HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 22.11.2005, C-144/04 - Man­gold

   
Schlagworte: Diskriminierung: Alter, Altersdiskriminierung, Altersbefristung, Befristung: Alter
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-144/04
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 22.11.2005
   
Leitsätze:

1. Im Rahmen des Vorlageverfahrens nach Artikel 234 EG besitzt das vorlegende Gericht, das allein über eine unmittelbare Kenntnis des Sachverhalts verfügt, die besten Voraussetzungen, um unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtssache die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils zu beurteilen. Betreffen daher die vom nationalen Gericht vorgelegten Fragen die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden.

Dem Gerichtshof oblieg es jedoch, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er vom nationalen Gericht angerufen wird. Denn der Geist der Zusammenarbeit, dien dem das Vorabentscheidungsverfahren durchzuführen ist, verlangt auch, dass das nationale Gericht seinerseits auf die dem Gerichtshof übertragene Aufgabe Rücksicht nimmt, die darin besteht, zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten beizutragen, nicht aber darin, Gutachten zu allgemeinen und hypothetischen Fragen abzugeben.

2. Paragraf 8 Nummer 3 der mit der Richtlinie 1999/70 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge durchgeführten Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999, der vorsieht, dass die Umsetzung dieser Vereinbarung nicht als Rechtfertigung für die Senkung des allgemeinen Niveaus des Arbeitnehmerschutzes in dem von dieser Vereinbarung erfassten Bereich dienen darf, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, mit der aus Gründen der Beschäftigungsförderung und unabhängig von der Umsetzung der Rahmenvereinbarung das Alter gesenkt wurde, ab dem uneingeschränkt befristete Arbeitsverträge geschlossen werden können.

3. Das Gemeinschaftsrecht und insbesondere Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen, nach der der Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, uneingeschränkt zulässig ist, sofern nicht zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht.

Derartige Rechtsvorschriften sind nicht nach Artikel 6 Absatz 1 dieser Richtlinie gerechtfertigt, wie nicht nachgewiesen ist, dass die Festlegung einer Altersgrenze als solche unabhängig von anderen Erwägungen im Zusammenhang mit der Struktur des jeweiligen Arbeitsmarktes und der persönlichen Situation des Betroffenen zur Erreichung des Zieles der beruflichen Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer objektiv erforderlich ist, so das diese Rechtsvorschriften über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Zieles angemessen und erforderlich ist.

Dass die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78 zum Zeitpunkt des Abschlusses des betreffenden Vertrages noch nicht abgelaufen war, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Denn während der Frist für die Umsetzung einer Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten keine Vorschriften erlassen, die geeignet sind, die Erreichung des in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Zieles ernstlich zu in Frage zu stellen. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die fragliche, nach Inkrafttreten der betreffenden Richtlinie erlassene Regelung des nationalen Rechts deren Umsetzung bezweckt oder nicht.

4. Es obliegt dem nationalen Gericht, bei dem ein Rechtsstreit über das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, das ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrecht ist, anhängig ist, im Rahmens einer Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt, zu gewährleisten und die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu garantieren, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt, auch wenn die Frist für die Umsetzung einer Richtlinie, die sich, wie die Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, an diesem allgemeinen Grundsatz orientiert, noch nicht abgelaufen ist.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht München, Beschluss vom 26.02.2004, 26 Ca 14314/03
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHO­FES (Große Kam­mer)

22. No­vem­ber 2005(*)

„Richt­li­nie 1999/70/EG – Pa­ra­gra­fen 2, 5 und 8 der Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge – Richt­li­nie 2000/78/EG – Ar­ti­kel 6 – Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf – Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Al­ters“

In der Rechts­sa­che C‑144/04

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Ar­ti­kel 234 EG, ein­ge­reicht vom Ar­beits­ge­richt München (Deutsch­land) mit Ent­schei­dung vom 26. Fe­bru­ar 2004, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 17. März 2004, in dem Ver­fah­ren

Wer­ner Man­gold

ge­gen

Rüdi­ger Helm

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Große Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Präsi­den­ten der Ers­ten Kam­mer P. Jann in Wahr­neh­mung der Auf­ga­ben des Präsi­den­ten, der Kam­mer­präsi­den­ten C. W. A. Tim­mer­m­ans, A. Ro­sas und K. Schie­mann, der Rich­ter R. Sch­int­gen (Be­richt­er­stat­ter), S. von Bahr, J. N. Cun­ha Ro­d­ri­gues, der Rich­te­rin R. Sil­va de La­pu­er­ta so­wie der Rich­ter K. Lena­erts, E. Juhász, G. Ares­tis, A. Borg Bart­het und M. Ilešiè,

Ge­ne­ral­an­walt: A. Tiz­za­no,

Kanz­ler: K. Sz­tranc, Ver­wal­tungsrätin,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 26. April 2005,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

– von W. Man­gold, ver­tre­ten durch die Rechts­anwälte D. Hum­mel und B. Kart­haus,

– von Rechts­an­walt R. Helm, ver­tre­ten durch sich selbst,

– der deut­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch M. Lum­ma als Be­vollmäch­tig­ten,

– der Kom­mis­si­on der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten, ver­tre­ten durch N. Yer­rell und S. Grünheid so­wie durch D. Mar­tin und H. Krep­pel als Be­vollmäch­tig­te,

nach Anhörung der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts in der Sit­zung vom 30. Ju­ni 2005

fol­gen­des

Ur­teil

1. Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung der Pa­ra­gra­fen 2, 5 und 8 der Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge vom 18. März 1999 (im Fol­gen­den: Rah­men­ver­ein­ba­rung), die mit der Richt­li­nie 1999/70/EG des Ra­tes vom 28. Ju­ni 1999 zu der EGB-UN­ICE-CEEP-Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge (ABl. L 175, S. 43) durch­geführt wor­den ist, so­wie des Ar­ti­kels 6 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (ABl. L 303, S. 16).
2.

Die­ses Er­su­chen er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen Herrn Man­gold und Herrn Helm über den zwi­schen ih­nen ab­ge­schlos­se­nen be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag (im Fol­gen­den: Ver­trag).

Recht­li­cher Rah­men

Ge­mein­schafts­recht

Die Rah­men­ver­ein­ba­rung

3.

Nach ih­rem Pa­ra­gra­fen 1 soll die Rah­men­ver­ein­ba­rung

„a) durch An­wen­dung des Grund­sat­zes der Nicht­dis­kri­mi­nie­rung die Qua­lität be­fris­te­ter Ar­beits­verhält­nis­se ver­bes­sern;

b) ei­nen Rah­men schaf­fen, der den Miss­brauch durch auf­ein­an­der fol­gen­de be­fris­te­te Ar­beits­verträge oder -verhält­nis­se ver­hin­dert“. 

4.

Pa­ra­graf 2 Num­mer 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung be­stimmt:

„Die­se Ver­ein­ba­rung gilt für be­fris­tet beschäftig­te Ar­beit­neh­mer mit ei­nem Ar­beits­ver­trag oder -verhält­nis gemäß der ge­setz­lich, ta­rif­ver­trag­lich oder nach den Ge­pflo­gen­hei­ten in je­dem Mit­glied­staat gel­ten­den De­fi­ni­ti­on.“ 

5.

Pa­ra­graf 5 Num­mer 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung lau­tet:

„Um Miss­brauch durch auf­ein­an­der fol­gen­de be­fris­te­te Ar­beits­verträge oder ‑verhält­nis­se zu ver­mei­den, er­grei­fen die Mit­glied­staa­ten nach der ge­setz­lich oder ta­rif­ver­trag­lich vor­ge­schrie­be­nen oder in dem Mit­glied­staat übli­chen Anhörung der So­zi­al­part­ner und/oder die So­zi­al­part­ner, wenn kei­ne gleich­wer­ti­gen ge­setz­li­chen Maßnah­men zur Miss­brauchs­ver­hin­de­rung be­ste­hen, un­ter Berück­sich­ti­gung der An­for­de­run­gen be­stimm­ter Bran­chen und/oder Ar­beit­neh­mer­ka­te­go­ri­en ei­ne oder meh­re­re der fol­gen­den Maßnah­men:

a) sach­li­che Gründe, die die Verlänge­rung sol­cher Verträge oder Verhält­nis­se recht­fer­ti­gen;

b) die ins­ge­samt ma­xi­mal zulässi­ge Dau­er auf­ein­an­der fol­gen­der Ar­beits­verträge oder -verhält­nis­se;

c) die zulässi­ge Zahl der Verlänge­run­gen sol­cher Verträge oder Verhält­nis­se.“ 

6.

