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ARBEITSRECHT AKTUELL // 18/032

Rück­tritt vom nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bot

Bei Ver­zug des Ar­beit­ge­bers mit der Ka­ren­zent­schä­di­gung kön­nen Ar­beit­neh­mer nach er­folg­lo­ser Nach­frist­set­zung vom Wett­be­werbs­ver­bot zu­rück­tre­ten: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 31.01.2018, 10 AZR 392/17
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05.02.2018. Die Ver­ein­ba­rung ei­nes nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bo­tes ist nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) ein ge­gen­sei­ti­ger Ver­trag, das heißt Leis­tung und Ge­gen­leis­tung ste­hen ein­an­der ge­gen­über wie z.B. bei ei­nem Kauf- oder Ar­beits­ver­trag.

Die Leis­tung des Ar­beit­neh­mers beim Wett­be­werbs­ver­bot be­steht da­bei in ei­nem Un­ter­las­sen, näm­lich in ei­ner (oh­ne das Wett­be­werbs­ver­bot zu­läs­si­gen) Tä­tig­keit für ei­nen Wett­be­wer­ber sei­nes Ex-Ar­beit­ge­bers. Die Ge­gen­leis­tung des Ex-Ar­beit­ge­bers be­steht in Geld, näm­lich in der sog. Ka­ren­zent­schä­di­gung.

Am Mitt­woch letz­ter Wo­che hat das BAG klar­ge­stellt, dass der Ar­beit­neh­mer bei Zah­lungs­ver­zug das Recht zum Rück­tritt von ei­nem Wett­be­werbs­ver­bot hat: BAG, Ur­teil vom 31.01.2018,10 AZR 392/17 (Pres­se­mel­dung des Ge­richts).

Was können Ar­beit­neh­mer tun, wenn sich ihr Ex-Ar­beit­ge­ber nicht an ein nach­ver­trag­li­ches Wett­be­werbs­ver­bot hält, d.h. die Ka­ren­zentschädi­gung nicht zahlt?

Die Ver­ein­ba­rung ei­ner Ka­ren­zentschädi­gung in der ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­nen Min­desthöhe ist not­wen­dig für die Wirk­sam­keit ei­nes nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bots.

Ver­spricht der Ar­beit­ge­ber nämlich gar kei­ne Ka­ren­zentschädi­gung, ist das Wett­be­werbs­ver­bot nach der Recht­spre­chung von vorn­her­ein nich­tig.

Ist der Ar­beit­ge­ber da­ge­gen „nur“ zu knau­se­rig und ver­spricht zwar ei­ne Ka­ren­zentschädi­gung, al­ler­dings un­ter­halb der in § 74 Abs.2 Han­dels­ge­setz­buch (HGB) vor­ge­schrie­be­nen Min­desthöhe von 50 Pro­zent der „zu­letzt be­zo­ge­nen ver­tragsmäßigen Leis­tun­gen“, so ist das Wett­be­werbs­ver­bot un­ver­bind­lich. In die­sem Fall hat der Ar­beit­neh­mer bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses die Wahl, ob er sich an das Wett­be­werbs­ver­bot hält (dann muss er mit der un­ter­ge­setz­li­chen Ka­ren­zentschädi­gung zu­frie­den sein) oder ob er zur Kon­kur­renz geht (dann natürlich oh­ne Ka­ren­zentschädi­gung).

In bei­den Fällen ist das Wett­be­werbs­ver­bot aus Ar­beit­ge­ber­sicht recht­lich wert­los, denn das Ab­wan­dern des Ar­beit­neh­mers zur Kon­kur­renz nach sei­nem Aus­schei­den lässt sich da­mit nicht ver­hin­dern. Ar­beit­ge­ber soll­ten da­her bei der ver­trag­li­chen Aus­ge­stal­tung ei­nes Wett­be­werbs­ver­bots beim The­ma Ka­ren­zentschädi­gung nicht trick­sen, denn an­dern­falls kann der Ar­beit­neh­mer nach sei­nem Aus­schei­den tun, was er will.

Das hat das BAG im letz­ten Jahr er­neut bestätigt und klar­ge­stellt, dass ein Wett­be­werbs­ver­bot oh­ne Ka­ren­zentschädi­gung aus Gründen des Ar­beit­neh­mer­schut­zes auch dann nich­tig ist, wenn der Ver­trag ei­ne sal­va­to­ri­sche Klau­sel enthält (BAG, Ur­teil vom 22.03.2017, 10 AZR 448/15, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 17/086 Wett­be­werbs­ver­bot oh­ne Entschädi­gung, aber mit sal­va­to­ri­scher Klau­sel?).

