HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 18.12.2007, C-341/05 - La­val un Part­ne­ri

   
Schlagworte: Streik: EU-Recht, Gewerkschaft, Tarifvertrag
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-341/05
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.12.2007
   
Leitsätze:

1. Freier Dienstleistungsverkehr – Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen – Richtlinie 96/71

(Richtlinie 96/71 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 3 Abs. 1 und 8)

2. Freier Dienstleistungsverkehr – Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen – Richtlinie 96/71

(Richtlinie 96/71 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 3)

3. Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Grundrechte – Recht auf Durchführung einer kollektiven Maßnahme

(Art. 49 EG)

4. Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen

(Art. 49 EG; Richtlinie 96/71 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 3 Abs. 1)

5. Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen

(Art. 49 EG und 50 EG)

1. Ein Mitgliedstaat, in dem Mindestlohnsätze nicht auf eine in Art. 3 Abs. 1 und 8 der Richtlinie 96/71 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen vorgesehene Weise bestimmt werden, ist nicht berechtigt, nach dieser Richtlinie den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen im Rahmen einer länderübergreifenden Dienstleistungserbringung abzuverlangen, von Fall zu Fall am Arbeitsort unter Berücksichtigung der Qualifikation und der Aufgaben der betroffenen Arbeitnehmer Verhandlungen zu führen, damit diese Unternehmen Kenntnis von den Löhnen erhalten, die sie an ihre entsandten Arbeitnehmer werden zahlen müssen.

(vgl. Randnr. 71)

2. Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie 96/71 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen lässt sich nicht dahin auslegen, dass er es einem Aufnahmemitgliedstaat erlaubt, die Erbringung einer Dienstleistung in seinem Hoheitsgebiet davon abhängig zu machen, dass Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen eingehalten werden, die über die zwingenden Bestimmungen über ein Mindestmaß an Schutz hinausgehen.

Für die in ihrem Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a bis g genannten Aspekte sieht nämlich die Richtlinie 96/71 ausdrücklich den Grad an Schutz vor, den der Aufnahmemitgliedstaat in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen zugunsten der von diesen in sein Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern abzuverlangen berechtigt ist. Folglich und vorbehaltlich dessen, dass die in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen aus freien Stücken im Aufnahmemitgliedstaat – insbesondere im Rahmen einer gegenüber ihrem eigenen entsandten Personal eingegangenen Verpflichtung – einem womöglich günstigeren Tarifvertrag beitreten können, ist das Schutzniveau, das den entsandten Arbeitnehmern im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats garantiert werden muss, grundsätzlich auf das beschränkt, was Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a bis g der Richtlinie 96/71 vorsieht, es sei denn, die genannten Arbeitnehmer genießen bereits nach den Gesetzen oder Tarifverträgen im Herkunftsmitgliedstaat hinsichtlich der Aspekte, die die genannte Vorschrift betrifft, günstigere Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen.

(vgl. Randnrn. 80-81)

3. Zwar ist das Recht auf Durchführung einer kollektiven Maßnahme als Grundrecht anzuerkennen, das fester Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ist, deren Beachtung der Gerichtshof sicherstellt, doch kann seine Ausübung bestimmten Beschränkungen unterworfen werden. Denn wie in Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erneut bekräftigt wird, wird es nach dem Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten geschützt.

Obwohl der Grundrechtsschutz ein berechtigtes Interesse ist, das grundsätzlich geeignet ist, eine Beschränkung der Verpflichtungen zu rechtfertigen, die nach dem Gemeinschaftsrecht, auch kraft einer durch den Vertrag gewährleisteten Grundfreiheit, bestehen, liegt die Ausübung derartiger Grundrechte nicht außerhalb des Anwendungsbereichs der Bestimmungen des Vertrags und muss mit den Erfordernissen hinsichtlich der durch den Vertrag geschützten Rechte in Einklang gebracht werden und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen.

Daraus folgt, dass der Grundrechtscharakter des Rechts auf Durchführung einer kollektiven Maßnahme eine derartige Maßnahme, die sich gegen ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen richtet, das Arbeitnehmer im Rahmen einer länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen entsendet, nicht dem Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts zu entziehen vermag.

(vgl. Randnrn. 91, 93-95)

4. Art. 49 EG und Art. 3 der Richtlinie 96/71 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen sind dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass in einem Mitgliedstaat, in dem die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen hinsichtlich der in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie genannten Aspekte mit Ausnahme der Mindestlohnsätze durch Rechtsvorschriften festgelegt sind, eine gewerkschaftliche Organisation versuchen kann, durch eine kollektive Maßnahme in Form einer Baustellenblockade einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleister dazu zu zwingen, mit ihr über die den entsandten Arbeitnehmern zu zahlenden Lohnsätze zu verhandeln und einem Tarifvertrag beizutreten, der Klauseln enthält, die für bestimmte dieser Aspekte günstigere Bedingungen als die vorsehen, die sich aus den einschlägigen Rechtsvorschriften ergeben, während andere Klauseln sich auf in Art. 3 dieser Richtlinie nicht angesprochene Aspekte beziehen.

