, der An­spruch fol­ge aus dem ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz iVm. § 612a BGB. Es bestünden kei­ne un­ter­schied­li­chen Vergütungs­sys­te­me. Die Be­klag­te ha­be die Zu­satz­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag al­lein den Beschäftig­ten an­ge­bo­ten, wel­che zu­vor der Ände­rung ih­res Ar­beits­ver­tra­ges zu­ge­stimmt hat­ten. Da­mit ha­be sie die vom Leis­tungs­be­zug aus­ge­schlos­se­nen Ar­beit­neh­mer be­nach­tei­ligt. Dies sei nicht durch sach­li­che Gründe ge­recht­fer­tigt, viel­mehr be­ste­he ein un­mit­tel­ba­rer Zu­sam­men­hang zwi­schen der vor­an­ge­gan­ge­nen Rechts­ausübung und dem Aus­schluss von der Gra­ti­fi­ka­ti­ons­leis­tung und da­mit ei­ne Maßre­ge­lung. Die Kläge­rin ha­be in zulässi­ger Wei­se ih­re Rech­te aus­geübt, als sie sich ei­ner Her­ab­set­zung sei­ner Ar­beits­vergütung und Erhöhung der ver­trag­li­chen Ar­beits­zeit wi­der­setz­te. Die Wei­ge­rung, der an­ge­tra­ge­nen Ver­tragsände­rung zu­zu­stim­men, sei nicht et­wa bloß äußerer An­lass für die vor­ge­nom­me­ne Un­ter­schei­dung, viel­mehr sei sie ge­ra­de we­sent­li­ches Mo­tiv für die vor­ge­nom­me­ne Dif­fe­ren­zie­rung ge­we­sen, oh­ne dass es dar­auf an­kom­me, dass es der Be­klag­ten nicht um ei­ne „Be­stra­fung“ ge­gan­gen sei. Er­lit­te­ne Ver­dienstein­bußen könn­ten nur durch glei­che oder zu­min­dest gleich­ar­ti­ge Leis­tun­gen, al­so nur durch ei­ne Erhöhung des lau­fen­den Ar­beits­ent­gelts, kom­pen­siert wer­den. Das gewähr­te Weih­nachts­geld ver­fol­ge an­de­re Zwe­cke. Es wol­le die An­we­sen­heit im Be­trieb und die ver­gan­ge­ne Be­triebs­treue ho­no­rie­ren so­wie ei­nen An­reiz für das Ver­blei­ben im Be­trieb be­gründen. Die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, wel­che in der Ver­gan­gen­heit der Ver­tragsände­rung nicht zu­ge­stimmt ha­ben, könn­ten ei­ne ent­spre­chen­de Leis­tung trotz Be­triebs­treue und ge­sund­heits­be­wuss­ter Le­bensführung nicht er­rei­chen.


II. Die­se Ausführun­gen hal­ten im Er­geb­nis den An­grif­fen der Re­vi­si­on stand. Der An­spruch auf Zah­lung des be­gehr­ten Weih­nachts­gel­des folgt aus dem ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz.


1. Auch wenn der Ar­beit­ge­ber auf Grund ei­nes Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts in sei­ner Ent­schei­dung frei ist, ob und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen er sei­nen Ar­beit­neh­mern ei­ne zusätz­li­che Leis­tung gewährt, ist er an den ar­beits­recht­li­chen Grund­satz der Gleich­be­hand­lung ge­bun­den, wenn er nach von ihm ge­setz­ten all­ge­mei­nen Re­geln frei­wil­lig Son­der­zah­lun­gen leis­tet. Er darf ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer nicht sach­fremd ge­genüber an­de­ren Ar­beit­neh­mern in ver­gleich­ba­rer La­ge schlech­ter stel­len. Gewährt der Ar­beit­ge­ber auf Grund ei­ner abs­trak­ten Re­ge­lung ei­ne frei­wil­li­ge Leis­tung nach ei­nem er­kenn­bar ge­ne­ra­li­sie­ren­den Prin­zip und legt er gemäß dem mit der Leis­tung ver­folg­ten Zweck die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen für die Leis­tung fest, darf er ein­zel­ne


