HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 12.04.2007, 21 Sa 62/06

   
Schlagworte: Kündigung: Änderungskündigung, Änderungskündigung, Leiharbeit, Arbeitnehmerüberlassung, Equal pay, CGZP
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Aktenzeichen: 21 Sa 62/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.04.2007
   
Leitsätze:

1. Sind die Kunden eines Zeitarbeitsunternehmens nachweislich nicht bereit, Leiharbeiter zu "equal-treatment" - Bedingungen i.S. der §§ 3 Abs.1 Nr. 3, 9 Nr.2 AÜG zu beschäftigen, kann dies den Ausspruch einer ordentlichen Änderungskündigung mit dem Ziel einer Vertragsänderung zu den Bedingungen eines branchenüblichen Tarifvertrages sozial rechtfertigen.

2. Im Streitfall ist der Leiharbeitgeber jedoch gehalten, im Kündigungsschutzprozess konkret darzulegen und zu beweisen, dass es alle seine Kunden - ungeachtet der Höhe des vom ihm in Rechnung gestellten Stundenverrechnungssatzes - ablehnen, Leiharbeiter in ihren Betrieben einzusetzen, wenn diese von ihrem zu "equal-treatment" - Bedingungen beschäftigt werden müssen.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 20.06.2006,16 Ca 11802/05
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.01.2009, 2 AZR 641/07
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ba­den-Würt­tem­berg

 

Verkündet

am 12.04.2006

Ak­ten­zei­chen: Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!

21 Sa 62/06

16 Ca 11802/05 (ArbG Stutt­gart)

Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In dem Rechts­streit

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg
- 21. Kam­mer - durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Leicht, den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Bur­kard und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kraus auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 12.04.2006

für Recht er­kannt:

1. Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Stutt­gart vom 20.06.2006 - Az.: 16 Ca 11802/05 - ab­geändert:

Es wird fest­ge­stellt, dass die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen durch die Ände­rungskündi­gung der Be­klag­ten vom 24.11.2005 so­zi­al nicht ge­recht­fer­tigt ist.

2. Die Be­klag­te hat die Kos­ten des ge­sam­ten Rechts­streits zu tra­gen.

3. Die Re­vi­si­on zum Bun­des­ar­beits­ge­richt wird zu­ge­las­sen.

 

- 2 -

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen be­triebs­be­ding­ten Ände­rungskündi­gung sei­tens der Be­klag­ten.

Der am 01.01.1946 ge­bo­re­ne ver­hei­ra­te­te Kläger ist seit 25.10.1999 bei der Be­klag­ten - ei­nem bun­des­weit agie­ren­den Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men, wel­ches nicht ta­rif­ge­bun­den ist - als Pro­duk­ti­ons­hel­fer/Hilfs­kraft beschäftigt. Die nähe­ren Ar­beits­be­din­gun­gen sind im Ar­beits­ver­trag vom 20.10.1999 (ArbG-Ak­te Bl. 71-74), auf wel­chen Be­zug ge­nom­men wird, ent­hal­ten. Im Jahr 2003 be­zog der Kläger ein durch­schnitt­li­ches mo­nat­li­ches Brut­to­ent­gelt von € 1.038,50.

Mit Schrei­ben vom 22.12.2003 sprach die Be­klag­te be­triebs­be­dingt ei­ne Ände­rungskündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Kläger, mit Schrei­ben vom 29.12.2003 ei­ne Be­en­di­gungskündi­gung zum 31.01.2004 aus. Nach­dem die Un­wirk­sam­keit die­ser Kündi­gun­gen in zwei In­stan­zen fest­ge­stellt wor­den war, sprach die Be­klag­te mit ei­nem wei­te­ren Schrei­ben vom 24.11.2005 ei­ne be­triebs­be­ding­te Ände­rungskündi­gung zum 31.01.2006 aus. Die ihm an­ge­bo­te­nen neu­en Ar­beits­be­din­gun­gen (ArbG-Ak­te Bl. 6-11) nahm der Kläger un­ter Vor­be­halt an und reich­te am 29.11.2005 die vor­lie­gen­de Kündi­gungs­fest­stel­lungs­kla­ge beim Ar­beits­ge­richt Stutt­gart ein.

