HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

SG Ber­lin, Ur­teil vom 29.05.2006, S 77 AL 961/06

   
Schlagworte: Arbeitslosengeld: Erziehungszeit
   
Gericht: Sozialgericht Berlin
Aktenzeichen: S 77 AL 961/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 29.05.2006
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

So­zi­al­ge­richt Ber­lin
S 77 AL 961 / 06 

 

verkündet am:
29.05.2006

als Ur­kunds­be­am­ter
der Geschäfts­stel­le

 

IM NA­MEN DES VOL­KES

Ur­teil

In dem Rechts­streit

 

- Kläge­rin

ge­gen

Bun­des­agen­tur für Ar­beit, ver­tre­ten durch den Vor­stand

- Be­klag­te -

 

hat die 77. Kam­mer des So­zi­al­ge­richts Ber­lin durch ih­ren Vor­sit­zen­den, den Rich­ter am So­zi­al­ge­richt Rud­nik,
und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Müller und Jensch
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 29. Mai 2006 für Recht er­kannt:

1. Der Be­scheid der Be­klag­ten vom 19. De­zem­ber 2005 in der Ge­stalt des Wi­der­spruchs­be­schei­des vom 10. Fe­bru­ar 2006 in der Form des Be­schei­des vom 11. April 2006 in' der Form des Tei­la­n­er­kennt­nis­ses vom 29. Mai 2006 wird ab­geändert.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, der Kläge­rin seit 1. De­zem­ber 2005 Ar­beits­lo­sen­geld auf der Grund­la­ge ei­nes Be­mes­sungs­ent­gelts von 135,13 Eu­ro täglich zu gewähren.

3. Die Be­klag­te hat der Kläge­rin de­ren außer­ge­richt­li­che Kos­ten des Rechts­strei­tes zu er­stat­ten.

4. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

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Tat­be­stand:

Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die Höhe des An­spruchs der Kläge­rin auf Ar­beits­lo­sen­geld.

Die 1966 ge­bo­re­ne Kläge­rin ab­sol­vier­te er­folg­reich ei­ne Aus­bil­dung zur staat­lich ge­prüften Be­triebs­wir­tin an der ### bis Ju­ni 1995. Sie war seit 1. März 1996 bei der ### GmbH (Ar­beit­ge­be­rin) als Ge­biets­lei­te­rin Gas­tro beschäftigt. Sie ar­bei­te­te in ei­ner Fünf­ta­ge­wo­che 38 St­un­den wöchent­lich, ### Sie brach­te am ### 2001 ih­re Toch­ter ### und am 2002 ih­ren Sohn ### zur Welt und nutz­te bis 15. Au­gust 2005 die El­tern­zeit und un­ter­brach dafür ih­re Er­werbstätig­keit. Sie war seit 7. April 2001 für die Ge­burt ih­rer Toch­ter im Mut­ter­schutz. Die Kläge­rin er­hielt un­ter An­rech­nung des Mut­ter­schafts­gel­des Er­zie­hungs­geld für die Er­zie­hung der Toch­ter für sechs Mo­na­te und für die Er­zie­hung des Soh­nes für 12 Mo­na­te. Darüber hin­aus er­hielt sie kein Er­zie­hungs­geld we­gen des Ein­kom­mens des Va­ters der Kin­der.

Die Ar­beit­ge­be­rin kündig­te ihr mit Schrei­ben vom 11. Mai 2005 frist­gemäß zum 30. No­vem­ber 2005.
Die Kläge­rin er­ziel­te in den Mo­na­ten Ju­li bis Ok­to­ber 2000 mo­nat­li­che ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Brut­to­einkünf­te in Höhe von je­weils 3.327,23 EUR, im No­vem­ber 2000 von 6.369,93 EUR, im De­zem­ber 2000 von 6.207,41 EUR, in den Mo­na­ten Ja­nu­ar und Fe­bru­ar 2001 je­weils in Höhe von 3.327,24 EUR im März 2001 von 4.857,33 EUR und im April 2001 von 980,83 EUR. Nach Wie­der­auf­nah­me der Beschäfti­gung am 16. Au­gust 2005 er­hielt die Kläge­rin Ar­beits­ent­gelt im Mo­nat Au­gust 2005 in Höhe von 1.784,24 EUR, in den Mo­na­ten Sep­tem­ber und Ok­to­ber 2005 je­weils 3.417,78 EUR und für den Mo­nat No­vem­ber 2005 in Höhe von 4.684,25 EUR, die bis zum Aus­schei­den der Kläge­rin durch die Ar­beit­ge­be­rin mo­nat­lich ab­ge­rech­net wa­ren.

Am 20. Ok­to­ber 2005 be­an­trag­te die Kläge­rin Ar­beits­lo­sen­geld und mel­de­te sich zum 1. De­zem­ber 2005 bei der Be­klag­ten ar­beits­los.
Die Be­klag­te be­wil­lig­te der Kläge­rin mit Be­scheid vom 19. De­zem­ber 2005 Ar­beits­lo­sen­geld ab 1. De­zem­ber 2006 für 360 Ta­ge in ei­ner Höhe von 29,05 EUR täglich. Grund­la­ge der Be­rech­nung war ein tägli­ches Be­mes­sungs­ent­gelt von 64,40 EUR, wo­bei die Be­klag­te den erhöhten Leis­tungs­satz und die Steu­er­klas­se II berück­sich­tig­te.

Ge­gen die Ent­schei­dung der Be­klag­ten hin­sicht­lich der Höhe der Leis­tung leg­te die Kläge­rin mit Schrei­ben vom 19. Ja­nu­ar 2006 Wi­der­spruch ein. Es hätte die El­tern­zeit der Kläge­rin vom

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16. Ju­li 2001 bis 15. Au­gust 2005 der­art berück­sich­tigt wer­den müssen, dass sie nach § 130 rr Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Drit­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch — Ar­beitsförde­rung in der Fas­sung seit 1. Ja­nu­ar 2005 (SGB III) gänz­lich außer Be­tracht zu blei­ben hat­te. Da­durch hätte sich ein höhe­rer Leis­tungs­be­trag er­ge­ben. Die fik­ti­ve Be­rech­nung der Be­klag­ten fiih­re re­gelmäßig zu ei­ner Schlech­ter­stel­lung der El­tern, die von der El­tern­zeit Ge­brauch ma­chen.

Den Wi­der­spruch wies die Be­klag­te mit Wi­der­spruchs­be­scheid vom 10. Fe­bru­ar 2006 zurück. Könne ein Be­mes­sungs­zeit­raum von min­des­tens 150 Ta­gen selbst im auf zwei Jah­re er­wei­ter­ten Be­mes­sungs­rah­men nicht fest­ge­stellt wer­den, sei ein fik­ti­ves Ar­beits­ent­gelt zu Grun­de zu le­gen. Im Be­mes­sungs­zeit­raum vom 16. Au­gust bis 30. No­vem­ber 2005 ha­be die Kläge­rin zwar ein tägli­ches Ent­gelt von durch­schnitt­lich 123,34 EUR. er­zielt. Je­doch um­fas­se der Zeit­raum nur 107 Ta­ge. Es sei des­halb ein fik­ti­ves Be­mes­sungs­ent­gelt von 64,40 EUR täglich nach der Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe III an­zu­wen­den. Die aus­geübte Beschäfti­gung der Kläge­rin er­for­de­re kei­ne an­de­re Qua­li­fi­ka­ti­ons­stu­fe,

Die Kläge­rin ver­folgt mit ih­rer Kla­ge vom ### 2006 ihr Be­geh­ren wei­ter. Sie ist der Auf­fas­sung, dass Grund­rech­te der Kläge­rin und das eu­ro­pa­recht­li­che Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot für Frau­en ver­letzt würden, wenn Mütter, die die zweijähri­ge El­tern­zeit für je­des Kind nut­zen würden, so­dann ei­nen An­spruch auf Ar­beits­lo­sen­geld nur nach der ungüns­ti­ge­ren fik­ti­ven Be­mes­sung er­hiel­ten.
Nach ei­ner ent­spre­chen­den Ent­schei­dung der Kam­mer im Ver­fah­ren des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes be­wil­lig­te die Be­klag­te der Kläge­rin mit Be­scheid vom 11. April 2006 Ar­beits­lo­sen­geld ab 14. März 2006 vorläufig auf der Grund­la­ge von 80,50 EUR täglich nach der Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe II. Im Rah­men der münd­li­chen Ver­hand­lung er­kann­te die Be­klag­te den An­spruch der Kläge­rin auf Gewährung von Ar­beits­lo­sen­geld ab 1. De­zem­ber 2005 auf der Grund­la­ge ei­nes Be­mes­sungs­ent­gelts von 80,50 EUR täglich an. Die Kläge­rin nahm das Tei­la­n­er­kennt­nis der Be­klag­ten an.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

1. den Be­scheid der Be­klag­ten vom 19. De­zem­ber 2005 in der Ge­stalt des Wi­der­spruchs­be­schei­des vom 10. Fe­bru­ar 2006 in der Form des Be­schei­des vom 11. April 2006 in der Form des Tei­la­n­er­kennt­nis­ses vom 29. Mai 2006 ab­zuändern,

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, der Kläge­rin seit 1. De­zem­ber 2005 Ar­beits­lo­sen­geld auf der Grund­la­ge ei­nes Be­mes­sungs­ent­gelts von 135,13 EUR täglich zu gewähren.

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Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hält ih­re Ent­schei­dun­gen in der Form des Tei­la­n­er­kennt­nis­sees fiir rechtmäßig. Ei­ne an­de­re Ent­schei­dung wer­de durch die neue Ge­set­zes­la­ge nicht er­laubt.

Der Kam­mer ha­ben außer den Pro­zess­ak­ten die Ver­wal­tungs­vorgänge der Be­klag­ten vor­ge­le­gen. Sie wa­ren Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung. We­gen der Ein­zel­hei­ten des Sach­ver­hal­tes und des wei­te­ren Vor­brin­gens der Be­tei­lig­ten wird auf die Schriftsätze, das Pro­to­koll und den Ak­ten­in­halt Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die Kläge­rin hat An­spruch auf Zah­lung höhe­ren Ar­beits­lo­sen­gel­des. Die Be­klag­te hat das Ar­beits­lo­sen­geld der Kläge­rin auf der Grund­la­ge ei­nes tägli­chen Be­mes­sungs­ent­gelts von min­des­tens 135,13 EUR zu gewähren, weil die Er­zie­hungs­zei­ten nach § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III der­art außer Be­tracht zu blei­ben ha­ben, dass sich der Be­mes­sungs­rah­men um die­se Zei­ten er­wei­tert. Die an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dun­gen der Be­klag­ten ver­let­zen des­halb Rech­te der Kläge­rin.

Nach § 129 Nr. 1 Var. 1 SGB III beträgt das Ar­beits­lo­sen­geld für Ar­beits­lo­se, die min­des­tens ein Kind im Sin­ne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes ha­ben, 67 Pro­zent (erhöhter Leis­tungs­satz) des pau­scha­lier­ten Net­to­ent­gelts (Leis­tungs­ent­gelt), das sich aus dem Brut­to­ent­gelt er­gibt, das der Ar­beits­lo­se im Be­mes­sungs­zeit­raum er­zielt hat (Be­mes­sungs­ent­gelt).

