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ArbG Frankfurt, Urteil vom 14.03.2007, 6 Ca 7405/06
Schlagworte: | Tarifvertrag: Altersgrenze | |
Gericht: | Arbeitsgericht Frankfurt | |
Aktenzeichen: | 6 Ca 7405/06 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 14.03.2007 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
Arbeitsgericht
Frankfurt am Main
Aktenzeichen
6 Ca 7405/06
Verkündet am
14. März 2007
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Kläger
Prozessbevollmächtigt.:
gegen
Beklagte
Prozessbevollmächtigt.:
hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Kammer 6,
auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2007
durch die Richterin am Arbeitsgericht
als Vorsitzende
und den ehrenamtlichen Richter
und den ehrenamtlichen Richter
als Beisitzer
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 1) zu 33 %, der Kläger zu 2) zu 32 % und der Kläger zu 3) zu 35 %.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 220.296,56 € festgesetzt.
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Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihre Arbeitsverhältnisse auf Grund einer tarifvertraglichen Altersgrenzenregelung mit Ablauf der Monate enden bzw. geendet haben, in denen die Kläger ihr 60. Lebensjahr vollenden werden bzw. vollendet haben sowie über die Verpflichtung der Beklagten die Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss der Entfristungsklagen weiterzubeschäftigen.
Der Kläger zu 1) ist am geboren und war auf Grund eines unter dem 13. Oktober 1970 geschlossenen Arbeitsvertrages seit dem 3. Oktober 1970 als Flugzeugführer zuletzt im Range eines Kapitäns sowie als Check- und Trainingskapitän zu einer monatlichen Bruttogrundvergütung in Höhe von zuletzt € 16.908,26 zuzüglich einer Checkzulage in Höhe von monatlich € 1.073,71 brutto und weiterer tariflicher Zulagen tätig.
Der Kläger zu 2) ist am geboren. Sein Arbeitsverhältnis wurde von der Beklagten gemäß einem Sozialplan der vom 26. November 1990 übernommen. Für die Beklagte ist er auf Grund eines unter dem 7. August 1991 geschlossenen Arbeitsvertrages seit dem 1. September 1991 als Kapitän zu einer monatlichen Bruttogrundvergütung in Höhe von € 16.908,26 und einer Grundvergütung II in Höhe von € 918,45 sowie weiterer tariflicher Zulagen tätig.
Der Kläger zu 3) ist am geboren und auf der Grundlage eines unter dem 29. Mai 1968 geschlossenen Arbeitsvertrages seit dem 26. Mai 1968 als Flugzeugführer zuletzt im Range eines Kapitäns sowie als Check- und Trainingskapitän zu einer monatlichen Bruttogrundvergütung in Höhe von zuletzt € 16.908,26, einer Grundvergütung II in Höhe von € 1.283,55 zuzüglich einer Checkzulage in Höhe von monatlich € 1.073,71 brutto und weiterer tariflicher Zulagen tätig.
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Auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien findet kraft vertraglicher Inbezugnahme - im Falle der Kläger zu 1) und zu 3) auch kraft beiderseitiger Tarifbindung - u.a. der Manteltarifvertrag Nr. 5 a für das Cockpitpersonal bei in der Fassung vom 14. Januar 2005 ( im Folgenden: MTV Nr. 5a) Anwendung. Dieser bestimmt in § 19 Abs. 1, dass die Arbeitsverhältnisse wegen Erreichens der Altergrenze mit Ablauf des Monats enden, in dem der Mitarbeiter das 60. Lebensjahr vollendet, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 12. Oktober 2006 eine Weiterbeschäftigung der Kläger über die Vollendung des 60. Lebensjahres hinaus abgelehnt.
Mit der am 19. Oktober 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wenden die Kläger sich gegen die Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse mit dem Erreichen des 60. Lebensjahres. Sie sind der Auffassung, die tarifliche Altersgrenzenregelung stelle eine unzulässige Altersdiskriminierung dar und sei daher unwirksam.
Ungeachtet der Wirksamkeit der Bestimmung sei die Beklagte aber auch aufgrund von Äußerungen ihres Chefpiloten Herrn und ihres Flottenchefs der Boing 747 Herrn gehindert, sich auf eine etwaige Wirksamkeit zu berufen. Diese hätten im Rahmen von im August 2006 und September 2006 geführten Gesprächen ein erhebliches Interesse an ihrer Weiterbeschäftigung bekundet und auch ihre Rechtsauffassung zur Unwirksamkeit der tariflichen Altersbefristungsregelung geteilt. Diese Äußerungen müsse die Beklagte sich unter dem Gesichtspunkt der Repräsentantenhaftung als negatives Schuldanerkenntnis zurechnen lassen. Jedenfalls sei die Beklagte aber aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gehindert, sich zu diesen außergerichtlichen Äußerungen in Widerspruch zu setzen und sich einer Weiterbeschäftigung entgegenzustellen.
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Der Kläger zu 1) beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen ihm und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristung in § 19 Abs. 1 des Manteltarifvertrages Nr. 5 a für das Cockpitpersonal bei in der Fassung vom 14. Januar 2005 zum 30. November 2006 geendet hat, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 30. November 2006 hinaus fortbesteht und
2. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugkapitän B747-400 sowie als Check-und Trainingskapitän zur tarifvertraglich geregelten Arbeitszeit und einer monatlichen Bruttogrundvergütung in Höhe von € 16.908,26 zuzüglich Checkzulage in Höhe von monatlich € 1.073,71 sowie weiterer tarifvertraglicher Zulagen über den Ablauf des 30. November 2006 hinaus weiter zu beschäftigen.