Er hat im We­sent­li­chen vor­ge­tra­gen, die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen durch die Ände­rungskündi­gung sei so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt, da der neue Ar­beits­ver­trag in meh­re­ren Punk­ten vom al­ten ab­wei­che und die­se für ihn nach­tei­lig, die Abände­run­gen grund­los und des­halb nicht hin­nehm­bar sei­en, ins­be­son­de­re nicht die vor­ge­se­he­ne Ta­rif­bin­dung, die Kürzung der Zeit­zu­schläge, die geänder­te Wo­chen­ar­beits­zeit, ei­ne ab­wei­chen­de Vergütungs­re­ge­lung und di­ver­se an­de­re Ände­run­gen.

Der Kläger hat in ers­ter In­stanz zu­letzt be­an­tragt:

Es wird fest­ge­stellt, dass die Ände­run­gen der Ar­beits­be­din­gun­gen durch die Ände­rungskündi­gung vom 24.11.2005 so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt ist.

Hilfs­wei­se:
Es wird fest­ge­stellt, dass der In­halt des Ar­beits­verhält­nis­ses der Par­tei­en durch die Ände­rungskündi­gung der Be­klag­ten vom 24.11.2005 nicht auf­gelöst wor­den ist.

Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt.

 

- 3 - 

Sie hat im We­sent­li­chen vor­ge­tra­gen, die Ände­rungskündi­gung sei vor dem Hin­ter­grund der Ge­set­zesände­run­gen im Be­reich der Ar­beit­neh­merüber­las­sung ab 01.01.2004 aus drin­gen­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen er­folgt. Sie ha­be ih­re Ar­beits­verhält­nis­se im Un­ter­neh­men den zwi­schen den Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten und dem Bun­des­ver­band Zeit­ar­beit ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträgen un­ter­wor­fen. Da mit dem Kläger - als ein­zi­gem Ar­beit­neh­mer - ei­ne ein­ver­nehm­li­che Re­ge­lung nicht zu er­zie­len ge­we­sen sei, sei sie ge­zwun­gen ge­we­sen, sei­ne Ar­beits­be­din­gun­gen mit der Ände­rungskündi­gung an die neue Ge­set­zes­la­ge an­zu­pas­sen. Von den Ent­leih­fir­men, mit wel­chen sie Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­verträge ab­ge­schlos­sen ha­be, sei kei­ne be­reit ge­we­sen, Leih­ar­beit­neh­mer zu „equal tre­at­ment“-Be­din­gun­gen zu ent­lei­hen, wes­halb es für den Kläger ab 01.01.2004 kei­ne Ver­leihmöglich­keit mehr ge­ge­ben ha­be. Die an­ge­bo­te­ne Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen sei für den Kläger nicht nach­tei­lig ge­we­sen, da ihm im Rah­men ei­ner Be­sitz­stands­wah­rung sein ursprüng­li­ches Ge­halt ga­ran­tiert wor­den sei und die übri­gen ge­ringfügi­gen Ver­tragsände­run­gen mar­gi­na­le Be­deu­tung hätten.