HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Hamm, Ur­teil vom 12.02.2009, 17 Sa 1567/08

   
Schlagworte: Kündigung: Ordentlich, Kündigung: Verhaltensbedingt
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 17 Sa 1567/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.02.2009
   
Leitsätze: Kündigung eines im öffentlichen Dienst einer Kommune beschäftigten Straßenbauers wegen der außerdienstlich begangenen Straftaten der Zuhälterei und des Menschenhandels.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bocholt
   

17 Sa 1567/08

5 Ca 1115/08 Ar­beits­ge­richt Bo­chum 2 AZR 293/09

 

Verkündet am 12.02.2009

Woisch­ke Re­gie­rungs­beschäftig­te als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

hat die 17. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 12.02.2009
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt Held-We­sen­dahl
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Spruch und Thie­le

für Recht er­kannt:

Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bo­chum vom 20.08.2008 - 5 Ca 1115/08 – wird zurück­ge­wie­sen.

Der Kläger trägt die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob das zwi­schen ih­nen be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten be­en­det ist.

Der am 17.12.1981 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te, ge­genüber zwei Kin­dern un­ter­halts­ver­pflich­te­te Kläger war seit dem 01.09.1998 zunächst als Aus­zu­bil­den­der, ab dem 21.07.2001 als Straßen­bau­er bei der Be­klag­ten mit ei­nem Brut­to­mo­nats­ge­halt von zu­letzt 2.315,42 € tätig.

Dem Ar­beits­verhält­nis liegt ein Ar­beits­ver­trag vom 20.07.2001 (Bl. 5, 6 d.A.) zu­grun­de. Gem. § 2 des Ver­tra­ges rich­te­te sich das Ar­beits­verhält­nis nach den Be­stim­mun­gen des Bun­des­man­tel­ta­rif­ver­tra­ges für Ar­bei­ter ge­meind­li­cher Ver­wal­tun­gen und Be­trie­be (BMT-G), des Be­zirks­zu­satz­ta­rif­ver­tra­ges (BZT-G/NRW) zum BMT-G und der die­se Ta­rif­verträge ergänzen­den, ändern­den oder er­set­zen­den Ta­rif­verträge in ih­rer je­weils gel­ten­den Fas­sung.

Seit dem 01.10.2005 ist auf das Ar­beits­verhält­nis der Ta­rif­ver­trag für den öffent­li­chen Dienst vom 13.09.2005 (TVöD-AT und TVöD-BT-V) an­wend­bar.

In der Zeit vom 01.02.2008 bis zum 25.02.2008 be­fand sich der Kläger in Un­ter­su­chungs­haft. Ihm wur­den Zuhälte­rei und Men­schen­han­del vor­ge­wor­fen.

Am 08.04.2008 nach Er­he­bung der An­kla­ge durch die Staats­an­walt­schaft we­gen Zuhälte­rei, vorsätz­li­cher Körper­ver­let­zung, er­pres­se­ri­schen Men­schraubs, Er­pres­sung und schwe­rer Men­schen­han­dels so­wie se­xu­el­ler Nöti­gung hörte die Be­klag­te den Kläger an. Er be­stritt die in der An­kla­ge­schrift ge­gen ihn er­ho­be­nen Vorwürfe und be­kräftig­te, dass die­se un­be­gründet sei­en, da al­les auf frei­wil­li­ger Ba­sis ab­ge­lau­fen sei.

Mit rechts­kräfti­gem Ur­teil vom 21.04.2008 ver­ur­teil­te das Land­ge­richt Bo­chum den Kläger we­gen ge­mein­schaft­li­cher Zuhälte­rei und we­gen Körper­ver­let­zung zu ei­ner Ge­samt­frei­heits­stra­fe von ei­nem Jahr und zehn Mo­na­ten und setz­te die Voll­stre­ckung der Stra­fe zur Bewährung aus.

Das Land­ge­richt stell­te fest, dass der Kläger mit sei­nem Ge­halt, das er bei der Stadt B1 er­ziel­te, nicht zu­frie­den war und sei­ner Auf­fas­sung nach ei­nen zusätz­li­chen Ver­dienst benötig­te, um sei­ne Fa­mi­lie zu ernähren. So fass­te er ge­mein­schaft­lich mit A1 A2 den Ent­schluss, im We­ge der Zuhälte­rei Geld zu ver­die­nen und aus Tsche­chi­en ein Mädchen zu

 

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ho­len, wel­ches für bei­de ar­bei­ten soll­te. Der Plan wur­de im März 2007 um­ge­setzt und die 18jähri­ge V3 D4, ei­ne Tsche­chin, vom Haupt­bahn­hof in C1 ab­ge­holt und nach B1 ver­bracht. In der Fol­ge­zeit ging die­se re­gelmäßig auf dem Straßen­strich in E1 und D3 der Pro­sti­tu­ti­on nach. Der Kläger er­ziel­te in der Zeit von März 2007 bis Ja­nu­ar 2008 nur „3.000,00 €" und be­schloss am 25.01.2008, Frau D4 nach Tsche­chi­en zurück­zu­brin­gen. Als sie sich wei­ger­te, ih­re Sa­chen zu­sam­men­zu­su­chen, schlug er sie mit ei­nem Gürtel ge­gen die Un­ter­schen­kel.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten der Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts Bo­chum so­wie sei­ner Be­weiswürdi­gung und sei­nen Erwägun­gen zur Straf­zu­mes­sung wird auf die von dem Kläger mit Schrift­satz vom 22.07.2008 vor­ge­leg­te Ko­pie (Bl. 54 bis 66 d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Am 05.04.2008, 08.04.2008 und 21.04.2008 er­schie­nen Pres­se­be­rich­te über die Ver­ur­tei­lung des Klägers, in de­nen je­weils auf sein Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten so­wie auf das von ihm an­ge­ge­be­ne Mo­tiv für die Straf­ta­ten, nämlich sein zu ge­rin­ges Ein­kom­men hin­ge­wie­sen wur­de. We­gen der Ein­zel­hei­ten der Pres­se­be­rich­te wird auf die von der Be­klag­ten mit Schrift­satz vom 03.06.2008 vor­ge­leg­ten Ko­pi­en (Bl. 25 bis 29 d.A.) ver­wie­sen.