Denn das Recht der gewerkschaftlichen Organisationen eines Mitgliedstaats zur Durchführung derartiger kollektiver Maßnahmen ist geeignet, für Unternehmen die Erbringung von Dienstleistungen im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats weniger attraktiv zu machen, ja sogar zu erschweren, und stellt daher eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 49 EG dar. Eine solche Behinderung lässt sich nicht im Hinblick auf das Ziel des Arbeitnehmerschutzes rechtfertigen, unter das grundsätzlich eine Blockade fällt, die von einer gewerkschaftlichen Organisation des Aufnahmemitgliedstaats eingeleitet wird und darauf abzielt, den im Rahmen einer länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen entsandten Arbeitnehmern Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen auf einem bestimmten Niveau zu garantieren, da der Arbeitgeber dieser Arbeitnehmer infolge der über die Richtlinie 96/71 herbeigeführten Koordinierung gehalten ist, einen Kern zwingender Bestimmungen über ein Mindestmaß an Schutz im Aufnahmemitgliedstaat zu beachten. Auch Lohnverhandlungen, zu denen die gewerkschaftlichen Organisationen die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen und vorübergehend Arbeitnehmer in das Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats entsendenden Arbeitgeber bewegen wollen, können mit einem solchen Ziel nicht gerechtfertigt werden, wenn sich derartige Verhandlungen in einen nationalen Kontext einfügen, für den kennzeichnend ist, dass Vorschriften fehlen, die hinreichend genau und zugänglich wären, um in der Praxis einem derartigen Unternehmen die Feststellung, welche Verpflichtungen es hinsichtlich des Mindestlohns beachten müsste, nicht unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren.

(vgl. Randnrn. 99, 107-111 und Tenor 1)

5. Die Art. 49 EG und 50 EG stehen dem entgegen, dass in einem Mitgliedstaat das an die gewerkschaftlichen Organisationen gerichtete Verbot, eine kollektive Maßnahme mit dem Ziel zu unternehmen, einen zwischen Dritten geschlossenen Tarifvertrag aufzuheben oder zu ändern, von der Voraussetzung abhängt, dass sich die Maßnahme auf Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen bezieht, auf die das nationale Recht unmittelbar anwendbar ist. Ein solches Verbot schafft nämlich gegenüber Unternehmen, die Arbeitnehmer in den Aufnahmemitgliedstaat entsenden, insofern eine Diskriminierung, als es die Tarifverträge, durch die diese Unternehmen bereits in dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig sind, gebunden sind, unabhängig von ihrem Inhalt nicht berücksichtigt und für sie die gleiche Behandlung wie für nationale Unternehmen vorsieht, die keinen Tarifvertrag geschlossen haben. Eine derartige Diskriminierung lässt sich weder mit dem Ziel rechtfertigen, es den gewerkschaftlichen Organisationen zu ermöglichen, Maßnahmen zu ergreifen, damit alle auf dem nationalen Arbeitsmarkt vertretenen Arbeitgeber Vergütungen zahlen und auch im Übrigen Beschäftigungsbedingungen einhalten, die den gewöhnlich in diesem Mitgliedstaat praktizierten entsprechen, noch mit dem Ziel, Voraussetzungen für einen lauteren Wettbewerb zu gleichen Bedingungen zwischen den nationalen Arbeitgebern und Unternehmen zu schaffen, die aus anderen Mitgliedstaaten kommen. Keine dieser Erwägungen zählt nämlich zu den Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne von Art. 46 EG in Verbindung mit Art. 55 EG.

(vgl. Randnrn. 116, 118-120 und Tenor)

 

 

Vorinstanzen:
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Große Kam­mer)

18. De­zem­ber 2007(*)

„Frei­er Dienst­leis­tungs­ver­kehr – Richt­li­nie 96/71/EG – Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern in der Bau­bran­che – Na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten, mit de­nen die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen für die in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g ge­nann­ten As­pek­te mit Aus­nah­me der Min­dest­lohnsätze fest­ge­legt wer­den – Bau­ta­rif­ver­trag, des­sen Klau­seln güns­ti­ge­re Be­din­gun­gen fest­le­gen oder sich auf an­de­re As­pek­te be­zie­hen – Den ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen eröff­ne­te Möglich­keit, durch kol­lek­ti­ve Maßnah­men zu ver­su­chen, in an­de­ren Mit­glied­staa­ten ansässi­ge Un­ter­neh­men zu zwin­gen, von Fall zu Fall Ver­hand­lun­gen zur Fest­le­gung der den Ar­beit­neh­mern zu zah­len­den Min­destlöhne zu führen und dem Bau­ta­rif­ver­trag bei­zu­tre­ten“

