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BAG, Ur­teil vom 02.11.2016, 10 AZR 596/15

   
Schlagworte: Krankheit, Weisungsrecht, Abmahnung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZR 596/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 02.11.2016
   
Leitsätze: Während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur dann anweisen, zu einem Personalgespräch in den Betrieb zu kommen, wenn hierfür ein dringender betrieblicher Anlass besteht, der einen Aufschub der Weisung auf einen Zeitpunkt nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit nicht gestattet, und die persönliche Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb dringend erforderlich ist und ihm zugemutet werden kann.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 08.10.2014, 37 Ca 2857/14
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.07.2015, 6 Sa 2276/14
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

10 AZR 596/15
6 Sa 2276/14
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Ber­lin-Bran­den­burg

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
2. No­vem­ber 2016

UR­TEIL

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin, Re­vi­si­onskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

pp.

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter, Re­vi­si­ons­be­klag­ter und Re­vi­si­onskläger,

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 2. No­vem­ber 2016 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Linck, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Bru­ne, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Schlünder so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Großmann und Züfle für Recht er­kannt:

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1. Die Re­vi­sio­nen des Klägers und der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 17. Ju­li 2015 - 6 Sa 2276/14 - wer­den zurück­ge­wie­sen.

2. Die Kos­ten der Re­vi­sio­nen wer­den ge­gen­ein­an­der auf­ge­ho­ben.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Ent­fer­nung ei­ner dem Kläger er­teil­ten Ab­mah­nung aus des­sen Per­so­nal­ak­te so­wie über die Ver­pflich­tung des Klägers zur Teil­nah­me an Per­so­nal­gesprächen während der Dau­er ei­ner krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit.

Der Kläger ist bei der Be­klag­ten, die in Ber­lin ua. meh­re­re Kran­kenhäuser be­treibt, seit dem 1. April 2003 beschäftigt. Zunächst war er als Kran­ken­pfle­ger tätig, zu­letzt wur­de er nach ei­ner länge­ren un­fall­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit und an­sch­ließen­der Um­schu­lung be­fris­tet bis zum 31. De­zem­ber 2013 als Me­di­zi­ni­scher Do­ku­men­ta­ti­ons­as­sis­tent (MDA) im Kli­ni­kum A ein­ge­setzt.

Vom 29. No­vem­ber 2013 bis zum 21. Fe­bru­ar 2014 war der Kläger ar­beits­unfähig krank. Die Be­klag­te lud ihn mit Schrei­ben vom 18. De­zem­ber 2013 „zur Klärung der wei­te­ren Beschäfti­gungsmöglich­keit“ zu ei­nem Gespräch am 6. Ja­nu­ar 2014 in ihr Kli­ni­kum A ein. Die An­ga­be in der Be­treff­zei­le des Schrei­bens lau­te­te: „Beschäfti­gung als MDA“. Der Kläger sag­te das Gespräch per Fax un­ter Hin­weis auf sei­ne ärzt­lich at­tes­tier­te Ar­beits­unfähig­keit ab. Un­ter dem 24. Ja­nu­ar 2014 über­sand­te ihm die Be­klag­te ein in­halt­lich iden­ti­sches Ein­la­dungs­schrei­ben für den 11. Fe­bru­ar 2014. Die­sem Schrei­ben war der Hin­weis hin­zu­gefügt, der Kläger ha­be ge­sund­heit­li­che Gründe, die ihn an der Wahr­neh­mung die­ses Ter­mins hin­der­ten, durch Vor­la­ge ei­nes spe­zi­el­len ärzt­li­chen At­tests nach­zu­wei­sen; die vor­lie­gen­de all­ge­mei­ne Ar­beits­unfähig­keits­be­sch­ei-

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ni­gung rei­che hierfür nicht aus. Auch die Teil­nah­me an die­sem Gespräch lehn­te der Kläger un­ter Hin­weis auf sei­ne wei­ter­hin be­ste­hen­de Ar­beits­unfähig­keit ab. Die Be­klag­te er­teil­te dem Kläger dar­auf­hin mit Schrei­ben vom 18. Fe­bru­ar 2014 ei­ne Ab­mah­nung. Es sei da­von aus­zu­ge­hen, dass er den Gesprächen un­ent­schul­digt fern­ge­blie­ben sei, da er kei­nen Nach­weis darüber er­bracht ha­be, an ei­nem Per­so­nal­gespräch krank­heits­be­dingt nicht teil­neh­men zu können.

Der Kläger hat ge­meint, er sei nicht ver­pflich­tet ge­we­sen, während der Dau­er sei­ner ärzt­lich at­tes­tier­ten Ar­beits­unfähig­keit zu den Per­so­nal­gesprächen im Kli­ni­kum A zu er­schei­nen. Es ge­be ge­ne­rell kei­ne Ver­pflich­tung ei­nes ar­beits­unfähig er­krank­ten Ar­beit­neh­mers zur Teil­nah­me an Per­so­nal­gesprächen.

