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Keine Aussonderung nicht abgeführter Betriebsrentenbeiträge aus der Insolvenzmasse
28.11.2016. Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber insolvent wird, verlieren zwar nicht notwendig ihren Job, erleiden aber praktisch immer Lohnausfälle.
Um diese Ausfälle abzumildern, gibt es für die letzten drei Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das sog. Insolvenzgeld, das auf Antrag von der Arbeitsagentur bezahlt wird.
Allerdings hilft das Insolvenzgeld dann nicht, wenn der Arbeitgeber bereits vor dem Insolvenzgeldzeitraum bestimmte Lohnbestandteile nicht bezahlt hat wie z.B. Beiträge zu einer betrieblichen Altersversorgung.
Wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag letzter Woche entschieden hat, schreibt das Europäische Recht nicht vor, die Rechtsstellung des Arbeitnehmers gemäß der Insolvenzordnung (InsO) in solchen Fällen "aufzubessern": EuGH, Urteil vom 24.11.2016, C-454/15 (Webb-Sämann).
- Muss das deutsche Insolvenzarbeitsrecht aufgrund europarechtlicher Vorschriften zugunsten der Arbeitnehmer nachgebessert werden?
- Der hessische Vorlagefall: Arbeitnehmer der insolventen Baumarktkette Praktiker verliert für sechs Monate Beiträge zur Betriebsrente
- EuGH: Arbeitnehmer müssen gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht unbedingt ein Aussonderungsrecht für Betriebsrentenbeiträge haben, die insolvenzbedingt nicht abgeführt wurden
Muss das deutsche Insolvenzarbeitsrecht aufgrund europarechtlicher Vorschriften zugunsten der Arbeitnehmer nachgebessert werden?
Wie erwähnt deckt das Insolvenzgeld einen erheblichen Teil der Lohneinbußen ab, die Arbeitnehmer oft in den letzten drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers erleiden. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Insolvenzgeld ist § 165 Abs.1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).
Der Arbeitnehmerschutz, den das Insolvenzgeld bewirkt, ist zwar sinnvoll und notwendig, aber keineswegs in allen Fällen ausreichend oder gar vollständig. So werden z.B. Sonderzahlungen, die eigentlich im Dreimonatszeitraum vor Insolvenzeröffnung hätten gezahlt werden müssen (wie z.B. ein Urlaubs- oder ein Weihnachtsgeld oder eine Zielvereinbarungsprämie) nur zeitanteilig in dem Maße durch das Insolvenzgeld ausgeglichen, wie sie während des Insolvenzgeldzeitraums verdient worden sind. Hier gibt es also in vielen Fällen nur 25 Prozent des Lohnausfalls.
Nicht abgesichert sind weiterhin auch Gehaltsausfälle vor dem Insolvenzgeldzeitraum. Kann z.B. ein später insolventer Arbeitgeber Lohnbestandteile für die Monate Januar bis März nicht zahlen, hilft es dem Arbeitnehmer nichts, wenn bei einer Insolvenzeröffnung am 01. Juli die Lohnausfälle der Monate April, Mai und Juni (= der letzten drei Monate vor Insolvenzeröffnung) durch das Insolvenzgeld ausgeglichen werden. Mit den offenen Lohnforderungen für die Zeit davor (Januar bis März) ist der Arbeitnehmer Insolvenzgläubiger, d.h. er muss diese offenen Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden und erhält dann später meist nur einen kleinen Bruchteil ausgezahlt.
Auch Beiträge zu Betriebsrentenkassen werden im Vorfeld einer späteren Insolvenz oft nicht mehr (vollständig) bezahlt und sind oft nur teilweise durch das Insolvenzgeld abgesichert. Hier fragt sich, ob Deutschland die Vorgaben aus Art.8 der Richtlinie 2008/94/EG korrekt umgesetzt hat. Diese Vorschrift lautet:
"Die Mitgliedstaaten vergewissern sich, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden."
Möglicherweise müsste man in Deutschland die Rechte betroffener Arbeitnehmer stärken, z.B. indem man ihnen einen Anspruch gegenüber dem Insolvenzverwalter einräumt, ihnen die nicht abgeführten Rentenbeiträge vorab aus der Masse zu erstatten. Ein solcher Anspruch könnte sich aus einer europarechtskonformen Auslegung von § 47 Insolvenzordnung (InsO) ergeben.
Dann hätten die Arbeitnehmer in Bezug auf die vom Arbeitgeber nicht abgeführten Betriebsrentenbeiträge ein Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO, wie es ansonsten z.B. Eigentümern von Sachen zusteht, die sich im Besitz des Schuldners bzw. Verwalters befinden, aber eben infolge des Eigentumsrechts des Aussonderungsberechtigten nicht zur Insolvenzmasse gehören. Das wäre eine starke Rechtsposition.