In der Rechts­sa­che C‑341/05

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 234 EG, ein­ge­reicht vom Ar­bets­dom­stol (Schwe­den) mit Ent­schei­dung vom 15. Sep­tem­ber 2005, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 19. Sep­tem­ber 2005, in dem Ver­fah­ren

La­val un Part­ne­ri Ltd

ge­gen

Sven­s­ka Bygg­nads­ar­be­ta­reförbun­det,

Sven­s­ka Bygg­nads­ar­be­ta­reförbun­dets av­de­ling 1, Byg­get­t­an,

Sven­s­ka Elek­tri­k­erförbun­det

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Große Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Präsi­den­ten V. Skou­ris, der Kam­mer­präsi­den­ten P. Jann, A. Ro­sas, K. Lena­erts, U. Lõhmus (Be­richt­er­stat­ter) und L. Bay Lar­sen, des Rich­ters R. Sch­int­gen, der Rich­te­rin R. Sil­va de La­pu­er­ta so­wie der Rich­ter K. Schie­mann, J. Ma­k­arc­zyk, P. Kūris, E. Le­vits und A. Ó Cao­imh,

Ge­ne­ral­an­walt: P. Men­goz­zi,

Kanz­ler: J. Swe­den­borg, Ver­wal­tungs­rat,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 9. Ja­nu­ar 2007,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

– der La­val un Part­ne­ri Ltd, ver­tre­ten durch A. Elmér und M. Agell, ad­vo­ka­ter,

– von Sven­s­ka Bygg­nads­ar­be­ta­reförbun­det, Sven­s­ka Bygg­nads­ar­be­ta­reförbun­dets avd. 1, Byg­get­t­an, und Sven­s­ka Elek­tri­k­erförbun­det, ver­tre­ten durch D. Hol­ke, Ver­ant­wort­li­cher in Rechts­sa­chen, so­wie durch P. Kind­blom und U. Öberg, ad­vo­ka­ter,

– der schwe­di­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch A. Kru­se als Be­vollmäch­tig­ten,

– der bel­gi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch M. Wim­mer und L. Van den Bro­eck als Be­vollmäch­tig­te,

– der tsche­chi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch T. Boček als Be­vollmäch­tig­ten,

– der däni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch J. Mol­de und J. Be­ring Liis­berg als Be­vollmäch­tig­te,

– der deut­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch M. Lum­ma und C. Schul­ze-Bahr als Be­vollmäch­tig­te,

– der est­ni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch L. Ui­bo als Be­vollmäch­tig­ten,

– der spa­ni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch N. Díaz Ab­ad als Be­vollmäch­tig­te,

– der französi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch G. de Ber­gues und O. Christ­mann als Be­vollmäch­tig­te,

– Ir­lands, ver­tre­ten durch D. O’Ha­gan und C. Lough­lin als Be­vollmäch­tig­te im Bei­stand von B. O’Moo­re, SC, und N. Tra­vers, BL,

– der let­ti­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch E. Ba­lo­de-Bu­ra­ka und K. Bārdiņa als Be­vollmäch­tig­te,

– der li­taui­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch D. Kri­aučiūnas als Be­vollmäch­tig­ten,

– der öster­rei­chi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch C. Pe­sen­dor­fer und G. Hes­se als Be­vollmäch­tig­te,

– der pol­ni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch J. Pie­tras und M. Ko­ro­lec so­wie durch M. Szy­mańska als Be­vollmäch­tig­te,

– der fin­ni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch E. Bygg­lin und J. Him­ma­nen als Be­vollmäch­tig­te,

– der Re­gie­rung des Ver­ei­nig­ten König­reichs, ver­tre­ten durch E. O’Neill und D. An­der­son als Be­vollmäch­tig­te,

– der isländi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch F. Bir­gis­son als Be­vollmäch­tig­ten,

– der nor­we­gi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch K. Waa­ge, E. Jar­bo und F. Se­jer­sted als Be­vollmäch­tig­te,

– der Kom­mis­si­on der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten, ver­tre­ten durch J. En­e­gren, E. Tra­ver­sa und K. Si­mons­son als Be­vollmäch­tig­te,

– der EFTA‑Über­wa­chungs­behörde, ver­tre­ten durch A. T. An­der­sen, N. Fen­ger und B. Al­ter­skjær als Be­vollmäch­tig­te,

nach Anhörung der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts in der Sit­zung vom 23. Mai 2007

fol­gen­des

Ur­teil

1

Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung von Art. 12 EG und 49 EG so­wie der Richt­li­nie 96/71/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 16. De­zem­ber 1996 über die Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern im Rah­men der Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen (ABl. 1997, L 18, S. 1).

