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ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/242

Kor­rek­tur ei­ner Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung

Kommt es beim Streit um die rich­ti­ge Aus­fül­lung ei­ner Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung auf steu­er­recht­li­che Nor­men an, sind die Fi­nanz­ge­rich­te zu­stän­dig: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 07.05.2013, 10 AZB 8/13
Mann hinter hohem Papierstapel Von der Wie­ge bis zur Bah­re - For­mu­la­re, For­mu­la­re

22.08.2013. Ar­beit­neh­mer kön­nen vom Ar­beit­ge­ber nicht nur die pünkt­li­che Zah­lung von Lohn und Ge­halt ver­lan­gen.

Sie kön­nen viel­mehr auch Lohn­ab­rech­nun­gen ver­lan­gen, aus den sich er­gibt, wie hoch der Brut­to­lohn und wie hoch die so­zi­al­recht­li­chen und steu­er­li­chen Ab­zü­ge sind.

Und nicht nur das: Für je­des Jahr hat der Ar­beit­ge­ber ei­ne Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung zu er­tei­len, die den Jah­res­brut­to­lohn und die für das Jahr ein­be­hal­te­ne und ab­ge­führ­te Lohn­steu­er aus­weist.

Aber wenn die­se Be­schei­ni­gung un­rich­tig ist - wo kla­gen? Bit­te nicht bei uns, so die ver­ständ­li­che Ab­wehr­hal­tung der Ar­beits­ge­rich­te: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 07.05.2013, 10 AZB 8/13.

Wel­che Ge­rich­te sind für die Kor­rek­tur ei­ner Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung zuständig?

Die Ar­beits­ge­rich­te sind nach den Vor­schrif­ten des Ar­beits­ge­richts­ge­set­zes (ArbGG) nicht nur für Lohn­kla­gen zuständig, son­dern auch für "bürger­li­che Rechts­strei­tig­kei­ten zwi­schen Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­ge­bern (...) über Ar­beits­pa­pie­re" (§ 2 Abs.1 Nr.3 Buch­sta­be e ArbGG).

Zu den Ar­beits­pa­pie­ren gehören z.B. Zeug­nis­se, Lohn­ab­rech­nun­gen, Ar­beits­be­schei­ni­gun­gen zur Vor­la­ge bei der Ar­beits­agen­tur und natürlich auch Lohn­steu­er­be­schei­ni­gun­gen.

Aus der Ge­set­zes­be­gründung geht her­vor, dass der Ge­setz­ge­ber Strei­tig­kei­ten "über Ar­beits­pa­pie­re" in ei­nem wei­ten Sin­ne ver­stan­den hat und ver­stan­den wis­sen woll­te. Nach der Ge­set­zes­be­gründung sol­len zu den Rechts­strei­tig­kei­ten "über Ar­beits­pa­pie­re" nicht nur Kla­gen auf Her­aus­ga­be der Ar­beits­pa­pie­re zählen, son­dern auch Kla­gen auf Be­rich­ti­gung der (be­reits aus­gehändig­ten) Ar­beits­pa­pie­re.

Für die Kla­ge auf Be­rich­ti­gung ei­nes Zeug­nis­ses ist das all­ge­mein an­er­kannt. Hier sind die Ar­beits­ge­rich­te zuständig. Aber gilt das auch für ei­ne Kla­ge auf Be­rich­ti­gung ei­ner (be­reits er­teil­ten) Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung?

Dafür spricht die Ge­set­zes­be­gründung, da­ge­gen al­ler­dings der Wort­laut des § 2 Abs.1 Nr.3 ArbGG, dem zu­fol­ge ja nur "bürger­li­che Rechts­strei­tig­kei­ten" von Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­ge­bern vor die Ar­beits­ge­rich­te gehören. Bürger­li­che Rechts­strei­tig­kei­ten sind aber wohl kaum sol­che Ver­fah­ren, bei de­nen es um die rich­ti­ge An­wen­dung steu­er­recht­li­cher Rechts­vor­schrif­ten geht.

Zu der Fra­ge, ob die Ar­beits­ge­rich­te über die Kor­rek­tur ei­ner an­geb­lich un­rich­tig aus­gefüll­ten Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung ent­schei­den müssen, hat sich das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung geäußert.

Der Streit­fall: Ge­halt für De­zem­ber 2011 wird erst nach er­folg­rei­cher Kündi­gungs­schutz­kla­ge in 2012 ge­zahlt

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer trat im Sep­tem­ber 2010 in das Un­ter­neh­men des be­klag­ten Ar­beit­ge­bers ein. Er kündig­te or­dent­lich per En­de De­zem­ber 2011, er­hielt dann aber ei­ne außer­or­dent­li­che und frist­lo­se Kündi­gung zum 30.11.2011. Ge­gen die­se frist­lo­se Kündi­gung setz­te er sich er­folg­reich mit ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge zur Wehr.

Nach­dem fest­stand, dass das Ar­beits­verhält­nis auch im De­zem­ber 2011 noch be­stan­den hat­te, muss­te der Ar­beit­ge­ber den rückständi­gen Lohn für die­sen Mo­nat na­ch­en­trich­ten und mach­te das auch. Al­ler­dings war in der für 2011 er­teil­ten Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung die erst im Jah­re 2012 ge­zahl­te Vergütung für De­zem­ber 2011 nicht ent­hal­ten.

Statt­des­sen wies der Ar­beit­ge­ber den De­zem­ber­lohn 2011 un­ter Be­ru­fung auf das steu­er­recht­li­che Zu­fluss­prin­zip in ei­ner für 2012 er­teil­ten Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung aus.

