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Keine Verpflichtung zur Staffelung von Kündigungsfristen in Tarifverträgen
21.05.2008. Die vom Arbeitgeber zu beachtenden Kündigungsfristen sind gemäß § 622 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) um so länger, je länger das gekündigte Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Allerdings dürfen die Tarifparteien von dieser gesetzlichen Staffelung der Kündigungsfristen je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung in einem Tarifvertrag abweichen.
Diese Abweichungsbefugnis geht so weit, dass tarifvertragliche Kündigungsfristen auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses gar keine Rücksicht nehmen müssen: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.04.2008, 2 AZR 21/07.
- Können die Tarifvertragsparteien in einem Tarifvertrag Kündigungsfristen vorsehen, die von der Dauer des Arbeitsverhältnisses völlig unabhängig sind?
- Der Streitfall: Über 50jähriger Arbeitnehmer wird nach mehr als 30 Jahren Beschäftigung gemäß Tarif mit sechs Wochen zum Monatsende gekündigt
- BAG: Bei tarifvertraglichen Kündigungsfristen besteht kein Zwang zur Berücksichtigung der Beschäftigungsdauer
Können die Tarifvertragsparteien in einem Tarifvertrag Kündigungsfristen vorsehen, die von der Dauer des Arbeitsverhältnisses völlig unabhängig sind?
§ 622 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) regelt die Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift verlängern sich die für Kündigungen des Arbeitgebers geltenden Kündigungsfristen je nachdem, wie lange das Arbeitsverhältnis des gekündigten Arbeitnehmers in dem Betrieb oder Unternehmen bestanden hat.
Hat das Arbeitsverhältnis zum Beispiel 20 Jahre oder länger bestanden, schreibt § 622 Abs.2 Satz 1 Nr.7 BGB eine Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende des Kalendermonats vor.
Die Tarifparteien haben gemäß § 622 Abs.4 BGB aber die Möglichkeit, in einem Tarifvertrag vom Gesetz abweichende Regelungen der Kündigungsfristen in einem Tarifvertrag zu vereinbaren. Von dieser Möglichkeit wird auch häufig Gebrauch gemacht, oft auch im Sinne einer Verkürzung der gesetzlichen Kündigungsfristen.
So sieht beispielsweise der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern vor, dass die Kündigungsfrist in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten einheitlich (nur) sechs Wochen zum Monatsende beträgt, und zwar sowohl bei Kündigungen durch den Arbeitgeber als auch bei Kündigungen durch den Arbeitnehmer.
Auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Kündigung kommt es dabei nicht an. Erst bei einer Betriebsgröße von mindestens 20 Beschäftigten schreibt der Manteltarifvertrag für arbeitgeberseitige Kündigungen verlängerte Fristen vor, wobei die Länge der Fristen nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelt ist.
Das BAG hatte sich in seinem Urteil vom 23.04.2008 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob tarifvertragliche Regelungen, die bei der Bemessung der Kündigungsfristen keinerlei Differenzierung hinsichtlich der Dauer der Betriebszugehörigkeit enthalten, wirksam sind oder ob sie möglicherweise gegen höherrangiges Recht verstoßen.
Denkbar wäre hier insbesondere ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und/oder gegen Art. 3 Grundgesetz (GG), weil die fehlende Verlängerung der vom Arbeitgeber zu beachtenden Kündigungsfristen auch bei langer Dauer des Arbeitsverhältnisses in Kleinbetrieben eine ungerechtfertigte (mittelbare) Benachteiligung älterer Arbeitnehmer zur Folge haben könnte.
Konkret ist zu klären, ob eine Differenzierung nach der Betriebsgröße verfassungsrechtlich zulässig ist und die gewählte Grenze von 20 Arbeitnehmern nicht willkürlich gezogen wurde.
Der Streitfall: Über 50jähriger Arbeitnehmer wird nach mehr als 30 Jahren Beschäftigung gemäß Tarif mit sechs Wochen zum Monatsende gekündigt
Der über 50-jährige Kläger war bei der Beklagten als Kfz-Mechaniker beschäftigt und wies eine mehr als 30-jährige Betriebszugehörigkeit auf. In dem Betrieb der beklagten Arbeitgeberin waren weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis war der oben erwähnte Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Kraftfahr-zeuggewerbes in Bayern anzuwenden. Somit hatte der Arbeitnehmer trotz des langjährigen Bestehens des Arbeitsverhältnisses nach dem Tarif lediglich eine verhältnismäßig kurze Kündigungsfrist zu beachten (sechs Wochen zum Monatsende).
Die Beklagte legte ihren Betrieb im Jahr 2005 still und kündigte aus diesem Grund das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis am 14.11.2005 zum 31.12.2005.
Der Kläger, der sich zunächst auch gegen die Kündigung an sich gewehrt hatte, machte in der Revisionsinstanz nur noch geltend, dass die tarifliche Regelung unwirksam sei, so dass das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten, d.h. mit dem Ablauf des 30.06.2006 ende. Die Unwirksamkeit der tariflich festgelegten Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende ergebe sich daraus, dass in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten keine Differenzierung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit stattfinde, obgleich sich die Tarifvertragsparteien an dem gesetzlichen Leitbild des § 622 Abs.2 BGB hätten orientieren müssen.