Der Kläger zu 2) beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen ihm und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristung in § 19 Abs. 1 des Manteltarifvertrages Nr. 5 a für das Cockpitpersonal bei in der Fassung vom 14. Januar 2005 zum 30. April 2007 endet, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 30. April 2007 hinaus fortbesteht und
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2. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugkapitän B747-400 zur tarifvertraglich geregelten Arbeitszeit und einer monatlichen
Bruttogrundvergütung in Höhe von € 16.908,26, einer Grundvergütung II in Höhe von € 918,45 sowie weiterer tarifvertraglicher Zulagen über den Ablauf des 30. April 2007 hinaus weiter zu beschäftigen.
Der Kläger zu 3) beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen ihm und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristung in § 19 Abs. 1 des Manteltarifvertrages Nr. 5 a für das Cockpitpersonal bei in der Fassung vom 14. Januar 2005 zum 30. Juni 2007 endet, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 30. Juni 2007 hinaus fortbesteht und
2. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugkapitän B747-400 sowie als Check-und Trainingskapitän zur tarifvertraglich geregelten Arbeitszeit und einer monatlichen Bruttogrundvergütung in Höhe von € 16.908,26, einer Grundvergütung II in Höhe von € 1.283,55 zuzüglich Checkzulage in Höhe von monatlich € 1.073,71 sowie weiterer tarifvertraglicher Zulagen über den Ablauf des 30. Juni 2007 hinaus weiter zu beschäftigen.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Altersgrenze sei nach wie vor gerechtfertigt, weil aufgrund medizinischer Erkenntnisse davon ausgegangen werden müsse, dass von Flugkapitänen in der gewerbsmäßigen Beförderung über die Vollendung des 60. Lebensjahres hinaus zusätzliche Gefahren für den Flugverkehr ausgehen würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in vollem Umfang unbegründet.
Die Arbeitsverhältnisse der Parteien haben bzw. werden gemäß § 19 Abs. 1
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die Kläger in den jeweiligen Monaten das 60. Lebensjahr vollendet haben bzw. vollenden werden. Die tarifliche Altersgrenze von 60 Jahren für Flugzeugführer ist wirksam.
1.
Die Altersgrenze verstößt weder gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch gegen die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) und muss auch nicht wegen Verstoßes gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der die Diskriminierung wegen des Alters verbietet, außer Anwendung bleiben.
Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger ist die tarifliche Regelung nicht an den Bestimmungen des AGG zu messen. Zwar unterfallen auch tarifliche Regelungen dem Anwendungsbereich des am 18. August 2006 in Kraft getretenen AGG. Dieses beinhaltet auch keine Übergangsregelungen für sogenannte Altverträge, d. h. für Arbeitsverträge und tarifliche Regelungen, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen worden sind. Das AGG ist damit grundsätzlich auch auf diese uneingeschränkt anwendbar. Die Wirksamkeit einer Befristungsregelung ist jedoch nach dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Recht zu beurteilen. Der anzuwendende Tarifvertrag, der die Altersgrenze vorsieht, wurde am 14. Januar 2005 und damit vor dem Inkrafttreten des AGG geschlossen. Den Bestimmungen des AGG lässt sich auch keine rückwirkende Geltung für Befristungskontrollen entnehmen, die es rechtfertigen würden, die tarifliche Altersbefristungsregelung einer sog. AGG-Kontrolle zu unterziehen.
Die Tarifvertragsparteien hatten bei Abschluss des Tarifvertrages auch nicht die RL 2000/78/EG zu beachten. Richtlinien verpflichten grundsätzlich nur die Gesetzgeber der Mitgliedstaaten innerhalb der gesetzten Fristen den Richtlinien
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entsprechendes nationales Recht zu schaffen. Nach der Rechtsprechung des EuGH begründen sie darüber hinaus zwar auch die Verpflichtung, während der Frist für die Umsetzung einer Richtlinie keine Vorschriften zu erlassen, die geeignet sind, die Erreichung des in der Richtlinie vorgesehenen Ziels ernstlich in Frage zu stellen (vgl. u.a. EuGH 22.11.2005 -C-144/04- [Mangold] m.w.N.). Auch dieses Verbot gilt jedoch grundsätzlich nur für die Mitgliedstaaten. Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger hat das, was für die Mitgliedstaaten und ihre nationalen Gesetzgeber zwingend gilt, grundsätzlich nicht erst recht Bedeutung auch für die Tarifvertragsparteien, denen durch das Tarifvertragsgesetz eine besondere Befugnis zur Einwirkung auch auf das individuelle Arbeitsverhältnis eingeräumt wird. Diese „besondere Befugnis“ leitet sich aus der Mitgliedschaft der Verbandsmitglieder ab. Das Aushandeln von Tarifverträgen ist Ergebnis kollektiv ausgeübter Privatautonomie. Die freiheitsbeschränkenden Wirkungen der tariflichen Normen beruhen auf dem eigenverantwortlichen Verbandsbeitritt der Mitglieder. Diese unterwerfen sich freiwillig bestehendem und künftigem Tarifrecht (vgl. u.a. BAG Urt. v. 21.07.2004 -7 AZR 589/03- m.zahlr.w.N.). Im Verhältnis privater Rechtsträger untereinander entfalten jedoch die Richtlinien grundsätzlich keine Wirkung. Die RL 2000/78/EG konnte daher der in Streit stehenden tariflichen Altersbefristungsregelung weder bei Abschluss des Tarifvertrages noch später unmittelbar entgegenstehen.