Der Kläger hat zu­letzt be­an­tragt, 

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die ihm mit Schrei­ben vom 18. Fe­bru­ar 2014 er­teil­te Ab­mah­nung er­satz­los aus sei­ner Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen;

2. fest­zu­stel­len, dass er nicht ver­pflich­tet ist, an Per­so­nal­gesprächen teil­zu­neh­men, die während der Zeit sei­ner ärzt­lich at­tes­tier­ten Ar­beits­unfähig­keit statt­fin­den sol­len;

3. hilfs­wei­se zum An­trag zu 2.

fest­zu­stel­len, dass er nicht ver­pflich­tet ist, an Per­so­nal­gesprächen teil­zu­neh­men, die während der Zeit sei­ner ärzt­lich at­tes­tier­ten Ar­beits­unfähig­keit zu ei­ner von der Ar­beit­ge­be­rin be­stimm­ten Zeit an ei­nem von ihr be­stimm­ten Ort statt­fin­den sol­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, bei Ar­beits­unfähig­keit in­fol­ge Krank­heit sei le­dig­lich die Er­brin­gung der Haupt­leis­tung unmöglich, wo­hin­ge­gen die Ne­ben­pflich­ten grundsätz­lich fort­bestünden. Der Kläger sei da­her zur Teil­nah­me an den Per­so­nal­gesprächen ver­pflich­tet ge­we­sen, in de­nen sie mit ihm über ak­tu­el­le An­ge­bo­te zu sei­ner wei­te­ren Beschäfti­gung als MDA, ins­be­son­de­re über ei­ne aus­ge­schrie­be­ne Stel­le in ih­rem Kli­ni­kum H, ha­be spre­chen wol­len. Krank­heits­be­ding­te Hin­de­rungs­gründe ha­be er nicht nach­ge­wie­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat den bei­den ers­ten Anträgen, auf wel­che die Kla­ge in den Vor­in­stan­zen be­schränkt war, ent­spro­chen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt

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hat auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten den Kla­ge­an­trag zu 2. ab­ge­wie­sen und die Be­ru­fung im Übri­gen zurück­ge­wie­sen. Ge­gen die­ses Ur­teil wen­den sich bei­de Par­tei­en mit ih­ren vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­sio­nen, wo­bei der Kläger sei­ne Kla­ge nun­mehr hilfs­wei­se um den Kla­ge­an­trag zu 3. er­wei­tert hat.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­sio­nen sind un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das dem Kla­ge­an­trag zu 1. statt­ge­ben­de Ur­teil des Ar­beits­ge­richts im Er­geb­nis zu Recht zurück­ge­wie­sen (zu I.). Den Kla­ge­an­trag zu 2. hat es auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten zu Recht ab­ge­wie­sen (zu II.). Der erst­mals in der Re­vi­si­ons­in­stanz ge­stell­te Hilfs­an­trag des Klägers ist un­be­gründet (zu III.).

I. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist un­be­gründet. Der Kla­ge­an­trag zu 1. ist be­gründet. Die Be­klag­te ist ver­pflich­tet, die Ab­mah­nung vom 18. Fe­bru­ar 2014 aus der Per­so­nal­ak­te des Klägers zu ent­fer­nen. Dies hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt im Er­geb­nis zu Recht er­kannt.

1. Ar­beit­neh­mer können in ent­spre­chen­der An­wen­dung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Ent­fer­nung ei­ner zu Un­recht er­teil­ten Ab­mah­nung aus ih­rer Per­so­nal­ak­te ver­lan­gen. Der An­spruch be­steht, wenn die Ab­mah­nung in­halt­lich un­be­stimmt ist, un­rich­ti­ge Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen enthält, auf ei­ner un­zu­tref­fen­den recht­li­chen Be­wer­tung des Ver­hal­tens des Ar­beit­neh­mers be­ruht oder den Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit ver­letzt. Auch ei­ne zu Recht er­teil­te Ab­mah­nung ist aus der Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen, wenn kein schutzwürdi­ges In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers mehr an de­ren Ver­bleib in der Per­so­nal­ak­te be­steht (BAG 19. Ju­li 2012 - 2 AZR 782/11 - Rn. 13 mwN, BA­GE 142, 331).

2. Die Ab­mah­nung der Be­klag­ten ist zu Un­recht er­folgt. Sie be­ruht auf ei­ner un­zu­tref­fen­den recht­li­chen Be­wer­tung der Be­klag­ten. Der Kläger war nicht

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ver­pflich­tet, zu den von der Be­klag­ten während der Dau­er der Ar­beits­unfähig­keit an­ge­setz­ten Per­so­nal­gesprächen im Kli­ni­kum A zu er­schei­nen. Er muss­te da­her auch kein ge­son­der­tes ärzt­li­ches At­test über sei­ne krank­heits­be­ding­te Ver­hin­de­rung bei­brin­gen.

a) Dies folgt al­ler­dings ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht be­reits dar­aus, dass die Per­so­nal­gespräche ei­nem dem be­trieb­li­chen Ein­glie­de­rungs­ma­nage­ment nach § 84 Abs. 2 SGB IX ent­spre­chen­den Zweck hätten die­nen sol­len und des­halb nur mit Zu­stim­mung des Klägers hätten durch­geführt wer­den dürfen. Be­reits die vom Lan­des­ar­beits­ge­richt in die­sem Sin­ne vor­ge­nom­me­ne Aus­le­gung der bei­den Ein­la­dungs­schrei­ben hält ei­ner re­vi­si­ons­ge­richt­li­chen Über­prüfung nicht stand.

aa) Die Aus­le­gung der Ein­la­dungs­schrei­ben, bei de­nen es sich um aty­pi­sche Wil­lens­erklärun­gen der Be­klag­ten han­delt, kann in der Re­vi­si­ons­in­stanz nur dar­auf­hin über­prüft wer­den, ob das Be­ru­fungs­ge­richt Aus­le­gungs­re­geln ver­letzt, ge­gen Denk­ge­set­ze und Er­fah­rungssätze ver­s­toßen, we­sent­li­che Tat­sa­chen un­berück­sich­tigt ge­las­sen oder ei­ne ge­bo­te­ne Aus­le­gung un­ter­las­sen hat (vgl. BAG 23. Ju­ni 2016 - 8 AZR 757/14 - Rn. 14 mwN).

bb) Auch die­sem ein­ge­schränk­ten Prüfungs­maßstab hält die Aus­le­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht stand. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die maßgeb­li­chen tatsächli­chen Ge­sichts­punk­te nur un­vollständig berück­sich­tigt.

