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LAG Brandenburg, Urteil vom 05.05.2006, 22 Sa 7/06, 22 Sa 44/06
Schlagworte: | Abfindung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 22 Sa 7/06, 22 Sa 44/06 |
|
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 05.05.2006 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Potsdam, Urteil vom 23.11.2005, 8 Ca 1857/05 | |
22 Sa 7/06 und 22 Sa 44/06
8 Ca 1857/05
ArbG Potsdam
Bitte bei allen Schreiben angeben!
verkündet
am 05.05.2006
.........................
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Landesarbeitsgericht
Brandenburg
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
pp
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Brandenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 05.05.2006
durch die Vorsitzende Richterin am LAG K. als Vorsitzende
sowie die ehrenamtlichen Richter H. und R.
für Recht erkannt:
I. Unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 23.11.2005 – 8 Ca 1857/05 – teilweise abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Abfindung.
Die Klägerin war seit dem 01.04.1999 zunächst bei der dvs-D. Sp. mbH in Berlin (im Folgenden: DVS) beschäftigt. Zum 01.10.2000 ging ihr Arbeitsverhältnis auf die OSGV-dvs Berlin-S. Betriebsgesellschaft mbH (BG) über, die dann unter Sbg Betriebsgesellschaft für Sp. GmbH – die zwischenzeitlich ein weiteres mal umfirmierte Beklagte – firmiert und ihren Sitz in Potsdam hat.
Ab dem 21.08.2003 befand sich die Klägerin im Mutterschutz und anschließend bis zum 30.11.2004 in Elternzeit, während der sie einer Teilzeitbeschäftigung bei der Beklagten im Umfang von 10 Stunden wöchentlich nachging.
Unter Hinweis darauf, dass ihr ursprünglicher Arbeitsplatz besetzt sei, stellte die Beklagte die Klägerin unter Zahlung der vollen Vergütung ab dem 01.12.2004 frei zur Gewährung restlicher Urlaubsansprüche aus den Jahren 2003 und 2004 sowie Freizeitausgleich aus dem Gleitzeitkonto.
Noch vor Ablauf dieser Freistellung bis zum 08.03.2005 wandte sich die Beklagte an die Klägerin mit dem Angebot eines Abwicklungsvertrages mit einer Abfindung von 16.750,00 €, verbunden mit einer Kündigung, die sie im Entwurf vom 08.02.2005 an die Klägerin übersandte. Mit Schreiben vom 14.02.2005 lehnte die nunmehrige Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine Abfindung in der genannten Höhe ab, signalisierte jedoch Gesprächsbereitschaft. Der jetzige Prozessbevollmächtigte der Beklagten meldete sich daraufhin telefonisch am 16.02.2005; ein telefonischer Besprechungstermin wurde hierbei für den 21.02.2005 vereinbart. In diesem
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Telefonat erläuterte die Klägervertreterin ihre Vorstellungen über eine Abfindung in Höhe von ca. 60.000 €, die der Beklagtenvertreter unter Hinweis auf das ursprüngliche Abfindungsangebot telefonisch am 23.02.2005 ablehnte. Mit dem Schreiben vom 24.02.2005, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 21 f. d.A.), unterbreitete die Klägervertreterin das Angebot einer Abwicklungsvereinbarung bei Rücknahme der bereits am 17.02.2005 zum 31.03.2005 erklärten Kündigung, Ausspruch einer neuen Kündigung zum 30.06.2005, gegen die dann Kündigungsschutzklage erhoben werde, innerhalb derer im Gütetermin ein entsprechender Vergleich abgeschlossen werden könne. Inhaltlich enthielt das Angebot eine Abfindung von 26.450,00 € sowie eine Fortsetzungsvereinbarung bis 30.09.2005 bei Fortzahlung der Vergütung in Höhe von monatlich 3.300,00 € mit einer einseitigen Lösungsmöglichkeit für die Klägerin unter entsprechender Erhöhung der Abfindung. Hierauf meldete sich der Beklagtenvertreter am 01.03.2005 wiederum telefonisch und teilte mit, dass die Kündigung vom 17.02.2005 zurückgenommen und eine neue Kündigung zum 30.06.2005 zugestellt werde, jedoch eine Abfindung von mehr als 20.000,00 € nicht akzeptiert würde. Nach Zugang der – mit einem Abfindungsangebot nach § 1 a KSchG versehenen – Kündigung vom 04.03.2005 (Bl. 37 f. d.A.) am 09.03.2005 wandte sich die Klägervertreterin mit dem Schreiben vom 22.03.2005 erneut an die Beklagte und übersandte den Entwurf einer Abwicklungsvereinbarung mit einer Abfindung in Höhe von 20.000,00 €. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Vertragsentwurfes, um dessen unterzeichnete Rücksendung die Klägervertreterin bat und dessen Inhalt nach ihrem Vorschlag Gegenstand eines gerichtlichen Vergleichs werden sollte, wird auf das Schreiben vom 22.03.2005 nebst Anlage (Bl. 38 bis 42 d.A.) Bezug genommen.