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Ar­beit­neh­mer von der Leis­tung nur aus­neh­men, wenn dies sach­li­chen Kri­te­ri­en ent­spricht. Ar­beit­neh­mer wer­den dann nicht sach­fremd be­nach­tei­ligt, wenn sich nach dem Zweck der Leis­tung Gründe er­ge­ben, die es un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände recht­fer­ti­gen, die­sen Ar­beit­neh­mern die den an­de­ren Ar­beit­neh­mern gewähr­te Leis­tung vor­zu­ent­hal­ten. Die Zweck­be­stim­mung ei­ner Son­der­zah­lung er­gibt sich vor­ran­gig aus ih­ren tatsächli­chen und recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen, wo­bei die Be­zeich­nung nicht al­lein maßgeb­lich ist. Ist die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung nach dem Zweck der Leis­tung nicht ge­recht­fer­tigt, kann der be­nach­tei­lig­te Ar­beit­neh­mer ver­lan­gen, nach Maßga­be der begüns­tig­ten Ar­beit­neh­mer be­han­delt zu wer­den (st. Rspr. des BAG, zu­letzt 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - AP BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 265 = EzA BGB 2002 § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 21 mwN).


2. Ge­mes­sen an die­sen Grundsätzen hat die Be­klag­te ge­gen den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ver­s­toßen.


a) Die Be­klag­te hat zwei Grup­pen von Ar­beit­neh­mern ge­bil­det, und zwar die Grup­pe der­je­ni­gen, die der Ent­geltab­sen­kung zu­ge­stimmt und die Grup­pe der­je­ni­gen, die dies nicht ge­tan hat­ten. Der ei­nen Grup­pe wur­de ei­ne zusätz­li­che Leis­tung un­ter den dar­ge­stell­ten Be­din­gun­gen an­ge­bo­ten, der an­de­ren nicht. Es be­ste­hen bei der Be­klag­ten nicht et­wa zwei Ent­gelt­sys­te­me, son­dern es gibt Ar­beit­neh­mer mit un­ter­schied­lich lan­ger Ar­beits­zeit und un­ter­schied­lich ho­her Vergütung für die glei­che Tätig­keit. Es ist nicht unüblich, dass im Lau­fe der Zeit je nach der wirt­schaft­li­chen Si­tua­ti­on des Be­trie­bes und des Ar­beits­mark­tes - ggf. auch je nach den Wünschen der Ar­beit­neh­mer - un­ter­schied­li­che ver­trag­li­che Be­din­gun­gen ne­ben­ein­an­der für die glei­che oder ei­ne ver­gleich­ba­re Tätig­keit be­ste­hen. Dies schafft kei­ne un­ter­schied­li­chen Vergütungs­sys­te­me.


Selbst wenn nicht die Be­klag­te die Grup­pen ge­bil­det hätte, son­dern sie „vor­ge­fun­den“ hätte, stell­te doch die An­knüpfung hier­an bei der Leis­tungs­gewährung ei­ne ei­genständi­ge Grup­pen­bil­dung dar (BAG 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - Rn. 23, NZA 2007, 862). Da­mit sind die Re­ge­lun­gen am Gleich­be­hand­lungs­grund­satz zu mes­sen.


b) Gründe, die es nach dem Zweck der Leis­tung un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände recht­fer­ti­gen, der ei­nen Ar­beit­neh­mer­grup­pe die der an­de­ren Ar­beit­neh­mer­grup­pe gewähr­te Leis­tung vor­zu­ent­hal­ten, be­ste­hen nicht.
 