In der Ent­schei­dung von letz­ter Wo­che ging es um die Fra­ge, ob sich der Ar­beit­neh­mer bei be­harr­li­cher Zah­lungs­ver­wei­ge­rung sei­nes Ex-Ar­beit­ge­bers per Rück­tritts­erklärung von ei­nem Wett­be­werbs­ver­bot lösen kann.

Im Streit: Ar­beit­ge­ber gerät mit der Ka­ren­zentschädi­gung in Ver­zug, wor­auf­hin der Ar­beit­neh­mer nach Nach­frist­set­zung vom Wett­be­werbs­ver­bot zurück­tritt

Ge­klagt hat­te ein tech­ni­scher An­ge­stell­ter mit ei­nem Brut­to­mo­nats­ver­dienst von zu­letzt 6.747,20 EUR, der mit sei­nem Ar­beit­ge­ber ein (ver­bind­li­ches) drei­mo­na­ti­ges Wett­be­werbs­ver­bot ver­ein­bart hat­te. Als Ka­ren­zentschädi­gung wa­ren 50 Pro­zent sei­ner mo­nat­lich zu­letzt er­hal­te­nen durch­schnitt­li­chen Bezüge ver­ein­bart. Ent­spre­chend der ge­setz­li­chen Re­ge­lung (§ 74b Abs.1 HGB) war ver­ein­bart, dass die Ka­ren­zentschädi­gung am Schluss des je­wei­li­gen Mo­nats fällig sein soll­te.

Nach­dem der Ar­beit­neh­mer zum 31.01.2016 gekündigt und den Be­trieb ver­las­sen hat­te, ver­lang­te er pünkt­lich am 01.03.2016 per E-Mail die Ka­ren­zentschädi­gung für Fe­bru­ar 2016, und zwar un­ter Frist­set­zung bis zum 04.03.2016, denn der Ar­beit­ge­ber hat­te bis da­hin nichts ge­zahlt.

Nach­dem der Ar­beit­ge­ber die Frist oh­ne Zah­lung hat­te ver­strei­chen las­sen, erklärte der Ar­beit­neh­mer mit ei­ner wei­te­ren E-Mail vom 08.03.2016 u.a. fol­gen­des:

„Be­zug­neh­mend auf Ih­re E-Mail vom 1. März 2016 so­wie das Te­le­fo­nat mit Herrn B. möch­te ich Ih­nen mit­tei­len, dass ich mich ab so­fort nicht mehr an das Wett­be­werbs­ver­bot ge­bun­den fühle.“

Später be­reu­te den Ar­beit­neh­mer die­se Erklärung, denn er woll­te sie im Nach­hin­ein als „Trotz­re­ak­ti­on“ ver­stan­den wis­sen. Dem­ent­spre­chend klag­te er die Ka­ren­zentschädi­gung für die vol­len drei Mo­na­te des ver­ein­bar­ten Wett­be­werbs­ver­bots (Fe­bru­ar bis April 2016) ein, d.h. (6.747,20 : 2 x 3 Mo­na­te =) 10.120,80 EUR.

Das Ar­beits­ge­richt Würz­burg gab der Kla­ge statt (Ur­teil vom 31.10.2016, 6 Ca 498/16). Da­ge­gen be­wer­te­te das für die Be­ru­fung zuständi­ge Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nürn­berg die E-Mail vom 08.03.2016 als wirk­sa­me Rück­tritts­erklärung und war der Mei­nung, dass das Wett­be­werbs­ver­bot in­fol­ge des Rück­tritts, d.h. mit Ab­lauf des 08.03.2016, sein En­de ge­fun­den hat­te.

Dem­ent­spre­chend ver­ur­teil­te das LAG den Ar­beit­ge­ber zu ei­ner Teil­zah­lung in Höhe der Ka­ren­zentschädi­gung von 3.373,60 EUR für Fe­bru­ar 2016 und von wei­te­ren 870,60 EUR für die acht Ta­ge vom 01.03. bis zum 08.03.2016 (LAG Nürn­berg, Ur­teil vom 24.05.2017, 4 Sa 564/16).