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit sei­nem, den Par­tei­ver­tre­tern je­weils am 22.06.2006 zu­ge­stell­ten Ur­teil vom 20.06.2006 die Kla­ge ab­ge­wie­sen und zur Be­gründung im We­sent­li­chen aus­geführt, die Ände­rungskündi­gung sei wirk­sam, da das Ände­rungs­an­ge­bot so­zi­al ge­recht­fer­tigt sei. Die An­pas­sung der ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen an die ta­rif­li­chen Be­stim­mun­gen sei durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se be­dingt. Nach dem Vor­trag der Be­klag­ten sei kei­ner ih­rer Ent­leih­be­trie­be be­reit ge­we­sen, Leih­ar­beit­neh­mer zu „equal-tre­at­ment“-Be­din­gun­gen zu ent­lei-hen, nach­dem sie zum ei­nen im Vor­feld ein deut­li­ches Mehr an Auskünf­ten und In­for­ma­tio­nen hätten er­tei­len müssen (bei­spiels­wei­se über Ar­beits­be­din­gun­gen der Stamm­ar­beit­neh­mer) und zum an­de­ren der St­un­den­ver­rech­nungs­satz bei ei­ner Über­las­sung zu „equal-tre­at­ment“-Be­din­gun­gen deut­lich höher ge­we­sen wäre. Der Kläger sei so­mit nach der al­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lung nicht mehr ein­setz­bar ge­we­sen. Dar­in lie­ge ein drin­gen­der be­trieb­li­cher Grund, der ei­ne Ände­rungskündi­gung grundsätz­lich recht­fer­ti­gen könne. Das Ände­rungs­an­ge­bot der Be­klag­ten be­schränke sich an­de­rer­seits auf sol­che Ände­run­gen, die vom Kläger bil­li­ger­wei­se hin­zu­neh­men sei­en. Ein Ver­gleich des al­ten mit dem neu­en Ar­beits­ver­trag zei­ge, dass die ein-zi­gen „nach­tei­li­gen Ände­run­gen“ in ei­ner ge­ringfügi­gen Re­du­zie­rung der ta­rif­li­chen Zu­schläge ge­genüber den im ursprüng­li­chen Ar­beits­ver­trag ver­ein­bar­ten Zu­schlägen lie­ge. Da­bei sei­en die Zu­schläge für Nacht­ar­beit um 5 %, die für Sonn­tags­ar­beit um 20 % und die für Fei­er­tags­ar­beit um 50 % nied­ri­ger aus­ge­fal­len. Dies er­schei­ne je­doch nicht un­bil­lig, da die Einsätze des Klägers da­von nicht in nen­nens­wer­tem Um­fang be­trof­fen sei­en. Die­ser ver­rich­tet die glei­che Tätig­keit, er­hal­te die­sel­be Vergütung und ha­be die­sel­be Ar­beits­zeit wie im al­ten Ver­trag, wo­bei die frühe­re Be­triebs­zu­gehörig­keit aus­drück­lich an­er­kannt wor­den sei. Der Ein­wand des Klägers, mit ei­ner Ver­ein­ba­rung der ta­rif­ver­trag­li­chen Be­stim­mun­gen würde der Wil­le des Ge­setz­ge­bers „auf den Kopf ge­stellt“, grei­fe nicht, da die von der Be­klag­ten­sei­te gewähl­te Vor­ge­hens­wei­se ge­ra­de in § 9 Ziff. 2 AÜG vor­ge­se­hen sei.