Ungeachtet der Anwendbarkeit des AGG und ungeachtet der Frage, ob die RL 2000/78/EG im Verhältnis privater Rechtsträger untereinander überhaupt unmittelbare Wirkung entfalten kann, stellt die tarifliche Altersbefristungsregelung aber auch gemessen an diesen Bestimmungen keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters dar. Sie verstößt auch nicht gegen das nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH Urt.v. 22.11.2005– C-144/04- [Mangold]) als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts geltende Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, das nach der oben
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genannten Entscheidung des EuGH bereits während der Umsetzungsfrist für die Richtlinie mit Bindung auch für Privatrechtsträger untereinander Geltung hatte. Demzufolge muss die Alterbefristungsregelung auch nicht zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des gemeinschaftsrechtlichen Verbots der Diskriminierung wegen des Alters unangewendet bleiben.
Zwar führt die tarifliche Altersgrenze zu einer unmittelbaren Benachteiligung der betroffenen Piloten wegen des Alters. Die Regelung knüpft unmittelbar und ausschließlich an das Kriterium Alter an und benachteiligt die Piloten insoweit, als diese, anders als andere Arbeitnehmer, ab Vollendung ihres 60. Lebensjahres ihren Beruf nicht mehr ausüben können. Diese unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung ist jedoch sowohl nach dem AGG als auch nach den Bestimmungen der Richtlinie, die die Grenzen des allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes des Verbots der Alterdiskriminierung festlegt, zulässig.
Art. 6 Abs. 1 S.1 RL 2000/78/EG lässt Ungleichbehandlungen wegen Alters zu, sofern sie objektiv und angemessen sind, im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. § 10 S. 1 u. 2 AGG bestimmt unter Übernahme dieses Wortlauts, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig ist, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
Unter den vorgenannten Voraussetzungen stellen Ungleichbehandlungen wegen des Alters auch nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH Urt.v. 22. November 2005 -C-144/04- [Mangold] ) keinen Verstoß gegen den von ihm angenommenen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der Altersdiskriminierungen verbietet, dar.
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Die tarifliche Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten stellt eine solch zulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters dar.
Die tarifliche Altersbefristungsregelung geht zurück auf internationale Bestimmungen, die seit 1944 den Einsatz von Piloten über die Vollendung des 60. Lebensjahres hinaus verboten haben. So bestimmte noch § 41 Abs. 1 S. 2 der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät vom 4. März 1970 (LuftBO) in der bis zum 31. August 1998 geltenden Fassung, dass Mitglieder der Flugbesatzung mit einem Alter über 60 nicht eingesetzt werden sollten. Auch die International Aviation Organisation (ICAO) verbot bis April 2006 die Beschäftigung von Piloten über die Vollendung des 60. Lebensjahres hinaus.
Die Altersgrenze beruhte in ihren Anfängen und in ihren Fortschreibungen zumindest neben anderen Motiven auch auf Sicherheitsbedenken. Sie geht zurück auf medizinische Erfahrungswerte, nach denen das Cockpitpersonal überdurchschnittlichen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt ist, in deren Folge das Risiko altersbedingter Ausfallerscheinungen und unerwarteter Fehlreaktionen zunimmt. Die Altersgrenze soll auf diesem Hintergrund die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit sichern und dient darüber hinaus dem Schutz von Leben und Gesundheit der Besatzungsmitglieder, der Passagiere und der Menschen in den überflogenen Gebieten.
Darauf, dass auch die streitgegenständliche tarifliche Altersgrenze durch altersbedingte Sicherheitsbedenken gerechtfertigt ist, beruft sich die Beklagte unter Hinweis auf die Rechtssprechung des BAG. Dass fortbestehende Sicherheitsbedenken zumindest noch eines von möglicherweise weiteren Motiven für die Altersbefristungsregelung der Tarifvertragsparteien war, bestreiten die Kläger zumindest nicht hinreichend substantiiert. Wenn auch die Altersgrenze zum Teil sogar von medizinischen Fachleuten nicht mehr für erforderlich gehalten wird, bedeutet dies nicht, dass Sicherheitsbedenken beim
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Abschluss des Tarifvertrages keine Rolle gespielt haben. Dieser Annahme stehen die Hinweise der Kläger auf Äußerungen des Präsidenten der Vereinigung Cockpit nicht entgegen. Selbst wenn die Vereinigung Cockpit primär wegen der bestehenden Übergangsversorgung an der Altersgrenze festhalten will, lässt sich dem nicht entnehmen, dass Sicherheitsbedenken für den Abschluss insbesondere für die am Tarifvertragsschluss beteiligten Arbeitgebervertreter nicht von Bedeutung waren. Dass die Erreichung des von der Beklagten genannten Zieles für die Tarifvertragsparteien nicht die einzige Motivation war, die tarifliche Altersbefristungsregelung aufrecht zu erhalten, sondern daneben auch andere Ziele, wie z.B. der Erhalt von davon abhängender Versorgungsregelungen, verfolgt wurden, ist unschädlich.
