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Anwendung ausländischer Gesetze in Deutschland
25.02.2015. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist es europarechtlich klärungsbedürftig, ob sich der griechische Staat als Arbeitgeber eines Arbeitsverhältnisses, das in Deutschland zu erfüllend ist und deutschem Recht unterliegt, auf seine Spargesetze berufen und daher einseitig Gehaltskürzungen vornehmen kann.
Im Streitfall ging es um einen griechischen Lehrer, der als Angestellter der Republik Griechenland an der Griechischen Grundschule in Nürnberg arbeitete und auf Zahlung zurückbehaltener Lohnbestandteile geklagt hatte.
Diesen Fall nahm das BAG zum Anlass, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einige Fragen zur Anwendbarkeit von sogenannten Eingriffsnormen vorzulegen: BAG, Beschluss vom 25.02.2015, 5 AZR 962/13 (A).
- Wann müssen deutsche Gerichte ausländische "Eingriffsnormen" anwenden?
- Der Streitfall: In Deutschland arbeitender Lehrer einer griechischen Schule soll infolge griechischer Spargesetze Gehaltskürzungen hinnehmen
- BAG: Es ist klärungsbedürftig, ob Eingriffsnormen ausländischer Staaten auf Arbeitsverhältnisse in Deutschland angewendet werden können
Wann müssen deutsche Gerichte ausländische "Eingriffsnormen" anwenden?
Wer in Deutschland als Arbeitnehmer für einen anderen Staat arbeitet, d.h. bei diesem angestellt ist, kann einen solchen Arbeitgeber vor deutschen Arbeitsgerichten verklagen, wenn er Aufgaben verrichtet, die nicht zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse gehören.
Das hat der EuGH in einem aus Deutschland stammenden Vorlagefall entschieden, in dem ein in Berlin arbeitender Angestellter der algerischen Botschaft, Herr Mahamdia, vor dem Arbeitsgericht Berlin Kündigungsschutzklage gegen seinen Arbeitgeber, die Demokratische Volksrepublik Algerien, erhoben hatte (EuGH, Urteil vom 19.07.2012, C-154/11 - Mahamdia, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 12/266 Botschaftsangestellte ausländischer Staaten können vor deutschen Arbeitsgerichten klagen).
Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit deutscher (Arbeits-)Gerichte ist in solchen Fällen die Verordnung (EG) Nr.44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVO).
Mit dieser "internationalen Zuständigkeit" deutscher (Arbeits-)Gerichte ist aber die Frage noch nicht beantwortet, welches Recht auf den Streitfall anzuwenden ist, d.h. deutsches oder ausländisches (Arbeits-)Recht. Im Bereich des Vertragsrechts ("Schuldrecht") gilt hier das Prinzip der freien Rechtswahl, d.h. die Arbeitsvertragsparteien können ihr Arbeitsverhältnis im Allgemeinen beliebigen Rechtsordnungen unterstellen, d.h. deren Geltung vereinbaren. Das ergibt sich aus Art.3 der seit 2009 geltenden Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I-VO).
Ist deutsches Arbeitsrecht auf das Arbeitsverhältnis zwischen einem ausländischen Staat und einem in Deutschland tätigen Arbeitnehmer anzuwenden, fragt sich schließlich, ob nicht trotzdem einzelne besonders wichtige Gesetzesvorschriften des ausländischen Staates, der in Deutschland als Arbeitgebers auftritt, zu beachten sind. Solche Vorschriften nennt man Eingriffsnormen. Hierzu bestimmt Art.9 Abs.1 und Abs.3 der Rom I-VO folgendes:
"(1) Eine Eingriffsnorm ist eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen.
(3) Den Eingriffsnormen des Staates, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, kann Wirkung verliehen werden, soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrags unrechtmäßig werden lassen. Bei der Entscheidung, ob diesen Eingriffsnormen Wirkung zu verleihen ist, werden Art und Zweck dieser Normen sowie die Folgen berücksichtigt, die sich aus ihrer Anwendung oder Nichtanwendung ergeben würden."