Mit Schrei­ben vom 24.04.2008 (Bl. 21 bis 23 d.A.) teil­te die Be­klag­te dem Per­so­nal­rat ih­re Ab­sicht mit, das Ar­beits­verhält­nis zu dem Kläger or­dent­lich mit ei­ner Kündi­gungs­frist von drei Mo­na­ten zum Schluss ei­nes Ka­len­der­vier­tel­jah­res zu kündi­gen. Sie ver­wies auf sei­ne Ver­ur­tei­lung vom 21.04.2008 und führ­te aus, die­se ha­be zu ei­nem ho­hen Ver­trau­ens­scha­den in der Öffent­lich­keit geführt; die Straf­tat sei gra­vie­rend. Da­zu führ­te sie aus:

„Ge­ra­de der Schutz rund um Per­so­nen und das Ge­samt­sys­tem im Rot­licht­mi­lieu gehört zu ei­ner der wich­ti­gen Schutz­auf­ga­ben der Ge­mein­den, und ge­nau an die­ser Stel­le trifft die Straf­tat des Herrn S1 emp­find­lich in den Schutz­be­reich der Stadt B1. Sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung würde die Öffent­lich­keit als Hohn und An­griff auf ih­ren Schutz an­se­hen.

Die ört­li­che Pres­se hat die­se Straf­tat da­her be­son­ders in­ten­siv ver­folgt und um­fas­send darüber in­for­miert. Ex­em­pla­risch sei­en hier fol­gen­de Pres­se­ar­ti­kel ge­nannt:  

Mit Schrei­ben vom 02.05.2008 (Bl. 24 d.A.) teil­te der Per­so­nal­rat mit, ge­gen die be­ab­sich­tig­te Maßnah­me kei­ne Be­den­ken zu er­he­ben.

 

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Mit Schrei­ben vom 02.05.2008 (Bl. 7 d.A.) dem Kläger am 05.05.2008 zu­ge­gan­gen, kündig­te die Be­klag­te das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis zum 30.09.2008.

Mit sei­ner am 08.05.2008 bei dem Ar­beits­ge­richt Bo­chum ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge wen­det sich der Kläger ge­gen die Kündi­gung.

Er hat aus­geführt:

Trotz feh­len­der Bin­dung des Straf­ur­teils für das Ar­beits­ge­richt könne des­sen In­halt her­an­ge­zo­gen wer­den.

Es ge­he um ei­ne Straf­tat im Pri­vat­be­reich, die die dienst­li­chen Be­lan­ge der Be­klag­ten nicht berühre. Er un­ter­lie­ge nicht mehr der aus § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT her­ge­lei­te­ten Ne­ben­pflicht, sich so zu ver­hal­ten, wie es von An­gehöri­gen des öffent­li­chen Diens­tes er­war­tet wer­de. § 41 TVöD – BT-V ent­hal­te die­se Ver­pflich­tung nicht mehr.


Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten das Ar­beits­verhält­nis des öffent­li­chen Diens­tes dem Ar­beits­verhält­nis im pri­vat­recht­li­chen Be­reich annähern wol­len.

Als Straßen­bau­er ha­be er kei­nen dienst­li­chen Kon­takt zu Bürgern.

Ei­ne Schädi­gung des An­se­hens und des Ru­fes der Be­klag­ten mit der Fol­ge ei­ner Kündi­gung könne nicht al­lein mit der Tat­sa­che be­gründet wer­den, dass zu dem Straf­ver­fah­ren Pres­se­veröffent­li­chun­gen er­folgt sei­en.

Im Übri­gen würde sei­ne Re­so­zia­li­sie­rung durch die Kündi­gung kon­ter­ka­riert. Nach dem Grund­satz der „Ein­heit­lich­keit der Rechts­ord­nung" sei­en die Gründe, die zur Straf­aus­set­zung zur Bewährung geführt hätten, auch im Rah­men der Prüfung der So­zi­al­wid­rig­keit der Kündi­gung zu be­ach­ten.

Er be­strei­te die ord­nungs­gemäße Be­tei­li­gung des Per­so­nal­ra­tes.

Er hat be­an­tragt,

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung vom 02.05.2008 nicht auf­gelöst wor­den ist.

 

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Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT ent­hal­te ei­nen all­ge­mei­nen Grund­satz des öffent­li­chen Diens­tes, der für An­ge­stell­te und Ar­bei­ter gel­te und auch im Be­reich des TVöD zu be­ach­ten sei.

Die Straf­tat sei von er­heb­li­chem Ge­wicht und ha­be durch die um­fang­rei­che, in­ten­si­ve Be­richt­er­stat­tung mit ei­ner un­mit­tel­ba­ren Ver­knüpfung zwi­schen der Tat­be­ge­hung und der be­ruf­li­chen Tätig­keit des Klägers zu ei­ner rufschädi­gen­den Wir­kung geführt.

Ei­ne Ab­mah­nung sei ent­behr­lich ge­we­sen.

