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ARBEITSRECHT AKTUELL // 18/178

Beim Zeug­nis müs­sen Aus­stel­lungs­da­tum und Be­en­di­gungs­da­tum nicht im­mer über­ein­stim­men

Kein An­spruch auf Rück­da­tie­rung ei­nes Zeug­nis­ses, wenn der Ar­beit­neh­mer ein ver­trag­lich ver­ein­bar­tes Vor­schlags­recht hat, da­von aber jah­re­lang kei­nen Ge­brauch macht: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 11.01.2018, 2 Sa 332/17
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23.07.2018. Ein or­dent­li­ches Zeug­nis muss ei­ne aus­sa­ge­kräf­ti­ge Be­schrei­bung der Auf­ga­ben des Ar­beit­neh­mers ent­hal­ten, ei­ne sehr gu­te oder zu­min­dest gu­te Be­wer­tung der Leis­tun­gen und der „Füh­rung“ des Ar­beit­neh­mers und als Ab­schluss ei­ne warm­her­zi­ge Be­dau­erns- und Wunsch­for­mel.

Au­ßer­dem soll­te das Da­tum der Aus­stel­lung des Zeug­nis­ses der Aus­schei­dens­tag sein, d.h. der letz­te Tag des Ar­beits­ver­hält­nis­ses.

Ob­wohl die­se An­for­de­run­gen an ein wohl­wol­len­des Zeug­nis all­ge­mein ak­zep­tiert sind, ha­ben Ar­beit­neh­mer nicht im­mer ei­nen ent­spre­chen­den Rechts­an­spruch. So kann z.B. das Da­tum der Zeug­nis­er­tei­lung deut­lich spä­ter als Be­en­di­gungs­da­tum lie­gen, so das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Rhein­land-Pfalz in ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil: LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 11.01.2018, 2 Sa 332/17.

War­um sind Aus­stel­lungs­da­tum und Be­en­di­gungs­da­tum beim Zeug­nis wich­tig?

Wer sich im In­ter­net darüber in­for­miert, wie ein anständi­ges Ar­beits­zeug­nis aus­zu­se­hen hat, wird in den vie­len Check­lis­ten und prak­ti­schen Tipps meist den Hin­weis fin­den, dass das Aus­stel­lungs­da­tum des Ar­beits­zeug­nis­ses mit dem letz­ten Tag des Ar­beits­verhält­nis­ses übe­rein­stim­men muss. An­ders ge­sagt: Das im Zeug­nis an­ge­ge­be­ne Da­tum, an dem der Ar­beit­ge­ber das Zeug­nis (an­geb­lich) aus­ge­fer­tigt und un­ter­schrie­ben hat, muss das Da­tum der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses sein.

Dar­an ist so­viel rich­tig, dass es ei­nen schlech­ten Ein­druck er­weckt, wenn der Ar­beit­neh­mer bei­spiels­wei­se zum En­de des Ka­len­der­jah­res aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­det, sein Zeug­nis aber un­ter dem 15. Au­gust des Fol­ge­jah­res aus­ge­fer­tigt wird. Dann drängt sich der Ein­druck auf, dass Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber nicht im Frie­den aus­ein­an­der­ge­gan­gen sind und es mögli­cher­wei­se so­gar Streit über die Zeug­nis­for­mu­lie­run­gen gab.

Ähn­lich wich­tig wie das Aus­stel­lungs­da­tum ist aus Ar­beit­neh­mer­sicht, dass sich aus dem Zeug­nis kein „krum­mes Be­en­di­gungs­da­tum“ er­gibt, dass al­so z.B. im Zeug­nis nicht steht, dass das ein lan­ge be­ste­hen­des Ar­beits­verhält­nis „zum 17.12.2017“ ge­en­det ha­be. Denn wenn ein langjähri­ges Ar­beits­verhält­nis nicht zum Mo­nats­en­de be­en­det wird, lässt dies nur die Schluss­fol­ge­rung zu, dass es durch frist­lo­se Kündi­gung (des Ar­beit­ge­bers?) be­en­det wur­de. Auch hier ist der Ein­druck auf den Le­ser des Zeug­nis­ses ver­hee­rend.

Ob­wohl die­se bei­den Da­ten dem­zu­fol­ge aus Ar­beit­neh­mer­sicht wich­tig sind, und ob­wohl es in der Pra­xis der Zeug­nis­er­tei­lung üblich ist, ein run­des Be­en­di­gungs­da­tum zu wählen und un­ter die­sem Da­tum auch das Zeug­nis zu er­tei­len, hat der Ar­beit­neh­mer hier­auf nicht un­be­dingt ei­nen Rechts­an­spruch.

So hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) vor ei­ni­gen Jah­ren ent­schie­den, dass ei­ne vorüber­ge­hen­de Wei­ter­beschäfti­gung während ei­nes Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses, in dem über ei­ne frist­lo­se Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers ge­strit­ten wird, im Fal­le der Wirk­sam­keit der frist­lo­sen Kündi­gung nichts dar­an ändert, dass das im Zeug­nis zu be­schei­ni­gen­de En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses das („krum­me“) Da­tum ist, das sich aus der frist­lo­sen Kündi­gung er­gibt (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 16/362 Be­en­di­gungs­da­tum beim Zeug­nis).

Aber auch die übli­che Pra­xis, dass Ar­beit­ge­ber bei der Zeug­nis­aus­fer­ti­gung ei­ne Vor- bzw. Rück­da­tie­rung vor­neh­men, so dass Aus­stel­lungs­da­tum und Be­en­di­gungs­da­tum übe­rein­stim­men, ist nicht durch ei­nen ent­spre­chen­den Rechts­an­spruch des Ar­beit­neh­mers be­gründet. Viel­mehr ist es im All­ge­mei­nen so, dass die Da­tums­an­ga­be auf geschäft­li­chen Schrei­ben der Wahr­heit ent­spre­chen soll­te, so dass auch das Aus­stel­lungs­da­tum ei­nes Ar­beits­zeug­nis­ses im All­ge­mei­nen das tatsächli­che Da­tum sein soll­te, an dem der Ar­beit­ge­ber das Zeug­nis aus­ge­fer­tigt hat.

Ei­ne Ab­wei­chung von die­ser Re­gel gilt zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers im All­ge­mei­nen nur, wenn der Ar­beit­ge­ber mit der Zeug­nis­er­tei­lung in Ver­zug ge­ra­ten ist oder wenn der Ar­beit­neh­mer die Be­rich­ti­gung ei­nes be­reits er­teil­ten Zeug­nis­ses ver­lan­gen kann, so dass der Ar­beit­ge­ber bei der er­neu­ten Aus­fer­ti­gung des be­rich­tig­ten Zeug­nis­ses das Da­tum des al­ten Zeug­nis­ses bei­be­hal­ten muss.

Dass aber im Ein­zel­fall auch ein deut­li­ches Aus­ein­an­der­fal­len von Be­en­di­gungs­da­tum und Aus­stel­lungs­da­tum rech­tens sein kann, zeigt der Fall des LAG Rhein­land-Pfalz.

Der Streit­fall: Ar­beit­neh­mer macht von sei­nem per Ver­gleich fest­ge­schrie­be­nen Recht, ei­nen Zeug­nis­vor­schlag zu ma­chen, jah­re­lang kei­nen Ge­brauch

Im Streit­fall hat­te sich ein ren­ten­na­her Ar­beit­neh­mer im Kündi­gungs­schutz­pro­zess mit sei­nem Ar­beit­ge­ber im Mai 2014 per Ver­gleich dar­auf ge­ei­nigt, dass er zum 30.04.2014 auf­grund der vom Ar­beit­ge­ber aus­ge­spro­che­nen be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung aus sei­nem langjährig be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis aus­schei­den wer­de. Bei­de Par­tei­en gin­gen da­von aus, dass der Ar­beit­neh­mer ein­ein­halb Jah­re später (ab dem 01.12.2015) sei­ne ge­setz­li­che Al­ters­ren­te in An­spruch neh­men würde.

Zum The­ma Zeug­nis hieß es in dem Ver­gleich:

„Dem Ar­beit­neh­mer steht ein Dienst­zeug­nis mit der Ver­hal­tens- und Leis­tungs­be­wer­tung >sehr gut< zu, für das er be­rech­tigt ist, ei­nen Ent­wurf zu lie­fern, von dem nur ab­ge­wi­chen wer­den darf, falls Tat­sa­chen un­zu­tref­fend an­ge­ge­ben wor­den sind.“

In der Fol­ge­zeit wur­de der Ar­beit­ge­ber von ei­nem an­de­ren Un­ter­neh­men über­nom­men, so dass sich sei­ne Fir­mie­rung änder­te. Zu der Zeug­nis­er­tei­lung kam es länge­re Zeit nicht, da der Ar­beit­neh­mer kei­nen Ent­wurf über­reich­te.