2

Die­ses Er­su­chen er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen der La­val un Part­ne­ri Ltd (im Fol­gen­den: La­val), ei­ner Ge­sell­schaft let­ti­schen Rechts mit Sitz in Ri­ga (Lett­land), auf der ei­nen und Sven­s­ka Bygg­nads­ar­be­ta­reförbun­det (Schwe­di­scher Bau­ar­bei­ter­ver­band, im Fol­gen­den: Bygg­nads), Sven­s­ka Bygg­nads­ar­be­ta­reförbun­det av­del­ning 1, Byg­get­t­an (Ab­tei­lung 1 der ge­nann­ten Ge­werk­schaft, im Fol­gen­den: Byg­get­t­an), und Sven­s­ka Elek­tri­k­erförbun­det (Schwe­di­scher Elek­tri­ker­ver­band, im Fol­gen­den: Elek­tri­ker­na) auf der an­de­ren Sei­te, den La­val anhängig ge­macht hat und in dem sie be­an­tragt, ers­tens so­wohl die von Bygg­nads und Byg­get­t­an ge­gen sämt­li­che Bau­stel­len der Ge­sell­schaft ge­rich­te­ten kol­lek­ti­ven Maßnah­men als auch die Sym­pa­thie­maßnah­men der Elek­tri­ker­na in Form ei­ner Blo­cka­de al­ler lau­fen­den Elek­tri­ker­ar­bei­ten für rechts­wid­rig zu erklären, zwei­tens die Be­en­di­gung die­ser Maßnah­men an­zu­ord­nen und drit­tens die ge­nann­ten ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen zum Er­satz des La­val ent­stan­de­nen Scha­dens zu ver­ur­tei­len.

Recht­li­cher Rah­men

Ge­mein­schafts­recht

3

In den Erwägungs­gründen 6, 13, 17 und 22 der Richt­li­nie 96/71 heißt es:

„Mit der Trans­na­tio­na­li­sie­rung der Ar­beits­verhält­nis­se ent­ste­hen Pro­ble­me hin­sicht­lich des auf ein Ar­beits­verhält­nis an­wend­ba­ren Rechts. Es liegt im In­ter­es­se der be­trof­fe­nen Par­tei­en, die für das ge­plan­te Ar­beits­verhält­nis gel­ten­den Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen fest­zu­le­gen.“

„Die Ge­set­ze der Mit­glied­staa­ten müssen ko­or­di­niert wer­den, um ei­nen Kern zwin­gen­der Be­stim­mun­gen über ein Min­dest­maß an Schutz fest­zu­le­gen, das im Gast­land von Ar­beit­ge­bern zu gewähr­leis­ten ist, die Ar­beit­neh­mer für ei­ne zeit­lich be­grenz­te Ar­beits­leis­tung in das Ho­heits­ge­biet ei­nes Mit­glied­staats ent­sen­den, in dem ei­ne Dienst­leis­tung zu er­brin­gen ist. Ei­ne sol­che Ko­or­di­nie­rung kann nur durch Rechts­vor­schrif­ten der Ge­mein­schaft er­fol­gen.“

„Die im Gast­land gel­ten­den zwin­gen­den Be­stim­mun­gen über ein Min­dest­maß an Schutz dürfen je­doch nicht der An­wen­dung von Ar­beits­be­din­gun­gen, die für die Ar­beit­neh­mer güns­ti­ger sind, ent­ge­gen­ste­hen.“

„Die­se Richt­li­nie berührt nicht das Recht der Mit­glied­staa­ten über kol­lek­ti­ve Maßnah­men zur Ver­tei­di­gung be­ruf­li­cher In­ter­es­sen“

4

Art. 1 der Richt­li­nie 96/71 sieht vor:

„(1) Die­se Richt­li­nie gilt für Un­ter­neh­men mit Sitz in ei­nem Mit­glied­staat, die im Rah­men der länderüberg­rei­fen­den Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen Ar­beit­neh­mer gemäß Ab­satz 3 in das Ho­heits­ge­biet ei­nes Mit­glied­staats ent­sen­den.