Der Be­mes­sungs­zeit­raum um­fasst gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III die beim Aus­schei­den des Ar­beits­lo­sen aus dem je­wei­li­gen Beschäfti­gungs­verhält­nis ab­ge­rech­ne­ten Ent­gel­tab­rech­nungs­zeiträume der ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäfti­gun­gen im Be­mes­sungs­rah­men. Der Be­mes­sungs­rah­men um­fasst ein Jahr; er en­det mit dem letz­ten Tag des letz­ten Ver­si­che­rungs­pflicht­verhältuis­ses vor der Ent­ste­hung des An­spruchs (§ 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III).

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Zei­ten, in de­nen der Ar­beits­lo­se Er­zie­hungs­geld be­zo­gen oder nur we­gen der Berück­sich­ti­gung von Ein­kom­men nicht be­zo­gen hat oder ein Kind un­ter drei Jah­ren be­treut und er­zo­gen hat, wenn we­gen der Be­treu­ung und Er­zie­hung des Kin­des das Ar­beits­ent­gelt oder die durch­schnitt­li­che wöchent­li­che Ar­beits­zeit ge­min­dert war, blei­ben nach § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III bei der Er­mitt­lung des Be­mes­sungs­zeit­raums außer Be­tracht.
Der Be­mes­sungs­rah­men wird nach § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB III auf zwei Jah­re er­wei­tert, wenn der Be­mes­sungs­zeit­raum we­ni­ger als 150 Ta­ge mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt enthält (Nr. 1) oder es mit Rück­sicht auf das Be­mes­sungs­ent­gelt im er­wei­ter­ten Be­mes­sungs­rah­men un­bil­lig hart wäre, von dem Be­mes­sungs­ent­gelt im Be­mes­sungs­zeit­raum aus­zu­ge­hen (Nr. 2). Satz 1 Nr. 2 ist nur an­zu­wen­den, wenn der Ar­beits­lo­se dies ver­langt und die zur Be­mes­sung er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen vor­legt.
Kann ein Be­mes­sungs­zeit­raum von min­des­tens 150 Ta­gen mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt in­ner­halb des auf zwei Jah­re er­wei­ter­ten Be­mes­sungs­rah­mens nicht fest­ge­stellt wer­den, ist als Be­mes­sungs­ent­gelt ein fik­ti­ves Ar­beits­ent­gelt zu­grun­de zu le­gen (§ 132 Abs. 1 SGB III).

Die Be­klag­te gewährt der Kläge­rin Ar­beits­lo­sen­geld auf Grund fik­ti­ver Be­mes­sung nach § 132 SGB III. Da­bei ist zwi­schen den Be­tei­lig­ten nach dem Tei­la­n­er­kennt­nis der Be­klag­ten zu­tref­fend un­strei­tig, dass für die fik­ti­ve Be­mes­sung ein Ent­gelt nach der Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe II im Sin­ne von § 132 Abs. 2 Satz 2 SGB III maßgeb­lich wäre, wenn ei­ne fik­ti­ve Be­mes­sung vor­zu­neh­men wäre. Dies ist zur Über­zeu­gung des Ge­richts in­des nicht der Fall.

Nach Auf­fas­sung der Kam­mer er­gibt sich ein Be­mes­sungs­zeit­raum mit mehr als 150 Ta­gen, nämlich mit min­des­tens 295 Ta­gen (s.u.). Im Fal­le der Kläge­rin um­fass­te der Be­mes­sungs­rah­men den Zeit­raum von ei­nem Jahr un­ter Aus­spa­rung der Er­zie­hungs­zei­ten.
Dies er­gibt sich dar­aus, dass nach An­sicht der Kam­mer § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen ist, dass die in der Vor­schrift ge­nann­ten Er­zie­hungs­zei­ten der­art für die Er­mitt­lung des Be­mes­sungs­zeit­raums außer Be­tracht zu blei­ben ha­ben, dass der Be­mes­sungs­rah­men ent­spre­chend er­wei­tert wird (eben­so Brand in Nie­sel: SGB III, § 130 Rn. 9; Rolfs in Ga­gel: SGB III, § 130 Rn. 34: es han­de­le sich um Auf­schub­zei­ten; a.A.: Beh­rend in Ei­cher/Schle­gel: SGB III § 130 Rn. 80). Da­bei kann of­fen ge­las­sen wer­den, ob die­se Er­wei­te­rung ent­spre­chend § 130 Abs. 3 Satz 2 SGB III nur auf Ver­lan­gen des Ar­beits­lo­sen vor­zu­neh­men ist oder von vorn­her­ein zu berück­sich­ti­gen ist. Im Fal­le der Kläge­rin hat die­se je­den­falls ei­ne ent­spre­chen­de Er­wei­te­rung spätes­tens mit ih­rem Wi­der­spruch gel­tend ge­macht.

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Die­se Aus­le­gung ent­spricht dem Wort­laut der Vor­schrift, der Re­ge­lungs­sys­te­ma­tik, dem 11. Wil­len des his­to­ri­schen Ge­setz­ge­bers und den Re­ge­lungs­zwe­cken.
Sie berück­sich­tigt be­griff­lich, dass die frag­li­chen Zei­ten bei der „Er­mitt­lung" des Be­mes­sungs­zeit­rau­mes „außer Be­tracht" blei­ben sol­len. Auch wenn der Ge­setz­ge­ber nun­mehr den Be­griff des Be­mes­sungs­rah­mens ne­ben dem des Be­mes­sungs­zeit­rau­mes ver­wen­det und bei­de ei­nen un­ter­schied­li­chen In­halt ha­ben und strikt von­ein­an­der un­ter­schie­den wer­den müssen (BSG Urt. v. 02.09.2004, B 7 AL 63/03 R), er­gibt sich nun aus § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III, dass der Rechts­be­griff des Be­mes­sungs­rah­mens ei­ne recht­li­che Funk­ti­on le­dig­lich bei der Er­mitt­lung des Be­mes­sungs­zeit­rau­mes hat. Das Ge­setz knüpft in kei­nem an­de­ren Zu­sam­men­hang an den Be­griff des Be­mes­sungs­rah­mens, son­dern nur an den des Be­mes­sungs­zeit­rau­mes an. Der In­halt des Be­griffs des Be­mes­sungs­rah­mens kann des­halb nur im Zu­sam­men­hang mit dem des Be­mes­sungs­zeit­rau­mes geklärt wer­den.
Der von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­te Be­griff des Be­mes­sungs­rah­mens erfährt durch die nun er­folg­te ge­setz­ge­be­ri­sche Aus­ge­stal­tung ei­ne Wand­lung. Bei der Be­stim­mung des Be­mes­sungs­zeit­raums war nach bis­he­ri­ger Recht­spre­chung zunächst der Be­mes­sungs­rah­men fest­zu­le­gen, der sich vom En­de des letz­ten Ver­si­che­rungs­pflicht­verhält­nis­ses vor Ent­ste­hung des An­spruchs rückwärts ka­len­dermäßig nach Wo­chen (52 Wo­chen) be­rech­ne­te und ka­len­da­risch ab­lief (BSG Urt. v. 02.09.2004, B 7 AL 68/03 R; Paw­lak in Spell­brin­klEi­cher: Kas­se­ler Hand­buch des Ar­beitsförde­rungs­rechts, 2003, § 11 Rn. 43, 46 ff.). Der Be­mes­sungs­zeit­raum muss­te nicht vollständig im Be­mes­sungs­rah­men lie­gen; es reich­te aus, wenn Ab­rech­nungs­zeiträume in ihn hin­ein­rag­ten, um noch zum Be­mes­sungs­zeit­raum zu gehören (Paw­lak ebd. Rn. 43 m.w.N. der BSG-Recht­spre­chung). Der Be­mes­sungs­rah­men konn­te dy­na­misch suk­zes­si­ve verlängert wer­den, bis die 39 Wo­chen er­reicht wa­ren (§ 130 Abs. 2 SGB III a.F.) und konn­te le­dig­lich über die drei Jah­re nach § 133 Abs. 4 SGB III a.F. grundsätz­lich nicht hin­aus­ge­hen (Paw­lak ebd. Rn. 68, 69). Der Be­griff der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung zum frühe­ren Recht berück­sich­tig­te da­bei al­so, dass in § 133 Abs. 4 SGB III a.F. ein Be­mes­sungs­zeit­raum in­ner­halb der ma­xi­ma­len Dau­er des Be­mes­sungs­rah­mens ei­nen be­stimm­ten Um­fang ge­habt ha­ben muss­te (39 Wo­chen), falls kei­ne fik­ti­ve Be­mes­sung er­fol­gen soll­te.
Dies ist nun an­ders.
Nun­mehr ist aus­sch­ließlich die Dau­er des Be­mes­sungs­zeit­rau­mes für die fik­ti­ve Be­mes­sung re­le­vant und der Be­mes­sungs­rah­men Tat­be­stand­merk­mal des Be­mes­sungs­zeit­raums, weil die­ser we­gen § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III nun­mehr vollständig in­ner­halb des Be­mes­sungs­rah­mens lie­gen muss (Beh­rend in Ei­cher/Schle­gel: SGB III, § 130 Rn. 50; Rolfs in Ga­gel: SGB III, § 130 Rn. 9; a.A: Brand in Nie­sel: SGB III, § 130 Rn. 2, wohl in

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An­knüpfung an die bis­he­ri­ge Rspr.). Die­ser be­grenzt den Be­mes­sungs­zeit­raum eben­so wie an­de­re Tat­be­stands­merk­ma­le (Ent­gelt­zeiträume, Ab­rech­nungs­zeiträume usw.). Ei­ne wei­ter­ge­hen­de Funk­ti­on hat er nicht. Der Be­mes­sungs­rah­men kennt nicht mehr die Gren­ze von drei Jah­ren, beträgt grundsätz­lich ein Jahr und kann nach § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB III um ein wei­te­res Jahr verlängert wer­den.
§ 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III sagt nicht, bei wel­cher Prüfungs­ebe­ne zur Er­mitt­lung des Be­mes­sungs­zeit­raums die ge­nann­ten Er­zie­hungs­zei­ten außer Be­tracht blei­ben sol­len. Der in­so­weit ver­wen­de­te Be­griff der „Er­mitt­lung" klam­mert se­man­tisch nicht den äußeren zeit­li­chen Rah­men, wie er durch den Be­mes­sungs­rah­men vor­ge­ge­ben wird, aus. Er lässt sich weit ver­ste­hen und muss nach sei­nem be­griff­li­chen Ge­halt weit ver­stan­den wer­den, so dass al­le Umstände, die Aus­wir­kun­gen auf den Be­mes­sungs­zeit­raum ha­ben können, ein­fließen dürfen, al­so auch der Be­mes­sungs­rah­men.
Auch der Wort­laut von § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB III spricht nicht da­ge­gen, dass der Be­mes­sungs­rah­men nicht auch in den Fällen von § 130 Abs. 2 SGB III er­wei­tert wer­den könne. Er be­stimmt le­dig­lich, in wel­chen Fällen die Er­wei­te­rung um ei­nen ge­setz­lich be­reits vor­ge­schrie­be­nen star­ren Zeit­raum, nämlich um ge­nau ein Jahr, zu er­wei­tern ist. Die Vor­schrift sagt nach ih­rem Wort­laut auch nicht, dass nur oder aus­sch­ließlich in den bei­den auf­ge­lis­te­ten Fällen ei­ne Er­wei­te­rung zu er­fol­gen hat. Man kann da­her Abs. 3 der Vor­schrift als star­re und Abs. 2 als dy­na­mi­sche Er­wei­te­rungs­re­ge­lung des Be­mes­sungs­rah­mens le­sen.
Mit­hin er­laubt der Wort­laut der drei Absätze des § 130 SGB III ein Verständ­nis da­hin­ge­hend, dass grundsätz­lich die Ar­beits­ent­gel­tab­rech­nungs­zeiträume im Be­mes­sungs­rah­men von ei­nem Jahr den Be­mes­sungs­zeit­raum bil­den (Abs. 1), dass aus­nahms­wei­se be­stimm­te Zei­ten abhängig von ih­rer je­wei­li­gen Dau­er nicht in den Be­mes­sungs­zeit­raum und (u.U.) auch nicht in den Be­mes­sungs­rah­men ein­fließen dürfen und die­sen dy­na­misch verlängern können (Abs. 2) und dass schließlich in be­stimm­ten Fällen ei­ne star­re Er­wei­te­rung des Be­mes­sungs­rah­mens er­fol­gen muss (Abs. 3).