Pa­ra­graf 8 Num­mer 3 der Rah­men­ver­ein­ba­rung be­stimmt:

„Die Um­set­zung die­ser Ver­ein­ba­rung darf nicht als Recht­fer­ti­gung für die Sen­kung des all­ge­mei­nen Ni­veaus des Ar­beit­neh­mer­schut­zes in dem von die­ser Ver­ein­ba­rung er­fass­ten Be­reich die­nen.“

Die Richt­li­nie 2000/78 

7.

Die Richt­li­nie 2000/78 ist auf der Grund­la­ge des Ar­ti­kels 13 EG er­las­sen wor­den. Die ers­te, die vier­te, die ach­te und die fünf­und­zwan­zigs­te Be­gründungs­erwägung die­ser Richt­li­nie lau­ten:

„(1) Nach Ar­ti­kel 6 Ab­satz 2 des Ver­trags über die Eu­ropäische Uni­on be­ruht die Eu­ropäische Uni­on auf den Grundsätzen der Frei­heit, der De­mo­kra­tie, der Ach­tung der Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten so­wie der Rechts­staat­lich­keit; die­se Grundsätze sind al­len Mit­glied­staa­ten ge­mein­sam. Die Uni­on ach­tet die Grund­rech­te, wie sie in der Eu­ropäischen Kon­ven­ti­on zum Schut­ze der Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten gewähr­leis­tet sind und wie sie sich aus den ge­mein­sa­men Ver­fas­sungsüber­lie­fe­run­gen der Mit­glied­staa­ten als all­ge­mei­ne Grundsätze des Ge­mein­schafts­rechts er­ge­ben.

(4) Die Gleich­heit al­ler Men­schen vor dem Ge­setz und der Schutz vor Dis­kri­mi­nie­rung ist ein all­ge­mei­nes Men­schen­recht; die­ses Recht wur­de in der All­ge­mei­nen Erklärung der Men­schen­rech­te, im VN-Übe­r­ein­kom­men zur Be­sei­ti­gung al­ler For­men der Dis­kri­mi­nie­rung von Frau­en, im In­ter­na­tio­na­len Pakt der VN über bürger­li­che und po­li­ti­sche Rech­te, im In­ter­na­tio­na­len Pakt der VN über wirt­schaft­li­che, so­zia­le und kul­tu­rel­le Rech­te so­wie in der Eu­ropäischen Kon­ven­ti­on zum Schut­ze der Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten an­er­kannt, die von al­len Mit­glied­staa­ten un­ter­zeich­net wur­den. Das Übe­r­ein­kom­men 111 der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on un­ter­sagt Dis­kri­mi­nie­run­gen in Beschäfti­gung und Be­ruf.

… 

(8) In den vom Eu­ropäischen Rat auf sei­ner Ta­gung am 10. und 11. De­zem­ber 1999 in Hel­sin­ki ver­ein­bar­ten beschäfti­gungs­po­li­ti­schen Leit­li­ni­en für 2000 wird die Not­wen­dig­keit un­ter­stri­chen, ei­nen Ar­beits­markt zu schaf­fen, der die so­zia­le Ein­glie­de­rung fördert, in­dem ein gan­zes Bündel auf­ein­an­der ab­ge­stimm­ter Maßnah­men ge­trof­fen wird, die dar­auf ab­stel­len, die Dis­kri­mi­nie­rung von be­nach­tei­lig­ten Grup­pen, wie den Men­schen mit Be­hin­de­rung, zu bekämp­fen. Fer­ner wird be­tont, dass der Un­terstützung älte­rer Ar­beit­neh­mer mit dem Ziel der Erhöhung ih­res An­teils an der Er­werbs­bevölke­rung be­son­de­re Auf­merk­sam­keit gebührt.

(25) Das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters stellt ein we­sent­li­ches Ele­ment zur Er­rei­chung der Zie­le der beschäfti­gungs­po­li­ti­schen Leit­li­ni­en und zur Förde­rung der Viel­falt im Be­reich der Beschäfti­gung dar. Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters können un­ter be­stimm­ten Umständen je­doch ge­recht­fer­tigt sein und er­for­dern da­her be­son­de­re Be­stim­mun­gen, die je nach der Si­tua­ti­on der Mit­glied­staa­ten un­ter­schied­lich sein können. Es ist da­her un­be­dingt zu un­ter­schei­den zwi­schen ei­ner Un­gleich­be­hand­lung, die ins­be­son­de­re durch rechtmäßige Zie­le im Be­reich der Beschäfti­gungs­po­li­tik, des Ar­beits­mark­tes und der be­ruf­li­chen Bil­dung ge­recht­fer­tigt ist, und ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung, die zu ver­bie­ten ist.“

8. Nach ih­rem Ar­ti­kel 1 be­zweckt die Richt­li­nie 2000/78 „die Schaf­fung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen der Re­li­gi­on oder der Welt­an­schau­ung, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder der se­xu­el­len Aus­rich­tung in Beschäfti­gung und Be­ruf im Hin­blick auf die Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung in den Mit­glied­staa­ten“. 
9.

Ar­ti­kel 2 der Richt­li­nie 2000/78 – „Der Be­griff ‚Dis­kri­mi­nie­rung‘“ – be­stimmt in den Absätzen 1 und 2 Buch­sta­be a:

„(1) Im Sin­ne die­ser Richt­li­nie be­deu­tet ‚Gleich­be­hand­lungs­grund­satz‘, dass es kei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­nes der in Ar­ti­kel 1 ge­nann­ten Gründe ge­ben darf.

(2) Im Sin­ne des Ab­sat­zes 1

a) liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes der in Ar­ti­kel 1 ge­nann­ten Gründe in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde“.

10. Ar­ti­kel 3 der Richt­li­nie 2000/78 – „Gel­tungs­be­reich“ – sieht in Ab­satz 1 vor:

„Im Rah­men der auf die Ge­mein­schaft über­tra­ge­nen Zuständig­kei­ten gilt die­se Richt­li­nie für al­le Per­so­nen in öffent­li­chen und pri­va­ten Be­rei­chen, ein­sch­ließlich öffent­li­cher Stel­len, in Be­zug auf

a) die Be­din­gun­gen – ein­sch­ließlich Aus­wahl­kri­te­ri­en und Ein­stel­lungs­be­din­gun­gen – für den Zu­gang zu un­selbständi­ger und selbständi­ger Er­werbstätig­keit, un­abhängig von Tätig­keits­feld und be­ruf­li­cher Po­si­ti­on, ein­sch­ließlich des be­ruf­li­chen Auf­stiegs;

c) die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Ent­las­sungs­be­din­gun­gen und des Ar­beits­ent­gelts;

…“

11. Ar­ti­kel 6 Ab­satz 1 der Richt­li­nie 2000/78 lau­tet:

„Un­ge­ach­tet des Ar­ti­kels 2 Ab­satz 2 können die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen, dass Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar­stel­len, so­fern sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen sind und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts durch ein le­gi­ti­mes Ziel, wor­un­ter ins­be­son­de­re rechtmäßige Zie­le aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung zu ver­ste­hen sind, ge­recht­fer­tigt sind und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind.