Mit der Klageschrift vom 01.03.2005 hatte die Klägerin Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 17.02.2005 vor dem Arbeitsgericht Potsdam erhoben. Dabei gab sie als Beklagte ihre ursprüngliche Arbeitgeberin, die DSV, an, legte in der Klagebegründung dar, dass das Arbeitsverhältnis durch Betriebsübergang von dieser auf die BG übergegangen sei und fügte sowohl das Schreiben zum Betriebsübergang
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vom 06.09.2000 sowie das unter dem Briefkopf der – hiesigen – Beklagten verfasste Kündigungsschreiben bei. Nach „Rücknahme“ der ersten Kündigung mit Schreiben vom 01.03.2005 (Bl. 23 d.A.) und Zugang der weiteren Kündigung erweiterte sie die Klage mit dem Schriftsatz vom 22.03.2005 um den Feststellungsantrag, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Kündigung vom 04.03.2005 aufgelöst wird, und fügte wiederum das Kündigungsschreiben der Beklagten bei. Nach Verweisung durch das Arbeitsgericht Potsdam an das Arbeitsgericht Berlin meldete sich die F. GmbH als Rechtsnachfolgerin der DVS schriftsätzlich am 13.04.2005 und bestritt unter Hinweis auf den Betriebsübergang ihre Passivlegitimation. Daraufhin versuchte die Klägervertreterin erfolglos, den Beklagtenvertreter telefonisch zu erreichen, der auch im Gütetermin am 21.04.2005 nicht erschien. In diesem Termin nahm die Klägervertreterin ihre Klage zurück und erhob am gleichen Tag vor dem Arbeitsgericht Potsdam erneut Klage gegen die Kündigung vom 04.03.2005 und beantragte die nachträgliche Klagezulassung. Diese Klage nahm sie im Gütetermin (Az. 8 Ca 1145/05) am 23.05.2005 nach richterlichem Hinweis ebenfalls zurück.
Mit der am 08.07.2005 beim Arbeitsgericht Potsdam eingegangenen Klage hat die Klägerin die Zahlung einer Abfindung in Höhe von insgesamt 20.000,00 € geltend gemacht und zur Begründung vorgetragen, ihr stünde eine Abfindung in Höhe von 9.900,00 € nach § 1 a KSchG und ein weiterer Betrag von 10.100,00 € aus einer Vereinbarung zu, deren schriftliche Fixierung die Beklagte treuwidrig verweigert habe.
Das Arbeitsgericht Potsdam hat mit dem am 23.11.2005 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird (Bl. 113 bis 115 d.A.), der Klage – unter Abweisung im Übrigen – in Höhe von 9.900,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2005 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für einen Abfindungsanspruch nach § 1 a KSchG seien erfüllt, da die Klägerin die dreiwöchige Klagefrist habe verstreichen lassen. Die gegen die DVS erhobene Klage sei unerheblich, da sie sich nicht gegen den Arbeitgeber
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gerichtet habe. Die nachfolgende Klage gegen die Beklagte habe nicht zum Erlöschen des Anspruchs geführt, da diese vor nachträglicher Zulassung wieder zurückgenommen worden sei. Ein weiterer Abfindungsanspruch stehe der Klägerin nicht zu, da eine Einigung zwischen den Parteien nicht erzielt worden sei. Das als neuer Antrag zu wertende Angebot der Klägerin vom 22.03.2005 sei von der Beklagten nicht angenommen worden, wobei diese Ablehnung an den Erfolgsaussichten der Klage orientiert und damit nicht treuwidrig gewesen sei.