(1) In den Ein­la­dungs­schrei­ben ist von ei­nem be­trieb­li­chen Ein­glie­de­rungs­ma­nage­ment iSv. § 84 Abs. 2 SGB IX we­der aus­drück­lich noch sinn­gemäß die Re­de. An­halts­punk­te dafür, es sol­le um die Klärung der Möglich­kei­ten ge­hen, wie die Ar­beits­unfähig­keit möglichst über­wun­den wer­den und mit wel­chen Leis­tun­gen oder Hil­fen er­neu­ter Ar­beits­unfähig­keit vor­ge­beugt und der Ar­beits­platz er­hal­ten wer­den kann, sind nicht er­kenn­bar.

(2) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat bei sei­ner Aus­le­gung der Ein­la­dungs­schrei­ben des Wei­te­ren außer Acht ge­las­sen, dass der Ein­satz des Klägers als MDA im Kli­ni­kum A bis zum 31. De­zem­ber 2013 be­fris­tet war und des­halb un-

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abhängig von der Ar­beits­unfähig­keit Gesprächs­be­darf be­stand. Eben­so we­nig hat es den vom Kläger nicht be­strit­te­nen Vor­trag der Be­klag­ten gewürdigt, wo­nach sie mit dem Kläger ak­tu­el­le An­ge­bo­te mit dem In­halt ei­ner wei­te­ren Beschäfti­gung als MDA, ins­be­son­de­re auf ei­ner in ih­rem Kli­ni­kum H aus­ge­schrie­be­nen Stel­le, hat be­spre­chen wol­len. Auch in­so­weit war Ab­stim­mung mit dem Kläger oh­ne Rück­sicht auf sei­ne Er­kran­kung ver­an­lasst.

b) Der Se­nat kann die Ein­la­dungs­schrei­ben selbst aus­le­gen, weil das Lan­des­ar­beits­ge­richt die da­zu er­for­der­li­chen Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen hat und wei­te­rer Tat­sa­chen­vor­trag der Par­tei­en nicht zu er­war­ten steht (vgl. BAG 24. Sep­tem­ber 2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 30, BA­GE 149, 144). Die Aus­le­gung er­gibt, dass die bei­den Ein­la­dungs­schrei­ben der Be­klag­ten vom 18. De­zem­ber 2013 und vom 24. Ja­nu­ar 2014 ei­ne Wei­sung an den Kläger ent­hiel­ten, sich zu ei­nem Gespräch im Kli­ni­kum A ein­zu­fin­den, in dem die Be­klag­te mit dem Kläger des­sen wei­te­re ver­trags­gemäße Beschäfti­gung als MDA nach Aus­lau­fen der Be­fris­tung erörtern woll­te.

aa) Für die­se Aus­le­gung spricht be­reits die An­ga­be „Beschäfti­gung als MDA“ im Be­treff bei­der Schrei­ben. Auch nach de­ren Ein­lei­tungs­satz soll­ten die Gespräche „zur Klärung der wei­te­ren Beschäfti­gungsmöglich­keit“ die­nen. Dar­aus kann nur ge­schlos­sen wer­den, dass die Möglich­keit ei­nes wei­te­ren Ein­sat­zes des Klägers in sei­ner bis­he­ri­gen Tätig­keit als MDA über den 31. De­zem­ber 2013 hin­aus be­spro­chen wer­den soll­te.

bb) Die­ses Verständ­nis wird bestätigt durch den un­mit­tel­ba­ren zeit­li­chen Zu­sam­men­hang zwi­schen dem ers­ten Ein­la­dungs­schrei­ben vom 18. De­zem­ber 2013 und dem Aus­lau­fen des be­fris­te­ten Ein­sat­zes des Klägers als MDA zum 31. De­zem­ber 2013. Wie aus­geführt, lag in­fol­ge des Frist­ab­laufs der im Schrei­ben an­ge­spro­che­ne Gesprächs­be­darf auf der Hand. Das gilt für das zwei­te Ein­la­dungs­schrei­ben um­so mehr, als die Ar­beits­unfähig­keit über den 31. De­zem­ber 2013 hin­weg an­dau­er­te.

cc) Das In­ter­es­se der Be­klag­ten, in ei­nem Per­so­nal­gespräch die wei­te­re Beschäfti­gung des Klägers als MDA zu klären, muss­te sich bei die­ser La­ge

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auch dem Kläger nach­ge­ra­de auf­drängen. Ihm wa­ren so­wohl der Frist­ab­lauf als auch die über den 31. De­zem­ber 2013 hin­aus be­ste­hen­de Ar­beits­unfähig­keit be­kannt (zur Berück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen­la­ge bzw. der [ein­sei­ti­gen] Vor­stel­lun­gen ei­ner Par­tei im Rah­men der Aus­le­gung vgl. BAG 23. Ju­ni 2016 - 8 AZR 757/14 - Rn. 22).