Der­ar­ti­ge Un­gleich­be­hand­lun­gen können ins­be­son­de­re Fol­gen­des ein­sch­ließen:

a) die Fest­le­gung be­son­de­rer Be­din­gun­gen für den Zu­gang zur Beschäfti­gung und zur be­ruf­li­chen Bil­dung so­wie be­son­de­rer Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Be­din­gun­gen für Ent­las­sung und Ent­loh­nung, um die be­ruf­li­che Ein­glie­de­rung von Ju­gend­li­chen, älte­ren Ar­beit­neh­mern und Per­so­nen mit Fürsor­ge­pflich­ten zu fördern oder ih­ren Schutz si­cher­zu­stel­len;

b) die Fest­le­gung von Min­dest­an­for­de­run­gen an das Al­ter, die Be­rufs­er­fah­rung oder das Dienst­al­ter für den Zu­gang zur Beschäfti­gung oder für be­stimm­te mit der Beschäfti­gung ver­bun­de­ne Vor­tei­le;

c) die Fest­set­zung ei­nes Höchst­al­ters für die Ein­stel­lung auf­grund der spe­zi­fi­schen Aus­bil­dungs­an­for­de­run­gen ei­nes be­stimm­ten Ar­beits­plat­zes oder auf­grund der Not­wen­dig­keit ei­ner an­ge­mes­se­nen Beschäfti­gungs­zeit vor dem Ein­tritt in den Ru­he­stand.“

12. Nach Ar­ti­kel 18 Ab­satz 1 der Richt­li­nie 2000/78 muss­ten die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten er­las­sen, um die­ser Richt­li­nie spätes­tens bis zum 2. De­zem­ber 2003 nach­zu­kom­men. In Ab­satz 2 die­ses Ar­ti­kels heißt es je­doch:

„Um be­son­de­ren Be­din­gun­gen Rech­nung zu tra­gen, können die Mit­glied­staa­ten er­for­der­li­chen­falls ei­ne Zu­satz­frist von drei Jah­ren ab dem 2. De­zem­ber 2003, d. h. ins­ge­samt sechs Jah­re, in An­spruch neh­men, um die Be­stim­mun­gen die­ser Richt­li­nie über die Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters und ei­ner Be­hin­de­rung um­zu­set­zen. In die­sem Fall set­zen sie die Kom­mis­si­on un­verzüglich da­von in Kennt­nis. Ein Mit­glied­staat, der die In­an­spruch­nah­me die­ser Zu­satz­frist be­sch­ließt, er­stat­tet der Kom­mis­si­on jähr­lich Be­richt über die von ihm er­grif­fe­nen Maßnah­men zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters und ei­ner Be­hin­de­rung und über die Fort­schrit­te, die bei der Um­set­zung der Richt­li­nie er­zielt wer­den konn­ten. Die Kom­mis­si­on er­stat­tet dem Rat jähr­lich Be­richt.“

13. Da die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ei­ne sol­che Zu­satz­frist für die Um­set­zung der Richt­li­nie be­an­tragt hat, läuft die Um­set­zungs­frist für die­sen Mit­glied­staat erst am 2. De­zem­ber 2006 ab.

Na­tio­na­les Recht

14. § 1 des Beschäfti­gungsförde­rungs­ge­set­zes in der durch das Ge­setz vom 25. Sep­tem­ber 1996 (BGBl. 1996 I S. 1476) geänder­ten Fas­sung (im Fol­gen­den: BeschFG 1996) sah vor:

„(1) Die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges ist bis zur Dau­er von zwei Jah­ren zulässig. Bis zur Ge­samt­dau­er von zwei Jah­ren ist auch die höchs­tens drei­ma­li­ge Verlänge­rung ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges zulässig.

(2) Die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­tra­ges ist oh­ne die in Ab­satz 1 ge­nann­ten Ein­schränkun­gen zulässig, wenn der Ar­beit­neh­mer bei Be­ginn des be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses das 60. Le­bens­jahr voll­endet hat.

(3) Die Be­fris­tung nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht zulässig, wenn zu ei­nem vor­her­ge­hen­den un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag oder zu ei­nem vor­her­ge­hen­den be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag nach Ab­satz 1 mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber ein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang be­steht. Ein sol­cher en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang ist ins­be­son­de­re an­zu­neh­men, wenn zwi­schen den Ar­beits­verträgen ein Zeit­raum von we­ni­ger als vier Mo­na­ten liegt.

(4) Die Zulässig­keit der Be­fris­tung des Ar­beits­ver­tra­ges aus an­de­ren Gründen bleibt un­berührt.

…“

15. Nach § 1 Ab­satz 6 BeschFG 1996 galt die­se Re­ge­lung bis zum 31. De­zem­ber 2000.
16. Die Richt­li­nie 1999/70 zur Durchführung der Rah­men­ver­ein­ba­rung wur­de mit dem Ge­setz über Teil­zeit­ar­beit und be­fris­te­te Ar­beits­verträge und zur Ände­rung und Auf­he­bung ar­beits­recht­li­cher Be­stim­mun­gen vom 21. De­zem­ber 2000 (BGBl. 2000 I S. 1966, im Fol­gen­den: Tz­B­fG) in die deut­sche Rechts­ord­nung um­ge­setzt. Die­ses Ge­setz ist am 1. Ja­nu­ar 2001 in Kraft ge­tre­ten.
17. § 1 Tz­B­fG – „Ziel­set­zung“ – lau­tet:

„Ziel des Ge­set­zes ist, Teil­zeit­ar­beit zu fördern, die Vor­aus­set­zun­gen für die Zulässig­keit be­fris­te­ter Ar­beits­verträge fest­zu­le­gen und die Dis­kri­mi­nie­rung von Teil­zeit­beschäftig­ten und be­fris­tet beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern zu ver­hin­dern.“

18. § 14 Tz­B­fG, der be­fris­te­te Ar­beits­verträge re­gelt, be­stimmt:

„(1) Die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges ist zulässig, wenn sie durch ei­nen sach­li­chen Grund ge­recht­fer­tigt ist. Ein sach­li­cher Grund liegt ins­be­son­de­re vor, wenn

1. der be­trieb­li­che Be­darf an der Ar­beits­leis­tung nur vorüber­ge­hend be­steht,

2. die Be­fris­tung im An­schluss an ei­ne Aus­bil­dung oder ein Stu­di­um er­folgt, um den Über­gang des Ar­beit­neh­mers in ei­ne An­schluss­beschäfti­gung zu er­leich­tern,

3. der Ar­beit­neh­mer zur Ver­tre­tung ei­nes an­de­ren Ar­beit­neh­mers beschäftigt wird,

4. die Ei­gen­art der Ar­beits­leis­tung die Be­fris­tung recht­fer­tigt,

5. die Be­fris­tung zur Er­pro­bung er­folgt,

6. in der Per­son des Ar­beit­neh­mers lie­gen­de Gründe die Be­fris­tung recht­fer­ti­gen,

7. der Ar­beit­neh­mer aus Haus­halts­mit­teln vergütet wird, die haus­halts­recht­lich für ei­ne be­fris­te­te Beschäfti­gung be­stimmt sind, und er ent­spre­chend beschäftigt wird oder

8. die Be­fris­tung auf ei­nem ge­richt­li­chen Ver­gleich be­ruht.

(2) Die ka­len­dermäßige Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges oh­ne Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des ist bis zur Dau­er von zwei Jah­ren zulässig; bis zu die­ser Ge­samt­dau­er von zwei Jah­ren ist auch die höchs­tens drei­ma­li­ge Verlänge­rung ei­nes ka­len­dermäßig be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges zulässig. Ei­ne Be­fris­tung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber be­reits zu­vor ein be­fris­te­tes oder un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis be­stan­den hat. Durch Ta­rif­ver­trag kann die An­zahl der Verlänge­run­gen oder die Höchst­dau­er der Be­fris­tung ab­wei­chend von Satz 1 fest­ge­legt wer­den. Im Gel­tungs­be­reich ei­nes sol­chen Ta­rif­ver­tra­ges können nicht ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer die An­wen­dung der ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen ver­ein­ba­ren.

(3) Die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges be­darf kei­nes sach­li­chen Grun­des, wenn der Ar­beit­neh­mer bei Be­ginn des be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses das 58. Le­bens­jahr voll­endet hat. Die Be­fris­tung ist nicht zulässig, wenn zu ei­nem vor­her­ge­hen­den un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber ein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang be­steht. Ein sol­cher en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang ist ins­be­son­de­re an­zu­neh­men, wenn zwi­schen den Ar­beits­verträgen ein Zeit­raum von we­ni­ger als sechs Mo­na­ten liegt.