 

- 4 -

Hier­ge­gen wen­det sich der Kläger mit sei­ner per Te­le­fax-Schrift­satz vom 22.06.2006 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­leg­ten und mit Te­le­fax-Schrift­satz vom 22.06.2006 (LAG-Abl. 15-21) aus­geführ­ten Be­ru­fung. Hier­aus so­wie aus sei­nen wei­te­ren Schriftsätzen vom 07.03. und 10.04.2007 (LAG-Abl. 61-64 bzw. 65-70) und dem Schrift­satz der Be­klag­ten vom 30.10.2006 (LAG-Abl. 38-41) er­sch­ließt sich das Vor­brin­gen der Par­tei­en im Be­ru­fungs­ver­fah­ren. Dar­auf wird Be­zug ge­nom­men.

Der Kläger führt ge­gen das an­ge­foch­te­ne Ur­teil im We­sent­li­chen ins Feld, das Ar­beits­ge­richt sei zu Un­recht da­von aus­ge­gan­gen, dass die von der Be­klag­ten an­ge­streb­te An­pas­sung sei­nes Ar­beits­ver­tra­ges an die ta­rif­ver­trag­li­chen Be­stim­mun­gen durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der-nis­se ge­recht­fer­tigt sei, weil kei­ner der Ent­leih­be­trie­be der Be­klag­ten be­reit ge­we­sen sei, Leih­ar­beit­neh­mer zu „equal-tre­at­ment“-Be­din­gun­gen zu ent­lei­hen. Er ha­be nämlich nach­hal­tig be­strit­ten, dass er nach der al­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lung nicht mehr ein­setz­bar ge­we­sen sei, zu­mal er tatsächlich auch nach Aus­spruch der Ände­rungskündi­gung im Rah­men ei­nes Pro­zess­ar­beits­verhält­nis­ses zu­min­dest bis 30.06.2006 wie zu­vor beschäftigt wor­den sei. Al­lein die ge­setz­li­che Neu­re­ge­lung zum 01.01.2004 ha­be ein drin­gen­des be­trieb­li­ches Bedürf­nis zur Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen nicht recht­fer­ti­gen können. Im Übri­gen sei­en ihm die da­mit ver­bun­de­nen Nach­tei­le nicht zu­zu­mu­ten. Die­se lägen nicht nur in ei­ner fak­ti­schen Her­ab­grup­pie­rung (Ab­sen­kung der ihm ver­trag­lich bzw. ge­setz­lich zu­ste­hen­den Vergütung auf das Ta­ri­fent­gelt un­ter Gewährung ei­ner frei­wil­li­gen über­ta­rif­li­chen Zu­la­ge, auf wel­che kein Rechts­an­spruch be­ste­hen sol­le, § 4 Ziff. 2 mit 6 des neu­en Ar­beits­ver­tra­ges), son­dern auch in der nicht nur ge-ringfügi­gen Re­du­zie­rung der Lohn­zu­schläge und sons­ti­gen Ver­schlech­te­run­gen. Auf § 9 Ziff. 2 AÜG könne er nicht ver­wie­sen wer­den, da die­se Vor­schrift le­dig­lich die Ver­ein­ba­rung der ta­rif-ver­trag­li­chen Be­stim­mun­gen bei Neu­verträgen ermögli­che, nicht aber ei­nen ein­sei­ti­gen Ein­griff in be­reits be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis­se recht­fer­ti­gen könne.

Dem­ent­spre­chend be­an­tragt der Kläger im zwei­ten Rechts­zug:

1. Auf die Be­ru­fung des Klägers vom 22.06.2006 wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Stutt­gart vom 20.06.2006 - Az.: 16 Ca 11802/05 - ab­geändert und fest­ge­stellt, dass die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen durch die Ände­rungskündi­gung vom 24.11.2005 so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt ist.

2. Es wird fest­ge­stellt, dass der In­halt des Ar­beits­verhält­nis­ses der Par­tei­en durch die Ände­rungskündi­gung der Be­klag­ten vom 24.11.2005 vom 31.01.2006 nicht geändert wird.

 

- 5 -

Hilfs­wei­se:
Es wird fest­ge­stellt, dass der In­halt des Ar­beits­verhält­nis­ses der Par­tei­en durch die Ände­rungskündi­gung der Be­klag­ten vom 24.11.2005 nicht auf­gelöst wor­den ist.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung des Klägers zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt in ers­ter Li­nie das an­ge­foch­te­ne Ur­teil. Sie be­tont er­neut, dass kei­ner ih­rer - na­ment­lich auf­ge­lis­te­ten - Kun­den be­reit ge­we­sen sei, den Kläger zu „equal-tre­at­ment“-Be­din­gun­gen zu ent­lei­hen, wes­halb ei­ne Beschäfti­gungsmöglich­keit für ihn fak­tisch ent­fal­len sei. Des­halb ha­be sie das ihr zur Verfügung ste­hen­de mil­des­te Mit­tel gewählt und ihm an­ge­bo­ten, un­ter Ände­rung sei­ner Ar­beits­be­din­gun­gen, aber un­ter Be­sitz­stands­wah­rung, wei­ter­zu­ar­bei­ten. Die teil­wei­se Ab­sen­kung der Zeit­zu­schläge auf das ta­rif­ver­trag­li­che Ni­veau hätte sich für den Kläger fak­tisch nicht aus­ge­wirkt. Im ge­sam­ten Jahr 2003 ha­be er le­dig­lich während drei Wo­chen in der Spätschicht (von 14:00 bis 22:00 Uhr) so­wie zwei­mal von 14:00 Uhr bis 21:00 Uhr ge­ar­bei­tet. Einsätze in der Nacht­schicht ha­be es nicht ge­ge­ben. Ein re­le­van­ter Ein­griff in das ar­beits­ver­trag­li­che Sy­nal­lag­ma sei des­halb nicht er­folgt.