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aa) Die von der Be­klag­ten der ei­nen Grup­pe von Ar­beit­neh­mern durch Zu­satz zum Ar­beits­ver­trag zu­ge­sag­te Leis­tung ist vor­ran­gig ei­ne An­we­sen­heits­prämie. Be­reits bei mehr als 15 Krank­heits­ta­gen ent­fal­len 70 % des Mo­nats­brut­tos, das bei 100 % An­we­sen­heit als Weih­nachts­geld ge­zahlt wird. Da­mit stellt die Leis­tung ei­nen An­reiz zu ge­sund­heits­be­wuss­tem und -fördern­dem Ver­hal­ten dar und soll leicht­fer­ti­ge Krank­mel­dun­gen un­ter­bin­den.


Wei­ter­hin ho­no­riert die Leis­tung ver­gan­ge­ne Be­triebs­treue, wie sich aus der Min­dest­beschäfti­gungs­dau­er von 24 Mo­na­ten für den vol­len An­spruch und den Min­de­run­gen bei kürze­rer Tätig­keit er­gibt. Auch künf­ti­ge Be­triebs­treue soll er­reicht wer­den, denn 70 % der Leis­tung sind zurück­zu­zah­len, wenn der Ar­beit­neh­mer bis zum 31. März des Fol­ge­jah­res aus­schei­det. In der Re­ge­lung wird auch zwi­schen dem Grund des Aus­schei­dens un­ter­schie­den. Loya­lität wird be­lohnt, ver­schul­de­tes Aus­schei­den führt zu Nach­tei­len. Fer­ner zei­gen zahl­rei­che Mo­di­fi­ka­tio­nen be­zo­gen auf den Grund der Fehl­zei­ten und das Al­ter der Mit­ar­bei­ter mit höhe­rer Be­triebs­zu­gehörig­keit, dass die Be­klag­te sehr de­tail­liert An­we­sen­heit, Ar­beits­ver­hal­ten und Be­triebs­treue mit der Leis­tung steu­ern will.


bb) Auch die Ar­beit­neh­mer, die der Ver­tragsände­rung nicht zu­ge­stimmt hat­ten, erfüllen die­se Zwe­cke, wenn sie we­nig krank sind, sich ge­sund­heits­be­wusst ver­hal­ten, ent­spre­chend lan­ge dem Un­ter­neh­men treu ge­dient ha­ben und wei­ter­hin bei der Be­klag­ten ver­blei­ben. Dem­ge­genüber kann der von der Be­klag­ten be­an­spruch­te an­geb­li­che Haupt­zweck der Leis­tung, nämlich ei­nen Aus­gleich von Nach­tei­len im Ent­gelt­be­reich zu schaf­fen, von vorn­her­ein nur bei sol­chen Ar­beit­neh­mern ein­tre­ten, die kei­ne oder we­ni­ge Krank­heits­ta­ge ha­ben.


c) Dem wi­der­spricht die Ent­schei­dung des Fünf­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 14. März 2007 (- 5 AZR 420/06 - NZA 2007, 862) nicht. Hier­in wird an­ge­nom­men, dass die Zah­lung ei­nes In­fla­ti­ons­aus­gleichs nur an die Stamm­be­leg­schaft nicht sach­wid­rig sol­che Ar­beit­neh­mer be­nach­tei­li­ge, die auf Grund ei­nes Be­triebsüber­gangs we­gen § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ein höhe­res Ent­gelt er­hiel­ten. Die Her­stel­lung ein­heit­li­cher Ar­beits­be­din­gun­gen durch den Aus­gleich von Nach­tei­len und die An­glei­chung an die Be­din­gun­gen der über­nom­me­nen Be­leg­schaft recht­fer­ti­ge ei­ne dif­fe­ren­zier­te Be­hand­lung der ver­schie­de­nen Grup­pen. In dem dort ent­schie­de­nen Sach­ver­halt ging es dem Ar­beit­ge­ber aus­sch­ließlich um den Aus­gleich von Vergütungs­nach­tei­len. Wei­te­re Zwe­cke wur­den nicht ver­folgt. Ver­gleich­bar da­mit könn­te der vor­lie­gen­de
 


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Fall nur dann sein, wenn die Be­klag­te die Son­der­leis­tung an kei­ne wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen ge­bun­den hätte als an das un­ter­schied­li­che Ent­gelt.

