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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/243

Vor­ver­trag über künf­ti­ges Wett­be­werbs­ver­bot ist oh­ne Zeit­gren­ze un­ver­bind­lich

Wahl­recht des Ar­beit­neh­mers bei zu weit­ge­hen­der vor­ver­trag­li­cher Pflicht zum Ab­schluss ei­nes Wett­be­werbs­ver­bots: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 14.07.2010, 10 AZR 291/09
Globus mit Europa im Vordergrund, gekreuzte rote Klebestreifen auf einigen Ländern Kann ein Wett­be­werbs­ver­bot im Vor­aus ver­ein­bart wer­den?
13.12.2010. Nach­ver­trag­li­che Wett­be­werbs­ver­bo­te ver­pflich­ten den Ar­beit­neh­mer, dem Ar­beit­ge­ber auch nach Be­en­di­gung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses kei­ne Kon­kur­renz zu ma­chen. Da­für gibt es Geld - die Ka­ren­zent­schä­di­gung, de­ren Mi­ni­mum ge­setz­lich zwin­gend fest­ge­legt ist. Auf ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung kön­nen sich bei­de Par­tei­en des Ar­beits­ver­hält­nis­ses ein­stel­len. Im Un­ter­schied zu die­ser kla­ren Rechts­la­ge sol­len be­ding­te nach­ver­trag­li­che Wett­be­werbs­ver­bo­te nur un­ter der Be­din­gung gel­ten, dass der Ar­beit­ge­ber sie - nach sei­nem Gut­dün­ken ein­sei­tig - in Gel­tung setzt, was nach der Recht­spre­chung aber nicht zu­läs­sig ist: Ist ein be­ding­tes Wett­be­werbs­ver­bot ver­ein­bart, ist die­ses zum Schutz des Ar­beit­neh­mers un­ver­bind­lich, d.h. er (und nicht der Ar­beit­ge­ber) kann zwi­schen Be­ach­tung des Ver­bots ge­gen Ka­ren­zent­schä­di­gung und Nicht­be­ach­tung wäh­len.

Aber be­steht ein sol­ches Wahl­recht auch dann, wenn sich der Ar­beit­neh­mer vor­ver­trag­lich zur Ein­ge­hung ei­nes Wett­be­werbs­ver­bots ver­pflich­tet hat? Da­mit hät­te der Ar­beit­ge­ber letzt­lich doch al­le Trümp­fe in der Hand. Da­zu hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung Stel­lung ge­nom­men (BAG, Ur­teil vom 14.07.2010, 10 AZR 291/09).

Be­ding­te Wett­be­werbs­ver­bo­te und vor­ver­trag­li­che Pflicht zur Ein­ge­hung ei­nes Wett­be­werbs­ver­bots - al­le Trümp­fe in der Hand des Ar­beit­ge­bers?

Nach En­de des Dienst­verhält­nis­ses steht es dem Ar­beit­neh­mer frei, sei­nem Ex-Ar­beit­ge­ber be­ruf­li­chen Wett­be­werb zu ma­chen. So kann er z.B. zu ei­nem be­reits be­ste­hen­den Kon­kur­renz­un­ter­neh­men wech­seln oder selbst ei­nes gründen. Das ist für vie­le Ar­beit­ge­ber so nach­tei­lig, dass sie sich durch Ver­ein­ba­rung ei­nes nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bots da­vor schützen wol­len.

Ein sol­ches Ver­bot enthält be­ruf­li­che Tätig­kei­ten, die der Ar­beit­neh­mer für ei­nen Zeit­raum von ma­xi­mal zwei Jah­ren nach Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis nicht ausüben darf. Als Aus­gleich dafür ver­pflich­tet sich der Ar­beit­ge­ber zur Zah­lung ei­ner Ka­ren­zentschädi­gung. De­ren Höhe ist im Prin­zip frei ver­han­del­bar, muss aber min­des­tens der Hälf­te des zu­letzt be­zo­ge­nen Kom­plett­ge­halts des Ar­beit­neh­mers be­tra­gen. Die­ses ge­setz­li­che Mi­ni­mum wird in der Pra­xis meist ver­ein­bart.

Durch Wett­be­werbs­ver­bo­te wird das mögli­che be­ruf­li­che Betäti­gungs­feld des Ar­beit­neh­mers stark ein­ge­grenzt. Das führt da­zu, dass der Ar­beit­neh­mer sei­ne be­ruf­li­che Zu­kunft schon möglichst lan­ge vor dem En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses dar­auf ein­stel­len muss, da er ja nach dem Aus­schei­den nicht ver­trags­brüchig wer­den will. Aus die­sem Grund räumt das Han­dels­ge­setz­buch (HGB) dem Ar­beit­ge­ber fol­gen­de Möglich­keit ein: Er kann das Wett­be­werbs­ver­bot zwar durch ei­ne ein­sei­ti­ge Ver­zichts­erklärung be­en­den, die Pflicht zur Ver­rich­tung der Ka­ren­zentschädi­gung muss er dann aber trotz­dem für die nach­fol­gen­den zwölf Mo­na­te erfüllen (§ 75a HGB). Ei­ne ein­sei­ti­ge Lösung vom Wett­be­werbs­ver­bot ist dem Ar­beit­ge­ber da­her nur mit ei­nem recht lan­gen zeit­li­chen Vor­lauf von zwölf Mo­na­ten möglich.