Hin­sicht­lich der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf den In­halt der zwi­schen ih­nen ge­wech­sel­ten Schriftsätze und ih­rer An­la­gen ver­wie­sen.

Über die Be­haup­tung der Be­klag­ten, die von ihr im Schrift­satz vom 27.02.2006 auf­ge­lis­te­ten Ent­leih­be­trie­be, mit de­nen sie ständig zu­sam­men­ar­bei­te, lehn­ten es ab, mit ihr Verträge im Sin-ne des § 12 Abs. 1 AÜG ab­zu­sch­ließen, wenn sie Leih­ar­beit­neh­mer zu „equal-tre­at­ment“-Be­din­gun­gen an­bie­te, wenn die­se al­so nicht un­ter die Vor­aus­set­zun­gen der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und 9 Nr. 2 AÜG fie­len, wur­de Be­weis er­ho­ben durch die un­eid­li­che Ver­neh­mung des Zeu­gen Ge­org Eb­ner. Hin­sicht­lich des Er­geb­nis­ses der Be­weis­auf­nah­me wird auf den In­halt des Sit-zungs­pro­to­kolls vom 12.04.2007 (LAG-Abl. 77-79) Be­zug ge­nom­men.

 

- 6 - 

Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die ih­rem Ge­gen­stand nach statt­haf­te Be­ru­fung des Klägers (vgl. § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG) wur­de form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und in­ner­halb der ge­setz­li­chen Be­gründungs­frist ord­nungs­gemäß aus­geführt (vgl. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO). Sie ist auch im Übri­gen zulässig.

Die Kam­mer hat da­bei un­ter Würdi­gung der ob­jek­ti­ven In­ter­es­sen­la­ge das Be­ru­fungs­be­geh­ren des Klägers un­ter Berück­sich­ti­gung der erst­in­stanz­lich ge­stell­ten Anträge da­hin­ge­hend aus­ge-legt, dass der Fest­stel­lungs­an­trag Ziff. 2 le­dig­lich als Hilfs­an­trag ge­stellt wer­den soll­te.

II.

Die Be­ru­fung hat auch in der Sa­che Er­folg. Denn das Ar­beits­ge­richt hat die (zulässi­ge) Kündi­gungs­fest­stel­lungs­kla­ge des Klägers zu Un­recht ab­ge­wie­sen. Die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen durch die Ände­rungskündi­gung der Be­klag­ten vom 24.11.2005 ist nämlich so­zi­al nicht ge­recht­fer­tigt.

1. Ei­ne be­triebs­be­ding­te Ände­rungskündi­gung ist wirk­sam, wenn sich der Ar­beit­ge­ber bei ei­nem an sich an­er­ken­nens­wer­ten An­lass dar­auf be­schränkt hat, le­dig­lich sol­che Ände­run­gen vor­zu­schla­gen, wel­che der Ar­beit­neh­mer bil­li­ger­wei­se hin­neh­men muss. Im Rah­men der §§ 1, 2 KSchG ist da­bei zu prüfen, ob das Beschäfti­gungs­verhält­nis für den be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mer zu den bis­he­ri­gen Ver­trags­be­din­gun­gen ent­fal­len ist. Die­ser Maßstab gilt un­abhängig da­von, ob der Ar­beit­neh­mer das Ände­rungs­an­ge­bot ab­ge­lehnt oder un­ter Vor­be­halt an­ge­nom­men hat.

Das Bedürf­nis für die Wei­ter­beschäfti­gung ei­nes Ar­beit­neh­mers im Be­trieb kann so­wohl auf außer- wie in­ner­be­trieb­li­chen Umständen be­ru­hen. Bei ei­nem Leih­ar­beits­verhält­nis kann der Weg­fall des Beschäfti­gungs­bedürf­nis­ses u.a. dar­auf be­ru­hen, dass auf dem re­le­van­ten Ar­beits­markt be­stimm­te be­ruf­li­che Tätig­kei­ten nicht mehr nach­ge­fragt wer­den, so dass dem Ar­beit­ge­ber ei­ne Ver­mitt­lung des Leih­ar­bei­ters nicht mehr ge­lingt.