Mit Ur­teil vom 20.08.2008 hat das Ar­beits­ge­richt Bo­chum die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Es hat aus­geführt:

Die Kündi­gung sei nicht als ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung so­zi­al­wid­rig im Sin­ne des § 1 Abs. 2 KSchG. Die rechts­kräfti­ge Ver­ur­tei­lung des Klägers we­gen ge­mein­schaft­li­cher Zuhälte­rei und we­gen Körper­ver­let­zung recht­fer­ti­ge die Kündi­gung.

Gem. § 8 Abs. 1 BAT ha­be sich der An­ge­stell­te so zu ver­hal­ten, wie es von dem An­gehöri­gen des öffent­li­chen Diens­tes er­war­tet wer­de. Der Grund­satz gel­te auch für Ar­bei­ter. Dar­aus fol­ge, dass die dienst­li­che Ver­wend­bar­keit des Ar­beit­neh­mers durch außer­dienst­li­che Vorgänge be­ein­flusst wer­den könne.

Die außer­dienst­lich be­gan­ge­ne Straf­tat sei dann zur Recht­fer­ti­gung ei­ner Kündi­gung ge­eig­net, wenn sie ein ge­wis­ses Ge­wicht ha­be, et­wa bei über länge­re Zeit fort­ge­setz­ten Hand­lun­gen oder bei Straf­ta­ten, die in un­mit­tel­ba­rem Wi­der­spruch zu der Auf­ga­be der Beschäfti­gungs­behörde stünden oder die öffent­li­che Si­cher­heit und Ord­nung gefähr­den könn­ten.

Die­se Grundsätze hätten als all­ge­mei­ne Grundsätze des öffent­li­chen Diens­tes auch wei­ter­hin Gel­tung un­abhängig von der Neu­for­mu­lie­rung in § 41 TVöD-BT-V.

Der Kläger ha­be Straf­ta­ten von er­heb­li­chem Ge­wicht be­gan­gen.

 

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Sie sei­en auch ge­eig­net, das An­se­hen der Be­klag­ten in der Öffent­lich­keit zu schädi­gen. Es sei so­gar tatsächlich zu ei­ner Rufschädi­gung durch die um­fang­rei­chen Zei­tungs­be­richt­er­stat­tun­gen ge­kom­men.

Ei­ne Ab­mah­nung sei ent­behr­lich ge­we­sen.

Die In­ter­es­sen­abwägung er­ge­be, dass der Be­klag­ten die Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers nicht zu­mut­bar sei. Der Kläger sei als Straßen­bau­er zwar kein ex­po­nier­ter Re­präsen­tant des An­se­hens des öffent­li­chen Diens­tes. Sei­ne dienst­li­che Stel­lung ste­he nicht im Mit­tel­punkt der öffent­li­chen Wahr­neh­mung. Er neh­me auch nicht an den ho­heit­li­chen Auf­ga­ben der Be­klag­ten teil. Al­ler­dings sei zu be­ach­ten, dass durch die in­ten­si­ve Be­richt­er­stat­tung der Pres­se in der Öffent­lich­keit ein Zu­sam­men­hang zwi­schen den Straf­ta­ten des Klägers und sei­ner Beschäfti­gung bei der Be­klag­ten her­ge­stellt wor­den sei. Als Mo­tiv sei in der Be­richt­er­stat­tung das nach Mei­nung des Klägers zu ge­rin­ge Ge­halt bei der Be­klag­ten an­ge­ge­ben wor­den. Die­se Auf­fas­sung des Klägers fin­de sich auch in dem Straf­ur­teil. Zu berück­sich­ti­gen sei, dass die Straf­ta­ten über ei­nen Zeit­raum von zehn Mo­na­ten er­folgt sei­en.

Der Kläger könne im Übri­gen sei­nen er­lern­ten Be­ruf auch in der pri­va­ten Bau­bran­che ausüben.

Die Be­tei­li­gung des Per­so­nal­ra­tes sei ord­nungs­gemäß er­folgt. Nach den ent­spre­chen­den Dar­le­gun­gen der Be­klag­ten ha­be der Kläger sein Be­strei­ten nicht durch ent­spre­chen­den Sach­vor­trag ver­tieft.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils wird auf Bl. 69 bis 79 d.A. Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen das ihm am 15.09.2008 zu­ge­stell­te Ur­teil hat der Kläger am 14.10.2008 bei dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­hend Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 01.12.2008 am 01.12.2008 ein­ge­hend be­gründet.

Er rügt, zu Un­recht sei das Ar­beits­ge­richt Bo­chum da­von aus­ge­gan­gen, dass die Ver­pflich­tung des Beschäftig­ten im öffent­li­chen Dienst aus § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT als all­ge­mei­ner Grund­satz des öffent­li­chen Diens­tes auch wei­ter­hin Gel­tung be­an­spru­chen könne. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten sich nämlich bei der Neu­re­ge­lung in § 41 TVöD-BT-V

 

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von Grundsätzen des Be­am­ten­rech­tes ent­fer­nen und das Ar­beits­verhält­nis als „nor­ma­le Leis­tungs­aus­tausch­be­zie­hung" aus­ge­stal­ten wol­len.

Sei­ne aus­sch­ließlich im Pri­vat­be­reich lie­gen­den Straf­ta­ten sei­en des­halb un­er­heb­lich.