Im Ver­gleich des Wort­lau­tes mit der Vorgänger­re­ge­lung § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. er­gibt sich über­dies, dass § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III (n.F.) nicht nur in den Fällen des Be­zu­ges von Ar­beits­ent­gelt an­ge­wen­det wer­den soll. Während nämlich von der ent­spre­chen­den Vorgänger­re­ge­lung nur sol­che Er­zie­hen­de er­fasst wur­den, „so­weit we­gen der Be­treu­ung oder Er­zie­hung ei­nes Kin­des das Ar­beits­lo­sen­geld oder die re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit ge­min­dert war", wer­den jetzt Er­zie­hungs­geld-Empfänger oh­ne Rück­sicht auf ei­ne Min­de­rung der Ar­beits­zeit ein­be­zo­gen. Ei­ne ent­spre­chen­de Ein­schränkung fin­det sich nur für die Zei­ten der Kin­der­er­zie­hung in Var. 3.

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Das be­deu­tet, dass durch die Neu­re­ge­lung in § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III aus­drück­lich auch sol­che Be­rech­tig­te ein­be­zo­gen sind, die ne­ben der Er­zie­hung nicht (in Teil­zeit) ge­ar­bei­tet ha­ben (Var. 1 und 2 — Be­zug von Er­zie­hungs­geld oder ein­kom­mens­be­ding­ter Nicht­be­zug von Er­zie­hungs­geld). Dar­aus er­gibt sich, dass die be­son­de­re Schutz­vor­schrift auch für be­stimm­te Zei­ten oh­ne Ar­beits­ent­gelt­be­zug gilt, so dass sie in sol­chen Fällen ih­ren An­wen­dungs­be­reich nur im Hin­blick auf den Be­mes­sungs­rah­men erhält. Zei­ten oh­ne Ar­beits­ent­gelt blei­ben sonst schon nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III un­berück­sich­tigt. Wer­den die­se Zei­ten nun aber von der Schutz­vor­schrift er­fasst, muss ih­re Funk­ti­on wei­ter­rei­chen als nur bis zum Aus­schluss in­ner­halb des Be­mes­sungs­rah­mens. Wäre die da­mit ver­bun­de­ne Ände­rung nicht ge­wollt ge­we­sen, hätte der Ge­setz­ge­ber ein­fach die Vorgänger­re­ge­lung wort­gleich über­neh­men können.

Ein sol­ches Verständ­nis setzt sich auch nicht in Wi­der­spruch zu an­de­ren ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen und steht mit der Ge­set­zes­sys­te­ma­tik in Ein­klang. Viel­mehr berück­sich­tigt es die Re­ge­lungs­zwe­cke an­de­rer Vor­schrif­ten (s.u.), ins­be­son­de­re des Ver­fas­sungs­rechts und des eu­ro­pa­recht­li­chen Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­tes ge­genüber Frau­en und er­scheint da­her auch aus sys­te­ma­ti­schen Gründen vor­zugswürdig. § 132 SGB III läuft da­mit auch nicht leer, weil di­ver­se, nicht von §§ 130 Abs. 2 Satz 1 SGB III er­fass­te Fall­kon­stel­la­tio­nen ei­ne fik­ti­ve Be­rech­nung er­for­dern (z.B. Be­zug von Kran­ken­geld über 19 Mo­na­te hin­aus, Zei­ten be­fris­te­ter Er­werbs­min­de­rungs­ren­ten).

Die Aus­le­gung ver­schafft dem Wil­len des his­to­ri­schen Ge­setz­ge­bers Gel­tung und berück­sich­tigt die Re­ge­lungs­zwe­cke der Vor­schrift selbst als auch die ver­fas­sungs­recht­li­chen und eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­ga­ben.
Die hier an­zu­wen­den­de ge­setz­li­che Re­ge­lung wur­de vom letz­ten Bun­des­tag durch das Drit­te Ge­setz für mo­der­ne Dienst­leis­tun­gen am Ar­beits­markt vom 23.12.2003 (BGBl. 12848 — sog. Hartz-III-Ge­setz) mit Wir­kung ab 1. Ja­nu­ar 2005 ein­gefügt und er­setz­te die ent­spre­chen­den Vorgänger­re­ge­lun­gen.
Das Ge­setz war von den Frak­tio­nen der SPD und Bünd­nis 90/Die Grünen in den Bun­des­tag ein­ge­bracht wor­den. Die­se be­gründe­ten die Neu­re­ge­lun­gen vor al­lem mit den Zie­len ei­ner ef­fi­zi­en­te­ren und ef­fek­ti­ve­ren Aus­ge­stal­tung des ar­beits­markt­po­li­ti­schen In­stru­men­ta­ri­ums, ei­ner durch­grei­fen­den Ver­ein­fa­chung des Leis­tungs­rechts und neu­er Struk­tu­ren der Bun­des­an­stalt für Ar­beit. Ne­ben den struk­tu­rel­len Or­ga­ni­sa­ti­ons­verände­run­gen und der Ver­fah­rens­re­form soll­te in­halt­lich das Leis­tungs­recht mit Blick auf ei­ne unbüro­kra­ti­sche An­wen­dung grund­le­gend ver­ein­facht und da­mit trans­pa­ren­ter ge­stal­tet wer­den. (BT- Drucks. 15/1515 S. 71)

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Ziel der Re­form­be­stre­bun­gen sei es des­halb ge­we­sen, die Viel­falt und Kom­ple­xität der Re­ge­lun­gen zurück­zuführen und das Ver­wal­tungs­ver­fah­ren deut­lich und nach­hal­tig zu ver­ein­fa­chen. Ver­wal­tungs­ver­ein­fa­chung sei nur zu er­rei­chen, wenn de­tail­lier­te Ein­zel­fall­re­ge­lun­gen durch ein größeres Maß an Pau­scha­lie­rung er­setzt würden. Die vor­ge­se­he­nen Neu­re­ge­lun­gen könn­ten sich im Ein­zel­fall so­wohl zu Guns­ten als auch zu Un­guns­ten des Be­trof­fe­nen aus­wir­ken, oh­ne das Si­che­rungs­ni­veau der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung ins­ge­samt zu be­ein­träch­ti­gen. Sie ziel­ten nicht auf Leis­tungs­ein­schränkun­gen für die Be­zie­her von Ar­beits­lo­sen­geld. (BT-Drucks. 15/1515 S. 73)

Zur Neu­re­ge­lung des § 130 SGB III führt die Be­gründung des Ge­set­zes­ent­wurf aus:

„Zur Ver­ein­fa­chung sol­len im Be­mes­sungs­zeit­raum nur noch Zei­ten ei­ner ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäfti­gung berück­sich­tigt wer­den. Al­le übri­gen Ver­si­che­rungs­pflicht­verhält­nis­se, de­nen ein be­son­de­res Ent­gelt zu­ge­ord­net ist, was zu kom­pli­zier­ten Be­rech­nun­gen fährt, blei­ben künf­tig außer Be­tracht.
Zu Ab­satz 1
Die Vor­schrift fasst die bis­he­ri­gen §§ 130 und 131 zur Fest­le­gung des Be­mes­sungs­zeit­rau­mes zu­sam­men und nimmt den durch die Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Be­griff des Be­mes­sungs­rah­mens auf. Zur Ver­ein­fa­chung und An­glei­chung an die übri­gen So­zi­al­ver­si­che­rungs­zwei­ge wird die bis­he­ri­ge Wo­chen­be­trach­tungs­wei­se auf ei­ne Jah­res- bzw. Ta­ges­be­trach­tungs­wei­se um­ge­stellt.
Zu Ab­satz 2
Die hier ge­nann­ten aty­pi­schen Beschäfti­gungs­sach­ver­hal­te sol­len bei der Leis­tungs­be­mes­sung außer Be­tracht blei­ben, um un­bil­li­ge Be­mes­sungs­er­geb­nis­se zu ver­hin­dern.
Zu Ab­satz 3:
Der Be­mes­sungs­zeit­raum soll statt bis­her 39 Wo­chen künf­tig min­des­tens 150 Ta­ge um­fas­sen, um die Zahl fik­ti­ver Be­mes­sun­gen zu ver­min­dern.
Die Er­wei­te­rung des Be­mes­sungs­rah­mens löst die bis­he­ri­ge suk­zes­si­ve Er­wei­te­rung um ein­zel­ne Ab­rech­nungs­zeiträume ab.
In­fol­ge der künf­tig ein­heit­li­chen An­wart­schafts­zeit von zwölf Mo­na­ten (§ 123) können die Son­der­re­ge­lun­gen zum Be­mes­sungs­zeit­raum für Sai­son­ar­beit­neh­mer, Wehr- und Zi­vil­dienst­leis­ten­de ent­fal­len."
(BT- Drucks. 15/1515 S. 85)

Aus den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en er­gibt sich mit­hin, dass le­dig­lich das Recht durch stärke­re Pau­scha­lie­rung ver­ein­facht, nicht aber das Leis­tungs­ni­veau ab­ge­senkt wer­den soll­te. Le­dig­lich die im Rah­men ei­ner Pau­scha­lie­rung ty­pi­scher­wei­se auf­tre­ten­den Ver­schlech­te­run­gen im Ein­zel­fall (wie auch die im Ein­zel­fall mit ei­ner Pau­scha­lie­rung auf­tre­ten­den Ver­bes­se­run­gen) wur­den ins Au­ge ge­fasst. Darüber hin­aus soll­ten die in § 130 Abs. 2 SGB III be­zeich­ne­ten Aus­nah­men von die­sen Re­ge­lungs­zwe­cken zur Ver­mei­dung un­bil­li­ger Be­mes­sungs­er­geb­nis­se zu­ge­las­sen wer­den. In­so­fern neh­men die Vor­schlags­frak­tio­nen of­fen­sicht­lich kom­pli­zier­te­re Be­rech­nun­gen in Kauf
Zum Be­mes­sungs­rah­men wur­de le­dig­lich mit­ge­teilt, dass hier ein Be­griff der Recht­spre­chung auf­ge­nom­men wur­de. Es wur­de nicht näher an­ge­ge­ben, wie die­ser Be­griff zu ver­ste­hen sei und in­wie­weit durch die Neu­re­ge­lung der auf­ge­grif­fe­ne Be­griff der Recht­spre­chung mo­di­fi­ziert wer­de.