(4) Die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges be­darf zu ih­rer Wirk­sam­keit der Schrift­form.“

19. § 14 Ab­satz 3 Tz­B­fG wur­de durch das Ers­te Ge­setz für mo­der­ne Dienst­leis­tun­gen am Ar­beits­markt vom 23. De­zem­ber 2002 (BGBl. 2002 I S. 14607, im Fol­gen­den: Ge­setz von 2002) geändert. Die neu­ge­fass­te Vor­schrift, die am 1. Ja­nu­ar 2003 in Kraft trat, lau­tet:

„Die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges be­darf kei­nes sach­li­chen Grun­des, wenn der Ar­beit­neh­mer bei Be­ginn des be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses das 58. Le­bens­jahr voll­endet hat. Die Be­fris­tung ist nicht zulässig, wenn zu ei­nem vor­her­ge­hen­den un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber ein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang be­steht. Ein sol­cher en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang ist ins­be­son­de­re an­zu­neh­men, wenn zwi­schen den Ar­beits­verträgen ein Zeit­raum von we­ni­ger als sechs Mo­na­ten liegt. Bis zum 31. De­zem­ber 2006 ist Satz 1 mit der Maßga­be an­zu­wen­den, dass an die Stel­le des 58. Le­bens­jah­res das 52. Le­bens­jahr tritt“. 

Aus­gangs­ver­fah­ren und Vor­la­ge­fra­gen

20. Am 26. Ju­ni 2003 schloss der da­mals 56‑jähri­ge Herr Man­gold mit Wir­kung zum 1. Ju­li 2003 den Ar­beits­ver­trag mit Herrn Helm, der als Rechts­an­walt tätig ist.
21.

§ 5 des Ver­tra­ges lau­tet:

„1. Das Ar­beits­verhält­nis be­ginnt am 01.07.2003 und ist be­fris­tet bis 28.02.2004.

2. Die Be­fris­tung wird auf die ge­setz­li­che Be­stim­mung über die er­leich­ter­te Be­fris­tung mit älte­ren Ar­beit­neh­mern in § 14 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Tz­B­fG … gestützt, weil der Ar­beit­neh­mer älter als 52 Le­bens­jah­re ist.

3. Die Par­tei­en sind sich ei­nig, dass der un­ter der vor­ge­nann­ten Zif­fer be­zeich­ne­te Be­fris­tungs­grund der ein­zi­ge Be­fris­tungs­grund ist, auf den die Be­fris­tungs­ab­re­de gestützt wird. Vom Ge­setz­ge­ber und der Recht­spre­chung grundsätz­lich für zulässig an­ge­se­he­ne an­de­re Be­fris­tungs­gründe wer­den aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen und sind nicht Ge­gen­stand hie­si­ger Be­fris­tungs­ab­re­de.“ 

22. Herr Man­gold ist der An­sicht, dass die Be­fris­tungs­ab­re­de des § 5, ob­wohl auf § 14 Ab­satz 3 Tz­B­fG be­ru­hend, un­ver­ein­bar mit der Rah­men­ver­ein­ba­rung und der Richt­li­nie 2000/78 sei. 
23. Herr Helm macht gel­tend, dass Pa­ra­graf 5 der Rah­men­ver­ein­ba­rung den Mit­glied­staa­ten vor­schrei­be, zur Ver­hin­de­rung des Miss­brauchs durch auf­ein­an­der fol­gen­de be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis­se Maßnah­men vor­zu­se­hen, nämlich ins­be­son­de­re sach­li­che Gründe für die Verlänge­rung die­ser Verträge zu ver­lan­gen oder ei­ne ma­xi­mal zulässi­ge Dau­er oder ma­xi­ma­le An­zahl der Verlänge­run­gen be­fris­te­ter Ar­beits­verträge oder -verhält­nis­se fest­zu­le­gen. 
24. § 14 Ab­satz 3 Satz 4 Tz­B­fG se­he ei­ne sol­che Be­schränkung bei älte­ren Ar­beit­neh­mern zwar nicht aus­drück­lich vor, doch lie­ge ein sach­li­cher Grund für den Ab­schluss ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags im Sin­ne des Pa­ra­gra­fen 5 Num­mer 1 Buch­sta­be a der Rah­men­ver­ein­ba­rung dar­in, dass es für die­se Ar­beit­neh­mer an­ge­sichts der Verhält­nis­se auf dem Ar­beits­markt schwer sei, Ar­beit zu fin­den.
25.

Das Ar­beits­ge­richt München zwei­felt an der Ver­ein­bar­keit von § 14 Ab­satz 3 Satz 1 Tz­B­fG mit dem Ge­mein­schafts­recht.

26. Ers­tens verstößt die­se Be­stim­mung nach An­sicht des Ar­beits­ge­richts ge­gen das Ver­schlech­te­rungs­ver­bot des Pa­ra­gra­fen 8 Num­mer 3 der Rah­men­ver­ein­ba­rung, weil mit ihr im Rah­men der Um­set­zung der Richt­li­nie 1999/70 das Al­ter der vom Schutz ge­gen sach­grund­lo­se Be­fris­tung der Ar­beits­verträge aus­ge­nom­me­nen Per­so­nen von 60 auf 58 Jah­re ge­senkt und da­mit das all­ge­mei­ne Schutz­ni­veau für die­se Grup­pe von Ar­beit­neh­mern her­ab­ge­setzt wor­den sei. Die­se Be­stim­mung ver­s­toße außer­dem ge­gen Pa­ra­graf 5 der Rah­men­ver­ein­ba­rung, mit dem der Miss­brauch durch sol­che Verträge ver­hin­dert wer­den sol­le, da er kei­ner­lei Be­schränkun­gen für de­ren Ab­schluss mit ei­ner großen, al­lein nach dem Le­bens­al­ter de­fi­nier­ten Grup­pe von Ar­beit­neh­mern ent­hal­te.
27. Zwei­tens fragt sich das vor­le­gen­de Ge­richt, ob ei­ne Re­ge­lung wie § 14 Ab­satz 3 Tz­B­fG mit Ar­ti­kel 6 der Richt­li­nie 2000/78 ver­ein­bar ist, da der Schutz älte­rer Men­schen im Ar­beits­le­ben durch die Her­ab­set­zung des Al­ters für die sach­grund­lo­se Be­fris­tung der Ar­beits­verträge von 58 auf 52 Jah­re durch das Ge­setz von 2002 nicht si­cher­ge­stellt wer­de. Auch der Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit sei nicht ge­wahrt.
28. Zum Zeit­punkt des Ver­trags­ab­schlus­ses, am 26. Ju­ni 2003, sei die Frist für die Um­set­zung der Richt­li­nie 2000/78 in in­ner­staat­li­ches Recht zwar noch nicht ab­ge­lau­fen ge­we­sen. Nach Rand­num­mer 45 des Ur­teils vom 18. De­zem­ber 1997 in der Rechts­sa­che C‑129/96 (In­ter-En­vi­ron­ne­ment Wal­lo­nie, Slg. 1997, I‑7411) dürfe aber ein Mit­glied­staat, an den ei­ne Richt­li­nie ge­rich­tet sei, während der Um­set­zungs­frist kei­ne Vor­schrif­ten er­las­sen, die ge­eig­net sei­en, die Er­rei­chung des in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Zie­les ernst­lich in Fra­ge zu stel­len.
29. Im Aus­gangs­ver­fah­ren sei die Ände­rung des § 14 Ab­satz 3 Tz­B­fG durch das Ge­setz von 2002 am 1. Ja­nu­ar 2003 in Kraft ge­tre­ten, al­so nach Veröffent­li­chung der Richt­li­nie 2000/78 im Amts­blatt der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten, je­doch vor Ab­lauf der in Ar­ti­kel 18 der Richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Um­set­zungs­frist.
30. Drit­tens wirft das vor­le­gen­de Ge­richt die Fra­ge auf, ob der na­tio­na­le Rich­ter in ei­nem Rechts­streit zwi­schen Pri­va­ten die dem Ge­mein­schafts­recht ent­ge­gen­ste­hen­de Re­ge­lung des na­tio­na­len Rechts un­an­ge­wen­det zu las­sen ha­be. In­so­weit sei gemäß dem Vor­rang des Ge­mein­schafts­rechts der Schluss zu zie­hen, dass § 14 Ab­satz 3 Tz­B­fG ins­ge­samt nicht an­wend­bar sei und des­halb die Grund­norm des § 14 Ab­satz 1 Tz­B­fG an­zu­wen­den sei, die das Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des für den Ab­schluss ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags ver­lan­ge.
31. Das Ar­beits­ge­richt München hat da­her das Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt:

1. a) Ist Pa­ra­graf 8 Num­mer 3 der Rah­men­ver­ein­ba­rung da­hin ge­hend aus­zu­le­gen, dass er im Rah­men der Um­set­zung in das in­ner­staat­li­che Recht ei­ne Ver­schlech­te­rung durch Sen­kung des Al­ters von 60 auf 58 Jah­re ver­bie­tet?

b) Ist Pa­ra­graf 5 Num­mer 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung da­hin ge­hend aus­zu­le­gen, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung, die – wie die hier strei­ti­ge – kei­ne Ein­schränkun­gen im Sin­ne der drei Al­ter­na­ti­ven der Num­mer 1 enthält, ent­ge­gen­steht?