Der hessische Vorlagefall: Arbeitnehmer der insolventen Baumarktkette Praktiker verliert für sechs Monate Beiträge zur Betriebsrente
Im Streitfall hatte ein Arbeitnehmer der 2013 insolvent gewordenen Baumarktkette "Praktiker", Herr Jürgen Webb-Sämann, gegen den Insolvenzverwalter geklagt, Herrn Christopher Seagon.
Denn lange bevor das Insolvenzverfahren zum 01.10.2013 eröffnet worden war, hatte die Firma "Praktiker" Beiträge zur Betriebsrente nicht abgeführt. Dabei ging es um 1.017,56 EUR, die in den Monaten Januar bis Juni 2013 auf das Versorgungskonto von Herrn Webb-Sämann bei der Hamburger Pensionskasse hätten eingezahlt werden müssen. Das Insolvenzgeld half Herrn Webb-Sämann hier nicht, denn der durch Insolvenzgeldzeitraum war hier die Zeit von Juli bis September 2013.
Das Arbeitsgericht Darmstadt wies die Klage ab, weil es die Voraussetzungen für ein Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO verneinte. Dagegen setzte das in der Berufungsinstanz zuständige Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:
"Verstößt ein nationales Verständnis einer Regelung, wonach fällige Lohnansprüche, die dem Arbeitgeber zur Verwahrung überlassen wurden, um sie zu einem Stichtag an eine Pensionskasse zu zahlen, von diesem aber nicht auf ein gesondertes Konto eingezahlt wurden und deshalb dem Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO entzogen sind, gegen die Regelung des Art.8 der Richtlinie 2008/94/EG bzw. das übrige Unionsrecht?"
EuGH: Arbeitnehmer müssen gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht unbedingt ein Aussonderungsrecht für Betriebsrentenbeiträge haben, die insolvenzbedingt nicht abgeführt wurden
Der Gerichtshof stellte klar, dass Art.8 der Richtlinie 2008/94/EG die Mitgliedsstaaten nur dazu verpflichtet, den Insolvenzschutz von Rentenanwartschaften in einem Mindestumfang zu sichern.
Wenn Arbeitnehmer, so der EuGH unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung, trotz der Insolvenz ihres Arbeitgebers mindestens die Hälfte ihrer erarbeiteten Rentenanwartschaften behalten, ist der europarechtlich gebotene Mindestschutz im Allgemeinen gewährleistet. Und da hier im Streitfall der sechsmonatige Verlust von Rentenbeiträgen voraussichtlich nur zu einer Rentenminderung von etwa fünf bis sieben Euro pro Monat führen dürfte, kann von einem zu geringen Schutz nicht die Rede sein.
Dieses Ergebnis kann man auch mit einer Überlegung des Generalanwalt beim EuGH Bobek in seinen Schlussanträge vom 08.09.2016 (Rn.69) begründen: Die Rechtsordnungen der Mitgliedsstaate enthalten sehr komplizierte und technische Regelungen zum Insolvenzrecht und zum Betriebsrentenrecht. Würde man eine sehr allgemeine Zielvorgabe einer EU-Richtlinie wie Art.8 der Richtlinie 2008/94/EG so auslegen, dass sie einen spezielle insolvenzrechtlichen Anspruch (auf Aussonderung) zur Folge hätte, würde dies die genau ausbalancierte insolvenzrechtliche Rangfolgenordung von Gläubigerrechten in den Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten durcheinander bringen.
Fazit: Art.8 der Richtlinie 2008/94/EG schreibt den Mitgliedsstaaten der EU nicht vor, dass Arbeitnehmer gegenüber dem Insolvenzverwalter ein Aussonderungsrecht für Betriebsrentenbeiträge haben müssen, die insolvenzbedingt nicht abgeführt wurden.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 24.11.2016, C-454/15 (Webb-Sämann)
- Generalanwalt beim EuGH Michal Bobek, Schlussanträge vom 08.09.2016, Rs. C-454/15 (Webb-Sämann)
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliche Altersversorgung
- Handbuch Arbeitsrecht: Insolvenz des Arbeitgebers
- Handbuch Arbeitsrecht: Insolvenzgeld
- Handbuch Arbeitsrecht: Lohnrückstand - Arbeitnehmerrechte
- Handbuch Arbeitsrecht: Weihnachtsgeld
- Handbuch Arbeitsrecht: Zahlungsverzug des Arbeitgebers
- Handbuch Arbeitsrecht: Zielvereinbarung
Letzte Überarbeitung: 27. Januar 2017
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