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Im Hin­blick auf die Stel­lung im Ge­setz als Aus­nah­me­re­ge­lung er­gibt sich, dass die Re­ge­lun­gen des § 130 Abs. 2 SGB III aus­sch­ließlich zu­guns­ten der Be­trof­fe­nen wir­ken sol­len, al­so als Schutz­vor­schrif­ten vor un­bil­li­gen Be­mes­sungs­er­geb­nis­sen zu ver­ste­hen sind. Grundsätz­lich soll nach dem tatsächli­chen Ar­beits­ent­gelt die Leis­tung be­mes­sen wer­den. Re­ge­lungs­zweck der Aus­nah­me­vor­schrift des Abs. 2 ist der Rück­griff auf güns­ti­ge­re Ar­beits­ent­gel­te für be­son­ders zu fördern­de Per­so­nen­grup­pen.
Die Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en spre­chen da­mit nicht ge­gen die hier ge­fun­de­ne Aus­le­gung. Im Ge­gen­teil: sie spre­chen ge­gen die Pra­xis der Be­klag­ten in Fall­kon­stel­la­tio­nen, in de­nen El­tern­tei­le un­mit­tel­bar nach In­an­spruch­nah­me des an der mögli­chen Be­zugs­zeit des El­tern­gel­des ori­en­tier­ten zweijähri­gen Er­zie­hungs­ur­lau­bes vom Ar­beit­ge­ber ent­las­sen wer­den, das Be­mes­sungs­ent­gelt ungüns­tig fik­tiv zu be­mes­sen.
Nach der al­ten Rechts­la­ge er­folg­te bei le­dig­lich zweijähri­gem Er­zie­hungs­ur­laub kei­ne fik­ti­ve Be­mes­sung, weil in­ner­halb des Be­mes­sungs­rah­mens von drei Jah­ren (§ 133 Abs. 4 SGB III a.F.) min­des­tens 39 Wo­chen mit Ar­beits­ent­gelt vor­han­den wa­ren/sein konn­ten. Nach der ak­tu­el­len Ver­wal­tungs­pra­xis der Be­klag­ten ist dies aus­ge­schlos­sen.
Bei länge­rer Er­zie­hungs­zeit (z.B. nach Ge­burt meh­re­rer Kin­der oder un­ter Ausschöpfung der Ver­si­che­rungs­pflicht­zeit nach § 26 Abs. 2a SGB III (in der Fas­sung seit 01.01.2003) Er­zie­hung von Kin­dern un­ter drei Jah­ren, wenn un­mit­tel­bar zu­vor Ver­si­che­rungs­pflicht be­stand) durf­te we­gen der al­ten Re­ge­lung die Er­zie­hungs­zeit eben­falls nicht für den Be­mes­sungs­zeit­raum berück­sich­tigt wer­den (§ 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F.).
In­so­weit war um­strit­ten, ob die be­son­de­re Schutz­re­ge­lung des § 131 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a.F. den Be­mes­sungs­rah­men über die Drei­jah­res­frist des § 133 Abs. 4 SGB III a.F. hin­aus verlängern konn­te. Zu berück­sich­ti­gen war da­bei, dass Art. 6 Abs. 4 GG ei­nen bin­den­den Auf­trag an den Ge­setz­ge­ber für Schutz und Fürsor­ge ge­genüber den Müttern enthält und die Bin­dungs­wir­kung des Grund­rechts für das ge­sam­te pri­va­te und öffent­li­che Recht und für al­le staat­li­chen Stel­len bei der Ge­set­zes­an­wen­dung und —aus­le­gung gilt. Ins­be­son­de­re ver­bie­tet Art. 6 Abs. 4 GG je­de Dis­kri­mi­nie­rung und ver­engt den im Rah­men des all­ge­mei­nen Gleich­heits­sat­zes be­ste­hen­den Ge­stal­tungs­spiel­raum des Ge­setz­ge­bers zu Guns­ten der Mütter (so auch BSG Urt. vom 21.10.2003 — B 7 AL 28/03 R — m.w.N.). Aus Art. 6 Abs. 4 GG kann je­doch nicht ab­ge­lei­tet wer­den, dass der Ge­setz­ge­ber ge­hal­ten wäre, je­de mit der Mut­ter­schaft zu­sam­menhängen­de wirt­schaft­li­che Be­las­tung (ins­be­son­de­re auf dem Ge­biet der So­zi­al­ver­si­che­rung) aus­zu­glei­chen (st. Rspr.).
Dar­aus wur­de et­wa vom LSG NRW (Urt. v. 10.03.2004, L 12 AL 83/03) ein Vor­rang von § 133 Abs. 4 SGB III a.F. vor § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. mit der Be­gründung an­ge­nom­men, dass der Ge­setz­ge­ber bei der fik­ti­ven Be­mes­sung je­doch Leis­tung nach dem re­le­van­ten Ta­rif­ver­trag vor­ge­schrie­ben ha­be, so dass die Nicht­berück­sich­ti­gung le­dig­lich

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über­ta­rif­li­cher Ent­gel­te ei­ne noch zu­mut­ba­re Be­las­tung dar­stel­le. Dass dies zu­tref­fend ist, be­zwei­felt die Kam­mer schon des­we­gen, weil in den von § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. be­trof­fe­nen Fällen durch die fik­ti­ve Be­mes­sung ei­ne Gleich­be­hand­lung mit Be­rech­tig­ten, die ih­ren An­spruch aus­sch­ließlich durch Ar­beit als Straf­ge­fan­ge­ne er­wor­ben ha­ben, we­gen § 135 Nr. 3 SGB III a.F. her­ge­stellt würde. Ei­ne be­son­de­re Fürsor­ge ge­genüber den von der Schutz­vor­schrift des § 131 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a.F. vor­ran­gig be­trof­fe­nen Müttern lässt sich dar­in nicht er­ken­nen, wenn in der Be­mes­sung über­ta­rif­li­che Ent­gel­te, die ver­bei­tragt wur­den, nicht berück­sich­tigt wer­den.
Für den vor­lie­gen­den Rechts­streit muss die­ses Pro­blem je­doch nicht ab­sch­ließend geklärt wer­den, weil der Ge­setz­ge­ber durch die Verkürzung des Be­mes­sungs­rah­mens (je­den­falls in al­len nicht von § 130 Abs. 2 SGB III er­fass­ten Fällen) auf ma­xi­mal zwei Jah­re und ei­ne dras­ti­sche Re­du­zie­rung der fik­ti­ven Be­mes­sungs­ent­gel­te we­sent­li­che Ände­run­gen vor­ge­nom­men hat. Die­se Ände­run­gen las­sen nach An­sicht der Kam­mer ernst­haft ei­ne Ver­let­zung des Grund­rechts nach Art. 6 Abs. 4 GG be­sor­gen, woll­te man die Schutz­re­ge­lung des § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III nicht zur Verlänge­rung des Be­mes­sungs­rah­mens bemühen.

Die fik­ti­ve Be­mes­sung be­wirkt im Ge­gen­satz zu den Ge­set­zes­zwe­cken im Re­gel­fall ei­ne deut­li­che Re­du­zie­rung der Leis­tungs­ansprüche. Die Ge­set­zes­be­gründung teilt nicht mit, wie sich die Pau­schal­beträge und ih­re Ab­stu­fung be­gründen:

„Zu § 132
Sind auch in dem er­wei­ter­ten Be­mes­sungs­rah­men we­ni­ger als 150 Ta­ge mit ver­si­che­rungs­pflich­ti­gem Ar­beits­ent­gelt ent­hal­ten, wird das für die Be­rech­nung des Ar­beits­lo­sen­gel­des zu­grun­de zu le­gen­de Be­mes­sungs­ent­gelt fik­tiv be­stimmt. An­ders als bis­her er­folgt die fik­ti­ve Leis­tungs­be­mes­sung nicht mehr nach dem in­di­vi­du­ell er­ziel­ba­ren ta­rif­li­chen Ar­beits­ent­gelt, son­dern — ver­wal­tungs­ein­fach — nach ei­ner pau­scha­lie­ren­den Re­ge­lung. Da­nach rich­tet sich die fik­ti­ve Leis­tungs­be­mes­sung nach Qua­li­fi­ka­ti­ons­stu­fen, de­nen je­weils ein an die Be­zugs­größe der So­zi­al­ver­si­che­rung ge­kop­pel­tes Ent­gelt zu­ge­ord­net ist. Wie bis­her rich­tet sich die­se Fest­set­zung nach den Beschäfti­gun­gen, auf die die Ar­beits­ver­wal­tung die Ver­mitt­lungs­bemühun­gen für den Ar­beits­lo­sen — un­ter Berück­sich­ti­gung des in Be­tracht kom­men­den Ar­beits­an­ge­bo­tes — in ers­ter Li­nie zu er­stre­cken hat."
(BT- Drucks. 15/1515 S. 85 f.)

Die tatsächli­chen Wer­te wi­der­spre­chen der aus­drück­li­chen Be­gründung des Ge­set­zes, bis auf die mit der Pau­scha­lie­rung als sol­che ver­bun­de­nen, le­dig­lich im Ein­zel­fall ein­tre­ten­den Nach­tei­le kei­ne Ver­schlech­te­rung des Leis­tungs­ni­veaus vor­zu­se­hen.
Dies er­gibt sich aus der Ab­stu­fung der Pau­schal­beträge und dem je­wei­li­gen Verhält­nis zur Be­zugs­größe. Es wer­den nach § 132 Abs. 2 SGB III für Ar­beits­lo­se oh­ne ab­ge­schlos­se­ne Be­rufs­aus­bil­dung (Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe IV) fik­ti­ve Ent­gel­te in Höhe von ei­nem Sechs­hun­derts­tel der Be­zugs­größe, bei Fach­ar­bei­tern/Fach­an­ge­stell­ten (Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe III) von ei­nem Vier­hun­dertfünf­zig­s­tel, bei Fach­schul­ab­sol­ven­ten/