Das Arbeitsgericht Bamberg wies die Klage mit Urteil vom 22.03.2006 (1 Ca 1411/05) ab. Das als Berufungsgericht zuständige Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg bestätigte diese Entscheidung mit Berufungsurteil vom Urteil vom 05.12.2006, (6 Sa 450/06).
In Ergänzung zum Arbeitsgericht Bamberg führt das LAG Nürnberg aus, dass sich § 622 Abs.4 BGB keine Anhaltspunkte für eine Verpflichtung der Tarifparteien entnehmen lasse, nach der eine bestimmte Regelung über die Kündigungsfristen zu treffen sei. Insbesondere ergebe sich die nicht aus der Begründung zum Regierungsentwurf zu § 622 BGB (abgedruckt in: Recht der Arbeit (RdA) [Zeitschrift] 1993, S.170 ff.).
Im Übrigen tritt das LAG Nürnberg einer teilweise vertretenen Auffassung entgegen, älteren Arbeitnehmern müsse prinzipiell, d.h. auch tarifvertraglich eine längere Kündigungsfrist zugestanden werden. Die Tarifparteien seien vielmehr in der Gestaltung der Kündigungsfristen nicht eingeschränkt. Insbesondere hätten die hier angesprochenen Tarifparteien bewusst eine differenzierende Regelung dahingehend getroffen, dass für die Arbeitnehmer in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten die Grundkündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende gelten solle, während den Beschäftigen in größeren Betrieben eine längere, gestaffelte Kündigungsfrist für arbeitgeberseitige Kündigungen zugute komme.
Das LAG sah auch keinen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Den Tarifparteien stehe eine „Einschätzungsprärogative“ bei der Differenzierung nach der Betriebsgröße zu. Zudem sei dem deutschen Recht eine differenzierte Behandlung der Kleinbetriebe nicht fremd.
BAG: Bei tarifvertraglichen Kündigungsfristen besteht kein Zwang zur Berücksichtigung der Beschäftigungsdauer
Das BAG hat sich in seiner Entscheidung vom 23.04.2008 (2 AZR 21/07) der Meinung der beiden Vorinstanzen angeschlossen, d.h. die Revision des Arbeitnehmers zurückgewiesen.
Soweit den bislang nur vorliegenden Angaben in der Pressemitteilung entnommen werden kann, geht auch das BAG von einer fehlenden Verpflichtung der Tarifparteien aus, eine in Entsprechung des § 622 Abs.2 BGB gestaffelte Kündigungsfrist für arbeitgeberseitige Kündigungen nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit festzulegen.
Zwar sehe das Gesetz eine gestaffelte Kündigungsfrist vor, so dass die Kündigungsfrist nach der Vorschrift des § 622 Abs.2 Satz 1 Nr.7 BGB sieben Monate betrage. § 622 Abs.4 BGB erlaube den Tarifparteien aber ausdrücklich, abweichende Regelungen zu treffen, womit die Dauer der Kündigungsfrist zur Disposition der Tarifparteien gestellt werde.
Die Tarifparteien hätten in dem hier einschlägigen Tarifvertrag von dieser Möglichkeit in einer rechtlich nicht zu beanstandenden Weise Gebrauch gemacht, indem sie für Betriebe mit weniger als 20 Beschäftigten losgelöst von der Beschäftigungsdauer eine einheitliche Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende vereinbart hätten.
Da der Tarifvertrag auf das Arbeitsvertragsverhältnis zwischen Kläger und Beklagter Anwendung fand, endete das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2005.
Fazit: Die Entscheidung des BAG und der Vorinstanzen passt recht gut zu der - ebenfalls „arbeitnehmerunfreundlichen“ - Rechtsprechung zu tarifvertraglichen Altersgrenzen. So hatten sowohl das Arbeitsgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 14.03.2007, 6 Ca 7405/06) wie auch das Hessische Landesarbeitsgericht als Berufungsgericht (Urteil vom 15.10.2007, 17 Sa 809/07) die Klage mehrerer Lufthansapiloten gegen die automatische Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse mit der Vollendung des 60. Lebensjahres abgewiesen (wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 07/79 Altersgrenze von 60 Jahren bei Lufthansapiloten ist rechtens). Auch diese Entscheidung lief letztlich darauf hinaus, die Gestaltungsspielräume der Tarifparteien bei der Ausgestaltung rechtlicher Folgen des Lebensalters in weitgehendem Umfang zu stärken.
Nähere Informationen zu diesem Vorgang finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.04.2008, 2 AZR 21/07
- Bundesarbeitsgericht (Webseite)
- Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 05.12.2006, 6 Sa 450/06
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsfristen
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Gericht seine Entscheidungsgründe schriftlich abgefasst und veröffentlicht. Die Entscheidungsgründe im Volltext finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 23. Juni 2016
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