Es sei un­zulässig, bei der Fra­ge nach der Kündi­gungs­re­le­vanz sei­nes außer­dienst­li­chen Ver­hal­tens auf die mehr oder we­ni­ger um­fang­rei­che Pres­se­be­richt­er­stat­tung ab­zu­stel­len. Un­zulässig sei auch die Ver­knüpfung „Ge­halt bei der Be­klag­ten" mit „Mo­tiv für die Straf­tat". Ei­nem Vermögens­de­likt lie­ge in der Re­gel ei­ne sub­jek­tiv so emp­fun­de­ne, nicht aus­rei­chen­de fi­nan­zi­el­len Si­tua­ti­on zu­grun­de. Er ha­be zu kei­nem Zeit­punkt im Straf­ver­fah­ren ver­deut­licht, dass er sei­ne Ent­loh­nung bei der Be­klag­ten als un­an­ge­mes­sen nied­rig an­se­he.

Zu berück­sich­ti­gen sei auch, dass für ihn ei­ne po­si­ti­ve Zu­kunfts­pro­gno­se zu stel­len sei.

Die Be­klag­te ha­be bei ih­rem Kündi­gungs­ent­schluss nicht berück­sich­tigt, dass sie den bei ihr beschäftig­ten M3 T3 nach ei­ner Ver­ur­tei­lung vor Jah­ren zu ei­ner Haft­stra­fe we­gen Dro­gen­han­dels nicht ent­las­sen ha­be. Er sei im of­fe­nen Voll­zug ge­we­sen und von der Be­klag­ten wei­ter­beschäftigt wor­den.

Der Kläger be­an­tragt,

un­ter Abände­rung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Bo­chum vom 20.08.2008 fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung vom 02.05.2008 nicht auf­gelöst wor­den ist.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil un­ter Be­zug­nah­me auf ih­ren erst­in­stanz­li­chen Sach­vor­trag nebst Be­weis­an­trit­ten.

Sie stellt her­aus, dass die un­ein­sich­ti­ge Hal­tung des Klägers die Pro­gno­se zu­las­se, er wer­de auch in Zu­kunft Straf­ta­ten be­ge­hen, um sein „un­zu­rei­chen­des Ge­halt" auf­zu­bes­sern. Die Schwe­re der Ver­trags­ver­let­zun­gen und das Ge­wicht der Straf­ta­ten hätten bei ihr zu ei­nem Ver­trau­ens­ver­lust geführt, der sich auch zukünf­tig be­las­tend aus­wir­ken wer­de.

 

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Im Übri­gen hätten sich Mit­ar­bei­ter ge­wei­gert (Bl. 147 bis 149 d.A.), wei­ter­hin mit dem Kläger zu­sam­men­zu­ar­bei­ten.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Ak­te der Staats­an­walt­schaft Bo­chum 9 KLs 8 Js 65/08 bei­ge­zo­gen und zum Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung ge­macht.

We­gen des wei­te­ren Par­tei­vor­brin­gens wird auf den In­halt der ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie auf die Sit­zungs­pro­to­kol­le Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statt­haf­te und form- so­wie frist­ge­recht ein­ge­leg­te Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bo­chum vom 20.08.2008 ist un­be­gründet. Zu Recht hat das erst­in­stanz­li­che Ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Die zulässi­ge Kündi­gungs­schutz­kla­ge ist un­be­gründet. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en hat durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 02.05.2008 mit dem 30.06.2008 sein En­de ge­fun­den.

1. Die Kündi­gung ist nicht gem. § 74 Abs. 5 LPVG/NW un­wirk­sam.

Gem. § 74 Abs. 1 Satz 1 LPVG/NW wirkt der Per­so­nal­rat bei der or­dent­li­chen Kündi­gung mit. Gem. § 69 Abs. 1 LPVG/NW ist die be­ab­sich­tig­te Maßnah­me mit ihm recht­zei­tig und ein­ge­hend zu erörtern.

Die Be­klag­te hat hier den Per­so­nal­rat mit Schrei­ben vom 24.04.2008 ord­nungs­gemäß un­ter­rich­tet. Das Be­tei­li­gungs­ver­fah­ren war vor Zu­gang der Kündi­gung am 05.05.2008 auf­grund der Stel­lung­nah­me des Per­so­nal­ra­tes vom 02.05.2008 ab­ge­schlos­sen.

Ein­wen­dun­gen ge­gen die Ord­nungsmäßig­keit der Be­tei­li­gung wur­den vom Kläger ent­spre­chend im Be­ru­fungs­ver­fah­ren nicht mehr er­ho­ben.

 

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2. Die Kündi­gung ist durch Gründe in sei­nem Ver­hal­ten, die sei­ner Wei­ter­beschäfti­gung ent­ge­gen­ste­hen, so­zi­al ge­recht­fer­tigt, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

Er hat sei­ne Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis ver­letzt. Die In­ter­es­sen­abwägung muss­te zu sei­nen Las­ten aus­ge­hen.

Die Be­klag­te be­gründet die Kündi­gung un­ter Hin­weis auf das rechts­kräfti­ge Ur­teils des Land­ge­richts Bo­chum vom 21.04.2008 mit den von dem Kläger außer­halb des Diens­tes be­gan­ge­nen Straf­ta­ten der ge­mein­schaft­li­chen Zuhälte­rei und der Körper­ver­let­zung.

a. Außer­dienst­li­ches Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers recht­fer­tigt dann ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung, wenn es sich zu­gleich um ver­trags­wid­ri­ges Ver­hal­ten han­delt (vgl. KR-Grie­be­ling, 8. Aufl., § 1 KSchG Rd­nr. 450).

Gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT hat­te sich der An­ge­stell­te so zu ver­hal­ten, wie es von ei­nem An­gehöri­gen des öffent­li­chen Diens­tes er­war­tet wird. Wie das erst­in­stanz­li­che Ge­richt zu­tref­fend fest­ge­stellt hat, galt die­ser Grund­satz nicht nur für An­ge­stell­te, son­dern auch für Ar­bei­ter (vgl. BAG 28.08.1953 – 3 AZR 601/57, AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung). Der Ar­beit­neh­mer des öffent­li­chen Diens­tes war ta­rif­lich ver­pflich­tet, sich in­ner­halb und außer­halb des Diens­tes so zu ver­hal­ten, dass das An­se­hen des Ar­beit­ge­bers nicht be­ein­träch­tigt wur­de. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts konn­te die dienst­li­che Ver­wend­bar­keit des Ar­beit­neh­mers durch außer­dienst­li­che Vorgänge be­ein­flusst wer­den, da die Öffent­lich­keit das Ver­hal­ten ei­nes öffent­lich Be­diens­te­ten an ei­nem stren­ge­ren Maßstab misst als das pri­vat Beschäftig­ter ( BAG 08.06.2000 – 2 AZR 638/99, NZA 2000, 1282; 20.11.1997 – 2 AZR 643/96, NZA 1998, 323).

b. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers ist die Ver­pflich­tung des Beschäftig­ten des öffent­li­chen Diens­tes, in be­son­de­rem Maße auch sein pri­va­tes Ver­hal­ten an dem An­se­hen des öffent­li­chen Diens­tes aus­zu­rich­ten, nicht durch die Ände­rung des Ta­rif­rech­tes ent­fal­len.

Gem. § 41 TVöD-BT-V schul­det der Beschäftig­te des öffent­li­chen Diens­tes nun­mehr die ge­wis­sen­haf­te und ord­nungs­gemäße Ausführung der ver­trag­lich ge­schul­de­ten Leis­tung so­wie das Be­kennt­nis zur frei­heit­lich de­mo­kra­ti­schen Grund­ord­nung, wenn er bei dem Bund oder an­de­ren Ar­beit­ge­bern, die ho­heit­li­chen Tätig­kei­ten wahr­neh­men, beschäftigt ist. Durch sei­ne Straf­tat hat der Kläger nicht ge­gen die­se Ta­rif­vor­schrift ver­s­toßen.

 

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Die ta­rif­li­che Neu­re­ge­lung be­deu­tet je­doch nicht, dass jeg­li­che Ver­pflich­tung des Beschäftig­ten des öffent­li­chen Diens­tes, des­sen An­se­hen zu wah­ren, ent­fal­len ist. Gem. § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuld­verhält­nis nach sei­nem In­halt je­den Ver­trags­teil zur Rück­sicht auf die Rech­te, Rechtsgüter und In­ter­es­sen des an­de­ren Teils ver­pflich­ten. Zu den leis­tungs­be­zo­ge­nen Pflich­ten aus dem Schuld­verhält­nis tre­ten wei­te­re Ver­hal­tens- und Schutz­pflich­ten hin­zu, wo­bei In­halt und Um­fang von dem je­wei­li­gen Ver­trags­zweck, der Ver­kehrs­sit­te und den An­for­de­run­gen des red­li­chen Geschäfts­ver­kehrs abhängen (vgl. Pa­landt- Hein­richs, 68. Aufl., § 241 BGB Rd­nr. 6, 7). Auf das Ar­beits­verhält­nis be­zo­gen be­deu­tet § 241 Abs. 2 BGB, dass sich der Ar­beit­neh­mer für die In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers und das Ge­dei­hen des Be­triebs ein­set­zen und al­les un­ter­las­sen muss, was dem Ar­beit­ge­ber oder dem Be­trieb ab­träglich ist (vgl. BAG 17.10.1969 – 3 AZR 442/68, AP BGB § 611 Treue­pflicht Nr. 7; HWK-Thüsing, Ar­beits­recht Kom­men­tar, 3. Aufl., § 611 BGB Rd­nr. 347). Die in­halt­li­che Fest­le­gung der Ne­ben­pflich­ten des Ar­beit­neh­mers hat nach den be­son­de­ren Umständen des je­wei­li­gen Ar­beits­verhält­nis­ses so­wie nach der Ver­kehrs­sit­te zu er­fol­gen.

Zu den be­son­de­ren Umständen des Ar­beits­verhält­nis­ses im öffent­li­chen Dienst gehört es, dass der Ar­beit­ge­ber in be­son­de­rem Maße an Recht und Ge­setz ge­bun­den ist, dass er in er­heb­li­chem Um­fang ho­heit­li­che Auf­ga­ben wahr­nimmt und des­halb ganz be­son­ders auf das Ver­trau­en der Öffent­lich­keit an­ge­wie­sen ist. Dar­aus folgt die Ver­pflich­tung des Beschäftig­ten, Rück­sicht auf die­se be­son­de­ren In­ter­es­sen zu neh­men und auch sein Pri­vat­le­ben so zu ge­stal­ten, dass das Ver­trau­en der Öffent­lich­keit in die Red­lich­keit des öffent­li­chen Diens­tes nicht erschüttert, das An­se­hen des öffent­li­chen Ar­beit­ge­bers nicht be­ein­träch­tigt wird.

c. Außer­dienst­lich be­gan­ge­ne Straf­ta­ten des Beschäftig­ten sind al­ler­dings nur dann ge­eig­net, ei­ne Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen, wenn sie ein ge­wis­ses Ge­wicht ha­ben, et­wa bei über länge­re Zeit fort­ge­setz­ten Hand­lun­gen (BAG 20.11.1997 a.a.O.) oder bei Straf­ta­ten, die im un­mit­tel­ba­ren Wi­der­spruch zu den Auf­ga­ben der Beschäfti­gungs­behörde ste­hen (BAG 08.06.2000 a.a.O.; LAG Düssel­dorf 20.05.1980 – 19 Sa 624/79, EzA BGB § 626 n.F. Nr. 72; LAG Ber­lin-Bran­den­burg 19.01.2007 – 6 Sa 1726/06) oder die die öffent­li­che Si­cher­heit und Ord­nung gefähr­den können (BAG 14.02.1996 – 2 AZR 274/95, AP BGB § 626 Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung Nr. 26).

