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Die „Mangold-Rechtsprechung“ des EuGH und des BAG auf dem Prüfstand des Verfassungsrechts
23.09.2008. Mit einem Urteil aus dem Jahre 2005 hat der Eur0päische Gerichtshof (EuGH) sehr energisch in das deutsche Arbeitsrecht hineinregiert (EuGH, Urteil vom 22.11.2005, C-144/04 - "Mangold").
Und kurz darauf hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die wesentlichen Aussagen des Mangold-Urteils des EuGH für deutsche Gerichte verbindlich seien (BAG, Urteil vom 26.04.2006, 7 AZR 500/04).
In seinem Urteil behandelte das BAG die im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) vorübergehend enthaltene Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen mit Arbeitnehmern im Alter ab 52 Jahren als ungültig, d.h. das BAG wandte ein deutsches Gesetz schlicht nicht an.
Der betroffene Arbeitgeber hat gegen dieses zu seinen Lasten ergangene BAG-Urteil Verfassungsbeschwerde eingelegt, die nunmehr in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung ansteht (2 BvR 2661/06).
- Der Ausgangspunkt: Der "Rechtsstreit" zwischen Herrn Mangold und Herrn Helm
- Vorabentscheidungsbeschluss des Arbeitsgerichts München vom Februar 2004
- Das Mangold-Urteil des Europäischen Gerichtshofs
- Kritik am Mangold-Urteil und seinen Folgen
- Der EuGH gibt die Richtung vor, und das BAG marschiert
- Der letzte Akt des Dramas: Das Bundesverfassungsgericht ist aufgerufen, die Rechtsprechung des EuGH zu kontrollieren
Der Ausgangspunkt: Der "Rechtsstreit" zwischen Herrn Mangold und Herrn Helm
Angefangen hatte alles damit an, dass zwei gewerkschaftsnahe Münchener Rechtsanwälte, Herr Mangold als Kläger und Herr Helm als Beklagter, dem Arbeitsgericht München einen zum Zwecke der gerichtlichen Stellungnahme zurechtkonstruierten Fall zur Entscheidung unterbreiteten.
Dem (fingierten) Fall zufolge war der damals 56 Jahre alte Herr Mangold durch Vertrag vom Juni 2003 befristet für die Zeit vom 01.07.2003 bis zum 28.02.2004 eingestellt worden, und zwar bezeichnender Weise ausdrücklich unter alleiniger Bezugnahme auf die damalige gesetzliche Möglichkeit, mit über 52jährigen Arbeitnehmern ohne Vorliegen sonstiger Befristungsmöglichkeiten einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag abschließen zu können (§ 14 Abs.3 TzBfG in der Fassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002). Andere rechtlich mögliche Befristungsgründe, insbesondere die Möglichkeit einer sachgrundlosen Ersteinstellung bis zur Dauer von zwei Jahren (§ 14 Abs.2 Satz 1 TzBfG in damaliger wie heutiger Fassung), wurden im Arbeitsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen.
Vorabentscheidungsbeschluss des Arbeitsgerichts München vom Februar 2004
Das Arbeitsgericht München legte dem EuGH daraufhin mit Beschluss vom 26.02.2004 die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die gesetzliche Möglichkeit der Altersbefristung, d.h. die von keinen weiteren sachlichen Voraussetzungen abhängige rechtliche Möglichkeit zum Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit älteren Arbeitnehmern, mit den Vorgaben des Europarechts vereinbar ist.
Denn immerhin verbietet die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf im Unterschied zu den bisherigen Antidiskriminierungsrichtlinien der EU erstmals auch eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern wegen ihres Alters.
Und entgegen seiner Pflicht, die Richtlinie Richtlinie 2000/78/EG bis spätestens zum 02.12.2006 in nationales Recht umzusetzen, hatte der deutsche Gesetzgeber durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen mit älteren Arbeitnehmern sogar noch erweitert, und zwar durch eine am 01.01.2003 in Kraft tretende und „probehalber“ bis zum 31.12.2006 geltende Ergänzung von § 14 Abs.3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).
Wie erwähnt, bedurfte die Befristung eines Arbeitsvertrages nach dieser Fassung des TzBfG keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hatte und zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber kein enger sachlicher Zusammenhang bestand (§ 14 Abs.3 Satz 1, 4 TzBfG damalige Fassung). Somit drängte sich die Frage auf, ob hier möglicherweise eine unzulässige Diskriminierung älterer Arbeitnehmer wegen ihres vorgerückten Lebensalters vorlag.
Das Mangold-Urteil des Europäischen Gerichtshofs
Der EuGH entschied daraufhin in seinem berühmt-berüchtigtem Mangold-Urteil vom 22.11.2005 (C-144/04), dass die ihm zur Prüfung vorgelegte deutsche Befristungsmöglichkeit europarechtswidrig und daher unanwendbar sei, und zwar auch zwischen Privatleuten (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 05/10 EuGH, Urteil vom 22.11.2005, C-144/04 (Mangold)).
Entscheidend für das Mangold-Urteil waren zwei Argumente.
Erstens: Der nationale Gesetzgeber kann zwar ein fortgeschrittenes Alter zur rechtlichen Voraussetzung für eine erleichterte Befristungsmöglichkeit machen, doch darf er eine Befristungsmöglichkeit nicht allein vom fortgeschrittenen Alter des Arbeitnehmers abhängig machen. Dies wäre unverhältnismäßig und daher von der in der Richtlinie 2000/78/EG enthaltenen Erlaubnis altersbedingter rechtlicher Schlechterstellungen nicht mehr gedeckt.