Gegen dieses der Klägerin am 07.12.2005 zugestellte Urteil hat diese mit dem am 04.01.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 06.02.2006 begründet. Der Beklagten wurde das Urteil zunächst mit der Rechtsmittelbelehrung zugestellt, dass für sie kein Rechtsmittel gegeben sei. Nach Berichtigung eines Schreibfehlers im Tenor wurde der Beklagten das Urteil erneut am 19.12.2005 mit korrigierter Rechtsmittelbelehrung zugestellt. Ihre Berufung ist am 18.01.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen, die Berufungsbegründung – nach Verlängerung der Frist bis zum 13.03.2006 – am 10.03.2006.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, mit der Zustimmung vom 04.03.2005 und dem Schreiben vom 22.03.2005 sei das Angebot der Beklagten vom 01.03.2005 auf Zahlung einer Abfindung von 20.000 € rechtzeitig angenommen worden, so dass ihr ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung weiterer 10.100,00 € zustünde.
Sie beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 23.11.2005 – 8 Ca 1857/05 – teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 10.100,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 23.11.2005 – 8 Ca 1857/05 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen
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sowie
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass der Abfindungsanspruch nach § 1 a KSchG bereits durch die Erhebung der ersten Kündigungsschutzklage erloschen sei. Der im Vorfeld erklärte Wille der Klägerin sei es gewesen, gerichtlich gegen die Kündigung vorzugehen. Weder die fehlerhafte Bezeichnung des Arbeitgebers noch die spätere Rücknahme könne zu einem Wiederentstehen des erloschenen Anspruchs führen. Spätestens mit ihrem Antrag auf nachträgliche Zulassung habe die Klägerin ihren Willen zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung deutlich gemacht, so dass jedenfalls mit diesem Antrag ein eventueller Abfindungsanspruch erloschen sei.
Sie meint, ein vertraglicher Anspruch stehe der Klägerin nicht zu, weil das – inhaltlich in einigen wichtigen Punkten veränderte – Angebot vom 22.03.2005 nicht angenommen worden sei. Zur Abgabe eines neuen Angebots auf Zahlung einer Abfindung von 20.000,00 € mit den übrigen Bedingungen des ursprünglichen Abwicklungsvertragsentwurfs in der Güteverhandlung vom 23.05.2005 – von dem früheren Gütetermin habe sie aufgrund der falschen Rubrizierung keine Kenntnis gehabt – sei sie aufgrund der geänderten Sachlage im Hinblick auf die Erfolgsaussichten der Klage nicht verpflichtet gewesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
und vertritt die Auffassung, weder die Klageerhebung gegen einen Dritten noch durch die Ankündigung eines nachträglichen Zulassungsantrags sei der gesetzliche Abfindungsanspruch erloschen; erst durch die Fiktion der Klagefristwahrung bei tatsächlich gewährter Wiedereinsetzung bzw. nachträglichem Zulassen könne diese Rechtsfolge eintreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 statthafte und nach dem Beschwerdewert gemäß § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG zulässige Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, 64 Abs. 6 Satz 1, §§ 519, 520 ZPO. Gleiches gilt für die Berufung der Beklagten. Für sie begann die Berufungsfrist erst mit Zustellung des Urteils in der korrigierten Fassung zu laufen, da es zuvor an einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung fehlte, § 9 Abs. 5 Satz 3 und 4 ArbGG.
2. In der Sache hat nur die Berufung der Beklagten Erfolg, da der Klägerin ein Abfindungsanspruch nicht zusteht.
2.1 Ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 20.000,00 € besteht nicht, da zwischen den Parteien ein entsprechender Vertrag nicht zustande gekommen ist. Es fehlt an der Annahme eines Vertragsangebotes.
2.1.1 Bis zum 01.03.2005 wurden zwischen den Parteien Verhandlungen geführt, ohne dass es zu einer Einigung über die Abfindungshöhe gekommen ist. In dem Telefonat am 01.03.2005 wurden zwar Eckpunkte besprochen, zu denen eine Abfindung von 20.000,00 € gehörte. Für den Abschluss eines mündlichen Vertrages zu diesem Zeitpunkt liegen jedoch Anhaltspunkte nicht vor. Vielmehr sollte zunächst die ausgesprochene Kündigung durch eine
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neue ersetzt werden und eine Abfindung dann in einem gerichtlichen Vergleich vereinbart werden. Es fehlte auch noch die Zustimmung der Klägerin.