Die Legitimität des im Allgemeininteresse liegenden Zieles, die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit zu sichern und Leben und Gesundheit der Besatzungsmitglieder, der Passagiere und der Menschen in den überflogenen Gebieten zu schützen, steht nach Auffassung der Kammer außer Zweifel. Es bedarf auch keiner weiteren Darlegung, dass ein derartiges Ziel grundsätzlich als „objektive und angemessene“ Rechtfertigung einer zulässigen Ungleichbehandlung wegen des Alters anzusehen ist. Dies wird nach Einschätzung der Kammer auch von den Klägern nicht in Zweifel gezogen.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist auch das gewählte Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
Die Kläger weisen zu Recht darauf hin, dass gemäß der gewählten Formulierung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen ist. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob das eingesetzte Mittel überhaupt geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen. Weiter ist zu prüfen, ob von mehreren gleich geeigneten Mitteln das mildeste gewählt wurde, d.h. dasjenige, das zu der geringst möglichen Beeinträchtigung der Interessen der benachteiligten Gruppe
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führt. Abschließend ist die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu prüfen. Das gefundene Ergebnis muss unter Berücksichtigung der Interessen gerade auch der anderen Vergleichsgruppen insgesamt noch billigenswert und daher angemessen sein. Je gewichtiger das Rechtsgut, zu dessen Schutz die Einschränkung erfolgt, um so stärkere Beeinträchtigungen sind erlaubt. Dass die tarifliche Altersgrenze angemessen und erforderlich im vorbeschriebenen Sinne ist, hat die insoweit darlegungspflichtige Beklagte durch Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung und die diese Ansicht bestätigende Kommentar- und Gutachtermeinungen, die sie sich erkennbar zu eigen gemacht hat, ausreichend dargelegt.
Danach ist davon auszugehen, dass die Regelung über die Altergrenze auf medizinische Erfahrungswerte zurückgeht, nach denen das Cockpitpersonal überdurchschnittlichen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt ist, in deren Folge das Risiko altersbedingter Ausfallerscheinungen und unerwarteter Fehlreaktionen zunimmt. Die Altersgrenze sichert nicht nur die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit, sondern dient darüber hinaus dem Schutz von Leben und Gesundheit der Besatzungsmitglieder, der Passagiere und der Menschen in den überflogenen Gebieten. Zwar hängt das zur Minderung der Leistungsfähigkeit führende Altern nicht allein vom Lebensalter ab, sondern ist ein schleichender Prozess, der individuell verschieden schnell vor sich geht. Mit höherem Lebensalter wird jedoch ein Altern mit den damit verbundenen Folgen wahrscheinlicher. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit generell auch heute noch mit zunehmendem Alter größer wird. Weiter ist davon auszugehen, dass der Einsatz von Piloten nach Vollendung des 60. Lebensjahres in internationalen Fachkreisen immer noch als problematisch angesehen wird. Zwar findet § 41 LuftBO in der bis zum 31. August 1998 geltenden Fassung, nach dem Mitglieder der Flugbesatzung mit einem Alter über 60 Jahre nicht mehr eingesetzt werden sollen, keine Anwendung mehr. Auch gibt es mittlerweile eine größere Zahl von Fluglinien, die
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Piloten über die Vollendung des 60. Lebensjahres bis zum 65. Lebensjahr einsetzt. Zudem hat auch die International Civil Aviation Organization (ICAO) nach unbestrittenen Angaben der Kläger am 10. März 2006 die feste Höchstaltersgrenze von 60 Jahren aufgegeben und die Grenze auf die Vollendung des 65. Lebensjahres angehoben. Wie die international verbindliche Lizensierungsregelung JAR-FCL sieht jedoch auch die Neuregelung der ICAO vor, dass der Inhaber einer Pilotenlizenz nach Vollendung des 60. Lebensjahres nicht mehr als Pilot in der gewerbsmäßigen Beförderung eingesetzt werden darf, es sei denn, dass er Mitglied einer Flugbesatzung ist, die aus mehreren Piloten besteht, und die anderen Piloten das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Aufgrund dieser Einschränkungen kann nach Ansicht der Kammer entgegen den Auffassungen der Kläger aus den Änderungen der maßgeblichen Bestimmungen nicht der Schluss gezogen werden, dass die internationalen Fachkreise ihre Sicherheitsbedenken gegen den Einsatz von Piloten nach Vollendung des 60. Lebensjahres aufgegeben hätten. Vielmehr zeigen die Einschränkungen, dass der Einsatz von Piloten nach Vollendung des 60. Lebensjahres nach wie vor noch als problematisch angesehen wird ( vgl. BAG Urt. v. 21.7.2004 -7 AZR 589/03-).
Die Annahme eines erhöhten, altersbedingten Sicherheitsrisikos wird auch durch die Ausführungen im Gutachten von Herrn Prof. gestützt, die die Beklagte sich zulässigerweise zu eigen gemacht hat.