2. Ist Ar­ti­kel 6 der Richt­li­nie 2000/78 da­hin ge­hend aus­zu­le­gen, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung, die – wie die hier strei­ti­ge – die Be­fris­tung von Ar­beits­verträgen mit Ar­beit­neh­mern ab 52 Jah­ren – im Un­ter­schied zum Grund­satz der Er­for­der­lich­keit ei­nes sach­li­chen Grun­des – oh­ne das Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des zulässt, ent­ge­gen­steht?

3. Falls ei­ne der drei Fra­gen be­ja­hend be­ant­wor­tet wird: Hat der na­tio­na­le Rich­ter die dem EG-Recht ent­ge­gen­ste­hen­de na­tio­na­le Re­ge­lung un­an­ge­wen­det zu las­sen, und gilt dann der all­ge­mei­ne Grund­satz des in­ner­staat­li­chen Rechts, nach dem Be­fris­tun­gen nur mit sach­li­chem Grund zulässig sind?

Zur Zulässig­keit der Vor­la­ge

32.  In der münd­li­chen Ver­hand­lung hat die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land die Zulässig­keit des Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens mit der Be­gründung in Fra­ge ge­stellt, der Rechts­streit des Aus­gangs­ver­fah­rens sei fik­tiv oder künst­lich. Herr Helm ha­be nämlich schon früher öffent­lich die­sel­be The­se zur Rechts­wid­rig­keit des § 14 Ab­satz 3 Tz­B­fG ver­tre­ten wie Herr Man­gold.
33. Hier­zu ist zunächst dar­auf hin­zu­wei­sen, dass ein Ge­richt ei­nes Mit­glied­staats, dem ei­ne Fra­ge nach der Aus­le­gung des EG-Ver­trags oder ab­ge­lei­te­ter Rechts­ak­te der Ge­mein­schafts­or­ga­ne ge­stellt wird, den Ge­richts­hof gemäß Ar­ti­kel 234 EG er­su­chen kann, über die­se Fra­ge zu be­fin­den, wenn es ei­ne Ent­schei­dung darüber zum Er­lass sei­nes Ur­teils für er­for­der­lich hält (vgl. u. a. Ur­teil vom 21. März 2002 in der Rechts­sa­che C‑451/99, Cu­ra An­la­gen, Slg. 2002, I‑3193, Rand­nr. 22).
34. Im Rah­men die­ses Vor­la­ge­ver­fah­rens be­sitzt das vor­le­gen­de Ge­richt, das al­lein über ei­ne un­mit­tel­ba­re Kennt­nis des Sach­ver­halts verfügt, die bes­ten Vor­aus­set­zun­gen, um un­ter Berück­sich­ti­gung der Be­son­der­hei­ten der Rechts­sa­che die Not­wen­dig­keit ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung für den Er­lass sei­nes Ur­teils zu be­ur­tei­len (vgl. u. a. Ur­tei­le vom 16. Ju­li 1992 in der Rechts­sa­che C‑83/91, Meili­cke, Slg. 1992, I‑4871, Rand­nr. 23, vom 7. Ju­li 1994 in der Rechts­sa­che C‑146/93, McLach­lan, Slg. 1994, I‑3229, Rand­nr. 20, vom 9. Fe­bru­ar 1995 in der Rechts­sa­che C‑412/93, Le­clerc-Si­plec, Slg. 1995, I‑179, Rand­nr. 10, und vom 30. Sep­tem­ber 2003 in der Rechts­sa­che C‑167/01, In­spi­re Art, Slg. 2003, I‑10155, Rand­nr. 43).
35.

Be­tref­fen da­her die vom na­tio­na­len Ge­richt vor­ge­leg­ten Fra­gen die Aus­le­gung ei­ner Be­stim­mung des Ge­mein­schafts­rechts, so ist der Ge­richts­hof grundsätz­lich ge­hal­ten, darüber zu be­fin­den (vgl. Ur­tei­le vom 8. No­vem­ber 1990 in der Rechts­sa­che C‑231/89, Gmur­zyns­ka-Bscher, Slg. 1990, I‑4003, Rand­nr. 20, Le­clerc‑Si­plec, Rand­nr. 11, vom 23. Fe­bru­ar 1995 in den Rechts­sa­chen C‑358/93 und C‑416/93, Bor­des­sa u. a., Slg. 1995, I‑361, Rand­nr. 10, und In­spi­re Art, Rand­nr. 44).

36. Dem Ge­richts­hof ob­liegt es je­doch, zur Prüfung sei­ner ei­ge­nen Zuständig­keit die Umstände zu un­ter­su­chen, un­ter de­nen er vom na­tio­na­len Ge­richt an­ge­ru­fen wird. Denn der Geist der Zu­sam­men­ar­beit, in dem das Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­ren durch­zuführen ist, ver­langt auch, dass das na­tio­na­le Ge­richt sei­ner­seits auf die dem Ge­richts­hof über­tra­ge­ne Auf­ga­be Rück­sicht nimmt, die dar­in be­steht, zur Rechts­pfle­ge in den Mit­glied­staa­ten bei­zu­tra­gen, nicht aber dar­in, Gut­ach­ten zu all­ge­mei­nen oder hy­po­the­ti­schen Fra­gen ab­zu­ge­ben (Ur­tei­le vom 3. Fe­bru­ar 1983 in der Rechts­sa­che 149/82, Ro­bards, Slg. 1983, 171, Rand­nr. 19, Meili­cke, Rand­nr. 25, und In­spi­re Art, Rand­nr. 45).
37. In An­be­tracht die­ser Auf­ga­be hat sich der Ge­richts­hof nicht für be­fugt ge­hal­ten, über ei­ne vor ei­nem na­tio­na­len Ge­richt auf­ge­wor­fe­ne Vor­ab­ent­schei­dungs­fra­ge zu be­fin­den, wenn of­fen­sicht­lich ist, dass die Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts in kei­nem Zu­sam­men­hang mit der Rea­lität oder dem Ge­gen­stand des Aus­gangs­rechts­streits steht.
38. Im vor­lie­gen­den Fall lässt sich je­doch nicht in Ab­re­de stel­len, dass die vom vor­le­gen­den Ge­richt be­an­trag­te Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts tatsächlich ei­nem durch die Ent­schei­dung des bei ihm anhängi­gen Rechts­streits be­ding­ten ob­jek­ti­ven Bedürf­nis ent­spricht. Es ist nämlich un­strei­tig, dass der Ver­trag tatsächlich durch­geführt wor­den ist und sei­ne An­wen­dung ei­ne Fra­ge nach der Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts auf­wirft. Dass sich die Par­tei­en des Aus­gangs­rechts­streits über die Aus­le­gung des § 14 Ab­satz 3 Tz­B­fG mögli­cher­wei­se ei­nig sind, ändert nichts dar­an, dass die­ser Rechts­streit tatsächlich be­steht.
39. Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen ist da­her zulässig.

Zu den Vor­la­ge­fra­gen

Zur ers­ten Fra­ge, Buch­sta­be b

40. Mit der ers­ten Fra­ge, Buch­sta­be b, die zu­erst zu prüfen ist, möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Pa­ra­graf 5 der Rah­men­ver­ein­ba­rung da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung ent­ge­gen­steht, die wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­ge kei­ne der in die­ser Be­stim­mung für den Rück­griff auf be­fris­te­te Ar­beits­verträge vor­ge­se­he­nen Be­schränkun­gen enthält. 
41. Da­zu ist fest­zu­stel­len, dass Pa­ra­graf 5 Num­mer 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung zum Ziel hat, „Miss­brauch durch auf­ein­an­der fol­gen­de be­fris­te­te Ar­beits­verträge oder ‑verhält­nis­se zu ver­mei­den“.
42. Die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ha­ben je­doch, wie sie in der münd­li­chen Ver­hand­lung bestätigt ha­ben, nur die­sen ei­nen Ar­beits­ver­trag mit­ein­an­der ge­schlos­sen.
43.