Zweitens: Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ist – angeblich - nicht nur in der Richtlinie 2000/78/EG enthalten, sondern als „allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts“ anzusehen. Mit dieser These weitete der EuGH in der Mangold-Entscheidung seine Kompetenzen erheblich aus, da er in der Konsequenz dieser Ansicht schon lange vor Ablauf von Richtlinien-Umsetzungsfristen das Recht der Mitgliedstaaten für europarechtswidrig erklären könnte, falls die jeweiligen Richtlinien Ausdruck „allgemeiner Grundsätze des Gemeinschaftsrechts“ sind (bzw. vom EuGH dazu erklärt werden).
Die Folge dieser kühnen These war im Mangoldfall, dass die zwischen Mangold und Helm am 26.06.2003 vertraglich vereinbarte Befristung angeblich bereits lange vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG (02.12.2006) unwirksam war, da die hierzu ermächtigende gesetzliche Vorschrift des deutschen Rechts angeblich von den deutschen Gerichten außer acht zu lassen war.
Kritik am Mangold-Urteil und seinen Folgen
Der Vorlagebeschluss des Arbeitsgerichts München und das Mangold-Urteil des EuGH wurden in der Folgezeit teilweise äußerst heftig kritisiert.
Mit Blick auf den Münchener Fall und den Vorlagebeschluss war die Rede von einem „Stück aus dem Tollhaus“ (Bauer, NZA 2005, S.800), während die Entscheidung des EuGH als „Tugendterror aus Luxemburg“ (Jahn, F.A.Z. vom 03.12.2005) gebrandmarkt wurde.
Die letzte verbale Kraftanstrengung stammt von dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter und Bundespräsidenten Roman Herzog, der zusammen mit Lüder Gerken unter anderem in der F.A.Z. vom 08.09.2008 dazu aufrief, den EuGH zu stoppen (Roman Herzog / Lüder Gerken, Stoppt den Europäischen Gerichtshof!).
Der EuGH gibt die Richtung vor, und das BAG marschiert
Anlass dieser erneuten Kritik an den angeblichen Kompetenzüberschreitungen durch den EuGH war ein Urteil des BAG vom 26.04.2006 (7 AZR 500/04), über das wir berichtetet hatten (Arbeitsrecht aktuell: 06/05a BAG entscheidet zur Altersbefristung).
Mit diesem Urteil hatte das BAG einen mit dem Mangoldfall vergleichbaren Fall zugunsten eines befristet eingestellten älteren Arbeitnehmers entschieden. Der Streitfall betraf einen gewerblichen Mitarbeiter, der im Februar 2003 mit damals 53 Jahren befristet auf etwas mehr als ein Jahr eingestellt worden und gegen die Wirksamkeit dieser Befristung geklagt hatte.
Das Urteil des BAG vom 26.04.2006 setzt sich ausführlich mit dem Mangold-Urteil des EuGH auseinander und begründet seine zugunsten des Arbeitnehmers ergangene Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Vorgabe des EuGH für das BAG als nationales Gericht verbindlich sei.
Obwohl das BAG in seiner Entscheidung vom 26.04.2006 die Frage einer möglichen Kompetenzüberschreitung durch den EuGH in dem Mangoldurteil unter Berücksichtigung der breiten Kritik an diesem Urteil erörtert, kommt es zu dem Ergebnis, dass das Mangoldurteil noch (so eben) von den europäischen Kompetenznormen gedeckt und daher von deutschen Gerichten als verbindlich hinzunehmen sei.
Der letzte Akt des Dramas: Das Bundesverfassungsgericht ist aufgerufen, die Rechtsprechung des EuGH zu kontrollieren
Hiergegen, d.h. gegen das Urteil des BAG vom 26.04.2006 (7 AZR 500/04) richtet sich eine beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Verfassungsbeschwerde des in dem Verfahren vor dem BAG unterlegenen Arbeitgebers. Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung noch im laufenden Jahr vorgesehen (2 BvR 2661/06).
Bei der Entscheidungsfindung wird sich das BVerfG voraussichtlich (erneut) mit der Frage befassen, unter welchen Voraussetzungen die Delegation nationaler hoheitlicher Gewalt, hier der rechtsprechenden Gewalt, auf Organe der Europäischen Union bzw. des EuGH aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts hinzunehmen ist.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG ist hierfür unter anderem vorausgesetzt, dass sich der EuGH an die Grenzen seiner Befugnisse hält, die ihm der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zugesteht. Ob man dies von der Rechtsprechung des EuGH in den vergangenen Jahren sagen kann, ist in der juristischen und politischen Diskussion lebhaft umstritten.
Es ist daher derzeit nicht auszuschließen, dass der EuGH, der seine Entscheidungskompetenzen in verschiedenen Urteilen der vergangenen Jahre unstreitig „sehr weit“ interpretierte, in den nächsten Monaten durch das BVerfG mehr oder weniger deutlich „gedeckelt“ wird. Wahrscheinlich wird das Bundesverfassungsgericht aber das tun, was es immer tut, wenn es um Hoheitsakte von EU-Institutionen geht: abnicken.
Nähere Informationen zu diesem Vorgang finden Sie hier:
- Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 2661/06
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.04.2006, 7 AZR 500/04
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 22.11.2005, C-144/04 - Mangold
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
- Arbeitsrecht aktuell: 16/336 EuGH: Das Verbot der Altersdiskriminierung gilt auch zwischen Privaten
- Arbeitsrecht aktuell: 05/10 EuGH, Urteil vom 22.11.2005, C–144/04 (Mangold)
- Arbeitsrecht aktuell: 06/05a BAG entscheidet zur Altersbefristung
- Arbeitsrecht aktuell: 10/178 Mangold-Urteil ist nicht verfassungswidrig
Letzte Überarbeitung: 18. Mai 2017
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