dd) Vor die­sem Hin­ter­grund konn­te der Kläger die bei­den mit dem Be­treff „Beschäfti­gung als MDA“ ver­se­he­nen Ein­la­dungs­schrei­ben nicht da­hin ge­hend ver­ste­hen, dass in den Per­so­nal­gesprächen sei­ne ge­sund­heit­li­che Eig­nung für ei­ne wei­te­re Beschäfti­gung als MDA be­spro­chen wer­den soll­te. Er hat sich auch im Pro­zess nicht dem­ent­spre­chend ein­ge­las­sen. Viel­mehr hat er dem Vor­trag der Be­klag­ten, wo­nach es in den Gesprächen um sei­ne wei­te­re Beschäfti­gung als MDA - und nicht et­wa um die in § 84 Abs. 2 SGB IX nie­der­ge­leg­ten Zie­le - ge­hen soll­te, nicht wi­der­spro­chen.

c) Der Kläger war nicht ver­pflich­tet, der in bei­den Schrei­ben aus­ge­spro­che­nen Ein­la­dung der Be­klag­ten zu fol­gen und zu den Per­so­nal­gesprächen im Kli­ni­kum A zu er­schei­nen. Die dies­bezügli­chen Wei­sun­gen der Be­klag­ten wa­ren nicht von dem ihr gemäß § 106 Ge­wO zu­ste­hen­den Di­rek­ti­ons­recht ge­deckt. Die Be­klag­te hat nicht dar­ge­legt, dass das Er­schei­nen des krank­heits­be­dingt ar­beits­unfähi­gen Klägers im Kli­ni­kum A am 6. Ja­nu­ar 2014 und am 11. Fe­bru­ar 2014 un­umgäng­lich war, um den Aus­tausch der Haupt­leis­tun­gen sinn­voll zu ermögli­chen.

aa) Nach § 106 Satz 1 Ge­wO kann der Ar­beit­ge­ber ge­genüber den Ar­beit­neh­mern In­halt, Ort und Zeit der Ar­beits­leis­tung nach bil­li­gem Er­mes­sen näher be­stim­men, so­weit die­se Ar­beits­be­din­gun­gen nicht durch den Ar­beits­ver­trag, Be­stim­mun­gen ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung, ei­nes an­wend­ba­ren Ta­rif­ver­trags oder ge­setz­li­che Vor­schrif­ten fest­ge­legt sind.

(1) Das Wei­sungs­recht be­trifft da­nach zum ei­nen die Kon­kre­ti­sie­rung der Haupt­leis­tungs­pflicht. Es ermöglicht dem Ar­beit­ge­ber, dem Ar­beit­neh­mer be­stimm­te Auf­ga­ben zu­zu­wei­sen und den Ort und die Zeit ih­rer Er­le­di­gung ver­bind­lich fest­zu­le­gen. Das be­inhal­tet die Be­rech­ti­gung, den Ar­beit­neh­mer zur

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Teil­nah­me an Gesprächen zu ver­pflich­ten, in de­nen der Ar­beit­ge­ber Wei­sun­gen in ei­nem der oben ge­nann­ten Be­rei­che vor­be­rei­ten, er­tei­len oder ih­re Nich­terfüllung be­an­stan­den will (BAG 23. Ju­ni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 17).

(2) Eben­falls vom Wei­sungs­recht des Ar­beit­ge­bers um­fasst, weil zur „Leis­tung der ver­spro­che­nen Diens­te“ iSd. § 611 Abs. 1 BGB zählend, ist je­de vom Ar­beit­ge­ber im Sy­nal­lag­ma ver­lang­te sons­ti­ge Tätig­keit oder Maßnah­me, die mit der ei­gent­li­chen Tätig­keit oder der Art und Wei­se von de­ren Er­brin­gung un­mit­tel­bar zu­sam­menhängt (BAG 12. De­zem­ber 2012 - 5 AZR 355/12 - Rn. 17). Als der­ar­ti­ge Tätig­keit kann zum Bei­spiel das vor­he­ri­ge An­le­gen ei­ner ar­beit­ge­ber­sei­tig vor­ge­schrie­be­nen Dienst­klei­dung oder das Un­ter­las­sen des Tra­gens be­stimm­ter pri­va­ter Klei­dungsstücke an­zu­se­hen sein (vgl. da­zu BAG 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 27 mwN).