Un­ter die­sen Umständen ist die Aus­le­gung von Pa­ra­graf 5 Num­mer 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung für die Ent­schei­dung des bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streits of­fen­sicht­lich nicht er­heb­lich, so dass die ers­te Fra­ge, Buch­sta­be b, nicht zu be­ant­wor­ten ist.

Zur ers­ten Fra­ge, Buch­sta­be a

44. Mit sei­ner ers­ten Fra­ge, Buch­sta­be a, möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Pa­ra­graf 8 Num­mer 3 der Rah­men­ver­ein­ba­rung da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­gen ent­ge­gen­steht, mit der im Rah­men der Um­set­zung der Richt­li­nie 1999/70 das Al­ter, ab dem un­ein­ge­schränkt be­fris­te­te Ar­beits­verträge ge­schlos­sen wer­den können, von 60 auf 58 Jah­re ge­senkt wor­den ist.
45. Ein­lei­tend ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass der im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­ge Ver­trag am 26. Ju­ni 2003 ge­schlos­sen wor­den ist, d. h. un­ter der Gel­tung des Tz­B­fG in der Fas­sung des Ge­set­zes von 2002, mit dem das Al­ter, ab dem be­fris­te­te Ar­beits­verträge ge­schlos­sen wer­den können, von 58 auf 52 Jah­re her­ab­ge­setzt wur­de. Un­strei­tig ist Herr Man­gold im Al­ter von 56 Jah­ren von Herrn Helm ein­ge­stellt wor­den.
46. Das na­tio­na­le Ge­richt ist je­doch der An­sicht, dass die Aus­le­gung von Pa­ra­graf 8 Num­mer 3 für die Prüfung der Rechtmäßig­keit des § 14 Ab­satz 3 Tz­B­fG in sei­ner ursprüng­li­chen Fas­sung gleich­wohl nütz­lich wäre, da ei­ne Un­ver­ein­bar­keit der letzt­ge­nann­ten Vor­schrift mit dem Ge­mein­schafts­recht auch die Ungültig­keit ih­rer Ände­rung durch das Ge­setz von 2002 nach sich zie­hen würde.
47. Es ist je­den­falls fest­zu­stel­len, dass der deut­sche Ge­setz­ge­ber be­reits im Rah­men der Um­set­zung der Richt­li­nie 1999/70 in in­ner­staat­li­ches Recht das Al­ter, von dem an be­fris­te­te Ar­beits­verträge ge­schlos­sen wer­den können, von 60 auf 58 Jah­re ge­senkt hat­te.
48. Nach An­sicht von Herrn Man­gold verstößt die­se, wie auch die durch das Ge­setz von 2002 be­wirk­te Ver­schlech­te­rung ge­gen Pa­ra­graf 8 Num­mer 3 der Rah­men­ver­ein­ba­rung.
49. Die deut­sche Re­gie­rung ver­tritt da­ge­gen die Auf­fas­sung, dass die Her­ab­set­zung des Al­ters da­durch aus­ge­gli­chen wor­den sei, dass den be­fris­tet ein­ge­stell­ten Ar­beit­neh­mern neue so­zia­le Ga­ran­ti­en gewährt wor­den sei­en, wie z. B. ein all­ge­mei­nes Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot und die Er­stre­ckung der für der­ar­ti­ge Verträge vor­ge­se­he­nen Ein­schränkun­gen auf klei­ne Un­ter­neh­men und auf kurz­fris­ti­ge Ar­beits­verhält­nis­se.
50. In­so­weit er­gibt sich schon aus dem Wort­laut von Pa­ra­graf 8 Num­mer 3 der Rah­men­ver­ein­ba­rung, dass de­ren Um­set­zung für die Mit­glied­staa­ten nicht als Grund für die Sen­kung des all­ge­mei­nen Ni­veaus des Ar­beit­neh­mer­schut­zes in dem von der Ver­ein­ba­rung er­fass­ten Be­reich die­nen kann.
51. Mit dem in Pa­ra­graf 8 Num­mer 3 der Rah­men­ver­ein­ba­rung oh­ne wei­te­re Erläute­rung ver­wen­de­ten Aus­druck „Um­set­zung“ kann nicht nur die ursprüng­li­che Um­set­zung der Richt­li­nie 1999/70 und ins­be­son­de­re ih­res die Rah­men­ver­ein­ba­rung ent­hal­ten­den An­hangs ge­meint sein; er muss viel­mehr al­le na­tio­na­len Maßnah­men er­fas­sen, die die Er­rei­chung des mit der Richt­li­nie ver­folg­ten Zie­les gewähr­leis­ten sol­len, ein­sch­ließlich der­je­ni­gen, mit de­nen nach der ei­gent­li­chen Um­set­zung die be­reits er­las­se­nen na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten ergänzt oder geändert wer­den.
52. Hin­ge­gen ist ei­ne Ver­min­de­rung des den Ar­beit­neh­mern im Hin­blick auf be­fris­te­te Ar­beits­verträge ga­ran­tier­ten Schut­zes nicht als sol­che durch die Rah­men­ver­ein­ba­rung ver­bo­ten, wenn sie in kei­nem Zu­sam­men­hang mit der Um­set­zung die­ser Rah­men­ver­ein­ba­rung steht. 
53. So­wohl aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung als auch aus den Erklärun­gen der deut­schen Re­gie­rung in der münd­li­chen Ver­hand­lung er­gibt sich, dass – wie auch der Ge­ne­ral­an­walt in den Num­mern 75 bis 77 sei­ner Schluss­anträge aus­geführt hat –die schritt­wei­se Her­ab­set­zung des Al­ters, ab dem der Ab­schluss be­fris­te­ter Verträge un­ein­ge­schränkt möglich ist, nicht durch das Er­for­der­nis der Um­set­zung der Rah­men­ver­ein­ba­rung, son­dern durch die Not­wen­dig­keit ge­recht­fer­tigt ist, die Beschäfti­gung älte­rer Men­schen in Deutsch­land zu fördern.
54.

Auf die ers­te Fra­ge, Buch­sta­be a, ist da­her zu ant­wor­ten, dass Pa­ra­graf 8 Num­mer 3 der Rah­men­ver­ein­ba­rung da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­gen nicht ent­ge­gen­steht, mit der aus Gründen der Beschäfti­gungsförde­rung und un­abhängig von der Um­set­zung der Rah­men­ver­ein­ba­rung das Al­ter ge­senkt wur­de, ab dem un­ein­ge­schränkt be­fris­te­te Ar­beits­verträge ge­schlos­sen wer­den können.

Zur zwei­ten und zur drit­ten Fra­ge

55. Mit der zwei­ten und der drit­ten Fra­ge, die zu­sam­men zu prüfen sind, möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt im We­sent­li­chen wis­sen, ob Ar­ti­kel 6 Ab­satz 1 der Richt­li­nie 2000/78 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­gen ent­ge­gen­steht, nach der der Ab­schluss be­fris­te­ter Ar­beits­verträge mit Ar­beit­neh­mern, die das 52. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, un­ein­ge­schränkt zulässig ist, so­fern nicht zu ei­nem vor­her­ge­hen­den un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber ein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang be­steht. Für den Fall, dass dies be­jaht wird, fragt das Ge­richt, wel­che Fol­gen der na­tio­na­le Rich­ter aus die­ser Aus­le­gung zu zie­hen hat.
56. In­so­weit ist dar­an zu er­in­nern, dass die Richt­li­nie 2000/78 nach ih­rem Ar­ti­kel 1 die Schaf­fung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung in Beschäfti­gung und Be­ruf aus den dort ge­nann­ten Gründen, dar­un­ter we­gen des Al­ters, be­zweckt.
57.

§ 14 Ab­satz 3 Tz­B­fG be­gründet da­durch, dass die Ar­beit­ge­ber mit Ar­beit­neh­mern, die das 52. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, un­ein­ge­schränkt be­fris­te­te Ar­beits­verträge schließen können, ei­ne un­mit­tel­bar auf dem Al­ter be­ru­hen­de Un­gleich­be­hand­lung.