Al­lei­ne die Ab­sen­kung der mit dem Leih­ar­beit­neh­mer ver­ein­bar­ten Vergütung oder aber ei­ne Ände­rung der ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen zur Sen­kung der Per­so­nal­kos­ten können da­ge­gen ein drin­gen­des be­trieb­li­ches Er­for­der­nis im Sin­ne der §§ 1, 2 KSchG nur

 

- 7 -

dann be­gründen, wenn mit der Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen die Still­le­gung des Be­trie­bes oder ei­ne Re­du­zie­rung der Be­leg­schaft ver­hin­dert wer­den kann und die Kos­ten durch an­de­re Maßnah­men nicht zu sen­ken sind, al­so der Aus­spruch ei­ner be­triebs­be­ding­ten Ände­rungskündi­gung das ein­zi­ge dem Ar­beit­ge­ber zur Verfügung ste­hen­de Mit­tel ist, um ei­ne an­sons­ten aus wirt­schaft­li­chen Gründen er­for­der­lich wer­den­de Be­en­di­gungskündi­gung zu ver­mei­den. Grundsätz­lich sind nämlich ab­ge­schlos­se­ne Verträge ein­zu­hal­ten, so dass ein so schwer­wie­gen­der Ein­griff in das ar­beits­ver­trag­li­che Sy­nallgma, wie es ei­ne Ände­rungskündi­gung zur Durch­set­zung ei­ner er­heb­li­chen Lohn­sen­kung oder Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen dar­stellt, nur dann zu recht­fer­ti­gen ist, wenn an­dern­falls bei ei­ner Auf­recht­er­hal­tung der bis­he­ri­gen Ver­trags­be­din­gun­gen wei­te­re, be­trieb­lich nicht mehr auf­fang­ba­re Ver­lus­te ent­ste­hen würden, wel­che ab­seh­bar zu ei­ner Re­du­zie­rung der Be­leg­schaft oder so­gar zu ei­ner Sch­ließung des Be­trie­bes führen würden (vgl. hier­zu BAG AP Nr. 82 zu § 2 KSchG 1969 = DB 2006, 1114 ff. = NZA 2006, 587 ff.).

2. Vor­lie­gend hat die Be­klag­te zwar be­haup­tet, kei­ne ih­rer Kun­den­fir­men, mit wel­chen sie re­gelmäßig Ent­leih­verträge schließe, sei nach Ände­rung des Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ge­set­zes ab 01.01.2004 wei­ter­hin be­reit ge­we­sen, Ar­beit­neh­mer zu „equal-tre­at­ment“-Be­din­gun­gen zu ent­lei­hen, sie hätten viel­mehr auf ei­ner ein­zel­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung ta­rif­ver­trag­li­cher Ar­beits­be­din­gun­gen be­stan­den, um sich even­tu­ell zu er­war­ten­der (lästi­ger) Aus­kunfts­be­geh­ren, ja so­gar Aus­kunfts­kla­gen, über die in ih­ren Un­ter­neh­men gel­ten­den Ar­beits­be­din­gun­gen ih­rer Stamm­ar­bei­ter zu ent­zie­hen, und sei­en auch nicht be­reit ge­we­sen, ei­nen erhöhten Ver­rech­nungs­satz für Ar­beit­neh­mer zu ent­rich­ten, wel­che zu „equal-tre­at­ment“-Be­din­gun­gen hätten ar­bei­ten sol­len. Die­ser Vor­trag war an und für sich ge­eig­net, den den Aus­spruch ei­ner Ände­rungskündi­gung recht­fer­ti­gen­den Weg­fall des Beschäfti­gungs­bedürf­nis­ses im Be­zug auf den Kläger zu be­gründen. Den Sach­vor­trag der Be­klag­ten hat der Kläger je­doch be­reits in ers­ter In­stanz mit Ent­schie­den­heit be­strit­ten (vgl. Schrift­satz vom 22.03.2006, ArbG-Ak­te Bl. 63-70), was das Ar­beits­ge­richt al­ler­dings nicht hin­rei­chend gewürdigt hat. Es hätte über die strei­ti­gen Punk­te Be­weis er­he­ben müssen. Dies hat die Kam­mer auf­grund des Be­weis­be­schlus­ses vom 12.04.2007 im zwei­ten Rechts­zug nach­ge­holt.