Wie sich aus Abs.3 Satz 1 dieser Vorschrift ergibt, betrifft der typische Fall der Anwendung einer Eingriffsnorm auf ein in Deutschland vollzogenes Arbeitsverhältnis deutsche Eingriffsnormen, d.h. besonders wichtige deutsche Gesetzesvorschriften, die die Anwendbarkeit ausländischen Rechts im Einzelfall durchbrechen.
Umstritten ist, ob umgekehrt auch ausländische Eingriffsnormen auf ein in Deutschland vollzogenes und dem deutschen Recht unterfallendes Arbeitsverhältnis anzuwenden sind, so dass deutsche Gerichte besonders wichtige ausländische Gesetzesvorschriften ("Eingriffsnormen") anzuwenden haben.
Mit dieser Frage befasst sich der Vorlagebeschluss des BAG vom 25.02.2015, 5 AZR 962/13 (A).
Der Streitfall: In Deutschland arbeitender Lehrer einer griechischen Schule soll infolge griechischer Spargesetze Gehaltskürzungen hinnehmen
Geklagt hatte ein griechischer Staatsangehöriger, der seit September 1996 als Lehrer an der Griechischen Volksschule in Nürnberg beschäftigt wurde, und zwar von der Republik Griechenland als Arbeitgeber. Der Arbeitsvertrag richtete sich aufgrund einer entsprechenden Vertragsklausel ursprünglich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und später gemäß einer Vertragsergänzung vom April 2008 nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L).
Gegenstand der vor dem Arbeitsgericht Nürnberg erhobenen Lohnklage waren Vergütungsrückstände für die Zeit von Oktober 2010 bis Dezember 2012, insgesamt 20.262,32 EUR, sowie Lohnabrechnungen. Die streitigen Gehaltsanteile hatte die beklagte Republik Griechenland unter Berufung auf die griechischen Spargesetze 3833/2010 und 3845/2010 abgezogen bzw. einbehalten, weil sie meinte, diese Gesetze auf den Kläger bzw. dessen Arbeitsverhältnis anwenden zu können.
Das Arbeitsgericht Nürnberg wies die Klage als unzulässig ab, weil es die Zuständigkeit deutscher Gerichte verneinte (Urteil vom 30.03.2012, 10 Ca 59/11). Das Landesarbeitsgericht gab der Klage dagegen statt (Urteil vom 25.09.2013, 2 Sa 253/12).
Denn nach seiner Ansicht verrichtete der Kläger als Lehrer keine hoheitlichen Aufgaben, so dass die deutschen Gerichte zuständig waren, und außerdem waren die griechischen Spargesetze aus verschiedenen Gründen nicht anwendbar, so das LAG. Erstens nämlich war der Arbeitsvertrag bereits vor 2009 (dem Inkrafttreten der Rom-I-VO) abgeschlossen worden, und zweitens wären die griechischen Spargesetze als Eingriffsnormen nur anwendbar, wenn das Arbeitsverhältnis in Griechenland vollzogen worden wäre (statt wie hier in Deutschland).
BAG: Es ist klärungsbedürftig, ob Eingriffsnormen ausländischer Staaten auf Arbeitsverhältnisse in Deutschland angewendet werden können
Das BAG bzw. dessen Fünfter Senat setzte das Verfahren per Beschluss aus und legte dem EuGH einige Fragen zu Art.9 Abs.1 und Abs.3 der Rom I-VO vor. Zur Begründung heißt es dazu in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
Streitentscheidend ist im vorliegenden Fall, so das BAG, ob die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 als Eingriffsnormen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden, das in Deutschland zu erfüllen ist und deutschem Recht unterliegt.