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Meis­ter (Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe TI) von ei­nem Drei­hun­dert­sech­zig­s­tel und bei Hoch­schul­ab­sol­ven­ten (Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe I) von ei­nem Drei­hun­derts­tel der Be­zugs­größe be­rech­net. Die Be­zugs­größe ist gemäß § 18 Abs. 1 SGB IV das Durch­schnitts­ent­gelt der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung im vor­ver­gan­ge­nen Ka­len­der­jahr, auf­ge­run­det auf den nächsthöhe­ren durch 420 teil­ba­ren Be­trag.
Dar­aus er­gibt sich, dass tägli­che fik­ti­ve Be­mes­sungs­ent­gel­te für Ar­beits­lo­se oh­ne ab­ge­schlos­se­ne Be­rufs­aus­bil­dung in Höhe von ca. 60 Pro­zent, für Fach­ar­bei­ter/Fach­an­ge­stell­te von ca. 80 Pro­zent, für Fach­schul­ab­sol­ven­ten für ca. 100 Pro­zent und für Hoch­schul­ab­sol­ven­ten für ca. 120 Pro­zent des ren­ten­recht­lich ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Durch­schnitts­ent­gelts an­ge­setzt wer­den sol­len. Der Ge­setz­ge­ber teilt nicht mit, wie er auf die­se Sätze kommt.
Die­se Pau­schal­wer­te führen im Re­gel­fall zu ei­ner deut­li­chen Ab­sen­kung der re­le­van­ten Be­mes­sungs­grund­la­ge.
Dies ist nicht nur nicht vom Ge­setz­ge­ber ge­wollt, son­dern auch ver­fas­sungs­wid­rig. Es verstößt, je­den­falls in den von § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 SGB III er­fass­ten Fällen ge­gen Art. 3, 6, 14 GG. Zwar hat der Ge­setz­ge­ber ge­ra­de bei der Ge­stal­tung so­zi­al­recht­li­cher Re­ge­lung ei­nen wei­ten Ge­stal­tungs­spiel­raum. Er hat je­doch da­bei nach ständi­ger Recht­spre­chung des BVerfG Gren­zen ein­zu­hal­ten.
Er ver­letzt das Grund­recht nach Art. 3 GG, wenn er ei­ne Grup­pe von Nor­madres­sa­ten an­ders als ei­ne an­de­re be­han­delt, ob­wohl zwi­schen bei­den Grup­pen kei­ne Un­ter­schie­de von sol­cher Art und sol­chem Ge­wicht be­ste­hen, dass sie die un­glei­che Be­hand­lung recht­fer­ti­gen könn­ten (vgl. BVerfGE 100, 59, 90; 87, 1, 36; 92, 53, 68 f.; 95, 143, 153 f.; 96, 315, 325; st. Rspr.). Bei der Ord­nung von Mas­sen­er­schei­nun­gen wie im vor­lie­gen­den Fall ist der Ge­setz­ge­ber be­rech­tigt, ge­ne­ra­li­sie­ren­de, ty­pi­sie­ren­de und pau­scha­lie­ren­de Re­ge­lun­gen zu ver­wen­den, oh­ne al­lein we­gen der da­mit ver­bun­de­nen Härten ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz zu ver­s­toßen. Al­ler­dings setzt ei­ne zulässi­ge Ty­pi­sie­rung und Pau­scha­lie­rung vor­aus, dass die­se Härten nur un­ter Schwie­rig­kei­ten ver­meid­bar wären (vgl. BVerfGE 100, 59, 90 m.w.N.; st. Rspr.), le­dig­lich ei­ne verhält­nismäßig klei­ne Zahl von Per­so­nen be­tref­fen und der Ver­s­toß ge­gen den Gleich­heits­satz nicht sehr in­ten­siv ist (vgl. BVerfGE 100, 59, 90 m.w.N.).
Ein die­se Maßstäbe igno­rie­ren­der Ein­griff in ein Ei­gen­tums­recht, wie das durch Beiträge er­wor­be­ne Recht auf Ar­beits­lo­sen­geld, wäre we­gen Un­zu­mut­bar­keit des Ein­griffs eben­falls ver­fas­sungs­wid­rig.
Darüber hin­aus hat der Ge­setz­ge­ber den be­son­de­ren Schutz- und Fürsor­ge­auf­trag von Art. 6 Abs. 4 GG ge­genüber Müttern zu be­ach­ten, wo­durch sich sein Hand­lungs­spiel­raum über die durch Art. 3 GG vor­ge­ge­be­nen Gren­zen wei­ter ein­schränkt (s.o.). Da­bei sind Re­ge­lun­gen, auch wenn sie sich nicht aus­drück­lich nur auf Mütter, son­dern auch auf Väter be­zie­hen, dem

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be­son­de­ren Schutz­be­reich von Art. 6 Abs. 4 GG be­reits dann un­ter­wor­fen, wenn sie tatsächlich ganz über­wie­gend Mütter be­tref­fen. Dies ist bei Re­ge­lun­gen zur Er­zie­hungs­zeit der Fall, da nur ein ge­ra­de­zu ver­schwin­dend ge­rin­ger Teil der Väter die­se Möglich­kei­ten in An­spruch nimmt (et­wa ein Zwan­zigs­tel der Be­rech­tig­ten). Glei­ches gilt für die Vor­ga­ben zur Ver­mei­dung in­di­rek­ter Dis­kri­mi­nie­rung durch das eu­ro­pa­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­ge­bot ge­genüber Frau­en.
Wer­den Pau­schalsätze so fest­ge­legt, dass ty­pi­scher Wei­se die Be­trof­fe­nen da­durch be­nach­tei­ligt wer­den, weil sich die Pau­scha­len nicht am Re­gel­fall, d.h. am durch­schnitt­li­chen Sach­ver­halt ori­en­tie­ren, ent­ste­hen Härten, die nicht nur un­ter Schwie­rig­kei­ten ver­meid­bar wären und nicht nur ei­nen verhält­nismäßig klei­nen Teil der Be­trof­fe­nen be­tref­fen. Außer­dem nimmt bei ei­ner Fest­le­gung der Pau­scha­len un­ter­halb des je­wei­li­gen Durch­schnitts die In­ten­sität der Nach­tei­le für die ober­halb des Durch­schnitts an­zu­sie­deln­den Be­trof­fe­nen pro­por­tio­nal mit der Ab­wei­chung vom Durch­schnitt zu. Ab­wei­chun­gen vom Durch­schnitt sind je­doch zulässig, wenn der Ge­setz­ge­ber dafür vernünf­ti­ge oder zu­min­dest ein­leuch­ten­de Re­ge­lungs­zie­le ver­folgt.

Durch die Fest­le­gung der Pau­scha­len er­folgt ei­ne er­heb­li­che Ab­sen­kung der Be­mes­sungs­grund­la­ge für das Ar­beits­lo­sen­geld, die Pau­schal­wer­te er­schei­nen hin­sicht­lich ih­rer Er­mitt­lung nicht plau­si­bel und es lässt sich je­den­falls für die von § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 SGB III er­fass­ten Fall­kon­stel­la­tio­nen ein vernünf­ti­ger oder auch nur ein­leuch­ten­der Re­ge­lungs­zweck nicht er­ken­nen.
Der An­satz für die un- und an­ge­lern­ten Ar­beits­lo­sen in § 132 Abs. 2 SGB III er­scheint ent­schie­den zu nied­rig. So ist die Kam­mer da­von über­zeugt, dass Ar­beit­neh­mer oh­ne ab­ge­schlos­se­ne Be­rufs­aus­bil­dung re­gelmäßig mehr als 68 Pro­zent des Durch­schnitts­ent­gelts und nicht nur 60 Pro­zent des­sel­ben ver­die­nen. Die Sach­verständi­gen­kom­mis­si­on des Eu­ro­pa­ra­tes geht da­von aus, dass ein an­ge­mes­se­nes Ein­kom­men im Sin­ne von Art. 4 Abs. 1 Eu­ropäische So­zi­al­char­ta min­des­tens 68 Pro­zent des na­tio­na­len Durch­schnitts­ver­diens­tes beträgt (Pe­ter, Ar­buR 1999, 289, 294). Die Kam­mer ist sich si­cher, dass die Bun­des­re­pu­blik, die die Eu­ropäische So­zi­al­char­ta ra­ti­fi­ziert hat, die­se Maßstäbe einhält und nur im Ein­zel­fall Ab­wei­chun­gen auf­tre­ten.
So lag 2001 nur in 2 der 21 Wirt­schafts­be­rei­che der An­la­ge 14 zum SGB VI der Durch­schnitts­ver­dienst der Ar­beit­neh­mer oh­ne ab­ge­schlos­se­ne Be­rufs­aus­bil­dung (Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe 5 An­la­gen 13, 14 zum SGB VI) bei 60 Pro­zent der Be­zugs­größe für das Jahr 2001. Al­le an­de­ren Wirt­schaft­be­rei­che zahl­ten durch­schnitt­lich höhe­re, über­wie­gend deut­lich höhe­re Ar­beits­ent­gel­te.

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Die Kam­mer kann auf die Wer­te der Ta­bel­len der An­la­ge 14 zum SGB VI ab­stel­len, weil hier — nach den glei­chen Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pen wie in § 132 SGB VI (die Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pen 2 und 3 der An­la­ge 13 zum SGB VI sind von § 132 zur Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe II zu­sam­men­ge­fasst wor­den) — die durch­schnitt­li­chen Ar­beits­ent­gel­te nie­der­ge­legt sind. Es han­delt sich bei die­sen Ta­bel­len­wer­ten um sta­tis­ti­sche Wer­te von Ge­set­zes­rang, die sämt­li­che so­zi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäfti­gungs­verhält­nis­se er­fas­sen. Sie sind in­so­fern be­son­ders aus­sa­ge­kräftig. Auch die Wer­te für die an­de­ren Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pen er­schei­nen nicht plau­si­bel.
So la­gen im Jahr 2001 in 9 der 21 Wirt­schaft­be­rei­che nach An­la­ge 14 zum SGB VI die Durch­schnitts­ver­diens­te der Fach­ar­bei­ter/Fach­an­ge­stell­ten ober­halb der Be­zugs­größe für das Jahr 2001 (in den Wirt­schafts­be­rei­chen Ta­bel­le Nr. 1 — 24 % über der Be­zugs­größe, 2 — 9% darüber, 3 — 2% darüber, 4 — 8% darüber, 5 — 2% darüber, 6 — 10% darüber, 7 — 8% darüber, 11 — 13% darüber, 15 — 14% darüber). Wei­te­re 8 la­gen eben­falls deut­lich über den 80 % des § 132 SGB III (8 - 90% der Be­zugs­größe, 9 - 91%, 10 - 96%, 14 - 87%, 14 - 99%, 17 - 84%, 19 - 83% und 21 - 86% der Be­zugs­größe). Der ge­rings­te Durch­schnitts­ver­dienst von Fach­ar­bei­tern (das pro­du­zie­ren­de Hand­werk — Wirt­schafts­be­reich 13) lag bei 72 Pro­zent der Be­zugs­größe. Dies al­les spricht dafür, dass auch für die Fach­ar­bei­ter/Fach­an­ge­stell­ten in Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe III nach § 132 SGB III ein zu nied­ri­ger An­satz gewählt wur­de.
Für die Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe II gilt Ähn­li­ches. Hier la­gen ins­ge­samt 20 der 21 Wirt­schafts­be­rei­che mit ih­ren Durch­schnitts­ver­diens­ten der Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe 2 über der Be­zugs­größe 2001 (1 — 165% der Be­zugs­größe, 2 — 145%, 3 — 136%, 4 — 144%, 5 — 136%, 6 — 147%, 7 — 144%, 8 — 120%, 9 — 121%, 10 — 128%, 11 — 151%, 12 — 120%, 14 — 116%, 15 — 151%, 16 — 132%, 17 — 111%, 18 108%, 19 —116%, 20 — 102%, 21 — 114%). Le­dig­lich das pro­du­zie­ren­de Hand­werk (Ta­bel­le 13) lag mit dem dor­ti­gen Durch­schnitts­ge­halt um 4,5% un­ter der Be­zugs­größe. Im li­nea­ren Durch­schnitt (im Un­ter­schied zu ei­ner Wich­tung nach der Zahl der im je­wei­li­gen Wirt­schafts­be­reich Beschäftig­ten mit ent­spre­chen­der Qua­li­fi­ka­ti­on) der Wirt­schafts­be­rei­che lag der Durch­schnitts­ver­dienst der Fach­schul­ab­sol­ven­ten bei 128,7 Pro­zent der Be­zugs­größe und nicht bei 100 Pro­zent.
Die Durch­schnitts­gehälter der Hoch­schul­ab­sol­ven­ten la­gen in sämt­li­chen Wirt­schaft­be­rei­chen deut­lich über de­nen der Fach­schul­ab­sol­ven­ten.
Über­dies muss be­ach­tet wer­den, dass im Ge­gen­satz zur frühe­ren Re­ge­lung, die auf die ak­tu­el­len Ta­rif­verträge ab­stell­te, mit der Be­zugs­größe oh­ne­hin ein zwei Jah­re al­ter Durch­schnitts­wert Maßstab der Be­mes­sung ist, der zwar an­ge­passt wird, aber der ak­tu­el­len Ent­wick­lung doch im­mer zwei Jah­re hin­ter­her hinkt. So lag der vorläufi­ge Durch­schnitts­ver­dienst in der Ren­ten­ver­si­che­rung 2005 um 2 Pro­zent über der Be­zugs­größe