Dieser Annahme steht das Vorbringen der Kläger und das ihre Einschätzung teilende Gutachten von Herrn Prof. nicht entgegen. Zwar mag es sein, dass keine gesicherten, medizinischen Erkenntnisse dafür vorliegen, dass mit dem Einsatz von Piloten nach Vollendung des 60. Lebensjahres ein erhöhtes Sicherheitsrisiko verbunden ist. Dies liegt aber zumindest auch entscheidend mit daran, dass es an entsprechendem Untersuchungsmaterial fehlt, wie Herr Prof. in seinem Gutachten bei seiner Darstellung des Untersuchungs- und Meinungsstandes nachvollziehbar erläutert. Dass bezogen
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auf die Gesamtbevölkerung das Risiko altersbedingter Ausfallerscheinungen und unerwarteter Fehlreaktionen zunimmt und auch mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine messbare Steigerung erfährt, ist nach Einschätzung der Kammer nicht, jedenfalls nicht so bestritten worden, dass die Berechtigung der Sicherheitsbedenken als widerlegt anzusehen wäre.
Dass eine feste Altersgrenze für Piloten mit Vollendung des 60. Lebensjahres geeignet ist, dass Ziel des Schutzes von Gesundheit und Leben der Besatzung, der Passagiere und der Menschen in den überflogenen Gebieten vor diesen erhöhten Risiken zu schützen, bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Das gewählte Mittel der Altersgrenze ist auch erforderlich im oben beschriebenen Rechtssinne. Mildere, gleich geeignete Mittel bestehen nicht. Zwar weisen die Kläger zutreffend darauf hin, dass nach sämtlichen nunmehr geltenden, die Nutzung von Fluglizenzen reglementierenden Bestimmungen ein Einsatz von Piloten in einer aus mehreren Piloten bestehenden Flugbesatzung erlaubt ist, wenn die anderen Piloten das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Dies ist eine ohne weitere Erläuterung nachvollziehbare Möglichkeit, höheren, altersbedingten Sicherheitsrisiken zu begegnen und solche zu verringern. Es handelt sich auch um eine aus Sicht der Reglementierungsstellen und einer Anzahl von Fluggesellschaften ausreichende Maßnahme, bestehenden erhöhten Sicherheitsrisiken zu begegnen, wie das Fehlen weiter einschränkender Regelungen und der Einsatz bei anderen Fluglinien belegt. Auch Prof. verweist in seinem Gutachten darauf, dass durch einen Einsatz unter 60-jähriger Piloten neben einem über 60-jährigen dem erhöhten Sicherheitsrisiko begegnet werden kann. Diese Beschränkung mag ausreichend geeignet sein, bestehenden Sicherheitsbedürfnissen Rechnung zu tragen, gleich geeignet wie der Ausschluss des Einsatzes von Piloten nach Vollendung ihres 60sten Lebensjahres ist sie aber schon auf den ersten Blick erkennbar nicht. Es ist offenkundig, dass ein Ausfall eines Piloten bei einem
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Flug zusätzliche Gefahrenquellen schafft. Auch wenn die Piloten geschult werden, mit solchen Gefahren umzugehen und auf sie zu reagieren und auch in der Regel problemlos solche Gefahrensituationen meistern, erhöht sich mit einer altersbedingten Steigerung des Sicherheitsrisikos durch einen über 60-jährigen Mitpiloten auch die Möglichkeit, dass dadurch bedingte Sondersituationen auch zu Fehlreaktionen der anderen Besatzungsmitglieder führen, die bei einem generellen Verbot des Führens eines Flugzeuges ab Vollendung des 60. Lebensjahres gänzlich ausscheiden.
Aus Sicht der Kammer ist die tarifliche Altersgrenze auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
Dem steht nicht entgegen, dass andere Fluglinien ihre Piloten bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres einsetzen. Auch wenn diesen kein leichtfertiger Umgang mit Sicherheitsrisiken vorzuwerfen sondern davon auszugehen ist, dass auch diese Fluglinien der ihnen obliegenden Verpflichtung, für den Schutz von Leben und Gesundheit ihrer Besatzungsmitglieder, ihrer Passagiere und der übrigen mit dem Flugbetrieb in Berührung kommenden Personen Sorge zu tragen, verantwortungsvoll gerecht werden, kann der Beklagten bzw. den insoweit zuständigen Tarifvertragsparteien grundsätzlich nicht verwehrt werden, weitergehende Einschränkungen vorzusehen, wenn sie dies für erforderlich halten dürfen und bei den Einschränkungen die Interessen der in ihrer Berufsfreiheit eingeschränkten Piloten ausreichend berücksichtigt werden. Dies ist vorliegend der Fall.