Die Be­weis­auf­nah­me hat je­doch nicht die Rich­tig­keit der Be­haup­tung der Be­klag­ten er­ge­ben. Zwar hat der Zeu­ge E. glaub­haft und glaubwürdig be­kun­det, dass die Be­klag­te An­fang 2004 ih­re Kun­den dar­auf auf­merk­sam ge­macht ha­be, dass sie ih­nen Leih­ar­beit­neh­mer an­bie­ten könn­te, für de­ren Ar­beits­verhält­nis­se ent­we­der die Ta­rif­verträge mit den christ­li­chen Ge­werk­schaf­ten oder mit den DGB-Ge­werk­schaf­ten An­wen­dung fänden, aber auch Ar­beit­neh­mer, die zu „equal-tre­at­ment“-Be­din­gun­gen beschäftigt wer­den könn­ten, außer­dem dass sich Letz­te­res auf den Preis aus­wir­ken würde und die Ent­lei­her in die­sem

 

- 8 -

Fal­le ih­ren In­for­ma­ti­ons­pflich­ten genügen müss­ten, wor­auf­hin sich aus­nahms­los al­le Ver­trags­part­ner dafür ent­schie­den hätten, nur sol­che Ar­beit­neh­mer zu ent­lei­hen, wel­che ta­rif-ge­bun­den sei­en oder in de­ren Ar­beits­verträgen ei­ne ta­rif­ver­trag­li­che In­be­zug­nah­me ver­ein­bart sei. Doch hat die Ver­neh­mung des Zeu­gen auch er­ge­ben, dass die Be­klag­te kei­nem Kun­den ei­nen Ein­satz des Klägers kon­kret mit dem Hin­weis an­ge­bo­ten hat­te, dass er zu „equal-pay­ment“-Be­din­gun­gen ar­bei­te und auch in kei­nem Fall ein Ein­satz des Klägers kon­kret ab­ge­lehnt wor­den war und dass die Be­klag­te ge­ne­rell Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­verträge oh­ne na­ment­li­che Be­nen­nung der zu­ge­las­se­nen Ar­beit­neh­mer schließt, da­mit der Ar­beits­ein­satz bei Aus­fall ein­zel­ner Mit­ar­bei­ter fle­xi­bel ge­stal­tet wer­den kann.

Die Kam­mer hat­te des­halb er­heb­li­che Zwei­fel an der Rich­tig­keit der Be­haup­tung der Be­klag­ten, dass der Kläger oh­ne ei­ne Ände­rung sei­ner Ar­beits­be­din­gun­gen nicht mehr ein­ge­setzt wer­den könne. Denn es spricht sehr viel dafür, dass die Kun­den der Be­klag­ten durch­aus be­reit ge­we­sen sein könn­ten, auch den Kläger als Hilfs­kraft ein­zu­set­zen, wenn sie der Be­klag­ten dafür kei­nen erhöhten St­un­den­ver­rech­nungs­satz hätten be­zah­len müssen, so­mit auch die Bun­des­an­stalt für Im­mo­bi­li­en­auf­ga­ben, bei wel­cher der Kläger wie­der­holt ein­ge­setzt wor­den war, und die­se be­reit­wil­lig Aus­kunft über die in ih­rem Be­reich gel­ten­den Ar­beits­be­din­gun­gen der Stamm­be­leg­schaft er­teilt hätte, nach­dem letz­te­re im Be­reich des öffent­li­chen Diens­tes eh kein Ge­heim­nis sein dürf­ten.