58. Eben zu Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters be­stimmt Ar­ti­kel 6 Ab­satz 1 der Richt­li­nie 2000/78, dass die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen können, dass sol­che Un­gleich­be­hand­lun­gen „kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar­stel­len, so­fern sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen sind und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts durch ein le­gi­ti­mes Ziel, wor­un­ter ins­be­son­de­re rechtmäßige Zie­le aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung zu ver­ste­hen sind, ge­recht­fer­tigt sind und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind“. Nach Ab­satz 1 Un­ter­ab­satz 2 Buch­sta­be a können sol­che Un­gleich­be­hand­lun­gen u. a. „die Fest­le­gung be­son­de­rer Be­din­gun­gen für den Zu­gang zur Beschäfti­gung und zur be­ruf­li­chen Bil­dung so­wie be­son­de­rer Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, … um die be­ruf­li­che Ein­glie­de­rung von Ju­gend­li­chen, älte­ren Ar­beit­neh­mern und Per­so­nen mit Fürsor­ge­pflich­ten zu fördern oder ih­ren Schutz si­cher­zu­stel­len“, so­wie nach den Buch­sta­ben b und c in ei­ni­gen be­son­de­ren Fällen die Fest­le­gung von al­ters­be­zo­ge­nen An­for­de­run­gen be­tref­fen.
59. Wie sich aus den dem Ge­richts­hof vom vor­le­gen­den Ge­richt über­mit­tel­ten Ak­ten er­gibt, be­zwe­cken die­se Rechts­vor­schrif­ten klar, die be­ruf­li­che Ein­glie­de­rung ar­beits­lo­ser älte­rer Ar­beit­neh­mer zu fördern, weil die­se er­heb­li­che Schwie­rig­kei­ten ha­ben, wie­der ei­nen Ar­beits­platz zu fin­den.
60. Die Le­gi­ti­mität ei­nes sol­chen im All­ge­mein­in­ter­es­se lie­gen­den Zie­les steht außer Zwei­fel, wie die Kom­mis­si­on im Übri­gen selbst ein­geräumt hat.
61. Folg­lich ist ein der­ar­ti­ges Ziel – wie in Ar­ti­kel 6 Ab­satz 1 ers­ter Un­ter­ab­satz der Richt­li­nie 2000/78 vor­ge­se­hen – grundsätz­lich als ei­ne „ob­jek­ti­ve und an­ge­mes­se­ne“ Recht­fer­ti­gung ei­ner von den Mit­glied­staa­ten vor­ge­se­he­nen Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters an­zu­se­hen.
62. Wei­ter ist nach dem Wort­laut die­ser Be­stim­mung zu prüfen, ob die ein­ge­setz­ten Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses le­gi­ti­men Zie­les „an­ge­mes­sen und er­for­der­lich“ sind.
63. In­so­weit verfügen die Mit­glied­staa­ten un­be­streit­bar über ei­nen wei­ten Er­mes­sens­spiel­raum bei der Wahl der Maßnah­men zur Er­rei­chung ih­rer Zie­le im Be­reich der Ar­beits- und So­zi­al­po­li­tik.
64. Wie das vor­le­gen­de Ge­richt aus­geführt hat, läuft die An­wen­dung na­tio­na­ler Rechts­vor­schrif­ten wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­gen je­doch dar­auf hin­aus, dass al­len Ar­beit­neh­mern, die das 52. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, un­ter­schieds­los – gleichgültig, ob und wie lan­ge sie vor Ab­schluss des Ar­beits­ver­trags ar­beits­los wa­ren – bis zum Er­rei­chen des Al­ters, ab dem sie ih­re Ren­ten­ansprüche gel­tend ma­chen können, be­fris­te­te, un­be­grenzt häufig verlänger­ba­re Ar­beits­verträge an­ge­bo­ten wer­den können. Die­se große, aus­sch­ließlich nach dem Le­bens­al­ter de­fi­nier­te Grup­pe von Ar­beit­neh­mern läuft da­mit während ei­nes er­heb­li­chen Teils ih­res Be­rufs­le­bens Ge­fahr, von fes­ten Beschäfti­gungs­verhält­nis­sen aus­ge­schlos­sen zu sein, die doch, wie sich aus der Rah­men­ver­ein­ba­rung er­gibt, ei­nen wich­ti­gen As­pekt des Ar­beit­neh­mer­schut­zes dar­stel­len.
65. Sol­che Rechts­vor­schrif­ten ge­hen in­so­fern, als sie das Al­ter des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers als ein­zi­ges Kri­te­ri­um für die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­trags fest­le­gen, oh­ne dass nach­ge­wie­sen wäre, dass die Fest­le­gung ei­ner Al­ters­gren­ze als sol­che un­abhängig von an­de­ren Erwägun­gen im Zu­sam­men­hang mit der Struk­tur des je­wei­li­gen Ar­beits­mark­tes und der persönli­chen Si­tua­ti­on des Be­trof­fe­nen zur Er­rei­chung des Zie­les der be­ruf­li­chen Ein­glie­de­rung ar­beits­lo­ser älte­rer Ar­beit­neh­mer ob­jek­tiv er­for­der­lich ist, über das hin­aus, was zur Er­rei­chung des ver­folg­ten Zie­les an­ge­mes­sen und er­for­der­lich ist. Die Wah­rung des Grund­sat­zes der Verhält­nismäßig­keit be­deu­tet nämlich, dass bei Aus­nah­men von ei­nem In­di­vi­du­al­recht die Er­for­der­nis­se des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes so weit wie möglich mit de­nen des an­ge­streb­ten Zie­les in Ein­klang ge­bracht wer­den müssen (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 19. März 2002 in der Rechts­sa­che C‑476/99, Lom­mers, Slg. 2002, I‑2891, Rand­nr. 39). Der­ar­ti­ge na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten können da­her nicht nach Ar­ti­kel 6 Ab­satz 1 der Richt­li­nie 2000/78 ge­recht­fer­tigt wer­den.
66. Dass die Frist zur Um­set­zung der Richt­li­nie 2000/78 zum Zeit­punkt des Ab­schlus­ses des Ver­tra­ges noch nicht ab­ge­lau­fen war, steht die­ser Fest­stel­lung nicht ent­ge­gen.
67. Ers­tens hat nämlich der Ge­richts­hof be­reits ent­schie­den, dass die Mit­glied­staa­ten während der Frist für die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie kei­ne Vor­schrif­ten er­las­sen dürfen, die ge­eig­net sind, die Er­rei­chung des in die­ser Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Zie­les ernst­lich in Fra­ge zu stel­len (Ur­teil In­ter-En­vi­ron­ne­ment Wal­lo­nie, Rand­nr. 45).
68. In die­sem Zu­sam­men­hang kommt es nicht dar­auf an, ob die frag­li­che, nach In­kraft­tre­ten der be­tref­fen­den Richt­li­nie er­las­se­ne Re­ge­lung des na­tio­na­len Rechts de­ren Um­set­zung be­zweckt oder nicht (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 8. Mai 2003 in der Rechts­sa­che C‑14/02, ATRAL, Slg. 2003, I‑4431, Rand­nrn. 58 und 59).
69. Im Aus­gangs­ver­fah­ren ist die Her­ab­set­zung des Al­ters, ab dem be­fris­te­te Ar­beits­verträge ge­schlos­sen wer­den können, von 58 auf 52 Jah­re durch Ar­ti­kel 14 Ab­satz 3 Tz­B­fG im De­zem­ber 2002 er­folgt, und die­se Maßnah­me soll bis zum 31. De­zem­ber 2006 gel­ten.
70. Der Um­stand, dass die Gel­tung die­ser Vor­schrift am 31. De­zem­ber 2006 en­det, d. h. nur we­ni­ge Wo­chen nach Ab­lauf der vom be­tref­fen­den Mit­glied­staat ein­zu­hal­ten­den Um­set­zungs­frist, ist als sol­cher nicht ent­schei­dend.
71. Zum ei­nen er­gibt sich nämlich schon aus dem Wort­laut von Ar­ti­kel 18 Ab­satz 2 der Richt­li­nie 2000/78, dass ein Mit­glied­staat, der – wie im vor­lie­gen­den Fall die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land – ei­ne Zu­satz­frist von drei Jah­ren ab dem 2. De­zem­ber 2003 für die Um­set­zung die­ser Richt­li­nie in An­spruch zu neh­men be­sch­ließt, „der Kom­mis­si­on jähr­lich Be­richt über die von ihm er­grif­fe­nen Maßnah­men zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters … und über die Fort­schrit­te, die bei der Um­set­zung der Richt­li­nie er­zielt wer­den konn­ten“, er­stat­tet.
72. Die­se Be­stim­mung im­pli­ziert al­so, dass der Mit­glied­staat, der aus­nahms­wei­se in den Ge­nuss ei­ner länge­ren Um­set­zungs­frist kommt, schritt­wei­se kon­kre­te Maßnah­men er­greift, um sei­ne Re­ge­lung schon dem in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Er­geb­nis an­zunähern. Die­ser Ver­pflich­tung würde je­doch jeg­li­che prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­nom­men, wenn es dem Mit­glied­staat ge­stat­tet wäre, während der Frist zur Um­set­zung der Richt­li­nie Maßnah­men zu er­las­sen, die mit de­ren Zie­len un­ver­ein­bar sind.
73. Zum an­de­ren wird am 31. De­zem­ber 2006, wie der Ge­ne­ral­an­walt in Num­mer 96 sei­ner Schluss­anträge aus­geführt hat, ein be­acht­li­cher Teil der Ar­beit­neh­mer, auf die die im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­ge Re­ge­lung an­wend­bar ist – dar­un­ter Herr Man­gold −, das 58. Le­bens­jahr be­reits voll­endet ha­ben und so­mit wei­ter un­ter die Son­der­re­ge­lung des § 14 Ab­satz 3 Tz­B­fG fal­len, so dass für die­se Per­so­nen­grup­pe die Ge­fahr des Aus­schlus­ses von der Ga­ran­tie ei­nes fes­ten Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses in Form ei­nes un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags be­reits de­fi­ni­tiv ein­ge­tre­ten ist, un­abhängig da­von, dass die Al­ters­gren­ze von 52 Jah­ren nur bis En­de 2006 gilt.
74. Zwei­tens ist zu be­ach­ten, dass der Grund­satz der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf nicht in der Richt­li­nie 2000/78 selbst ver­an­kert ist. Nach ih­rem Ar­ti­kel 1 be­zweckt die­se Richt­li­nie nämlich le­dig­lich „die Schaf­fung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen der Re­li­gi­on oder der Welt­an­schau­ung, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder der se­xu­el­len Aus­rich­tung“, wo­bei das grundsätz­li­che Ver­bot die­ser For­men der Dis­kri­mi­nie­rung, wie sich aus der ers­ten und der vier­ten Be­gründungs­erwägung der Richt­li­nie er­gibt, sei­nen Ur­sprung in ver­schie­de­nen völker­recht­li­chen Verträgen und den ge­mein­sa­men Ver­fas­sungs­tra­di­tio­nen der Mit­glied­staa­ten hat.
75. Das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters ist so­mit als ein all­ge­mei­ner Grund­satz des Ge­mein­schafts­rechts an­zu­se­hen. Fällt ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung in den Gel­tungs­be­reich des Ge­mein­schafts­rechts, was bei dem durch das Ge­setz von 2002 geänder­ten § 14 Ab­satz 3 Tz­B­fG als Maßnah­me zur Um­set­zung der Richt­li­nie 1999/70 der Fall ist (vgl. hier­zu auch Rand­nrn. 51 und 64 des vor­lie­gen­den Ur­teils), hat der Ge­richts­hof, wenn er im Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­ren an­ge­ru­fen wird, dem vor­le­gen­den Ge­richt al­le Aus­le­gungs­hin­wei­se zu ge­ben, die es benötigt, um die Ver­ein­bar­keit die­ser Re­ge­lung mit die­sem Grund­satz be­ur­tei­len zu können (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 12. De­zem­ber 2002 in der Rechts­sa­che C‑442/00, Ro­dríguez Ca­bal­le­ro, Slg. 2002, I‑11915, Rand­nrn. 30 bis 32).
76. Folg­lich kann die Wah­rung des all­ge­mei­nen Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf das Al­ter, als sol­che nicht vom Ab­lauf der Frist abhängen, die den Mit­glied­staa­ten zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie ein­geräumt wor­den ist, die die Schaf­fung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters be­zweckt, vor al­lem was die Be­reit­stel­lung ge­eig­ne­ter Rechts­be­hel­fe, die Be­weis­last, die Vik­ti­mi­sie­rung, den so­zia­len Dia­log so­wie die po­si­ti­ven und an­de­ren spe­zi­fi­schen Maßnah­men zur Um­set­zung ei­ner sol­chen Richt­li­nie an­geht.
77. Es ob­liegt da­her dem na­tio­na­len Ge­richt, bei dem ein Rechts­streit über das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters anhängig ist, im Rah­men sei­ner Zuständig­kei­ten den recht­li­chen Schutz, der sich für den Ein­zel­nen aus dem Ge­mein­schafts­recht er­gibt, zu gewähr­leis­ten und die vol­le Wirk­sam­keit des Ge­mein­schafts­rechts zu ga­ran­tie­ren, in­dem es je­de mögli­cher­wei­se ent­ge­gen­ste­hen­de Be­stim­mung des na­tio­na­len Rechts un­an­ge­wen­det lässt (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le vom 9. März 1978 in der Rechts­sa­che 106/77, Simm­en­thal, Slg. 1978, 629, Rand­nr. 21, und vom 5. März 1998 in der Rechts­sa­che C‑347/96, Sol­red, Slg. 1998, I‑937, Rand­nr. 30). 
78. Nach al­le­dem ist auf die zwei­te und die drit­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass das Ge­mein­schafts­recht und ins­be­son­de­re Ar­ti­kel 6 Ab­satz 1 der Richt­li­nie 2000/78 da­hin aus­zu­le­gen sind, dass sie ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­gen, nach der der Ab­schluss be­fris­te­ter Ar­beits­verträge mit Ar­beit­neh­mern, die das 52. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, un­ein­ge­schränkt zulässig ist, so­fern nicht zu ei­nem vor­her­ge­hen­den un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber ein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang be­steht, ent­ge­gen­ste­hen.