Wie dargelegt, ist davon auszugehen, dass in internationalen Fachkreisen der Einsatz von Piloten nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus Sicherheitsgründen trotz der Fortschritte in der Medizin und der umfassenden fachlichen und medizinischen Untersuchungen und Überprüfungen, denen sich die Piloten zu unterziehen haben, immer noch als problematisch angesehen wird. Auf diesem Hintergrund ist es zumindest solange internationale Empfehlungen Beschränkungen des Einsatzes von Piloten nach Vollendung
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des 60. Lebensjahres vorsehen, grundsätzlich zulässig, dass die Tarifvertragsparteien die Altersgrenze von 60 Jahren beibehalten. Mit der Tätigkeit eines Flugzeugführers ist ein erhebliches Sicherheitsrisiko verbunden. Das Versagen eines Piloten kann Leben und Gesundheit der Flugpassagiere, des Flugpersonals sowie der Menschen in den überflogenen Gebieten in höchste Gefahr bringen. Es entspricht außerdem der allgemeinen Lebenserfahrung, dass mit zunehmendem Lebensalter die Reaktionsfähigkeit abnimmt und die Gefahr von Ausfallerscheinungen steigt. Das gilt für alle Menschen, somit auch für Piloten. Allerdings können Fehlreaktionen beim Führen eines Flugzeugs zu besonders katastrophalen Folgen führen. Wenn die Tarifvertragsparteien daher in Übereinstimmung mit internationalen Empfehlungen die Vollendung des 60. Lebensjahres als den Zeitpunkt ansehen, ab dem die Tätigkeit eines Flugzeugführers zu einer Gefahr für die Flugsicherheit werden kann, ist diese Einschätzung nicht zu beanstanden. Insbesondere werden dadurch die Interessen der über 60-Jährigen Piloten nicht unbillig eingeschränkt. Es handelt sich in Anbetracht der möglichen Gesamtlebensarbeitszeit von Piloten, wie die eindrucksvolle Zahl der Berufsjahre der Kläger belegt um eine relativ gesehen geringe Zahl an Jahren. Auch bedeutet die Altergrenze entgegen den Darstellungen der Kläger nicht notwendig eine Zwangsverrentung. Die Kläger haben nämlich, wovon ihre Kollegen in der Vergangenheit auch durchaus Gebrauch gemacht haben, die Möglichkeit, ihrer Berufstätigkeit bei anderen Fluggesellschaften nachzugehen, die weniger strenge Beschränkungen für erforderlich halten. Auch erhalten sie neben anderen aus ihrer Zugehörigkeit zur Beklagten resultierender Leistungen eine Übergangsversorgung i.H.v. ca. 60 % ihrer letzten Bezüge, die eine angemessene Sicherung der Lebensgrundlage bis zum Eintritt in die Altersrente ermöglicht. Im Verhältnis zum hohen Wert der Schutzgüter, deren Sicherung die tarifliche Altergrenze dienen soll, nämlich Leben und Gesundheit, den höchsten Schutzgütern unserer Verfassung, sind die Einschränkungen, denen die Kläger alterbedingt ausgesetzt sind noch billigenswert und damit angemessen.
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2.
Die Befristungsregelung ist auch durch einen Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) gerechtfertigt.
Tarifliche Regelungen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen auf Grund von Befristungen unterfallen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle. Dazu gehören auch tarifliche Altersgrenzen (vgl. u.a. BAG Urt. v. 27. November 2002 - 7 AZR 655/01). Die Befristungskontrolle richtet sich im Streitfall nach § 14 Abs. 1 des am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen TzBfG. Die Wirksamkeit einer Befristung ist, wie bereits dargelegt, nach dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Recht zu beurteilen. Der in Bezug genommene Tarifvertrag, der die Altersgrenze vorsieht, wurde am 14. Januar 2005 und damit nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des TzBfG am 1. Januar 2001 vereinbart.
Die Befristungskontrolle erübrigt sich nicht deshalb, weil die Altersgrenze in einem Tarifvertrag geregelt ist. Auch tarifliche Altersgrenzenregelungen bedürfen eines sie rechtfertigenden Sachgrunds. Dem steht die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie, die auf der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit beruht, nicht entgegen. Die Koalitionsfreiheit ist zwar durch Art. 9 Abs. 3 GG vorbehaltlos gewährleistet. Das bedeutet allerdings nicht, dass damit jedes staatliche Handeln im Schutzbereich dieses Grundrechts unzulässig wäre. Art. 9 Abs. 3 GG gewährt den Tarifvertragsparteien zwar ein Normsetzungsrecht, aber kein Normsetzungsmonopol. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG bleibt der Gesetzgeber befugt, das Arbeitsrecht zu regeln. Damit verbundene Beeinträchtigungen der Tarifautonomie sind hinzunehmen, wenn der Gesetzgeber mit ihnen den Schutz der Grundrechte Dritter oder anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Belange bezweckt und wenn sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
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wahren. Im Bereich des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes ist im Interesse der Gewährleistung der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit der Arbeitnehmer ein staatlicher Mindestschutz unverzichtbar. Das folgt aus der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte, die staatliche Grundrechtsadressaten dazu verpflichten, einzelne Grundrechtsträger vor einer unangemessenen Beschränkung ihrer Grundrechte zu bewahren. Für den Bereich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen auf Grund einseitiger Gestaltungserklärung des Arbeitgebers hat der Gesetzgeber dieser Schutzpflicht durch die zwingenden Kündigungsschutzvorschriften Rechnung getragen. Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen schützen seit dem 1. Januar 2001 die Bestimmungen des TzBfG vor einer unangemessenen Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG. Deren Aufgabe ist es, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen, den staatlichen Kündigungsschutz umgehenden Verlust des Arbeitsplatzes zu schützen und einen angemessenen Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien zu finden. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht, der die Arbeitsgerichte als Grundrechtsadressaten zu genügen haben, rechtfertigt und gebietet es, auch tarifvertraglich normierte Befristungen einer gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen. Die Bestimmungen des TzBfG zur Befristungskontrolle sind nicht tarifdispositiv. Daher bedürfen auch tarifliche Normen über Befristungen zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden Sachgrunds. Allerdings steht den Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung eine Einschätzungsprärogative zu, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten, der betroffenen Interessen und der Regelungsfolgen geht sowie ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung. Das Erfordernis eines die Befristung rechtfertigenden Sachgrunds entfällt dadurch nicht. Dessen Bestehen haben die Gerichte auf Grund der ihnen obliegenden Schutzpflicht im Rahmen der Befristungskontrolle zu prüfen. Dabei haben sie jedoch die den Tarifvertragsparteien zustehende Einschätzungsprärogative zu respektieren. Diese ist nur überschritten, wenn für die getroffene Regelung
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plausible, einleuchtende Gründe nicht erkennbar sind (vgl. u.a. BAG Urt. v. 21.7.2004 -7 AZR 589/03- m.w.N.).