(3) Darüber hin­aus be­wirkt die be­son­de­re persönli­che Bin­dung der Ver­trags­part­ner im Ar­beits­verhält­nis (BAG 7. Sep­tem­ber 1995 - 8 AZR 828/93 - zu II 2 a der Gründe, BA­GE 81, 15) für bei­de Par­tei­en des ar­beits­ver­trag­li­chen Schuld­verhält­nis­ses nach § 241 Abs. 1 BGB ei­ne nicht ab­sch­ließend aufzähl­ba­re, je nach den Umständen näher zu be­stim­men­de Viel­zahl von Pflich­ten, de­ren Erfüllung un­umgäng­lich ist, um den Aus­tausch der Haupt­leis­tun­gen sinn­voll zu ermögli­chen (vgl. BAG 23. Ju­ni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 17). Sie zie­len auf die Ver­wirk­li­chung des Leis­tungs­er­folgs, in­dem sie der Er­hal­tung der Leis­tungsmöglich­keit, der Vor­be­rei­tung, Un­terstützung, Förde­rung und ord­nungs­gemäßen Durchführung so­wie der Si­che­rung der Haupt­leis­tung die­nen (da­zu all­ge­mein BGH 13. No­vem­ber 2012 - XI ZR 145/12 - Rn. 28; Jau­er­nig/Man­sel BGB 16. Aufl. § 241 Rn. 9; Bam­ber­ger/Roth/Sut­schet BGB 3. Aufl. § 241 Rn. 14; Stau­din­ger/Ol­zen [2015] § 241 BGB Rn. 147 ff.; ErfK/Preis 16. Aufl. § 611 BGB Rn. 707 ff.). In Be­zug auf die­se sog. leis­tungs­si­chern­den Ne­benoder Ver­hal­tens­pflich­ten be­steht eben­falls ein Wei­sungs­recht des Ar­beit­ge­bers nach § 106 Ge­wO (zur Ter­mi­no­lo­gie vgl. Stau­din­ger/Ol­zen aaO Rn. 147). Rechts­grund für die leis­tungs­si­chern­den Ne­ben- oder Ver­hal­tens­pflich­ten ist der ver­trag­li­che Wil­le der Par­tei­en zum Leis­tungs­aus­tausch (MüKoBGB/ Bach­mann 7. Aufl. § 241 Rn. 53, 58). Des­halb schützen sie nicht „nur“ das In-

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te­gritätsin­ter­es­se des Gläubi­gers (vgl. Stau­din­ger/Ol­zen aaO Rn. 151; iE eben­so Jau­er­nig/Man­sel aaO; Bam­ber­ger/Roth/Sut­schet aaO Rn. 15; zwi­schen un­selbstständi­gen Ne­ben­leis­tungs­pflich­ten [§ 241 Abs. 1 BGB] und da­von als Teil­men­ge ab­zu­gren­zen­den all­ge­mei­nen, leis­tungs­un­abhängi­gen Rück­sicht­nah­me­pflich­ten [§ 241 Abs. 2 BGB] dif­fe­ren­zie­rend MüArbR/Reichold 3. Aufl. § 47 Rn. 3; die Zu­ord­nung zu § 241 Abs. 2 BGB befürwor­tend MüKoBGB/ Bach­mann aaO Rn. 57).

(4) Sch­ließlich kann ein Wei­sungs­recht des Ar­beit­ge­bers gemäß § 106 Satz 1 Ge­wO auch in Be­zug auf Un­ter­las­sungs­pflich­ten des Ar­beit­neh­mers, wie et­wa Ge­heim­hal­tungs­pflich­ten oder die Pflicht zur Ein­hal­tung des ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bots, so­wie hin­sicht­lich der aus § 241 Abs. 2 BGB fol­gen­den Schutz- und Rück­sicht­nah­me­pflich­ten be­ste­hen.

bb) Während der Dau­er ei­ner krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit hat der Ar­beit­ge­ber kein Wei­sungs­recht gemäß § 106 Ge­wO, so­weit es Pflich­ten be­trifft, von de­ren Erfüllung der Ar­beit­neh­mer krank­heits­be­dingt be­freit ist. Da­zu zählen die Ar­beits­pflicht als Haupt­leis­tungs­pflicht (zu die­sem Be­griff vgl. BGH 13. No­vem­ber 2012 - XI ZR 145/12 - Rn. 28) so­wie die un­mit­tel­bar da­mit zu­sam­menhängen­den Ne­ben­leis­tungs­pflich­ten, die der Ar­beits­pflicht na­he­kom­men oder so­gar Be­stand­teil der ar­beits­ver­trag­li­chen Haupt­leis­tungs­pflicht sind und aus­sch­ließlich den In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers die­nen (vgl. da­zu BAG 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 18). Sol­che Ne­ben­leis­tungs­pflich­ten ent­fal­len für den ar­beits­unfähi­gen Ar­beit­neh­mer, falls ih­re Erfüllung nicht oh­ne­hin krank­heits­be­dingt unmöglich ist (§ 275 Abs. 1 BGB), je­den­falls nach § 275 Abs. 3 BGB, weil das Leis­tungs­in­ter­es­se des Gläubi­gers in­so­weit zurück­zu­tre­ten hat.

cc) Das Wei­sungs­recht des Ar­beit­ge­bers in Be­zug auf die leis­tungs­si­chern­den Ne­ben- oder Ver­hal­tens­pflich­ten aus § 241 Abs. 1 BGB und die gemäß § 241 Abs. 2 BGB be­ste­hen­den Rück­sicht­nah­me­pflich­ten so­wie auf Un­ter­las­sungs­pflich­ten des Ar­beit­neh­mers bleibt da­ge­gen von der krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit grundsätz­lich un­berührt. Die ärzt­lich at­tes­tier­te „Ar­beits­unfähig­keit“ be­zieht sich nur auf die ar­beits­ver­trag­lich ge­schul­de­te Haupt­leis-

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tung und die un­mit­tel­bar mit der Ar­beits­leis­tung zu­sam­menhängen­den Ne­ben­leis­tungs­pflich­ten.