In dem Schreiben vom 22.03.2005 liegt keine Annahme des Angebots der Beklagten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Annahme gemäß § 147 Abs. 2 oder § 148 BGB verspätet gewesen ist, wovon das Arbeitsgericht ausgegangen ist. Jedenfalls ist dieses Schreiben gemäß § 150 Abs. 2 BGB als neuer Antrag zu werten, da der Entwurf eines Abwicklungsvertrages weitere Änderungen gegenüber demjenigen der Beklagten enthielt. So enthält bereits § 2 unterschiedliche Regelungen zur Abfindung, insbesondere zur Anrechnung, Versteuerung und Vererblichkeit. Eine vorzeitige Lösungsmöglichkeit durch die Klägerin mit entsprechender Erhöhung der Abfindung war weder im Entwurf der Beklagten vorgesehen, noch ist eine mündliche Abänderung des Angebots der Beklagten konkret dargelegt. Auch fehlen im Entwurf der Klägerin die in § 3 des ursprünglichen Angebotes enthaltenen Hinweise und Erklärungen.
Dieses neue Angebot hat die Beklagte nicht angenommen. Sie hat weder den Vertragsentwurf unterzeichnet an die Klägervertreterin zurückgesandt, noch einen entsprechenden gerichtlichen Vergleich abgeschlossen. Eine stillschweigende Vertragsannahme nach § 151 BGB war vorliegend ausgeschlossen, da die Klägervertreterin selbst zur Vertragsunterzeichnung aufgefordert hatte und darüber hinaus noch eine gerichtliche Protokollierung vorgesehen war.
2.1.2 Die Klägerin beruft sich auch ohne Erfolg darauf, dass das Verhalten der Beklagten treuwidrig gewesen sei.
Abgesehen davon, dass ein Verstoß gegen die Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB im Rahmen des nach § 311 Abs. 2 BGB begründeten Schuldverhältnisses allenfalls einen – vorliegend nicht geltend gemachten – Schadensersatzanspruch begründen könnte, fehlt es auch an der Treuwidrigkeit. Für die Beklagte stellte sich die Rechtslage, insbesondere das
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Prozessrisiko, nach Rücknahme der Kündigungsschutzklage grundlegend anders dar. Das Ausnutzen einer fehlerhaften Vorgehensweise des Vertrags- oder Verhandlungspartners stellt als solches noch kein unredliches Verhalten dar.
2.2 Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach § 1 a KSchG.
2.2.1 Die Kündigung vom 04.03.2005 enthält zwar den Hinweis darauf, dass sie auf dringende betriebliche Gründe gestützt ist und die Klägerin die Abfindung beanspruchen könne, wenn sie innerhalb der Klagefrist keine Kündigungsschutzklage erhebt. Danach liegt die erforderliche rechtsgeschäftliche Erklärung der Beklagten vor.
2.2.2 Ein Abfindungsanspruch ist vorliegend jedoch bereits deshalb nicht entstanden, weil die Klägerin die Kündigung gerichtlich angegriffen hat.
Zwar hat sie nach der Bezeichnung im Klagerubrum die Klage und die Klageerweiterung gegen ihre ursprüngliche Arbeitgeberin, die DVS, gerichtet. Dass diese Angabe fehlerhaft war, ergab sich bereits aus dem Hinweis in der Klageschrift auf einen Betriebsübergang und aus dem hierzu beigefügten Schreiben. Die – vor der weiteren Umfirmierung – richtige Bezeichnung der Arbeitgeberin konnte ohne weiteres den ebenfalls beigefügten Kündigungsschreiben entnommen werden.
Die prozessuale Willenserklärung, gegen welche – natürliche oder juristische – Person sich die Klage richten soll, bedarf der Auslegung, wenn die Angaben unvollständig oder offenbar unrichtig sind. Dies gilt auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Person tatsächlich gemeint ist (vgl. BAG, Urt. v. 12.02.2004 – 2 AZR 136/03). Dies war bei der Kündigungsschutzklage
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vom 01.03.2005 ebenso der Fall wie bei der Klageerweiterung vom 22.03.2005. Es hätte deshalb im dortigen Rechtsstreit lediglich einer Klarstellung des Passivrubrums bedurft; ein Fall des Parteiwechsels hätte nicht vorgelegen.