Ausgangsfrage des BAG ist dabei, ob das im Jahr 1996 begründete und jedenfalls bis Ende 2012 fortbestehende Arbeitsverhältnis der Parteien dem Geltungsbereich der 2009 in Kraft getretenen Rom I-VO unterfällt oder aber den bis dahin geltenden alten Gesetzesvorschriften des deutschen "Internationalen Privatrechts" (IPR), d.h. den Art.27 ff. EGBGB (alte Fassung). Denn einerseits ist die Rom I-VO gemäß Art.28 Rom I-VO nur auf Verträge anzuwenden, die ab dem 17.12.2009 geschlossen wurden, doch werden Arbeitsverträge andererseits im Laufe ihrer Durchführung immer wieder einmal von den Vertragsparteien geändert und damit bestätigt, so dass auch dies als "Vertragsschluss" angesehen werden könnte.
Sollte Art.9 Rom I-VO Anwendung finden, fragt sich weiterhin, wie die Ausnahmebestimmung des Art.9 Abs.3 Rom I-VO zu verstehen ist. Schließlich möchte das BAG wissen, welche Auswirkungen der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung von Eingriffsnormen anderer Mitgliedstaaten hat; dieser Grundsatz ist in Art.4 Abs.3 des EU-Vertrags (EUV) festgelegt.
Konkret legt der Fünfte BAG-Senat dem EuGH daher folgende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vor:
"1. Findet die Rom I-VO nach Art.28 auf Arbeitsverhältnisse ausschließlich dann Anwendung, wenn das Rechtsverhältnis durch einen nach dem 16. Dezember 2009 vereinbarten Arbeitsvertrag begründet worden ist, oder führt jeder spätere Konsens der Vertragsparteien, ihr Arbeitsverhältnis verändert oder unverändert fortzusetzen, zur Anwendbarkeit der Verordnung?
2. Schließt Art.9 Abs.3 Rom I-VO allein die direkte Anwendung von Eingriffsnormen eines Drittstaats aus, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen nicht erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, oder auch die mittelbare Berücksichtigung im Recht des Staates, dessen Recht der Vertrag unterliegt?
3. Kommt dem in Art.4 Abs.3 EUV verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit rechtliche Bedeutung für die Entscheidung nationaler Gerichte zu, Eingriffsnormen eines anderen Mitgliedstaats unmittelbar oder mittelbar anzuwenden?"
Fazit: Auch das BAG will anscheinend nicht bezweifeln, dass eine unmittelbare Anwendung griechischer Eingriffsnormen auf ein in Deutschland zu erfüllendes und deutschem Recht unterstehendes Arbeitsverhältnis ausgeschlossen ist, weil eine solche Rechtsanwendung mit Art.9 Abs.3 Rom I-VO nicht vereinbar wäre.
Was das BAG dann aber mit einer (möglichen) "mittelbaren Berücksichtigung" griechischer Spargesetze im deutschen Arbeitsrecht meint, ist derzeit noch nicht recht klar. Da die griechische Republik als Arbeitgeber hier im Streitfall keine Änderungskündigung ausgesprochen hatte, um ihre Spargesetze durchzusetzen, und da der Arbeitsvertrag auch keine Widerrufs- bzw. Änderungsbefugnisse enthielt, denkt das BAG hier wahrscheinlich daran, der griechischen Republik als Arbeitgeber die Berufung auf die Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage zu ermöglichen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.02.2015, 5 AZR 962/13 (A) - Pressemeldung des Gerichts
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 19.07.2012, C-154/11 ("Mahamdia")
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Lohnklage
- Arbeitsrecht aktuell: 20/094 Erleichterte Zuwanderung für ausländische Fachkräfte
- Arbeitsrecht aktuell: 17/246 Internationale Zuständigkeit im Arbeitsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 13/079 Prozess um Ausbeutung einer Hausangestellten
- Arbeitsrecht aktuell: 13/026 Gleichberechtigung für Hausangestellte
- Arbeitsrecht aktuell: 12/287 Klage gegen saudischen Diplomaten zulässig
- Arbeitsrecht aktuell: 12/266 Botschaftsangestellte ausländischer Staaten können vor deutschen Arbeitsgerichten klagen
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Gericht seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Den vollständig begründeten Beschluss des Bundesarbeitsgerichts finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 4. Januar 2021
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