(1) Für den Be­griff der „Ar­beits­unfähig­keit“ ist ei­ne vom Arzt nach ob­jek­ti­ven Maßstäben vor­zu­neh­men­de Be­wer­tung des Ge­sund­heits­zu­stands maßge­bend (vgl. die Richt­li­nie des Ge­mein­sa­men Bun­desau­schus­ses über die Be­ur­tei­lung der Ar­beits­unfähig­keit und die Maßnah­men zur stu­fen­wei­sen Wie­der­ein­glie­de­rung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V vom 14. No­vem­ber 2013, zu­letzt geändert durch Be­schluss vom 17. De­zem­ber 2015, BAnz. AT 16. März 2016 B2). Die Ar­beitsfähig­keit be­ur­teilt sich nach der vom Ar­beit­neh­mer ar­beits­ver­trag­lich ge­schul­de­ten Leis­tung, wie sie der Ar­beit­ge­ber oh­ne die Ar­beits­unfähig­keit als ver­trags­gemäß an­neh­men muss. Ar­beits­unfähig­keit liegt vor, wenn der Ar­beit­neh­mer sei­ne ver­trag­lich ge­schul­de­te Tätig­keit nicht mehr ausüben kann oder nicht mehr ausüben soll­te, weil die Hei­lung der Krank­heit nach ärzt­li­cher Pro­gno­se ver­hin­dert oder verzögert würde (BAG 23. Ja­nu­ar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 19).

(2) Die Ar­beits­unfähig­keit wird nicht da­durch aus­ge­schlos­sen, dass der er­krank­te Ar­beit­neh­mer sei­ne ge­schul­de­ten Ver­trags­pflich­ten an­statt voll nur teil­wei­se zu er­brin­gen ver­mag (BAG 29. Ja­nu­ar 1992 - 5 AZR 37/91 - zu II 1 der Gründe, BA­GE 69, 272). Ei­ne Teil­ar­beits­unfähig­keit mit teil­wei­ser Ar­beits­pflicht und teil­wei­sem Ent­gelt­fort­zah­lungs­an­spruch gibt es nicht; je­den­falls braucht sich we­der der Ar­beit­ge­ber noch der Ar­beit­neh­mer auf ei­ne Teil­leis­tung ein­zu­las­sen. Da­von zu un­ter­schei­den sind die Fälle, in de­nen der Ar­beit­neh­mer ei­ne vol­le Ar­beits­leis­tung er­brin­gen kann und le­dig­lich ge­hin­dert ist, der ge­sam­ten Band­brei­te der ar­beits­ver­trag­lich an sich mögli­chen Leis­tungs­be­stim­mun­gen ge­recht zu wer­den. Hier liegt kei­ne (Teil-)Ar­beits­unfähig­keit vor (vgl. BAG 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - Rn. 24, BA­GE 148, 16).

dd) Das grundsätz­lich nicht durch die Ar­beits­unfähig­keit berühr­te Wei­sungs­recht des Ar­beit­ge­bers in Be­zug auf die leis­tungs­si­chern­den Ne­ben- oder Ver­hal­tens­pflich­ten aus § 241 Abs. 1 BGB, auf die gemäß § 241 Abs. 2 BGB be­ste­hen­den Rück­sicht­nah­me­pflich­ten so­wie auf Ge­heim­hal­tungs- und Un­ter­las­sungs­pflich­ten des Ar­beit­neh­mers ist durch die auch den Ar­beit­ge­ber tref-

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fen­de Rück­sicht­nah­me­pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB auf die Rech­te und Rechtsgüter des Ar­beit­neh­mers be­grenzt. Die­se be­zieht sich auf al­le schutzwürdi­gen In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers (BAG 21. Mai 2015 - 6 AZR 254/14 - Rn. 45) und schließt ins­be­son­de­re die Ver­pflich­tung ein, Erfüllungs­hin­der­nis­se zu be­sei­ti­gen und dem an­de­ren Teil den an­ge­streb­ten Leis­tungs­er­folg zu­kom­men zu las­sen (BAG 13. Au­gust 2009 - 6 AZR 330/08 - Rn. 31, BA­GE 131, 325). We­gen der la­ten­ten Ge­fahr ei­ner Be­ein­träch­ti­gung des Ge­ne­sungs­pro­zes­ses und ei­ner da­durch be­ding­ten Verlänge­rung des krank­heits­be­ding­ten Aus­falls der Ar­beits­leis­tung ge­bie­tet es die Rück­sicht­nah­me­pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB dem Ar­beit­ge­ber da­her, die Er­tei­lung von Wei­sun­gen auf drin­gen­de be­trieb­li­che Anlässe zu be­schränken und sich bezüglich der Art und Wei­se, der Häufig­keit und der Dau­er der In­an­spruch­nah­me am wohl­ver­stan­de­nen In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers zu ori­en­tie­ren. Ist kein der­ar­ti­ger An­lass ge­ge­ben, hat der Ar­beit­ge­ber jeg­li­che Wei­sung während der Dau­er der Ar­beits­unfähig­keit zu un­ter­las­sen.

(1) Nach die­ser Maßga­be darf der Ar­beit­ge­ber den er­krank­ten Ar­beit­neh­mer et­wa an­wei­sen, mit ihm ein kur­zes Per­so­nal­gespräch zu führen, wenn der Ar­beit­neh­mer über In­for­ma­tio­nen zu wich­ti­gen be­trieb­li­chen Abläufen oder Vorgängen verfügt, oh­ne de­ren Wei­ter­ga­be dem Ar­beit­ge­ber die Fortführung der Geschäfte er­heb­lich er­schwert oder gar unmöglich würde (vgl. BAG 30. Ja­nu­ar 1976 - 2 AZR 518/74 - zu 4 der Gründe). Ein drin­gen­der be­trieb­li­cher An­lass für ei­ne sol­che Wei­sung kann auch ge­ge­ben sein, wenn der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer über ak­tu­ell be­vor­ste­hen­de Ände­run­gen des Ar­beits­ab­laufs, die er­heb­li­che Aus­wir­kun­gen auf den Ar­beits­platz des Ar­beit­neh­mers ha­ben, in­for­mie­ren und sei­ne Mei­nung da­zu ein­ho­len möch­te, oder wenn er mit ihm über sei­ne Be­reit­schaft spre­chen will, ei­ne neue Ar­beits­auf­ga­be zu über­neh­men, be­vor die Stel­le an­der­wei­tig be­setzt wird. Vor­aus­set­zung für sol­che Gespräche ist al­ler­dings stets, dass sie nicht auf ei­nen Zeit­punkt nach Be­en­di­gung der Ar­beits­unfähig­keit auf­schieb­bar und dem Ar­beit­neh­mer zu­mut­bar sind.