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(2004: 1,5 %, 2003: 2,3%, 2002: 1,3%). Al­lein durch die­sen Maßstab er­gibt sich al­so be­reits ei­ne ge­wis­se Ab­sen­kung des Leis­tungs­ni­veaus.
Aus die­sen Da­ten er­gibt sich, dass sich die fik­ti­ve Be­mes­sung nach § 132 SGB III nicht an den Durch­schnitts­gehältern der je­wei­li­gen Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe be­misst. Die fik­ti­ve Be­mes­sung liegt je­weils deut­lich un­ter den re­le­van­ten Durch­schnitts­gehältern. Der Re­gel­fall wird so­mit von den Pau­schal­wer­ten nicht annähernd ge­trof­fen. Es er­ge­ben sich mas­si­ve Ab­wei­chun­gen un­ter den Durch­schnitt. Da­durch wer­den nicht auf dem Ar­beits­markt ty­pi­sche son­dern deut­lich un­ter­durch­schnitt­li­che Ent­gel­te für Tätig­kei­ten an­ge­setzt, auf die die Ar­beits­agen­tur im Hin­blick auf die Qua­li­fi­ka­ti­on der Be­trof­fe­nen die Ver­mitt­lungs­bemühun­gen in ers­ter Li­nie zu er­stre­cken hat. Nach al­tem Recht wa­ren dafür die je­weils güns­tigs­ten ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen maßgeb­lich (st. Rspr.). Gründe für die­se deut­li­che Ver­schlech­te­rung teilt der Ge­setz­ge­ber nicht mit. Nach der Ge­set­zes­be­gründung dürf­ten sich der­art gra­vie­ren­de Ab­wei­chun­gen durch die An­wen­dung der Pau­schal­beträge nicht er­ge­ben. Das Schrei­ben des Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­ums für Ar­beit und So­zia­les vom 14.12.2005 (zi­tiert nach Beh­rend in Ei­cher/Schle­gel: SGB III, An­la­ge zu § 132) gibt zwar den Be­rech­nungs­hin­ter­grund an, kann je­doch nicht da­zu die­nen, den Wil­len des Ge­setz­ge­bers zu er­mit­teln, weil es sich um ein Schrei­ben der Exe­ku­ti­ve han­delt. Da­von ab­ge­se­hen wi­der­spre­chen die dort mit­ge­teil­ten sta­tis­ti­schen An­ga­ben den hier aus­ge­wer­te­ten, jünge­ren zum Zeit­punkt der Ge­set­zes­ent­schei­dung aber wohl be­reits be­kann­ten Da­ten. Im­mer­hin bestätigt das Schrei­ben, dass mit der Fest­le­gung der Pau­schalsätze ei­ne re­la­ti­ve Re­du­zie­rung um ca. 20 Pro­zent vor­ge­nom­men wur­de (oh­ne die­se Re­du­zie­rung hätten die Pau­schalsätze für die Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe IV et­wa 75 Pro­zent, für die Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe III et­wa 100 Pro­zent, für die Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe II et­wa 125 Pro­zent und für die Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe I et­wa 150 Pro­zent der Be­zugs­größe be­tra­gen).

Die­se Fest­le­gung der Pau­schalsätze er­scheint je­den­falls in den Fällen ver­fas­sungs­recht­lich be­denk­lich, in de­nen we­gen Nicht­berück­sich­ti­gung ver­si­che­rungs­pflich­ti­ger Zei­ten nach § 130 Abs. 2 SGB III ei­ne fik­ti­ve Be­rech­nung er­for­der­lich würde. Dies wird be­son­ders deut­lich in den von § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 SGB III zwei­fels­frei er­fass­ten Fällen, in de­nen im Jahr vor Ein­tritt der Ar­beits­lo­sig­keit ei­ne ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Beschäfti­gung aus­geübt wur­de. Es han­delt sich je­weils um Fall­kon­stel­la­tio­nen, in de­nen ei­ne Teil­zeit­beschäfti­gung aus­geübt wird (ent­we­der we­gen par­al­le­ler Kin­der­er­zie­hung oder nach Teil­zeit­ver­ein­bar urig nach dem Tz­B­fG). Nach dem Wort­laut der Vor­schrif­ten sind sel­bi­ge ge­ra­de­zu auf die­se Fall­kon­stel­la­tio­nen zu­ge­schnit­ten. In die­sen Fällen soll die Zeit der Teil­zeit­ar­beit nicht für den Be­mes­sungs­zeit­raum berück­sich­tigt wer­den („außer Be­tracht" blei­ben).

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Ver­steht man § 130 Abs. 2 SGB III wie die Be­klag­te nicht als Re­ge­lung zur dy­na­mi­schen Er­wei­te­rung des Be­mes­sungs­rah­mens, wird es re­gelmäßig zu ei­ner fik­ti­ven Be­mes­sung kom­men, weil dann in­ner­halb des auf zwei Jah­re er­wei­ter­ten Be­mes­sungs­rah­mens kei­ne fünf Mo­na­te mit berück­sich­ti­gungsfähi­gen Ab­rech­nungs­zeiträum­en vor­han­den sein wer­den. Nach der ge­setz­li­chen Vor­ga­be in § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB III kann ei­ne Teil­zeit­beschäfti­gung drei Jah­re ge­dau­ert ha­ben. Die nach Nr. 3 (Var. 3) außer Be­tracht zu las­sen­den Er­zie­hungs­zei­ten be­tra­gen re­gelmäßig zwei bis drei Jah­re pro Kind.
In die­sen Fällen ist kein Grund er­sicht­lich, war­um ei­ne fik­ti­ve Be­mes­sung im Re­gel­fall zu ei­ner deut­li­chen Ver­rin­ge­rung des re­le­van­ten Be­mes­sungs­ent­gelts führen dürf­te. Der im zi­tier­ten Schrei­ben des BMAS vom 14.12.2005 ge­nann­te Grund für die Ab­sen­kung, dass der Ar­beits­lo­se zu­letzt kein oder kein ty­pi­sches Ar­beits­ent­gelt er­zielt oder nur für ei­ne sehr kur­ze Zeit be­zo­gen ha­be, sich al­so ei­ne ge­wis­se Ent­frem­dung vom Ar­beits­markt ein­ge­stellt ha­be, trifft in die­sen Fällen evi­dent nicht zu. Soll­ten die Ar­beits­lo­sen wei­ter­hin nur zu Teil­zeit­ar­beit zur Verfügung ste­hen, würde dies be­reits durch § 131 Abs. 5 SGB III berück­sich­tigt.
Die Pra­xis der Be­klag­ten zur Um­set­zung von § 130 Abs. 2 SGB III würde da­mit die ge­setz­ge­be­ri­schen Zwe­cke ge­ra­de­zu kon­ter­ka­rie­ren. Die Re­ge­lung soll un­bil­li­ge Be­mes­sungs­er­geb­nis­se ver­mei­den und des­halb die we­gen der Ar­beits­re­du­zie­rung ge­rin­ge­ren Be­mes­sungs­ent­gel­te außer Acht las­sen. Dies führt dann aber im Re­gel­fall zu ei­ner deut­li­chen Ab­sen­kung der re­le­van­ten Be­mes­sungs­grund­la­ge bei fik­ti­ver Be­mes­sung.
Der ei­gent­lich nach dem Ge­setz zu begüns­ti­gen­de Per­so­nen­kreis würde er­heb­lich be­nach­tei­ligt. Er würde im Ver­gleich zur fik­ti­ven Be­mes­sung bei Berück­sich­ti­gung der tatsächli­chen Ent­gel­te im Re­gel­fall dann we­sent­lich güns­ti­ger ste­hen, wenn er nur im Um­fang der bis­he­ri­gen Teil­zeittätig­keit wei­ter zur Verfügung stünde.

Hin­zu kommt, dass die Re­ge­lung des § 132 SGB III aus­weis­lich der Ge­set­zes­be­gründun­gen kei­ner­lei fi­nan­zi­el­len Hin­ter­grund ne­ben der Ef­fek­ti­vie­rung der Ver­wal­tungs­ar­beit hat, al­so nicht zur fi­nan­zi­el­len Ent­las­tung/Si­che­rung des Ver­si­che­rungs­sys­tems führen soll­te. Es soll­ten nur im Ein­zel­fall, nicht im Re­gel­fall Ver­schlech­te­run­gen zu be­sor­gen sein. Das Ar­gu­ment, die Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft fi­nan­zi­ell ab­zu­si­chern, schei­det als zulässi­ger Re­ge­lungs­zweck des­halb aus.

Darüber hin­aus muss im Hin­blick auf das Rechts­staats­ge­bot ver­langt wer­den, dass der als fik­ti­ves Ar­beits­ent­gelt fest­ge­leg­te An­teil der Be­zugs­größe bei ty­pi­sie­ren­der Be­trach­tung das in der je­wei­li­gen Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe re­gelmäßig er­ziel­ba­re Ent­gelt wi­der­spie­gelt (Beh­rend in Ei­cher/Schle­gel: SGB III, § 132 Rn. 50 un­ter Hin­weis auf BVerfG 23.03.1994, 1 BvL 8/85).