Das woll­te sich der Ar­beit­neh­mer nicht ge­fal­len las­sen und ver­klag­te den Ar­beit­ge­ber vor dem Ar­beits­ge­richt Nürn­berg auf Be­rich­ti­gung der Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung. Kon­kret ver­lang­te er die Ver­ur­tei­lung sei­nes Ex-Ar­beit­ge­bers, ihm für das Ka­len­der­jahr 2011 ei­ne Jah­res­lohn­steu­er­be­schei­ni­gung zu er­tei­len, die auch die Bezüge für den Mo­nat De­zem­ber 2011 er­fasst. 

Das Ar­beits­ge­richt ver­wies den Rechts­streit an das Fi­nanz­ge­richt (Ar­beits­ge­richt Nürn­berg, Be­schluss vom 17.01.2013, 9 Ca 4782/12), und auch das für die so­for­ti­ge Be­schwer­de zuständi­ge Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nürn­berg war der Mei­nung, dass die Fi­nanz­ge­richts­bar­keit zuständig sei (Lan­des­ar­beits­ge­richt Nürn­berg, Be­schluss vom 27.02.2013, 3 Ta 31/13). Da das LAG die Rechts­be­schwer­de zum BAG zu­ließ, lan­de­te der Fall beim BAG.

BAG: Kommt es beim Streit um die rich­ti­ge Ausfüllung ei­ner Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung auf steu­er­recht­li­che Nor­men an, sind die Fi­nanz­ge­rich­te zuständig

Das BAG wies die Rechts­be­schwer­de zurück und setz­te den Streit­wert auf 200,00 EUR fest. Zur Be­gründung heißt es:

Für ei­ne Kla­ge auf Be­rich­ti­gung ei­ner Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung ist der Rechts­weg zum Ar­beits­ge­richt nach § 2 Abs.1 Nr.3 Buch­sta­be e ArbGG im All­ge­mei­nen nicht eröff­net, da es sich um ei­ne Strei­tig­keit öffent­lich-recht­li­cher Na­tur han­delt. Das gilt je­den­falls dann, wenn es für die Ent­schei­dung ei­ner sol­chen Kla­ge auf steu­er­recht­li­che Rechts­vor­schrif­ten an­kommt.

So war es hier im Streit­fall, denn nach An­sicht des Klägers hat­te der be­klag­te Ar­beit­ge­ber das steu­er­recht­li­che Zu­fluss­prin­zip falsch an­ge­wandt.

Die ein­zi­ge Mei­nungs­ver­schie­den­heit der Par­tei­en, so das BAG, be­trifft das Steu­er­recht. Denn der Kläger ver­lang­te ei­ne in be­stimm­ter Wei­se aus­gefüll­te Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung. Die Ver­pflich­tung zur Er­stel­lung die­ser Be­schei­ni­gung folgt aber aus § 41b Abs.1 Ein­kom­men­steu­er­ge­setz (EStG), d.h. aus ei­ner zum Steu­er­recht zählen­den Ge­set­zes­vor­schrift. Dort ist auch der ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­ne In­halt der Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung ge­re­gelt.

Der Ar­beit­ge­ber war hier der An­sicht, er ha­be in An­wen­dung des Zu­fluss­prin­zips die erst im Jahr 2012 tatsächlich er­folg­te Zah­lung des De­zem­ber­lohns 2011 in der Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung für 2012 aus­wei­sen müssen. Der Ar­beit­neh­mer da­ge­gen war der Mei­nung, aus § 38a Abs.1 EStG er­ge­be sich, dass die Be­schei­ni­gung stets für das Jahr zu er­fol­gen ha­be, für das der Lohn ge­schul­det ist.

Dem­nach strit­ten die Par­tei­en um ei­ne steu­er­recht­li­che Fra­ge. Ei­nen Rechts­satz des bürger­li­chen Rechts, der die­se Fra­ge be­ant­wor­ten würde, be­steht nicht, so das BAG. Da­her hätte der Kläger mit sei­ner Kla­ge vor das Fi­nanz­ge­richt zie­hen müssen.

In der Sa­che selbst weist das BAG dar­auf hin, dass die Befürch­tung des kla­gen­den Ar­beit­neh­mers, steu­er­li­che Nach­teil in­fol­ge der sei­ner Mei­nung nach fal­schen Be­schei­ni­gung zu er­lei­den, oh­ne­hin un­be­gründet ist. Denn die Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung dient nur zum Nach­weis des Lohn­steu­er­ab­zugs, wie er fak­tisch durch­geführt wur­de, nicht aber des Ab­zugs, wie er rich­ti­ger­wei­se hätte durch­geführt wer­den müssen.

Feh­ler beim Lohn­steu­er­ab­zug können da­her bei der Ein­kom­men­steu­er­ver­an­la­gung be­rich­tigt wer­den. Ei­ne kor­rek­te Ver­an­la­gung ist durch ei­ne un­rich­ti­ge Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung nicht aus­ge­schlos­sen.

Fa­zit: Das BAG schließt die Zuständig­keit der Ar­beits­ge­rich­te für Pro­zes­se um ei­ne Be­rich­ti­gung von Lohn­steu­er­be­schei­ni­gun­gen nicht ge­ne­rell aus, son­dern nur in den Fällen, in die es strei­tent­schei­dend auf steu­er­recht­li­che Rechts­vor­schrif­ten an­kommt. In an­de­ren Fällen können da­ge­gen die Ar­beits­ge­rich­te zuständig sein, so z.B. dann, wenn die Kor­rek­tur ei­ner Steu­er­be­schei­ni­gung vor­aus­setzt, dass der Ar­beit­neh­mer über­haupt be­stimm­te Lohn­ansprüche hat, die zwi­schen den Par­tei­en im Streit sind.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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