Die Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten ist von der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien gedeckt. Sie ist durch einen Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG gerechtfertigt. Danach liegt ein für eine zulässige Befristung erforderlicher Sachgrund insbesondere dann vor, wenn die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt. Dies ist vorliegend der Fall.
Mit der Tätigkeit eines Flugzeugführers ist ein erhebliches Sicherheitsrisiko verbunden. Das Versagen eines Piloten kann Leben und Gesundheit der Flugpassagiere, des Flugpersonals sowie der Menschen in den überflogenen Gebieten in höchste Gefahr bringen. Die tarifliche Regelung über die Altersgrenze soll auf diesem Hintergrund die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit der Piloten sichern und Leben und Gesundheit der Besatzungsmitglieder, der Passagiere und der Menschen in den überflogenen Gebieten schützen. Sie geht, wie dargelegt, zurück auf medizinische Erfahrungswerte, nach denen das Cockpitpersonal überdurchschnittlichen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt ist, in deren Folge das Risiko altersbedingter Ausfallerscheinungen und unerwarteter Fehlreaktionen zunimmt. Wenn auch das zur Minderung der Leistungsfähigkeit führende Altern nicht allein vom Lebensalter ab, sondern ein schleichender Prozess ist, der individuell verschieden schnell vor sich geht, so wird mit höherem Lebensalter jedoch ein Altern mit den damit verbundenen Folgen wahrscheinlicher. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit generell auch heute noch mit zunehmendem Alter größer wird. Dies gilt, wie ausgeführt, für alle Menschen somit auch für Piloten. Aufgrund der maßgeblichen Reglementierungsbestimmungen, die einen Einsatz eines über 60-jährigen Piloten nur zulassen, wenn die übrigen Mitglieder der mehrköpfigen Besatzung das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist davon auszugehen, dass der
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Einsatz von Piloten nach Vollendung des 60. Lebensjahres auch in internationalen Fachkreisen nach wie vor als problematisch angesehen wird. Da Fehlreaktionen beim Führen eines Flugzeuges zu besonders katastrophalen Folgen führen, ist es in Anbetracht der vorbeschriebenen Umstände unerheblich, ob gesicherten medizinische Erkenntnisse dafür bestehen, dass mit dem Einsatz von Piloten nach Vollendung des 60. Lebensjahres ein erhöhtes Sicherheitsrisiko verbunden ist. Zumindest solange internationale Empfehlungen Beschränkungen des Einsatzes von Piloten nach Vollendung des 60. Lebensjahres vorsehen, bewegen sich die Tarifvertragsparteien mit der Festschreibung und Beibehaltung der Altersgrenze von 60 Jahren im Rahmen der ihnen zustehenden Regelungsbefugnis (vgl. BAG Urt. v. 21. Juli 2004 -7 AZR 589/03- m.zahlr.w.N.).
3.
Die tarifliche Altersgrenze verletzt den Kläger auch nicht in seinen Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG.
Da für die tarifliche Altersgrenze ein sachlicher Grund besteht, verletzt die Regelung den Kläger nicht in seinen Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG. Tarifliche Altersgrenzen, die den Anforderungen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle genügen, sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BAG Urt. v. 21. Juli 2004 -7 AZR 589/03- m.z.w.N.).
Art. 12 Abs. 1 GG garantiert die freie Wahl des Arbeitsplatzes und schützt auch das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes. Das gewährt dem Arbeitnehmer zwar keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Disposition. Insofern obliegt dem Staat aber eine aus dem Grundrecht folgende Schutzpflicht. Bei privatrechtlichen Regelungen, die der Vertragsfreiheit Grenzen setzen, geht es um den Ausgleich widerstreitender Interessen, die regelmäßig beide
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grundrechtlich verankert sind. Die kollidierenden Grundrechtspositionen sind in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Nach diesen Maßstäben lässt sich eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG nicht feststellen (BVerfG Beschl. v. 25.11.2004 -1 BvR 2459/04- m.w.N.).
Durch tarifliche Altersgrenzenregelungen, die auf ein Arbeitsverhältnis normativ oder aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden, wird die Freiheit der Berufsausübung der betroffenen Arbeitnehmer insofern beeinträchtigt, als das von ihnen aufgrund privatautonomen Willensentschlusses vereinbarte Arbeitsverhältnis bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Da der Arbeitnehmer sich gegen diese Beendigung nicht durch eine Kündigungsschutzklage schützen kann, fordert Art. 12 GG einen anderweitigen Schutz des Arbeitnehmers, durch den - wie sonst bei Ausspruch einer Kündigung (vgl. § 1 Abs. 2 KSchG ) - sichergestellt wird, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf einem legitimen Grund beruht, der gerichtlicher Prüfung unterliegt. Dieser Schutz erfolgt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dadurch, dass solche Altersgrenzenregelungen als Befristungsvereinbarungen anzusehen sind, die nur rechtswirksam sind, wenn sie auf einem sachlichen Grund beruhen, dessen Vorliegen gerichtlich kontrolliert werden kann.