Man­che Ar­beit­ge­ber wol­len so frühzei­ti­ge Fest­le­gun­gen ver­mei­den und for­mu­lie­ren da­her Wett­be­werbs­ver­bo­te als be­ding­te Ver­bo­te: Das Wett­be­werbs­ver­bot soll nur un­ter der Be­din­gung gel­ten, d.h. über­haupt in Kraft tre­ten, wenn der Ar­beit­ge­ber das aus­drück­lich erklärt. Auf die­se Wei­se möch­te der Ar­beit­ge­ber die Möglich­keit er­lan­gen, erst kurz vor Be­en­di­gung des Ver­trags­verhält­nis­ses zu ent­schei­den, ob das Ver­bot nun gel­ten soll oder nicht. An die­sem Punkt hakt al­ler­dings die ar­beits­ge­richt­li­che Recht­spre­chung ein, in­dem sie zum Schutz des Ar­beit­neh­mers be­ding­te Ver­bo­te für un­ver­bind­lich erklärt: Bei be­ding­ten Wett­be­werbs­ver­bo­ten hat die­ser Recht­spre­chung zu­fol­ge nicht der Ar­beit­ge­ber, son­dern der Ar­beit­neh­mer die Wahl, ein­sei­tig über die Gültig­keit des Ver­bots be­stim­men. Ent­schei­det er sich ge­gen das Wett­be­werbs­ver­bot, steht ihm der Wech­sel zur Kon­kur­renz frei. Statt­des­sen kann er sich aber auch für die Ein­hal­tung des Wett­be­werbs­ver­bots ent­schei­den, d.h. er muss es be­ach­ten, kann dafür aber auch die Ka­ren­zentschädi­gung ver­lan­gen.

Auch Vor­verträge, die den Ar­beit­neh­mer da­zu ver­pflich­ten, je­der­zeit auf Ver­lan­gen des Ar­beit­ge­bers ein Wett­be­werbs­ver­bot ein­zu­ge­hen, wer­den von der Recht­spre­chung be­grenzt, da­mit Ar­beit­ge­ber die Recht­spre­chung zu den be­ding­ten Ver­bo­ten nicht um­ge­hen können: Sol­che Vor­verträge sind nur rech­tens, wenn die Pflicht zur Ein­ge­hung ei­nes Wett­be­werbs­ver­bots höchs­tens bis zum Zeit­punkt ei­ner Kündi­gung oder des Ab­schlus­ses ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges be­steht. Bis­lang nicht ein­deu­tig geklärt ist in der Recht­spre­chung, ob ein zeit­lich un­be­grenz­ter - und da­mit un­zulässi­ger - Vor­ver­trag dem Ar­beit­neh­mer das glei­che Wahl­recht ver­schafft wie ein be­ding­tes Wett­be­werbs­ver­bot. Das BAG hat sich kürz­lich mit die­ser Fra­ge aus­ein­an­der­ge­setzt (Ur­teil vom 14.07.2010, 10 AZR 291/09).

Der Fall des Bun­des­ar­beits­ge­richts: Gekündig­ter Ar­beit­neh­mer pocht auf Vor­ver­trag zum Ab­schluss ei­nes Wett­be­werbs­ver­bots und ver­langt Ka­ren­zentschädi­gung

Ge­klagt hat­te ein Ar­beit­neh­mer, der von 2000 bis 2007 als Re­fe­rent für Lo­gis­tik und all­ge­mei­ne Ver­wal­tung bei dem be­klag­ten Ar­beit­ge­ber an­ge­stellt war. Im Ar­beits­ver­trag hieß es:

„Im Hin­blick auf sein be­son­de­res Tätig­keits- und Auf­ga­ben­ge­biet in der Fir­ma erklärt sich der Mit­ar­bei­ter be­reit, nach Ab­lauf der Pro­be­zeit je­der­zeit auf Ver­lan­gen der Fir­ma das als An­la­ge zu die­sem Ver­trag bei­gefügte Wett­be­werbs­ver­bot ab­zu­sch­ließen.“