Es ob­liegt dem na­tio­na­len Ge­richt, die vol­le Wirk­sam­keit des all­ge­mei­nen Ver­bo­tes der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters zu gewähr­leis­ten, in­dem es je­de ent­ge­gen­ste­hen­de Be­stim­mung des na­tio­na­len Rechts un­an­ge­wen­det lässt, auch wenn die Frist für die Um­set­zung der Richt­li­nie noch nicht ab­ge­lau­fen ist.

Kos­ten

79.

Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Große Kam­mer) für Recht er­kannt:

1. Pa­ra­graf 8 Num­mer 3 der Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge vom 18. März 1999, die mit der Richt­li­nie 1999/70/EG des Ra­tes vom 28. Ju­ni 1999 zu der EGB-UN­ICE-CEEP-Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge durch­geführt wor­den ist, ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­gen nicht ent­ge­gen­steht, mit der aus Gründen der Beschäfti­gungsförde­rung und un­abhängig von der Um­set­zung der Rah­men­ver­ein­ba­rung das Al­ter ge­senkt wur­de, ab dem un­ein­ge­schränkt be­fris­te­te Ar­beits­verträge ge­schlos­sen wer­den können.

2. Das Ge­mein­schafts­recht und ins­be­son­de­re Ar­ti­kel 6 Ab­satz 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf sind da­hin aus­zu­le­gen, dass sie ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­gen, nach der der Ab­schluss be­fris­te­ter Ar­beits­verträge mit Ar­beit­neh­mern, die das 52. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, un­ein­ge­schränkt zulässig ist, so­fern nicht zu ei­nem vor­her­ge­hen­den un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber ein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang be­steht, ent­ge­gen­ste­hen.

Es ob­liegt dem na­tio­na­len Ge­richt, die vol­le Wirk­sam­keit des all­ge­mei­nen Ver­bo­tes der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters zu gewähr­leis­ten, in­dem es je­de ent­ge­gen­ste­hen­de Be­stim­mung des na­tio­na­len Rechts un­an­ge­wen­det lässt, auch wenn die Frist für die Um­set­zung der Richt­li­nie noch nicht ab­ge­lau­fen ist.

Un­ter­schrif­ten. 

* Ver­fah­rens­spra­che: Deutsch

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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