Des­halb ste­hen auch die Ent­schei­dun­gen des Se­nats vom 30. März 1994 (- 10 AZR 681/92 - AP BGB § 242 Gleich­be­hand­lung Nr. 113 = EzA BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 110) und vom 19. April 1995 (- 10 AZR 344/94 - AP BGB § 242 Gleich­be­hand­lung Nr. 124 = EzA BGB § 242 Gleich­be­hand­lung Nr. 63) dem An­spruch der Kläge­rin nicht ent­ge­gen. Zwar hat­te der Se­nat in bei­den Fällen er­kannt, dass die Zah­lung ei­ner höhe­ren Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on an ei­ne Grup­pe von Ar­beit­neh­mern, die im Ent­gelt­be­reich ge­genüber an­de­ren Ar­beit­neh­mern be­nach­tei­ligt war, nicht ge­gen den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ver­s­toße. Al­ler­dings lag der erst­ge­nann­ten Ent­schei­dung zu­grun­de, dass an­ge­stell­te Ar­beit­neh­mer ei­ne Auf­sto­ckung des Weih­nachts­gel­des auf ein vol­les Brut­to­mo­nats­ge­halt er­hiel­ten, während die ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer über die ta­rif­lich vor­ge­se­he­ne Son­der­zah­lung hin­aus nur noch ein frei­wil­li­ges Weih­nachts­geld von 850,00 DM, je­doch im Ge­gen­satz zu den An­ge­stell­ten er­heb­li­che über­ta­rif­li­che Zu­la­gen be­ka­men. Es kann da­hin­ste­hen, ob die­se Un­ter­schei­dung noch auf­recht­zu­er­hal­ten wäre. Je­den­falls aber wur­de die ei­ne Grup­pe nicht von vorn­her­ein und vollständig von der Son­der­leis­tung aus­ge­nom­men, so dass ihr Zweck je­den­falls teil­wei­se bei bei­den Grup­pen zum Tra­gen kam und le­dig­lich in der Höhe dif­fe­ren­ziert wur­de. Die Ent­schei­dung vom 19. April 1995 (- 10 AZR 344/94 - aaO) be­an­stan­de­te nicht, dass Zei­tungs­zu­stel­ler im Hin­blick auf das in der Weih­nachts­zeit von den Abon­nen­ten zu er­war­ten­de Trink­geld ein Weih­nachts­geld, das an die In­nen­dienst­mit­ar­bei­ter ge­zahlt wur­de, nicht er­hiel­ten. Hier wur­den al­so un­ter­schied­li­che, aber letzt­lich ein­ma­li­ge Leis­tun­gen ge­genüber­ge­stellt und für gleich­wer­tig be­fun­den. Den Ent­schei­dun­gen ist nicht zu ent­neh­men, wel­che wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen an die Gewährung der zusätz­li­chen Leis­tun­gen ge­bun­den wa­ren, aus de­nen sich wei­te­re Zwe­cke hätten er­mit­teln las­sen, so dass nicht da­von aus­zu­ge­hen ist, dass An­we­sen­heit und Be­triebs­treue so wie im vor­lie­gen­den Fall we­sent­li­che Zwe­cke der Leis­tun­gen wa­ren.


3. Es kann da­hin­ste­hen, ob auch das Maßre­ge­lungs­ver­bot gemäß § 612a BGB ver­letzt ist und der An­spruch der Kläge­rin aus die­sen Gründen zu­steht.


4. Die Be­klag­te hat die Höhe der gel­tend ge­mach­ten For­de­rung nicht be­an­stan­det.
 


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5. Ein mögli­cher Ver­s­toß der Re­ge­lung in dem Ver­trags­zu­satz ge­gen § 4a Satz 2 EFZG kann da­hin­ste­hen, da die Kläge­rin kei­ne Rech­te dar­aus her­lei­tet, son­dern ih­re For­de­rung in Übe­rein­stim­mung mit der ver­trag­li­chen Zu­sa­ge be­rech­net hat.

Dr. Frei­tag 

Mar­quardt 

Brühler

Si­mon 

Großmann

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