(2) Auch wenn die­se An­for­de­run­gen erfüllt sind, ist der Ar­beit­ge­ber nur aus­nahms­wei­se be­rech­tigt, den er­krank­ten Ar­beit­neh­mer an­zu­wei­sen, im Be-

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trieb zu er­schei­nen. Vor­aus­set­zung dafür ist, dass die persönli­che An­we­sen­heit des Ar­beit­neh­mers im Be­trieb drin­gend er­for­der­lich ist. Dies kann zum ei­nen auf tech­ni­schen Gründen be­ru­hen. Das persönli­che Er­schei­nen des ar­beits­unfähi­gen Ar­beit­neh­mers im Be­trieb kann zum an­de­ren aber auch dann aus­nahms­wei­se un­umgäng­lich sein, wenn der Ar­beit­ge­ber mit der Pla­nung des zukünf­ti­gen Ein­sat­zes, die gra­vie­ren­de Aus­wir­kun­gen auch auf an­de­re Ar­beit­neh­mer hat, aus be­trieb­li­chen Gründen nicht bis nach der Ge­ne­sung zu­war­ten kann und vor der Um­set­zung sei­nes Plans mit al­len Be­trof­fe­nen ein ge­mein­sa­mes Gespräch führen möch­te, um an­de­ren­falls dro­hen­den er­heb­li­chen Störun­gen des Be­triebs­frie­dens oder des Ar­beits­ab­laufs vor­zu­beu­gen.

(3) Die Dar­le­gungs- und Be­weis­last dafür, dass die Wei­sung im Rah­men der ge­setz­li­chen, ar­beits­ver­trag­li­chen und kol­lek­tiv-recht­li­chen Gren­zen er­folgt ist, trägt der Ar­beit­ge­ber (vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 81).

ee) Nach den vor­ste­hen­den Maßga­ben war die Be­klag­te nicht be­rech­tigt, den er­krank­ten Kläger an­zu­wei­sen, am 6. Ja­nu­ar 2014 und am 11. Fe­bru­ar 2014 zu ei­nem Per­so­nal­gespräch im Kli­ni­kum A zu er­schei­nen. Zwar be­traf die Wei­sung we­der die Haupt­leis­tungs­pflicht noch die­ser na­he­kom­men­de Pflich­ten, von de­ren Erfüllung der Kläger oh­ne­hin krank­heits­be­dingt be­freit war. Viel­mehr be­traf sie ei­ne der Vor­be­rei­tung der Ver­wirk­li­chung des künf­ti­gen Leis­tungs­er­folgs die­nen­de Ne­ben­pflicht des Klägers gemäß § 241 Abs. 1 BGB, da in den Per­so­nal­gesprächen die wei­te­re ver­trags­gemäße Beschäfti­gung nach dem Ab­lauf sei­nes be­fris­te­ten Ein­sat­zes als MDA am 31. De­zem­ber 2013 erörtert wer­den soll­te. Die Be­klag­te hat je­doch nicht dar­ge­legt, dass ein drin­gen­der be­trieb­li­cher An­lass für die Er­tei­lung der Wei­sung ge­ge­ben und war­um die An­we­sen­heit des ar­beits­unfähig er­krank­ten Klägers im Kli­ni­kum A un­ab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung für die Erörte­rung war.

(1) Auf der Grund­la­ge des vom Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stell­ten Sach­ver­halts ist be­reits frag­lich, ob ein drin­gen­der be­trieb­li­cher An­lass vor­lag, auf­grund des­sen die Be­klag­te be­rech­tigt war, mit dem Kläger trotz der be­ste­hen­den Ar­beits­unfähig­keit ein Per­so­nal­gespräch zu führen. Es ist von der Be­klag­ten we­der vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich, war­um die Fra­ge des künf­ti­gen

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Ein­sat­zes des Klägers nicht erst nach der Wie­der­her­stel­lung sei­ner Ar­beitsfähig­keit erörtert wer­den konn­te. Der bloße Hin­weis auf ei­ne freie Stel­le im Kli­ni­kum H reicht hierfür nicht aus.