(3) Die­se Richt­li­nie fin­det An­wen­dung, so­weit die in Ab­satz 1 ge­nann­ten Un­ter­neh­men ei­ne der fol­gen­den länderüberg­rei­fen­den Maßnah­men tref­fen:

a) …

oder

b) ei­nen Ar­beit­neh­mer in ei­ne Nie­der­las­sung oder ein der Un­ter­neh­mens­grup­pe an­gehören­des Un­ter­neh­men im Ho­heits­ge­biet ei­nes Mit­glied­staats ent­sen­den, so­fern für die Dau­er der Ent­sen­dung ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen dem ent­sen­den­den Un­ter­neh­men und dem Ar­beit­neh­mer be­steht …

…“

5

Art. 3 die­ser Richt­li­nie be­stimmt:

„Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen

(1) Die Mit­glied­staa­ten sor­gen dafür, dass un­abhängig von dem auf das je­wei­li­ge Ar­beits­verhält­nis an­wend­ba­ren Recht die in Ar­ti­kel 1 Ab­satz 1 ge­nann­ten Un­ter­neh­men den in ihr Ho­heits­ge­biet ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern bezüglich der nach­ste­hen­den As­pek­te die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen ga­ran­tie­ren, die in dem Mit­glied­staat, in des­sen Ho­heits­ge­biet die Ar­beits­leis­tung er­bracht wird,

– durch Rechts- oder Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten

und/oder

– durch für all­ge­mein ver­bind­lich erklärte Ta­rif­verträge oder Schiedssprüche im Sin­ne des Ab­sat­zes 8, so­fern sie die im An­hang ge­nann­ten Tätig­kei­ten be­tref­fen,

fest­ge­legt sind:

a) Höchst­ar­beits­zei­ten und Min­destru­he­zei­ten;

b) be­zahl­ter Min­dest­jah­res­ur­laub;

c) Min­dest­lohnsätze ein­sch­ließlich der Über­stun­densätze; dies gilt nicht für die zusätz­li­chen be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gungs­sys­te­me;

d) Be­din­gun­gen für die Über­las­sung von Ar­beits­kräften, ins­be­son­de­re durch Leih­ar­beits­un­ter­neh­men;

e) Si­cher­heit, Ge­sund­heits­schutz und Hy­gie­ne am Ar­beits­platz;

f) Schutz­maßnah­men im Zu­sam­men­hang mit den Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen von Schwan­ge­ren und Wöch­ne­rin­nen, Kin­dern und Ju­gend­li­chen;

g) Gleich­be­hand­lung von Männern und Frau­en so­wie an­de­re Nicht­dis­kri­mi­nie­rungs­be­stim­mun­gen.

Zum Zweck die­ser Richt­li­nie wird der in Un­ter­ab­satz 1 Buch­sta­be c) ge­nann­te Be­griff der Min­dest­lohnsätze durch die Rechts­vor­schrif­ten und/oder Prak­ti­ken des Mit­glied­staats be­stimmt, in des­sen Ho­heits­ge­biet der Ar­beit­neh­mer ent­sandt wird.

(7) Die Absätze 1 bis 6 ste­hen der An­wen­dung von für die Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­ren Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen nicht ent­ge­gen.

Die Ent­sen­dungs­zu­la­gen gel­ten als Be­stand­teil des Min­dest­lohns, so­weit sie nicht als Er­stat­tung für in­fol­ge der Ent­sen­dung tatsächlich ent­stan­de­ne Kos­ten wie z. B. Rei­se-, Un­ter­brin­gungs- und Ver­pfle­gungs­kos­ten ge­zahlt wer­den.

(8) Un­ter ‚für all­ge­mein ver­bind­lich erklärten Ta­rif­verträgen oder Schiedssprüchen‘ sind Ta­rif­verträge oder Schiedssprüche zu ver­ste­hen, die von al­len in den je­wei­li­gen geo­gra­fi­schen Be­reich fal­len­den und die be­tref­fen­de Tätig­keit oder das be­tref­fen­de Ge­wer­be ausüben­den Un­ter­neh­men ein­zu­hal­ten sind.

Gibt es kein Sys­tem zur All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung von Ta­rif­verträgen oder Schiedssprüchen im Sin­ne von Un­ter­ab­satz 1, so können die Mit­glied­staa­ten auch be­sch­ließen, Fol­gen­des zu­grun­de zu le­gen:

– die Ta­rif­verträge oder Schiedssprüche, die für al­le in den je­wei­li­gen geo­gra­fi­schen Be­reich fal­len­den und die be­tref­fen­de Tätig­keit oder das be­tref­fen­de Ge­wer­be ausüben­den gleich­ar­ti­gen Un­ter­neh­men all­ge­mein wirk­sam sind,

und/oder

– die Ta­rif­verträge, die von den auf na­tio­na­ler Ebe­ne re­präsen­ta­tivs­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ge­schlos­sen wer­den und in­ner­halb des ge­sam­ten na­tio­na­len Ho­heits­ge­biets zur An­wen­dung kom­men,

so­fern de­ren An­wen­dung auf die in Ar­ti­kel 1 Ab­satz 1 ge­nann­ten Un­ter­neh­men ei­ne Gleich­be­hand­lung die­ser Un­ter­neh­men in Be­zug auf die in Ab­satz 1 Un­ter­ab­satz 1 ge­nann­ten As­pek­te ge­genüber den im vor­lie­gen­den Un­ter­ab­satz ge­nann­ten an­de­ren Un­ter­neh­men, die sich in ei­ner ver­gleich­ba­ren La­ge be­fin­den, gewähr­leis­tet.