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Selbst die im Schrei­ben des BMAS vom 14.12.2005 ge­nann­te Me­tho­de der Er­mitt­lung der Ab­sen­kung er­scheint un­ter die­sen Umständen nicht zulässig und ist nicht nur in den hier dis­ku­tier­ten Fall­kon­stel­la­tio­nen von ih­rer Be­gründung her fragwürdig.
Maßstab war da­nach die Ab­wei­chung des durch­schnitt­li­chen Ar­beits­ent­gelts der Ar­beits­lo­sen von der Be­zugs­größe. Die­se Dif­fe­renz kann je­doch nicht fiir die ge­nann­ten Zwe­cke her­an­ge­zo­gen wer­den.
Prin­zip des § 132 SGB III ist, den Ar­beits­lo­sen pau­schal ein Ar­beits­ent­gelt zu­zu­mes­sen, das ent­spre­chend ih­rer Qua­li­fi­ka­ti­on auf dem Ar­beits­markt zu er­zie­len wäre. Die Dif­fe­renz zwi­schen dem durch­schnitt­li­chen Be­mes­sungs­ent­gelt al­ler Ar­beits­lo­sen­geld-Be­zie­her und der Be­zugs­größe ist aber selbst dann kein taug­li­cher Maßstab, wenn man ei­ne ge­wis­se Entwöhnung vom Ar­beits­markt und ent­spre­chend re­du­zier­te Ver­diens­ter­war­tun­gen bei ei­ner neu­en Beschäfti­gung zur Ab­sen­kung her­an­zie­hen woll­te. Die Men­ge der Ar­beits­lo­sen­geld­be­zie­her ist völlig an­ders zu­sam­men­ge­setzt als die der für die Er­mitt­lung der Be­zugs­größe berück­sich­tig­ten Ver­si­cher­ten. Während ca. 17 Pro­zent der Ar­beit­neh­mer oh­ne ab­ge­schlos­se­ne Be­rufs­aus­bil­dung sind, ist dies bei den Ar­beits­lo­sen im Bun­des­ge­biet oh­ne das Bei­tritts­ge­biet ei­ne Quo­te von 42,8 Pro­zent (Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt: Sta­tis­ti­sches Jahr­buch 2003 6.14) — da für das Bei­tritts­ge­biet die ab­ge­senk­te Be­zugs­größe an­zu­wen­den ist, kann hier auf die 'Si­tua­ti­on im frühe­ren Bun­des­ge­biet ab­ge­stellt wer­den. Der An­teil der Hoch­schul­ab­sol­ven­ten un­ter den Ar­beits­lo­sen lag 2003 bei 5,7 Pro­zent, während er im sel­ben Jahr un­ter den Ar­beit­neh­mern ca. 16 Pro­zent aus­mach­te. Die er­heb­li­che Dif­fe­renz lässt sich al­so be­reits aus der un­ter­schied­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­ons­struk­tur der un­ter­schied­li­chen Per­so­nen­be­rei­che erklären, taugt al­so ge­ra­de nicht zur Be­gründung ei­nes Ab­schla­ges beim fik­ti­ven Be­mes­sungs­ent­gelt, der bei ei­nem vom Ar­beits­markt et­wa we­gen länge­rer Er­kran­kung entwöhn­ten Fach­ar­bei­ter ge­macht wer­den soll.
Sch­ließlich er­scheint die Ar­gu­men­ta­ti­on des BMAS zur Be­gründung die­ses er­heb­li­chen Ab­schla­ges sehr sug­ges­tiv. Es wird als ers­te Grup­pe der „entwöhn­ten" Ar­beits­lo­sen die der Straf­ge­fan­ge­nen ge­nannt. Die­sen wer­den dann an­de­re Grup­pen (Er­zie­hen­de, Wehr­dienst­leis­ten­de, Ren­ten­be­zie­her) gleich­ge­stellt. Die Straf­ge­fan­ge­nen fal­len je­doch ganz re­gelmäßig nicht un­ter die fik­ti­ve Be­mes­sung, weil sie Ar­beits­ent­gel­te be­zo­gen ha­ben (§ 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III) und nur des­halb ei­nen An­spruch auf Ar­beits­lo­sen­geld über­haupt er­wor­ben ha­ben. Auch Wehr­dienst­leis­ten­de dürf­ten nach der ge­setz­li­chen Neu­re­ge­lung re­gelmäßig nicht mehr un­ter die An­wen­dung von § 132 SGB III fal­len, wenn sie vor oder nach dem Wehr­dienst min­des­tens ins­ge­samt 5 Mo­na­te ge­ar­bei­tet ha­ben. Für Er­zie­hen­de macht § 130 Abs. 2 SGB III ge­ra­de ei­ne Aus­nah­me, um un­bil­li­ge Be­mes­sungs­er­geb­nis­se zu ver­mei­den. Bei ehe­ma­li­gen Ren­ten­be­zie­hern stellt sich die Fra­ge, in­wie­weit die­se nach Wie­der­er­lan­gung der Ar­beitsfähig­keit zu­min­dest auf dem all­ge­mei­nen Ar­beits­markt

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über­haupt noch in ih­rer frühe­ren Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe ein­ge­setzt wer­den können. Die vom BMAS ge­lie­fer­te Be­gründung er­scheint da­mit nicht an­satz­wei­se über­zeu­gend und trägt schon gar nicht die er­heb­li­che Re­du­zie­rung der Pau­schalsätze.

Zur Ver­mei­dung die­ser ver­fas­sungs­recht­li­chen Pro­ble­me sind die Re­ge­lun­gen ver­fas­sungs­kon­form aus­zu­le­gen. Da­bei ha­ben sich die Be­klag­te und das Ge­richt an den Grundsätzen der Art. 3 und 6 Abs. 4 GG so­wie am eu­ro­pa­recht­li­chen Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot für Frau­en zu ori­en­tie­ren. Ins­be­son­de­re letz­te­res und das Ge­bot von Schutz und Fürsor­ge den Müttern ge­genüber (Art. 6 Abs. 4 GG) sind da­bei zu be­ach­ten.
Bei die­sen Maßstäben ist zunächst fest­zu­stel­len, dass es kei­nen sach­li­chen Grund gibt, Mütter/Väter da­nach un­ter­schied­lich zu be­han­deln, in wel­chem Maße sie ne­ben der Er­zie­hung ei­ne Be­rufstätig­keit ausüben. In je­dem Fall han­delt es sich um ei­ne Pflicht­ver­si­che­rungs­zeit. Mehr noch, während von der ent­spre­chen­den Schutz­vor­schrift des § 131 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a.F. nur sol­che Er­zie­hen­de er­fasst wur­den, bei de­nen we­gen der Be­treu­ung oder Er­zie­hung ei­nes Kin­des das Ar­beits­lo­sen­geld oder die re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit ge­min­dert war, wer­den nach dem Wort­laut jetzt Er­zie­hungs­geld-Empfänger oh­ne Rück­sicht auf ei­ne Min­de­rung der Ar­beits­zeit ein­be­zo­gen. Dies er­scheint im Hin­blick auf den ge­setz­ge­be­ri­schen Wil­len, Er­zie­hen­de im Rah­men der Vor­ga­ben des Art. 6 GG be­son­ders zu fdrdern, plau­si­bel. An­ge­sichts des Wort­lau­tes und den An­mer­kun­gen der Ge­set­zes­be­gründung ist auch kein Grund er­kenn­bar, war­um für den An­wen­dungs­be­reich der Schutz­vor­schrift für Er­zie­hen­de da­nach un­ter­schie­den wer­den soll­te, ob ne­ben der Er­zie­hung noch ei­ne Teil­zeit­beschäfti­gung aus­geübt wur­de.

Sch­ließlich wi­der­spricht die hier ge­fun­de­ne Aus­le­gung nicht dem grundsätz­li­chen An­lie­gen des Ge­setz­ge­bers, ei­ne weit­rei­chen­de Ver­ein­fa­chung des Ver­wal­tungs­ver­fah­rens zu be­wir­ken. Im Ge­gen­satz zur Vorgänger­re­ge­lung mit ih­rer dy­na­mi­schen, suk­zes­si­ven Er­wei­te­rung des Be­mes­sungs­rah­mens, wenn die 39 Wo­chen mit Ent­gelt­zei­ten zunächst nicht er­reicht wur­den (wo­bei prak­tisch je­der Ver­si­che­rungs­pflicht­zeit auch Ent­gel­te zu­ge­ord­net wa­ren — sie­he §§ 134, 135 SGB III a.F.), lässt sich der Er­wei­te­rungs­zeit­raum sehr ein­fach er­mit­teln. Es han­delt sich um ei­ne vom Ge­setz­ge­ber aus­drück­lich vor­ge­se­he­ne — ins­ge­samt im Ver­gleich zum frühe­ren Recht im­mer noch sehr ein­fa­che — Ab­wei­chung vom deut­lich ver­ein­fach­ten neu­en Be­rech­nungs­mo­dus.
Mit ihr wer­den ver­fas­sungs­wid­ri­ge Er­geb­nis­se ver­mie­den. Es darf un­ter­stellt wer­den, dass auch dies Zweck des Ge­setz­ge­bers war.
Über­dies er­scheint es denk­bar, § 130 Abs. 2 SGB III in zwei Schrit­ten zu prüfen: Zunächst wer­den nach Abs. 2 die re­le­van­ten Zei­ten aus dem nöti­gen­falls nach Abs. 3 er­wei­ter­ten

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Be­mes­sungs­rah­men aus­ge­klam­mert. Er­gibt sich ein Be­mes­sungs­zeit­raum mit 150 Ta­gen, wird die­ser der wei­te­ren Be­rech­nung zu Grun­de ge­legt. Ist dies nicht der Fall, wird in ei­nem nächs­ten Schritt der Be­mes­sungs­rah­men er­wei­tert. Be­reits erwähnt wur­de die Möglich­keit, die Er­wei­te­rung des Be­mes­sungs­rah­mens ana­log § 130 Abs. 3 Satz 2 SGB III nur auf Ver­lan­gen des Be­rech­tig­ten vor­zu­neh­men. Für den Fall der Kläge­rin muss dies je­doch nicht ent­schie­den wer­den, weil je­den­falls der Be­mes­sungs­rah­men zu er­wei­tern ist.

Die Kläge­rin er­hielt seit der Ge­burt ih­rer Toch­ter (un­ter Ein­be­zie­hung der Zei­ten des an­ge­rech­ne­ten Mut­ter­schafts­gel­des) 18 Mo­na­te Er­zie­hungs­geld und in den rest­li­chen Zei­ten des Er­zie­hungs­ur­lau­bes le­dig­lich we­gen der Höhe des Ein­kom­mens kein Er­zie­hungs­geld. Sie erfüll­te des­halb die Vor­aus­set­zun­gen nach § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Var. 1 und 2 SGB III. Es kommt in ih­rem Fall nicht dar­auf an, die An­wend­bar­keit der Vor­schrift mit ih­rer Va­ri­an­te 3 für Zei­ten der Kin­der­er­zie­hung vor Voll­endung des drit­ten Le­bens­jah­res des Kin­des oh­ne Teil­zeit­beschäfti­gung (Min­de­rung der Ar­beits­zeit auf Null) zu klären. Die Kam­mer merkt in­so­fern aber an, dass sie von ei­ner An­wend­bar­keit aus­ge­hen würde, weil sich zu den Va­ri­an­ten 1 und 2 kein ei­ne Un­gleich­be­hand­lung recht­fer­ti­gen­der we­sent­li­cher Un­ter­schied fest­stel­len lässt.
Im Fal­le der Kläge­rin reich­te der Be­mes­sungs­rah­men un­ter Aus­spa­rung der nach § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Var. 1 und 2 SGB III außer Be­tracht zu blei­ben­den Er­zie­hungs­zei­ten je­den­falls vom 15. Sep­tem­ber 2000 bis 30. Mai 2001 und vom 16. Au­gust bis 30. No­vem­ber 2005. In die­sem Zeit­raum be­fin­den sich vollständi­ge, ab­ge­rech­ne­te Ent­gel­tab­rech­nungs­zeiträume mit Ar­beits­ent­gelt vom 1. Ok­to­ber 2000 bis 6. April 2001 und vom 16. Au­gust bis 30. No­vem­ber 2005 (ins­ge­samt 295 Ta­ge). Be­zieht man die Zeit des Mut­ter­schut­zes in die Auf­schub­zeit mit ein, be­ginnt der Be­mes­sungs­rah­men am 1. Au­gust 2000 (Ge­samt­dau­er 356 Ta­ge) oder am 23. Ju­li 2000 (Ge­samt­dau­er 365 Ta­ge), wenn man den ab­ge­rech­ne­ten Ju­li 2000 in­so­weit ein­be­zieht, wie er im Be­mes­sungs­rah­men liegt. Legt man die­sen zu­letzt er­wo­ge­nen Be­mes­sungs­zeit­raum der Leis­tungs­be­rech­nung zu­grun­de er­gibt sich ein ge­sam­tes ver­si­che­rungs­pflich­ti­ges Brut­to­ent­gelt von 49.321,69 EUR, wor­aus sich ein tägli­ches Be­mes­sungs­ent­gelt von 135,13 EUR er­rech­net, wie von der Kläge­rin be­an­tragt, Sämt­li­che an­de­ren Be­rech­nungs­wei­sen würden im Fal­le der Kläge­rin zu ei­nem höhe­ren Be­mes­sungs­ent­gelt führen, weil sie in den Mo­na­ten Ju­li bis Sep­tem­ber 2000, be­zo­gen auf die an­de­ren zu berück­sich­ti­gen­den Mo­na­te, un­ter­durch­schnitt­lich ver­dient hat­te. Dem An­trag der Kläge­rin war des­halb statt­zu­ge­ben.
Auf die Klärung der Fra­gen, in­wie­weit die Mut­ter­schutz­zeit vor der Ge­burt des Kin­des im Rah­men des § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III zu berück­sich­ti­gen ist (im Hin­blick auf die Ent­schei­dung des BVerfG vom 28.03.2006 1 BvL 10/01 er­scheint die im Ge­gen­satz zur