(2) Die Be­klag­te hat darüber hin­aus nicht dar­ge­legt, aus wel­chen Gründen sie aus­nahms­wei­se be­rech­tigt war, den Kläger zur Teil­nah­me an den bei­den Per­so­nal­gesprächen im Kli­ni­kum A an­zu­wei­sen. Aus ih­rem Vor­trag er­gibt sich nicht, war­um die persönli­che An­we­sen­heit des ar­beits­unfähig er­krank­ten Klägers im Kli­ni­kum A un­ab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung für die „Klärung der wei­te­ren Beschäfti­gungsmöglich­keit“ ge­we­sen sein könn­te, die Ge­gen­stand der Per­so­nal­gespräche sein soll­te. Wenn die Be­klag­te den ar­beits­unfähig er­krank­ten Kläger über ak­tu­el­le An­ge­bo­te mit dem In­halt ei­ner wei­te­ren Beschäfti­gung als MDA, ins­be­son­de­re auf ei­ner von ihr aus­ge­schrie­be­nen Stel­le im Kli­ni­kum H, in­for­mie­ren oder ihn fra­gen woll­te, ob ihm die­se Stel­le ge­nehm sei, hätte sie ihn oh­ne Wei­te­res schrift­lich oder per E-Mail über das Stel­len­an­ge­bot und ih­re dies­bezügli­chen Vor­stel­lun­gen un­ter­rich­ten und ihn bit­ten können, bei In­ter­es­se Kon­takt mit ihr auf­zu­neh­men.

(3) Da die Be­klag­te be­reits nicht auf­ge­zeigt hat, dass sie be­rech­tigt war, den Kläger zu den Per­so­nal­gesprächen ins Kli­ni­kum A ein­zu­be­stel­len, ent­behrt auch ihr in der Ab­mah­nung er­ho­be­ner wei­te­rer Vor­wurf, der Kläger ha­be kei­nen ärzt­li­chen Nach­weis darüber er­bracht, an ei­nem Per­so­nal­gespräch nicht teil­neh­men zu können, ei­ner recht­li­chen Grund­la­ge. Auf die Fra­ge, ob der Kläger tatsächlich aus ge­sund­heit­li­chen Gründen nicht in der La­ge war, an den bei­den Per­so­nal­gesprächen teil­zu­neh­men, kommt es da­nach nicht an.

II. Die Re­vi­si­on des Klägers ist un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat den Kla­ge­an­trag zu 2. zu Recht ab­ge­wie­sen.

1. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat den Kla­ge­an­trag zu 2. zu­tref­fend als Glo­balan­trag ver­stan­den, der sich auf das Führen al­ler Gespräche zwi­schen den Par­tei­en be­zieht, die auf Initia­ti­ve der Be­klag­ten statt­fin­den sol­len und ei­nen Be­zug zum Ar­beits­verhält­nis ha­ben, und zwar un­abhängig da­von, ob sie te­le­fo­nisch oder an ei­nem vom Ar­beit­ge­ber oder vom Ar­beit­neh­mer be­stimm­ten Ort

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statt­fin­den. Un­ter Berück­sich­ti­gung der Kla­ge­be­gründung, in der der Kläger der Be­klag­ten im Fal­le sei­ner krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit un­ter an­de­rem un­ter Be­ru­fung auf sein Recht zur frei­en Be­stim­mung sei­nes Auf­ent­halts jeg­li­ches Recht zur Kon­takt­auf­nah­me mit ihm ab­spricht, kann der Kla­ge­an­trag zu 2. nur den vom Lan­des­ar­beits­ge­richt an­ge­nom­me­nen - wei­ten - In­halt ha­ben.

2. Mit die­sem In­halt ist der An­trag auf die Fest­stel­lung ei­nes Rechts­verhält­nis­ses ge­rich­tet und auch hin­rei­chend be­stimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er ist je­doch un­be­gründet. Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf die be­gehr­te Fest­stel­lung. Wie vor­ste­hend un­ter I 2 c dd dar­ge­legt, sind Fall­ge­stal­tun­gen denk­bar, in de­nen der Kläger ver­pflich­tet ist, an Per­so­nal­gesprächen teil­zu­neh­men, die während der Zeit ei­ner ärzt­lich at­tes­tier­ten Ar­beits­unfähig­keit statt­fin­den.

III. Der erst­mals in der Re­vi­si­ons­in­stanz vom Kläger an­ge­brach­te Hilfs­an­trag zum Kla­ge­an­trag zu 2. ist zulässig, aber eben­falls un­be­gründet.

Zwar ist nach § 559 Abs. 1 ZPO ei­ne Kla­geände­rung in der Re­vi­si­ons­in­stanz grundsätz­lich aus­ge­schlos­sen. Von die­sem Grund­satz hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt al­ler­dings ins­be­son­de­re aus pro­zessöko­no­mi­schen Gründen Aus­nah­men zu­ge­las­sen, wenn - wie hier - der geänder­te Sach­an­trag auf ei­nen in der Be­ru­fungs­in­stanz fest­ge­stell­ten oder von den Par­tei­en übe­rein­stim­mend vor­ge­tra­ge­nen Sach­ver­halt gestützt wird, sich das recht­li­che Prüfpro­gramm nicht we­sent­lich ändert und die Ver­fah­rens­rech­te der an­de­ren Par­tei durch ei­ne Sach­ent­schei­dung nicht verkürzt wer­den (vgl. BAG 23. Ju­ni 2016 - 8 AZR 643/14 - Rn. 39 mwN). Der Hilfs­an­trag hat je­doch in der Sa­che eben­so we­nig Er­folg wie der Kla­ge­an­trag zu 2. Auch er be­inhal­tet Fall­ge­stal­tun­gen, in de­nen die im An­trag Be­zeich­ne­te An­ord­nung der Be­klag­ten aus den vor­ste­hend un­ter I 2 c dd (2) dar­ge­leg­ten Gründen aus­nahms­wei­se be­rech­tigt ist.

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IV. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

Linck
Schlünder
Bru­ne
Züfle
Großmann

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