Gleich­be­hand­lung im Sin­ne die­ses Ar­ti­kels liegt vor, wenn für die inländi­schen Un­ter­neh­men, die sich in ei­ner ver­gleich­ba­ren La­ge be­fin­den,

– am be­tref­fen­den Ort oder in der be­tref­fen­den Spar­te hin­sicht­lich der As­pek­te des Ab­sat­zes 1 Un­ter­ab­satz 1 die­sel­ben An­for­de­run­gen gel­ten wie für die Ent­sen­de­un­ter­neh­men

und

– die­se An­for­de­run­gen ih­nen ge­genüber mit der­sel­ben Wir­kung durch­ge­setzt wer­den können.

(10) Die­se Richt­li­nie berührt nicht das Recht der Mit­glied­staa­ten, un­ter Ein­hal­tung des Ver­trags für inländi­sche und ausländi­sche Un­ter­neh­men in glei­cher Wei­se

– Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen für an­de­re als die in Ab­satz 1 Un­ter­ab­satz 1 auf­geführ­ten As­pek­te, so­weit es sich um Vor­schrif­ten im Be­reich der öffent­li­chen Ord­nung han­delt,

– Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen, die in Ta­rif­verträgen oder Schiedssprüchen nach Ab­satz 8 fest­ge­legt sind und an­de­re als im An­hang ge­nann­te Tätig­keit be­tref­fen,

vor­zu­schrei­ben.“

6

Art. 4 der Richt­li­nie 96/71 sieht vor:

„Zu­sam­men­ar­beit im In­for­ma­ti­ons­be­reich

(1) Zur Durchführung die­ser Richt­li­nie be­nen­nen die Mit­glied­staa­ten gemäß ih­ren Rechts­vor­schrif­ten und/oder Prak­ti­ken ein oder meh­re­re Ver­bin­dungsbüros oder ei­ne oder meh­re­re zuständi­ge ein­zel­staat­li­che Stel­len.

(2) Die Mit­glied­staa­ten se­hen die Zu­sam­men­ar­beit der Behörden vor, die ent­spre­chend den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten für die Über­wa­chung der in Ar­ti­kel 3 auf­geführ­ten Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen zuständig sind. Die­se Zu­sam­men­ar­beit be­steht ins­be­son­de­re dar­in, be­gründe­te An­fra­gen die­ser Behörden zu be­ant­wor­ten, die das länderüberg­rei­fen­de Zur­verfügung­stel­len von Ar­beit­neh­mern, ein­sch­ließlich of­fen­kun­di­ger Verstöße oder Fälle von Ver­dacht auf un­zulässi­ge länderüberg­rei­fen­de Tätig­kei­ten, be­tref­fen.

Die Kom­mis­si­on und die in Un­ter­ab­satz 1 be­zeich­ne­ten Behörden ar­bei­ten eng zu­sam­men, um et­wai­ge Schwie­rig­kei­ten bei der An­wen­dung des Ar­ti­kels 3 Ab­satz 10 zu prüfen.

Die ge­gen­sei­ti­ge Amts­hil­fe er­folgt un­ent­gelt­lich.

(3) Je­der Mit­glied­staat er­greift die ge­eig­ne­ten Maßnah­men, da­mit die In­for­ma­tio­nen über die nach Ar­ti­kel 3 maßgeb­li­chen Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen all­ge­mein zugäng­lich sind.

(4) Je­der Mit­glied­staat nennt den an­de­ren Mit­glied­staa­ten und der Kom­mis­si­on die in Ab­satz 1 be­zeich­ne­ten Ver­bin­dungsbüros und/oder zuständi­gen Stel­len.“

Na­tio­na­les Recht

Die Um­set­zung der Richt­li­nie 96/71

7

Aus den Ak­ten geht her­vor, dass das König­reich Schwe­den nicht über ein Sys­tem zur All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung von Ta­rif­verträgen verfügt und ausländi­sche Un­ter­neh­men nicht ge­setz­lich zur Ver­mei­dung von Dis­kri­mi­nie­run­gen ver­pflich­tet sind, die schwe­di­schen Ta­rif­verträge an­zu­wen­den, da nicht al­le schwe­di­schen Ar­beit­ge­ber ta­rif­ver­trag­lich ge­bun­den sind.