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Vorgänger­re­ge­lung er­folg­te Aus­klam­me­rung aus der Schutz­vor­schrift ver­fas­sungs­recht­lich be­denk­lich und in­wie­weit nur voll im Be­mes­sungs­rah­men lie­gen­de Ab­rech­nungs­zeiträume in die Leis­tungs­be­rech­nung ein­zu­be­zie­hen sind, kommt es des­halb an­ge­sichts des Kla­ge­be­geh­rens der Kläge­rin nicht an.

Hin­sicht­lich der Leis­tungshöhe hat die Be­klag­te die Steu­er­klas­se II und den erhöhten Leis­tungs­satz an­zu­wen­den. Die Höhe der Leis­tung re­du­ziert sich auch nicht we­gen ei­ner even­tu­el­len Re­du­zie­rung der Verfügbar­keit der Kläge­rin, weil die­se dem Ar­beits­markt für voll­schich­ti­ge Beschäfti­gun­gen zur Verfügung steht.
Die Kläge­rin erfüllt die Vor­aus­set­zun­gen für den An­spruch auf Ar­beits­lo­sen­geld, so dass sich auch in­so­weit kein Grund zur Ab­wei­sung des Kla­ge­be­geh­rens fest­stel­len lässt.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 193 So­zi­al­ge­richts­ge­setz (SGG). Sie berück­sich­tigt den Er­folg der Rechts­ver­fol­gung.

Die Re­vi­si­on konn­te we­gen der grundsätz­li­chen Be­deu­tung der Sa­che zu­ge­las­sen wer­den.

 

Rechts­mit­tel­be­leh­rung:

Die­se Ent­schei­dung kann mit der Be­ru­fung oder - wenn der Geg­ner schrift­lich zu­stimmt - mit der Re­vi­si­on an­ge­foch­ten wer­den.

I. Be­ru­fung

Die Be­ru­fung ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung des Ur­teils beim Lan­des­so­zi­al­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Först­erweg 2-6, 14482 Pots­dam, schrift­lich oder zur Nie­der­schrift des Ur­kunds­be­am­ten der Geschäfts­stel­le ein­zu­le­gen.

II. Re­vi­si­on

Die Re­vi­si­on ist von ei­nem bei dem Bun­des­so­zi­al­ge­richt zu­ge­las­se­nen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung des Ur­teils schrift­lich beim Bun­des­so­zi­al­ge­richt, Kas­sel, Graf-Ber­na­dot­te-Platz 5, ein­zu­le­gen.

Post­an­schrif­ten:
bei Brief und Post­kar­te
34 114 Kas­sel

bei Eil­brief, Te­le­gramm, Pa­ket und Päck­chen
Graf-Ber­na­dot­te-Platz 5
34 119 Kas­sel

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Die Re­vi­si­ons­schrift muss in­ner­halb der Mo­nats­frist bei dem Bun­des­so­zi­al­ge­richt ein­ge­hen.

Behörden, Körper­schaf­ten und An­stal­ten des öffent­li­chen Rechts und pri­va­te Pfle­ge­ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men brau­chen sich nicht durch ei­nen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten ver­tre­ten zu las­sen.

Rud­nik

Hin­wei­se für Be­ru­fung und Re­vi­si­on und Erläute­run­gen
zur Pro­zess­kos­ten­hil­fe

Hin­wei­se für die Be­ru­fung:

Die Be­ru­fungs­frist ist auch ge­wahrt, wenn die Be­ru­fung in­ner­halb der Mo­nats­frist beim So­zi­al­ge­richt Ber­lin, In­va­li­den­s­traße 52, 10557 Ber­lin, schrift­lich oder münd­lich zur Nie­der­schrift des Ur­kunds­be­am­ten der Geschäfts­stel­le ein­ge­legt wird.
Die Be­ru­fungs­schrift muss in­ner­halb der Mo­nats­frist bei ei­nem der vor­ge­nann­ten Ge­rich­te ein­ge­hen. Sie soll die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung be­zeich­nen, ei­nen be­stimm­ten An­trag ent­hal­ten und die zur Be­gründung der Be­ru­fung die­nen­den Tat­sa­chen und Be­weis­mit­tel an­ge­ben. Der Be­ru­fungs­schrift und al­len fol­gen­den Schriftsätzen sol­len Ab­schrif­ten für die übri­gen Be­tei­lig­ten bei­gefügt wer­den.
Hin­wei­se für die Re­vi­si­on:

AIs Pro­zess­be­vollmäch­tig­te sind zu­ge­las­sen

a) die Mit­glie­der und An­ge­stell­ten von Ge­werk­schaf­ten, von selbständi­gen Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­neh­mern mit so­zi­al- oder be­rufs­po­li­ti­scher Zweck­set­zung, von Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern, von be­rufsständi­schen Ver­ei­ni­gun­gen der Land­wirt­schaft und von Ver­ei­ni­gun­gen, de­ren sat­zungs­gemäße Auf­ga­ben die ge­mein­schaft­li­che In­ter­es­sen­ver­tre­tung, die Be­ra­tung und Ver­tre­tung der Leis­tungs­empfänger nach dem so­zia­len Entschädi­gungs­recht oder der be­hin­der­ten Men­schen we­sent­lich um­fas­sen und die un­ter Berück­sich­ti­gung von Art und Um­fang ih­rer bis­he­ri­gen Tätig­keit so­wie ih­res Mit­glie­der­krei­ses die Gewähr für ei­ne sach­kun­di­ge Erfüllung die­ser Auf­ga­ben bie­ten, so­fern sie kraft Sat­zung oder Voll­macht zur Pro­zess­ver­tre­tung be­fugt sind.
b) Glei­ches gilt für Be­vollmäch­tig­te, die als An­ge­stell­te ju­ris­ti­scher Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der vor­ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, han­deln, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung der Mit­glie­der der Or­ga­ni­sa­ti­on ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Ver­ei­ni­gung für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.
c) Je­der bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­ne Rechts­an­walt.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung be­zeich­nen.

Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung der Ent­schei­dung von ei­nem zu­ge­las­se­nen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten - bei Behörden, Körper­schaf­ten und An­stal­ten des öffent­li­chen Rechts und pri­va­te Pfle­ge­ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men auch durch ei­nen be­vollmäch­tig­ten Be­diens­te­ten - schrift­lich zu be­gründen. Die Be­gründung muss ei­nen be­stimm­ten An­trag ent­hal­ten, die ver­letz­te Rechts­norm und, so­weit Ver­fah­rensmängel gerügt wer­den, die Tat­sa­chen be­zeich­nen, die den Man­gel er­ge­ben.
An die Stel­le der Frist von zwei Mo­na­ten zur Re­vi­si­ons­be­gründung tritt ei­ne Frist von vier Mo­na­ten, wenn das Ur­teil im Aus­land zu­zu­stel­len ist.

Die Re­vi­si­on kann nur dar­auf gestützt wer­den, dass die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung auf der Ver­let­zung ei­ner Vor­schrift be­ruht, de­ren Gel­tungs­be­reich sich über den Be­zirk des Be­ru­fungs­ge­richts hin­aus er­streckt.

Der Re­vi­si­ons­schrift und al­len fol­gen­den Schriftsätzen sol­len Ab­schrif­ten für die übri­gen Be­tei­lig­ten bei­gefügt wer­den.

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Das Bun­des­so­zi­al­ge­richt bit­tet darüber hin­aus um je zwei wei­te­re Ab­schrif­ten.

Erläute­run­gen zur Pro­zess­kos­ten­hil­fe:

Für das Ver­fah­ren vor dem Bun­des­so­zi­al­ge­richt kann ei­nem Be­tei­lig­ten auf An­trag Pro­zess­kos­ten­hil­fe be­wil­ligt und ein zur Ver­tre­tung be­rei­ter Rechts­an­walt sei­ner Wahl bei­ge­ord­net wer­den, wenn er nicht schon durch ei­nen Be­vollmäch­tig­ten der un­ter a) ge­nann­ten Ge­werk­schaf­ten oder Ver­ei­ni­gun­gen oder durch ei­nen Be­vollmäch­tig­ten der un­ter b) ge­nann­ten ju­ris­ti­schen Per­so­nen ver­tre­ten ist.

Macht der Be­tei­lig­te, dem Pro­zess­kos­ten­hil­fe be­wil­ligt ist, von sei­nem Recht, ei­nen Rechts­an­walt zu wählen, nicht Ge­brauch, wird auf An­trag des Be­tei­lig­ten der bei­zu­ord­nen­de Rechts­an­walt vom Bun­des­so­zi­al­ge­richt aus­gewählt.

Der An­trag auf Be­wil­li­gung der Pro­zess­kos­ten­hil­fe ist beim Bun­des­so­zi­al­ge­richt schrift­lich zu stel­len; er kann münd­lich vor des­sen Geschäfts­stel­le zu Pro­to­koll erklärt wer­den.

Dem An­trag sind ei­ne Erklärung des Be­tei­lig­ten über sei­ne persönli­chen und wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­se (Fa­mi­li­en­verhält­nis­se, Be­ruf, Vermögen, Ein­kom­men und Las­ten) so­wie ent­spre­chen­de Be­le­ge bei­zufügen. Hier­zu ist der für die Erklärung vor­ge­schrie­be­ne Vor­druck zu be­nut­zen.

Falls die Re­vi­si­on nicht schon durch ei­nen zu­ge­las­se­nen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten ein­ge­legt ist, müssen der An­trag auf Be­wil­li­gung der Pro­zess­kos­ten­hil­fe und die Erklärung über die persönli­chen und wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­se und die ent­spre­chen­den Be­le­ge spätes­tens in­ner­halb der Frist für die Ein­le­gung der Re­vi­si­on nach Zu­stel­lung der Ent­schei­dung beim Bun­des­so­zi­al­ge­richt ein­ge­hen.

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