Die Straf­tat des Klägers ist von er­heb­li­chem Ge­wicht. Er hat sich über ei­nen Zeit­raum von März 2007 bis Ja­nu­ar 2008 we­gen ge­mein­schaft­li­cher Zuhälte­rei straf­bar ge­macht, und zwar in aus­beu­te­ri­scher und di­ri­gis­ti­scher Form, da er den weitüber­wie­gen­den Pro­sti­tu­ti­ons­erlös der V3 D4 für sich ver­ein­nahmt und Ort, Zeit und Aus­maß der Pro­sti­tu­ti­ons­ausübung

 

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ge­mein­sam mit ei­nem wei­te­ren Mann be­stimmt und über­wacht hat. Da­bei ist zu berück­sich­ti­gen, dass Frau D4 im März 2007 bei Auf­nah­me der Pro­sti­tu­ti­on in Deutsch­land erst 18 Jah­re alt war.

Das er­heb­li­che Ge­wicht sei­ner Straf­tat zeigt sich auch in der Straf­zu­mes­sung des Land­ge­richts Bo­chum.

Die Kam­mer durf­te die Fest­stel­lun­gen des Straf­ge­rich­tes sei­ner Ent­schei­dung zu­grun­de le­gen, da sie von den Par­tei­en nicht an­ge­grif­fen wor­den sind.

Die Straf­tat berührt den ho­heit­li­chen Auf­ga­ben­be­reich der Be­klag­ten, auch wenn sie nicht im Wi­der­spruch zu der kon­kre­ten Tätig­keit des Klägers steht. Gem. § 3 Abs. 1 OBG neh­men die Kom­mu­nen die Auf­ga­ben der ört­li­chen Ord­nungs­behörden wahr. Gem. § 1 OBG ha­ben die­se die Auf­ga­be, Ge­fah­ren für die öffent­li­che Si­cher­heit und Ord­nung ab­zu­weh­ren. Da­zu gehören auch die Ver­hin­de­rung il­le­ga­ler Pro­sti­tu­ti­on und der Schutz der sich im Rot­licht­mi­lieu be­we­gen­den Per­so­nen, wor­auf die Be­klag­te aus­drück­lich in der Per­so­nal­rats­anhörung hin­ge­wie­sen hat.

Die Straf­ta­ten sind ge­eig­net, ihr An­se­hen in der Öffent­lich­keit zu schädi­gen. Auf ei­ne mess­ba­re Be­ein­träch­ti­gung kommt es grundsätz­lich nicht an. Der Ar­beit­ge­ber darf ei­ner Rufschädi­gung ent­ge­gen­wir­ken, be­vor sich wei­te­re Ein­z­elfälle häufen und in der Öffent­lich­keit ein ne­ga­ti­ves Bild der Behörde ent­steht.

2. Die Kündi­gung ist nicht so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt, weil der Kläger an ei­nem an­de­ren Ar­beits­platz hätte wei­ter­beschäftigt wer­den können, § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 b KSchG.

Ist der Be­klag­ten die Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers auf dem bis­he­ri­gen Ar­beits­platz nicht zu­mut­bar, gilt das für den ge­sam­ten öffent­li­chen Dienst bei der Be­klag­ten. Die Möglich­keit ei­ner Ver­set­zung ist in der Re­gel nur bei ar­beits­platz­be­zo­ge­nen, aber nicht bei ar­beits­plat­z­un­abhängi­gen Kündi­gungs­gründen zu prüfen (BAG 08.06.2000 a.a.O.).

3. Die Kündi­gung verstößt nicht ge­gen den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz. Die­ser ge­bie­tet es dem Ar­beit­ge­ber, sei­ne Ar­beit­neh­mer oder Grup­pen von Ar­beit­neh­mern gleich zu be­han­deln, so­weit sie sich in glei­cher oder ver­gleich­ba­rer La­ge be­fin­den. Ver­bo­ten ist u.a. die willkürli­che Schlech­ter­stel­lung ein­zel­ner Ar­beit­neh­mer in­ner­halb ei­ner Grup­pe (vgl. HWK-Thüsing a.a.O. § 611 BGB Rd­nr. 182).

 

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Zwei­fel­haft ist schon, ob der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz im Hin­blick auf die in­di­vi­du­el­le Aus­ge­stal­tung des all­ge­mei­nen Kündi­gungs­schut­zes bei der Be­ur­tei­lung der So­zi­al­wid­rig­keit ei­ner Kündi­gung zu berück­sich­ti­gen ist (ver­nei­nend BAG 28.04.1982 – 7 AZR 1139/79, EzA § 2 KSchG Nr. 4; 22.02.1979 – 2 AZR 115/78, EzA § 103 Be­trVG 1972 Nr. 23; be­ja­hend Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richt 28.09.1993 – 5 (4) Sa 143/93, LA­GE § 620 BGB Gleich­be­hand­lung Nr. 1; SPV-Preis, 9. Aufl., § 1 KSchG Rd­nr. 319 bis 324; KR-Grie­be­ling a.a.O. § 1 KSchG Rd­nr. 233).