8

In das schwe­di­sche Recht ist die Richt­li­nie 96/71 mit dem Lag (1999:678) om ut­sta­tio­ne­ring av ar­bets­taga­re (Ge­setz [1999:678] über die Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern) vom 9. De­zem­ber 1999 (im Fol­gen­den: Ar­beit­neh­mer­ent­sen­de­ge­setz) um­ge­setzt wor­den. Aus den Ver­fah­rens­un­ter­la­gen er­gibt sich, dass die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen, die für ent­sand­te Ar­beit­neh­mer hin­sicht­lich der in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a und b so­wie d bis g der Richt­li­nie 96/71 ge­nann­ten As­pek­te gel­ten, durch Rechts­vor­schrif­ten im Sin­ne von Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 ers­ter Ge­dan­ken­strich der Richt­li­nie 96/71 fest­ge­legt wer­den. Dem­ge­genüber re­gelt das schwe­di­sche Recht den in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. c der Richt­li­nie ge­nann­ten As­pekt des Min­dest­lohn­sat­zes nicht.

9

Den Ak­ten zu­fol­ge ist das gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richt­li­nie 96/71 ein­ge­rich­te­te Ar­bets­miljöverk (im Fol­gen­den: Ver­bin­dungsbüro) ins­be­son­de­re da­mit be­traut, auf das Be­ste­hen von Ta­rif­verträgen hin­zu­wei­sen, die im Fall ei­ner Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern nach Schwe­den an­wend­bar sein können, und die Be­trof­fe­nen für nähe­re In­for­ma­tio­nen an die je­wei­li­gen Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zu ver­wei­sen.

Das Recht auf Durchführung kol­lek­ti­ver Maßnah­men

10

Die schwe­di­sche Ver­fas­sung (Re­ge­rings­for­men) führt in Ka­pi­tel 2 die Frei­hei­ten und Grund­rech­te auf, die den Bürgern zu­ste­hen. Nach ih­rem § 17 dürfen Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­neh­mern so­wie Ar­beit­ge­ber und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern kol­lek­ti­ve Maßnah­men durchführen, wenn ge­setz­li­che oder ver­trag­li­che Be­stim­mun­gen dem nicht ent­ge­gen­ste­hen.

11

Das Lag (1976:580) om med­bestämman­de i ar­bets­li­vet (Ge­setz [1976:580] über die Mit­be­stim­mung im Ar­beits­le­ben) vom 10. Ju­ni 1976 (im Fol­gen­den: MBL) enthält die auf dem Ge­biet der Ver­ei­ni­gungs- und Ver­hand­lungs­frei­heit, der Ta­rif­verträge, der Ver­mitt­lung bei kol­lek­ti­ven Ar­beits­kon­flik­ten und der Frie­dens­pflicht gel­ten­den Re­geln so­wie Be­stim­mun­gen, die das Recht der ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen auf Durchführung kol­lek­ti­ver Maßnah­men be­gren­zen.

12

Aus § 41 MBL er­gibt sich, dass ta­rif­ver­trag­lich ge­bun­de­nen Part­nern ei­ne Frie­dens­pflicht ob­liegt und dass es ins­be­son­de­re un­ter­sagt ist, kol­lek­ti­ve Maßnah­men durch­zuführen, um Ände­run­gen des Ta­rif­ver­trags zu er­rei­chen. Kol­lek­ti­ve Maßnah­men sind al­ler­dings zulässig, wenn die So­zi­al­part­ner kei­nen Ta­rif­ver­trag ge­schlos­sen ha­ben.

13

§ 42 MBL be­stimmt:

„Ar­beit­ge­ber- und Ar­beit­neh­mer­or­ga­ni­sa­tio­nen dürfen ge­setz­wid­ri­ge kol­lek­ti­ve Maßnah­men we­der an­ord­nen noch auf an­de­re Wei­se ver­an­las­sen. Ei­ne der­ar­ti­ge Or­ga­ni­sa­ti­on darf eben­so we­nig an ei­ner ge­setz­wid­ri­gen kol­lek­ti­ven Maßnah­me un­terstützend oder in an­de­rer Form mit­wir­ken. Ei­ne selbst ta­rif­ver­trag­lich ge­bun­de­ne Or­ga­ni­sa­ti­on ist außer­dem ge­hal­ten, falls ei­ne ge­setz­wid­ri­ge kol­lek­ti­ve Maßnah­me ei­nes Mit­glieds be­vor­steht oder im Gan­ge ist, zu ver­su­chen, die Maßnah­me zu ver­hin­dern oder auf ih­re Be­en­di­gung hin­zu­wir­ken.