Das die­ser vor­ver­trag­li­chen Klau­sel bei­gefügte (und al­so zunächst aus­drück­lich noch nicht ver­ein­bar­te) Wett­be­werbs­ver­bot un­ter­sag­te dem Ar­beit­neh­mer, zwei Jah­re nach En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses jeg­li­che Tätig­keit auf dem Ge­biet der Kaf­fee­ver­ede­lung und der Kof­fe­in­auf­be­rei­tung auf­zu­neh­men. Als Ge­gen­leis­tung wäre der Ar­beit­ge­ber zur Zah­lung ei­ner Ka­ren­zentschädi­gung von 50 Pro­zent der zu­letzt be­zo­ge­nen Vergütung ver­pflich­tet ge­we­sen. Das Wett­be­werbs­ver­bot ent­hielt den Na­men des Klägers in Ma­schi­nen­schrift, war aber nicht un­ter­zeich­net.

Ei­nen Mo­nat nach der vom Ar­beit­ge­ber erklärten Kündi­gung zum 30.06.2007 erklärte sich der Ar­beit­neh­mer be­reit, das Wett­be­werbs­ver­bot zu be­fol­gen und ver­lang­te dem­nach die Ka­ren­zentschädi­gung. Die Kla­ge auf Zah­lung von ins­ge­samt 26.474,28 EUR wur­de vom Ar­beits­ge­richt Ham­burg (Ur­teil vom 05.02.2008, 25 Ca 293/07) und vom Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ham­burg (Ur­teil vom 12.01.2009, 8 Sa 35/08) ab­ge­wie­sen.

Bun­des­ar­beits­ge­richt: Was für be­ding­te Wett­be­werbs­ver­bo­te gilt, gilt auch für ei­ne zeit­lich un­be­grenz­te vor­ver­trag­li­che Pflicht zur Ein­ge­hung ei­nes Wett­be­werbs­ver­bots

Das BAG hob das Ur­teil des LAG auf und ent­schied im Aus­gangs­punkt zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers.

Dies recht­fer­tigt das BAG fol­gen­der­maßen: Ein zeit­lich un­be­grenz­ter Vor­ver­trag, so das BAG, muss die glei­chen Rechts­fol­gen auslösen wie ein be­ding­tes Wett­be­werbs­ver­bot, da auch bei ei­nem zeit­lich un­be­grenz­ten Vor­ver­trag die Ent­schei­dung über die künf­ti­ge Gel­tung ei­nes Wett­be­werbs­ver­bo­tes al­lein beim Ar­beit­ge­ber lie­gen soll. Da­durch ent­steht für den Ar­beit­neh­mer die un­ge­wis­se Si­tua­ti­on, bei der be­ruf­li­chen Zu­kunfts­pla­nung we­der von ei­nem Wett­be­werbs­ver­bot mit Entschädi­gungs­an­spruch noch von ei­ner Wett­be­werbs­frei­heit aus­ge­hen zu können.

Dem Ar­beit­neh­mer soll­te da­her eben­so wie im Fal­le ei­nes be­ding­ten Wett­be­werbs­ver­bots sei­ner­seits die Wahlmöglich­keit ha­ben, ob er das Ver­bot be­ach­ten bzw. zur Ent­ste­hung brin­gen - oder aber nicht be­ach­ten bzw. nicht zur Ent­ste­hung brin­gen möch­te. Die­se Wahl soll­te der Ar­beit­neh­mer „zu Be­ginn der Ka­renz­zeit“ tref­fen, was nicht un­be­dingt der letz­te Tag des Ar­beits­verhält­nis­ses sein muss. Trotz der hier vor­lie­gen­den ein­mo­na­ti­gen zeit­li­chen Verzöge­rung sah das BAG die Ent­schei­dung des Klägers als recht­zei­tig an.

Soll­te der Vor­ver­trag, wie recht­lioch er­for­der­lich, schrift­lich ab­ge­schlos­sen wor­den sein, bestünde so­mit ein Zah­lungs­an­spruch, so das BAG. In die­sem Punkt ver­wies das BAG den Pro­zess an das LAG Ham­burg zur wei­te­ren Aufklärung des Sach­ver­hal­tes zurück.

Fa­zit: Mit ei­nem zeit­lich un­be­grenz­ten Vor­ver­trag ver­sucht der Ar­beit­ge­ber letzt­lich nur, die Un­ver­bind­lich­keit ei­nes be­ding­ten Wett­be­werbs­ver­bots zu um­ge­hen, was das BAG nicht ak­zep­tiert, und zwar zu­recht. Be­steht der Ar­beit­ge­ber auf ei­nem nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bot, muss er Nägel mit Köpfen ma­chen und dem Ar­beit­neh­mer ei­ne dem ent­spre­chen­de Möglich­keit der Zu­kunfts­pla­nung einräum­en.

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Letzte Überarbeitung: 6. Februar 2018

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