Die Fra­ge kann je­doch of­fen­blei­ben, weil sich schon der Stel­lung­nah­me des Klägers ei­ne Ver­let­zung des Grund­sat­zes nicht ent­neh­men lässt. Der Kläger ist nicht als ein­zel­ner Ar­beit­neh­mer schlech­ter ge­stellt wor­den als Ar­beit­neh­mer ei­ner ver­gleich­ba­ren Grup­pe. Es schon nicht fest­stell­bar, dass es sich bei dem Fall des Mit­ar­bei­ters T3 um ei­nen gleich­ge­la­ger­ten Sach­ver­halt han­delt. Wie im Rah­men der In­ter­es­sen­abwägung auf­zu­zei­gen ist, ist von ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Be­deu­tung, dass der Kläger im Straf­ver­fah­ren selbst ei­ne Ver­knüpfung der Straf­tat mit sei­nem Ar­beits­verhält­nis in­so­weit her­ge­stellt hat, als er als Mo­tiv das zu ge­rin­ge Ein­kom­men bei der Be­klag­ten an­ge­ge­ben und ent­spre­chend die Pres­se mehr­fach mit der Fol­ge ei­ner kon­kre­ten An­se­hens­be­ein­träch­ti­gung der Be­klag­ten be­rich­tet hat.

Dass die­se Be­son­der­heit des Sach­ver­hal­tes auch im Fall des Ar­beit­neh­mers T3 vor­lag, ist nicht er­kenn­bar. Ab­ge­se­hen da­von sind wei­te­re Ein­zel­fal­l­umstände zur Ver­gleich­bar­keit bei­der Fälle nicht vor­ge­tra­gen.

4. Die Be­klag­te hat­te dem Kläger nicht vor Kündi­gungs­aus­spruch nach dem Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit ei­ne Ab­mah­nung zu er­tei­len (vgl. zum Ab­mah­nungs­er­for­der­nis vor Aus­spruch ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung KR-Fi­scher­mei­er a.a.O. § 626 BGB Rd­nr. 257). Die­se ist im­mer dann ent­behr­lich, wenn es sich um schwer­wie­gen­de Pflicht­ver­let­zun­gen han­delt, de­ren Rechts­wid­rig­keit dem Ar­beit­neh­mer oh­ne wei­te­res er­kenn­bar ist und bei de­nen ei­ne Hin­nah­me des Ver­hal­tens of­fen­sicht­lich aus­ge­schlos­sen ist (vgl. KR-Fi­scher­mei­er a.a.O. § 626 BGB Rd­nr. 268). Ei­ne Ab­mah­nung ist auch dann ent­behr­lich, wenn durch künf­ti­ge Ver­trags­treue die ein­ge­tre­te­ne Erschütte­rung oder Zerstörung des Ver­trau­ens­verhält­nis­ses nicht mehr be­ho­ben wer­den kann (vgl. KR-Fi­scher­mei­er a.a.O. § 626 Rd­nr. 268).

Dem Kläger muss­te klar sein, dass die Be­ge­hung ins­be­son­de­re der Straf­tat der Zuhälte­rei als mas­si­ve Rechts­ver­let­zung sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung im öffent­li­chen Dienst in Fra­ge stel­len konn­te.

 

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Et­was an­de­res gilt auch nicht des­halb, weil die Be­klag­te in dem frühe­ren Fall des Mit­ar­bei­ters T3 von ei­ner Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ab­ge­se­hen hat. Durch die Ein­zel­fall­ent­schei­dung ist noch kein Ver­trau­en­stat­be­stand ent­stan­den, die Be­klag­te wer­de auch zukünf­tig die Ver­ur­tei­lung ei­nes Ar­beit­neh­mers zu ei­ner Haft­stra­fe auf Bewährung nicht zum An­lass ei­ner Kündi­gung neh­men. Ent­spre­chend hat sich der Kläger auch nicht auf ein der­ar­ti­ges Ver­trau­en be­ru­fen.

Zu Recht ver­weist die Be­klag­te ergänzend dar­auf, dass die ein­ge­tre­te­ne Störung des Ar­beits­verhält­nis­ses durch die Be­ein­träch­ti­gung ih­res An­se­hens in der Öffent­lich­keit nicht durch zukünf­ti­ges ver­trags­ge­rech­tes Ver­hal­ten be­sei­tigt wer­den kann.

5. Die In­ter­es­sen­abwägung führt zu dem Er­geb­nis, dass es der Be­klag­ten nicht zu­mut­bar ist, den Kläger wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Bei der Abwägung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen im Ein­zel­fall sind ins­be­son­de­re die dienst­li­che Stel­lung des Ar­beit­neh­mers, die ört­li­chen Verhält­nis­se und die Wir­kung der außer­dienst­li­chen Straf­tat auf die Öffent­lich­keit zu berück­sich­ti­gen (vgl. Cle­mens/Scheu­ring/St­ein­gen/ Wie­se, § 8 BAT Erläute­rung 7).

Zu Guns­ten des Klägers hat die Kam­mer berück­sich­tigt, dass er ge­genüber sei­ner Frau und sei­nen bei­den Kin­dern un­ter­halts­ver­pflich­tet und des­halb in be­son­de­rem Maße auf sein Ein­kom­men aus dem Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten an­ge­wie­sen ist. Er ist als Straßen­bau­er kein ex­po­nier­ter Re­präsen­tant des An­se­hens des öffent­li­chen Diens­tes, sei­ne dienst­li­che Stel­lung steht nicht im Mit­tel­punkt der öffent­li­chen Wahr­neh­mung.