Eine Altersgrenze ist eine subjektive Zulassungsbeschränkung. Subjektive Zulassungsbeschränkungen sind zulässig, wenn sie als Voraussetzung zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Berufes oder zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes, das der Freiheit des Einzelnen vorgeht, erforderlich sind. Zu dem angestrebten Zweck dürfen sie nicht außer Verhältnis stehen und keine übermäßigen, unzumutbaren Belastungen enthalten.
Diesen Anforderungen wird eine (tarifliche) Altersgrenze für Piloten, die mit Vollendung des 60. Lebensjahres die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge hat, gerecht (BVerfG Beschl. v. 25.11.2004 -1 BvR 2459/04- m.w.N.). Die Altersgrenze dient einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut, nämlich dem
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Gesundheitsschutz einer Vielzahl von Personen, die bei einem Versagen des Piloten aufgrund von Ausfallerscheinungen gefährdet sein könnten. Altersgrenzen, die die Berufsausübung im höheren Alter einschränken, dienen auch dazu, die Gefährdungen, die von älteren, nicht mehr voll leistungsfähigen Berufstätigen ausgehen können, einzudämmen. Das Versagen eines Piloten hätte Folgen für eine Vielzahl von Menschen. Deshalb ist es notwendig, den Eintritt etwaiger Gefahrenlagen so weit wie möglich zu verhindern. Die Tätigkeit eines Piloten stellt hohe Anforderungen an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter größer wird. Der Schutz von Leben und Gesundheit stellt ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut dar, das selbst erhebliche Einschränkungen der Berufsfreiheit rechtfertigen kann (BVerfG Beschl. v. 25.11.2004 -1 BvR 2459/04- m.w.N.). Solche Altersgrenzenregelungen genügen auch den Anforderungen, die aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen. Sie sind zur Sicherung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit der Piloten geeignet und erforderlich. Die Tarifvertragsparteien sind - im Rahmen der ihnen verfassungsrechtlich durch Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumten Gestaltungsbefugnis nicht darauf beschränkt, jeweils im Einzelfall ab Vollendung des 60. Lebensjahres eine individuelle Prüfung der Leistungsfähigkeit zur Sicherstellung dieses Zieles vorzusehen. Die Tarifvertragsparteien können - ebenso wie dies der Gesetzgeber dürfte - auf der Grundlage von Erfahrungswerten eine generalisierende Regelung erlassen (vgl. zu allem u.a. BVerfG Beschl. v. 25. November 2004 -1 BvR 2459/04- m.w.N.).
4.
Die Beklagte ist auch aufgrund abgegebener Erklärungen nicht aus Rechtsgründen gehindert, sich auf die Wirksamkeit der tariflichen Altersgrenze zu berufen.
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Auch wenn der Chefpilot der Beklagten Herr und der Flottenchef Herr im Rahmen der Gespräche im August 2006 und September 2006 ihr Interesse an einer Weiterbeschäftigung der Kläger wegen eines entsprechenden Bedarfs an Piloten geäußert haben mögen und auch über die rechtlichen Auffassungen zum Anspruch der Kläger auf Weiterbeschäftigung über das 60. Lebensjahr hinaus, d.h. darüber Einvernehmen bestanden haben mag, dass keine gesundheitlichen Bedenken gegen den Einsatz von Piloten nach Vollendung des 60. Lebensjahres bestehen, so sah sich die Beklagte schon nach den Angaben der Kläger selbst an einer ausdrücklichen Zustimmung zur Weiterbeschäftigung gehindert und hat weitere vereinbarte Gespräche abgesagt, nachdem die Vereinigung Cockpit e.V. ihrerseits Gespräche mit den Klägern zu dieser Frage verweigert hat. Ungeachtet der Frage, inwieweit die beiden Mitarbeiter der Beklagten überhaupt zur Abgabe die Beklagte bindender Erklärungen befugt waren, haben diese den Klägern danach weder eine Beschäftigung zugesagt noch sonst zum Ausdruck gebracht, dass sie von einer Beschäftigungsverpflichtung der Beklagten ausgehen. Nach dem Vorbringen der Kläger kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein anderer Vertrauenstatbestand geschaffen worden wäre, aufgrund dessen die Kläger berechtigterweise auf eine Fortbeschäftigung hätten vertrauen können. Den behaupteten Erklärungen kann allenfalls entnommen werden, dass auch die beiden Gesprächspartner, wie die Kläger, die tarifliche Altersgrenze nicht für erforderlich und eine Weiterbeschäftigung der Kläger für wünschenswert halten. Sie können jedoch kein Vertrauen darauf begründen, dass ungeachtet der Fortgeltung der maßgeblichen Tarifbestimmungen eine Beschäftigung erfolgen soll oder darauf, dass die Beklagte sich im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht auf die Wirksamkeit der tariflichen Bestimmung berufen wird.
5.
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Da Beschäftigungsanträge nur für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen gestellt wurden, war über sie vorliegend nicht zu entscheiden.
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1, 100 ZPO. Danach haben die Kläger als unterliegende Parteien einem ihrem Verursachungsbeitrag entsprechenden Anteil an den Kosten des Verfahrens zu tragen.
7. Der Wert des Streitgegenstandes war gemäß den §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 4 GKG in Höhe der Summe des für die jeweiligen Arbeitsverhältnisse für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts festzusetzen.
8.
Gegen das Urteil können die unterlegenen Kläger gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG Berufung einlegen. Eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung folgt auf der nächsten Seite.
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