Ein Verstreichenlassen der Klagefrist liegt auch deshalb nicht vor, weil die Klage bzw. Klageerweiterung nicht innerhalb der Dreiwochenfrist der Beklagten zugestellt worden ist. Es reichte vorliegend aus, dass die Zustellung unter der Firma der ursprünglichen Arbeitgeberin der Klägerin unter Angabe eines Geschäftsführers, der gleichzeitig auch Geschäftsführer der Beklagten ist, am Sitz des Ostdeutschen Sp.- und G. zugestellt worden ist, wo auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sitzt, und von wo aus die Schriftsätze an die spätere Rechtsnachfolgerin der DVS, die F. GmbH weitergeleitet worden sind. Dem Zweck des § 4 KSchG ist auch dann Genüge getan, wenn die Zustellung an eine Person in anderer Eigenschaft erfolgt (vgl. BAG, Urt. v. 12.02.2004 – 2 AZR 136/03 – Rdnr. 20, m.w.N.).
Da sich die Kündigungsschutzklage hiernach von Anfang an gegen die Beklagte gerichtet hat, bedarf es keiner weiteren Ausführungen zu der Frage, ob eine Klageerhebung gegen einen Dritten ohne die Möglichkeit einer Rubrumsklarstellung zur Folge gehabt hätte, dass ein Abfindungsanspruch nach § 1 a KSchG i.V.m. dem Abfindungsangebot der Beklagten nicht entstanden wäre.
2.2.3 Durch die Rücknahme der Kündigungsschutzklage ist der Abfindungsanspruch nicht entstanden.
Zwar greift bei einer Klagerücknahme die Fiktion des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO, wonach der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist. Dies kann sich jedoch nicht auf die Tatbestandsvoraussetzung des „Verstreichenlassens“ in § 1 a KSchG beziehen. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es gerade, einen Rechtsstreit zu vermeiden. Der Arbeitgeber will mit seiner Abfindungszusage ein Prozessrisiko und entsprechende Aufwendungen vermeiden. Diesem Zweck würde es zuwiderlaufen, wenn der
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Arbeitnehmer zunächst Klage erheben könnte, um eventuelle Prozessaussichten auszuloten und eventuell eine bessere Verhandlungsposition für eine höhere Abfindung zu erlangen, und dann bei einem Scheitern wieder auf das Abfindungsversprechen in der Kündigung könnte. Unabhängig davon, wie der in § 1 a KSchG geregelte Abfindungsanspruch eingeordnet wird, ob als gesetzlicher oder – wohl eher – rechtgeschäftlicher Anspruch, und unabhängig davon, ob der „Hinweis“ als Willenserklärung und das „Verstreichenlassen“ der Klagefrist als Realakt oder ebenfalls als Willenserklärung gewertet wird, wird in Literatur und Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Klageerhebung das Entstehen eines Abfindungsanspruchs verhindert und die Klagerücknahme diese Rechtsfolge nicht beseitigt (vgl. nur ErfKo-Ascheid, § 1 a KSchG Rdnr. 4; KR-Spilger, § 1 a KSchG Rdnr. 79; Däubler, NZA 2004, 177 ff. [178]; Preis, DB 2004, 70 ff. [74]; Bader, NZA 2004, 65 ff. [71]; LAG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28.09.2005 – 3 Sa 850/04).
2.2.4 Da hiernach ein Abfindungsanspruch nicht entstanden ist, kommt es auf die weitere Rechtsfrage, ob bereits mit dem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung der Anspruch auf Abfindung erlischt bzw. ein Rücktrittsrecht des Arbeitgebers auslöst oder erst die Gewährung der nachträglichen Klagezulassung durch das Gericht Rechtsfolgen für den Abfindungsanspruch auslöst, nicht mehr an.
2.3 Nach alledem war – unter Abweisung der Berufung der Klägerin – auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
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Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann die Klägerin innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung beim
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99 084 ErfurtTelefax-Nr.: (0361)26 36 - 20 00
schriftlich Revision einlegen.
Die Revision ist gleichzeitig oder innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils schriftlich zu begründen.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.
K.
(zugleich für die wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehinderten ehrenamtlichen Richter Hiller und Richter)
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
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