BAG: Bei Ver­zug des Ar­beit­ge­bers mit der Ka­ren­zentschädi­gung kann der Ar­beit­neh­mer nach er­folg­lo­ser Nach­frist­set­zung vom Wett­be­werbs­ver­bot zurück­tre­ten

Das BAG seg­ne­te die Ent­schei­dung des LAG Nürn­berg ab und wies die Re­vi­si­on des Ar­beit­neh­mers zurück, der sich dem­ent­spre­chend mit ei­ner an­tei­li­gen Ka­ren­zentschädi­gung zu­frie­den ge­ben muss. In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des BAG heißt es zur Be­gründung:

Da ein nach­ver­trag­li­ches Wett­be­werbs­ver­bot ein ge­gen­sei­ti­ger Ver­trag ist, sind die all­ge­mei­nen ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen über den Rück­tritt, d.h. die §§ 323 ff. Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB), auf Wett­be­werbs­ver­bo­te an­zu­wen­den. Die Ka­ren­zentschädi­gung ist ei­ne Ge­gen­leis­tung für die Un­ter­las­sung von Kon­kur­renz. Er­bringt ei­ne Ver­trags­par­tei ih­re Leis­tung nicht, kann die an­de­re Ver­trags­par­tei da­her vom Wett­be­werbs­ver­bot zurück­tre­ten, wenn die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für den Rück­tritt vor­lie­gen, so die Er­fur­ter Rich­ter.

Der Ar­beit­ge­ber hat­te hier im Streit­fall die ver­ein­bar­te Ka­ren­zentschädi­gung nicht ge­zahlt, wes­halb der Ar­beit­neh­mer ein Recht zum Rück­tritt hat­te. Das Rück­tritts­recht hat­te er auch mit sei­ner E-Mail vom 08.03.2016 aus­geübt, d.h. da­mit sei­nen Rück­tritt erklärt. Die­se In­ter­pre­ta­ti­on der E-Mail vom 08.03.2016 durch das LAG Nürn­berg war in Ord­nung, so das BAG.

Ergänzend stellt das BAG klar, dass ein Rück­tritt von ei­nem nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bot ab­wei­chend von der all­ge­mei­nen ge­setz­li­chen Vor­schrift über den Rück­tritt (§ 346 Abs.1 BGB) das Wett­be­werbs­ver­bot nicht von An­fang an („ex tunc“) un­wirk­sam macht, son­dern erst für die Zeit nach der Rück­tritts­erklärung („ex nunc“).

Fa­zit: Ar­beit­ge­ber, die ein Ab­wan­dern ih­rer Ex-Ar­beit­neh­mer zur Kon­kur­renz ver­hin­dern wol­len, soll­ten die mo­nat­lich im Nach­hin­ein fälli­ge Ka­ren­zentschädi­gung pünkt­lich zah­len.

Denn in­fol­ge der ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­nen Fällig­keit der Ka­ren­zentschädi­gung am Mo­nats­schluss (§ 74b Abs.1 HGB) kommt der Ar­beit­ge­ber au­to­ma­tisch, d.h. oh­ne Mah­nung des Ar­beit­neh­mers in Ver­zug, wenn er die­sen Fällig­keits­ter­min ver­strei­chen lässt (§ 286 Abs.2 Nr.1 BGB). Da­her kann die Nach­frist­set­zung des Ar­beit­neh­mers gemäß § 323 Abs.1 BGB ei­ne recht kur­ze Frist von we­ni­gen Ta­gen ent­hal­ten. Im Er­geb­nis sind die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Rück­tritt des Ar­beit­neh­mers vom Wett­be­werbs­ver­bot bei unpünkt­li­cher Zah­lung durch den Ar­beit­ge­ber ziem­lich schnell erfüllt.

Kei­ne gu­te Idee wäre es übri­gens für be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer, an­statt den Rück­tritt vom Wett­be­werbs­ver­bot zu erklären ein (ver­meint­li­ches) Zurück­be­hal­tungs­recht aus­zuüben. Das BAG hat nämlich be­reits vor vie­len Jah­ren ent­schie­den, dass ei­ne sol­che Re­ak­ti­on auf verzöger­te Zah­lung der Ka­ren­zentschädi­gung nicht zulässig ist (BAG, Ur­teil vom 05.10.1982, 3 AZR 451/80, Rn.23).

Denn ob­wohl ein Wett­be­werbs­ver­bot ein ge­gen­sei­ti­ger Ver­trag ist, steht dem Ar­beit­neh­mer das Zurück­be­hal­tungs­recht aus § 320 BGB bei verzöger­ter Entschädi­gungs­zah­lung nicht zu, weil der Ar­beit­neh­mer da­mit, so das BAG, sei­ne Leis­tung (die Un­ter­las­sung) nicht nur ein­be­hal­ten, son­dern zu­min­dest zeit­wei­lig und punk­tu­ell unmöglich ma­chen würde.


Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­grün­de ver­öf­fent­licht. Das voll­stän­dig be­grün­de­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 7. Juni 2018

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