Dass der Ein­satz des Klägers der Be­klag­ten mögli­cher­wei­se be­triebs­wirt­schaft­lich ein Kos­ten­pro­blem be­schert, wenn er auf Gleich­be­hand­lung mit der Stamm­be­leg­schaft der Ent­leih­fir­men po­chen würde und sie ih­ren Kun­den kei­nen höhe­ren St­un­den­satz in Rech­nung stel­len könn­te, be­gründet noch kein drin­gen­des be­trieb­li­ches Er­for­der­nis für ei­ne Ände­rung der im Jahr 1999 ver­ein­bar­ten Ver­trags­be­din­gun­gen. Der mit ei­nem wei­te­ren Ein­satz des Klägers zu „equal-tre­at­ment“-Be­din­gun­gen zu er­war­ten­de Ver­lust - be­zo­gen auf sei­ne Kos­ten­stel­le - recht­fer­tigt nämlich noch kei­nen Ein­griff in die be­ste­hen­de Ver­trags­struk­tur. Denn zur Ret­tung des Be­trie­bes bzw. zur Ver­mei­dung ei­ner Re­du­zie­rung der Be­leg­schaft ist ei­ne Ände­rung der Ver­trags­be­din­gun­gen mit dem Kläger nicht er­for­der­lich, nach­dem be­reits al­le an­de­ren Ar­beit­neh­mer Ände­run­gen der Ar­beits­ver­trags­be­din­gun­gen ent­spre­chend den ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen ak­zep­tiert hat­ten. Al­lein das In­ter­es­se der Be­klag­ten an ei­ner An­pas­sung der Ar­beits­ver­trags­be­din­gun­gen des Klägers an die im übri­gen in ih­rem Un­ter­neh­men ein­heit­lich gel­ten­den Ver­trags­be­din­gun­gen ver­mag die streit­be­fan­ge­ne Ände­rungskündi­gung so­zi­al nicht zu recht­fer­ti­gen (vgl. BAG aaO un­ter II 5 c der Ent­schei­dungs­gründe).

War aber die Ände­rung der Ver­trags­be­din­gun­gen mit dem Kläger nicht aus ei­nem drin­gen­den be­trieb­li­chen Grund er­for­der­lich, er­scheint die streit­be­fan­ge­ne Ände­rungskündi-

 

- 9 -

gung der Be­klag­ten schon aus die­sem Grund so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt, un­ge­ach­tet der Tat­sa­che, dass das dem Kläger sei­tens der Be­klag­ten un­ter­brei­te­te Ände­rungs­an­ge­bot nicht un­zu­mut­bar ge­we­sen wäre, ent­spricht es doch zu 100 % den ta­rif­ver­trag­li­chen Be­stim­mun­gen, für wel­che auf­grund ih­res kol­lek­tiv­recht­li­chen Cha­rak­ters ei­ne ho­he Rich­tig­keits­gewähr spricht.

Nach al­lem war auf die Be­ru­fung des Klägers das an­ge­foch­te­ne ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil ab­zuändern und sei­nem Fest­stel­lungs­be­geh­ren zu ent­spre­chen. Ei­ne Ent­schei­dung über die - hilfs­wei­se ge­stell­ten - wei­te­ren Fest­stel­lungs­anträge des Klägers be­durf­te es nicht mehr.

III.

1. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 91 ZPO. Da­nach hat die­je­ni­ge Par­tei die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen, die letzt­end­lich un­ter­le­gen ist. Dies ist vor­lie­gend die Be­klag­te.

2. Die Re­vi­si­on zum Bun­des­ar­beits­ge­richt war nach Auf­fas­sung der Kam­mer zu­zu­las­sen, nach­dem der Fra­ge, nach wel­chen Maßstäben sich bei der Be­ur­tei­lung der so­zia­len Recht-fer­ti­gung ei­ner Ände­rungskündi­gung der Weg­fall der Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­keit ei­nes Leih­ar­beit­neh­mers zu „equal-tre­at­ment“-Be­din­gun­gen be­misst, von grundsätz­li­cher Be­deu­tung für Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men ist.

 

- 10 -

Rechts­mit­tel­be­leh­rung:

Die Re­vi­si­on zum Bun­des­ar­beits­ge­richt wird für die Be­klag­te zu­ge­las­sen.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach der Zu­stel­lung des Be­ru­fungs­ur­teils, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach die­sem Zeit­punkt beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt,

Te­le­fax: (03 61) 26 36 – 20 00

ein­ge­hen.

Die Re­vi­si­ons- und die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

 

gez.
Leicht

gez. Bur­kard

gez. Kraus


 

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 21 Sa 62/06