Es mag für ihn auch ei­ne po­si­ti­ve Zu­kunfts­pro­gno­se hin­sicht­lich ei­nes zukünf­tig straf­frei­en Le­bens zu stel­len sein. Er hat bis zum Jah­re 2007 – so­weit fest­stell­bar – ein straf­frei­es Le­ben geführt. Straf­recht­lich re­le­van­te Ein­tra­gun­gen sind im Bun­des­zen­tral­re­gis­ter nicht (mehr) ver­zeich­net. Das Land­ge­richt Bo­chum hat ihn als Erst­verbüßer ei­ner Un­ter­su­chungs­haft als be­son­ders haft­emp­find­lich und be­ein­druck­bar be­zeich­net.

Der Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses ist auch zwei­fel­los der Re­so­zia­li­sie­rung dien­lich.

Zu sei­nen Las­ten muss­te die Kam­mer aber berück­sich­ti­gen, dass er in der Anhörung vom 08.04.2008 den Vor­wurf der Zuhälte­rei noch be­strit­ten und be­haup­tet hat, Frau D4 sei frei­wil­lig der Pro­sti­tu­ti­on nach­ge­gan­gen.

 

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Ent­schei­dend war aber, dass er selbst ei­ne Ver­knüpfung zwi­schen sei­nem Ar­beits­ein­kom­men und der Straf­tat her­ge­stellt hat. Nach den von ihm nicht an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts Bo­chum war er mit sei­nem Mo­nats­ent­gelt nicht zu­frie­den und hat des­halb im Straf­pro­zess erklärt, er ha­be ei­nen zusätz­li­chen Ver­dienst ge­braucht, um sei­ne Fa­mi­lie zu ernähren. Da­mit hat er in­di­rekt zu ver­ste­hen ge­ge­ben, ein Ent­gelt von 2.315,42 € brut­to rei­che nicht zur Exis­tenz­si­che­rung ei­ner im Tat­zeit­raum dreiköpfi­gen Fa­mi­lie aus, die Sor­ge um den Un­ter­halt sei­ner Frau und sei­nes Kin­des ha­be ihn zu der Straf­tat be­wo­gen. Mit die­ser Ver­knüpfung hat der Kläger dem An­se­hen der Be­klag­ten ganz kon­kret ge­scha­det. Denn über sei­ne Ein­las­sung ist mehr­fach in der Pres­se be­rich­tet wor­den. Die Straf­tat ei­nes Ar­bei­ters im öffent­li­chen Dienst der Stadt B1 hat ei­ne er­heb­li­che Auf­merk­sam­keit in der öffent­li­chen Mei­nung er­fah­ren.

In­so­weit un­ter­schei­det sich der Fall des Klägers we­sent­lich von dem von der er­ken­nen­den Kam­mer mit Ur­teil vom 19.04.2007 (17 Sa 32/07) ent­schie­de­nen Kündi­gungs­rechts­streit, in dem we­der der Ar­beit­neh­mer noch die Pres­se ei­nen Be­zug zu dem öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber her­ge­stellt hat­ten.

Es ist im Übri­gen nach der Le­bens­er­fah­rung an­zu­neh­men, dass die Pres­se­be­richt­er­stat­tung zu­min­dest von ei­nem Teil der Be­leg­schaft, ins­be­son­de­re von den Kol­le­gen des Klägers zur Kennt­nis ge­nom­men wur­de und Empörung aus­gelöst hat. Auf die erst nach Kündi­gungs­aus­spruch im Hin­blick auf das Be­ru­fungs­ver­fah­ren auf­ge­stell­ten Lis­ten der Mit­ar­bei­ter vom 16.01.2009 und 29.01.2009 kommt es nicht ent­schei­dend an.

Die Be­klag­te hat sich im Übri­gen auch nicht hin­sicht­lich ih­res Kündi­gungs­ent­schlus­ses da­durch selbst ge­bun­den, dass sie den we­gen ei­nes Dro­gen­de­lik­tes ver­ur­teil­ten Ar­beit­neh­mer T3 wei­ter­beschäftigt hat. Hat der Ar­beit­ge­ber in der Ver­gan­gen­heit bei be­stimm­ten Pflicht­ver­let­zun­gen stets und nicht nur we­gen der Be­son­der­hei­ten des Ein­zel­falls kei­ne kündi­gungs­recht­li­chen Fol­gen ge­zo­gen, son­dern sich mit mil­de­ren Maßnah­men be­gnügt, kann ei­ne Selbst­bin­dung ent­ste­hen (vgl. KR-Gri­be­ling a.a.O. § 1 KSchG Rd­nr. 234). Dafür reicht es je­doch nicht aus, dass die Be­klag­te ein­ma­lig vor vie­len Jah­ren bei ei­nem straffälli­gen Mit­ar­bei­ter von dem Aus­spruch ei­ner Kündi­gung ab­ge­se­hen hat.

6. Die Be­klag­te hat die Kündi­gungs­frist des § 34 Abs. 1 TVöD-AT von vier Mo­na­ten zum Quar­tals­en­de ge­wahrt.

 

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II.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Zu­las­sung der Re­vi­si­on aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der kla­gen­den Par­tei Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.

Für die be­klag­te Par­tei ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat schrift­lich beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuß-Platz 1

99084 Er­furt

Fax: (0361) 2636 - 2000

ein­ge­legt wer­den.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

1. Rechts­anwälte,
2. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
3. ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Nr. 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung der Mit­glie­der die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on oder ei­nes an­de­ren Ver­ban­des oder Zu­sam­men­schlus­ses mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

In den Fällen der Zif­fern 2 und 3 müssen die Per­so­nen, die die Re­vi­si­ons­schrift un­ter­zeich­nen, die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Ei­ne Par­tei, die als Be­vollmäch­tig­te zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten.

* Ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

 

Held-We­sen­dahl 

Spruch 

Thie­le
/Woi.

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