Erst­mals An­fang No­vem­ber 2016 und da­mit zwei­ein­halb Jah­re nach Ab­schluss des Ver­gleichs und nach dem dar­in fest­ge­schrie­be­nen Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis (= En­de April 2014) wand­te sich der Ar­beit­neh­mer mit an­walt­li­chem Schrei­ben an sei­nen Ex-Ar­beit­ge­ber. Dar­in for­der­te er die­sen zur Zeug­nis­er­tei­lung auf, und zwar un­ter dem Da­tum der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses (30.04.2014). Da­bei erklärte der Ar­beit­neh­mer mehr­fach, dass er von sei­nem Vor­schlags­recht kei­nen Ge­brauch ma­chen wol­le.

In der Fol­ge er­teil­te der Ar­beit­ge­ber zwar ein Zeug­nis, al­ler­dings un­ter dem 03.03.2017. Da der Ar­beit­neh­mer mit dem Zeug­nis nicht ein­ver­stan­den war, er­hob er Kla­ge auf Be­rich­ti­gung. Die Kla­ge hat­te in ei­ni­gen nach­ge­ord­ne­ten Fra­gen Er­folg, doch war das Ar­beits­ge­richt Lud­wigs­ha­fen der Mei­nung, dass der Ar­beit­neh­mer kei­ne Da­tumsände­rung ver­lan­gen könne (Ur­teil vom 14. 06.2017, 7 Ca 384/17).

LAG Rhein­land-Pfalz: Kein An­spruch auf Rück­da­tie­rung ei­nes Zeug­nis­ses, wenn der Ar­beit­neh­mer ein ver­trag­lich ver­ein­bar­tes Vor­schlags­recht hat, da­von aber jah­re­lang kei­nen Ge­brauch macht

Auch in der Be­ru­fung vor dem LAG Rhein­land-Pfalz hat­te der Kläger kei­nen Er­folg. Zu der um­strit­te­nen Rück­da­tie­rung heißt es in den Ur­teils­gründen:

Im Streit­fall konn­te of­fen­blei­ben, ob Ar­beit­neh­mer im All­ge­mei­nen ei­ne Rück­da­tie­rung ih­res Zeug­nis­ses auf den letz­ten Tag des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­lan­gen können, wenn sie das Zeug­nis recht­zei­tig ver­langt ha­ben, so dass ei­ne Ver­spätung nicht auf ei­ge­ner Nachlässig­keit be­ruht. Denn hier war es je­den­falls so, dass die ver­späte­te Zeug­nis­er­tei­lung auf der Nachlässig­keit des kla­gen­den Ex-Ar­beit­neh­mers be­ruh­te, so das LAG. Da­her konn­te der Ar­beit­neh­mer auf­grund der Wahr­heits­pflicht des Ar­beit­ge­bers kei­ne Rück­da­tie­rung des Zeug­nis­ses auf den 30.04.2014 ver­lan­gen.

Ergänzend führt das LAG aus, dass sich auch aus der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) nichts an­de­res er­gibt. Denn das BAG hat­te le­dig­lich ei­ne Pflicht zur Rück­da­tie­rung an­ge­nom­men (BAG, Ur­teil vom 09.09.1992, 5 AZR 509/91), wenn der Ar­beit­ge­ber zur nachträgli­chen Be­rich­ti­gung sei­nes Zeug­nis­ses ver­pflich­tet wird, denn dann Be­rich­ti­gung nicht zu­las­ten des Ar­beit­neh­mers ge­hen: Ein nachträglich be­rich­tig­tes Zeug­nis muss da­her das Da­tum des Ur­sprungs­zeug­nis­ses tra­gen.

Fa­zit: Es ist aus Ar­beit­neh­mer­sicht kei­ne überflüssi­ge Flos­kel, son­dern ei­ne wich­ti­ge recht­li­che Ab­si­che­rung, wenn in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­gleich oder ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag fest­ge­schrie­ben ist, un­ter wel­chem Da­tum der Ar­beit­ge­ber das Zeug­nis aus­fer­ti­gen muss.

Außer­dem soll­ten Ar­beit­neh­mer dar­an den­ken, ein ver­ein­bar­tes Vor­schlags­recht in Be­zug auf die Zeug­nis­for­mu­lie­rung auch aus­zuüben. Der vor­lie­gen­de Fall zeigt, dass der Ar­beit­ge­ber mit der Zeug­nis­er­tei­lung nicht in Ver­zug gerät, so­lan­ge der Ar­beit­neh­mer kei­nen For­mu­lie­rungs­ent­wurf über­reicht hat.

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Letzte Überarbeitung: 18. April 2020

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