Ist ei­ne ge­setz­wid­ri­ge kol­lek­ti­ve Maßnah­me auf je­man­des Be­trei­ben hin ein­ge­lei­tet wor­den, dürfen Drit­te hier­an nicht teil­neh­men.

Die Be­stim­mun­gen der ers­ten bei­den Sätze des ers­ten Ab­sat­zes gel­ten nur, wenn ei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on Maßnah­men bezüglich ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses er­greift, für das die­ses Ge­setz un­mit­tel­bar gilt.“

14

Die Recht­spre­chung legt § 42 Abs. 1 MBL da­hin aus, dass es ver­bo­ten ist, ei­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me mit dem Ziel durch­zuführen, ei­nen zwi­schen Drit­ten ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­trag zu be­sei­ti­gen oder des­sen Ände­rung her­bei­zuführen. Im so­ge­nann­ten Bri­tan­nia‑Ur­teil (1989, Nr. 120) ent­schied der Ar­bets­dom­stol, dass sich die­ses Ver­bot auf kol­lek­ti­ve Maßnah­men in Schwe­den er­streckt, die mit dem Ziel durch­geführt wer­den, ei­ne Ver­ein­ba­rung zwi­schen ausländi­schen Par­tei­en auf ei­ner ausländi­schen Ar­beitsstätte zu be­sei­ti­gen oder de­ren Ände­rung her­bei­zuführen, wenn ei­ne sol­che kol­lek­ti­ve Maßnah­me nach dem für die Un­ter­zeich­ner des ge­nann­ten Ta­rif­ver­trags an­wend­ba­ren ausländi­schen Recht rechts­wid­rig ist.

15

Mit der so­ge­nann­ten „Lex Bri­tan­nia“, die am 1. Ju­li 1991 in Kraft trat, woll­te der Ge­setz­ge­ber die Reich­wei­te des im Bri­tan­nia‑Ur­teil auf­ge­stell­ten Grund­sat­zes ein­engen. Die Lex Bri­tan­nia enthält drei Vor­schrif­ten, nämlich § 25a, § 31a und § 42 Abs. 3, die in das MBL ein­gefügt wur­den.

16

Aus den Erläute­run­gen des vor­le­gen­den Ge­richts geht her­vor, dass seit Einführung von § 42 Abs. 3 MBL kol­lek­ti­ve Maßnah­men ge­gen ei­nen ausländi­schen Ar­beit­ge­ber, der vorüber­ge­hend in Schwe­den tätig ist, nicht mehr un­ter­sagt sind, wenn ei­ne Ge­samt­be­ur­tei­lung der La­ge den Schluss ge­stat­tet, dass die Ver­bin­dung zu die­sem Mit­glied­staat zu schwach ist, als dass das MBL als un­mit­tel­bar auf die frag­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen an­wend­bar an­ge­se­hen wer­den könn­te.

Der Bau­ta­rif­ver­trag

17

Bygg­nads ist ei­ne ge­werk­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on, in der in Schwe­den die Ar­beit­neh­mer des Bau­ge­wer­bes or­ga­ni­siert sind. Aus den von Bygg­nads vor­ge­leg­ten Erklärun­gen geht her­vor, dass sie sich 2006 aus 31 ört­li­chen Ab­tei­lun­gen zu­sam­men­setz­te, dar­un­ter Byg­get­t­an, dass sie 128 000 Mit­glie­der hat­te, von de­nen 95 000 im ar­beitsfähi­gen Al­ter wa­ren, und dass in ihr ins­be­son­de­re Holz- und Be­ton­ar­bei­ter, Mau­rer, Par­kett­le­ger, Bau- und Straßen­bau­ar­bei­ter so­wie Klemp­ner or­ga­ni­siert wa­ren. Un­gefähr 87 % der Ar­beit­neh­mer des Bau­ge­wer­bes gehörten die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on an.

18

Zwi­schen Bygg­nads in ih­rer Ei­gen­schaft als zen­tra­ler Or­ga­ni­sa­ti­on zur Ver­tre­tung der Ar­beit­neh­mer des Bau­ge­wer­bes und der Sve­ri­ges Bygg­in­dus­trier (Zen­tral­or­ga­ni­sa­ti­on der Ar­beit­ge­ber des Bau­ge­wer­bes) wur­de ein Ta­rif­ver­trag ge­schlos­sen (im Fol­gen­den: Bau­ta­rif­ver­trag).

19

Der Bau­ta­rif­ver­trag enthält spe­zi­fi­sche Re­geln über die Ar­beits­zeit und den Jah­res­ur­laub, Be­rei­che, in de­nen Ta­rif­verträge von den Rechts­vor­schrif­ten ab­wei­chen können. Außer­dem fin­den sich in dem ge­nann­ten Ver­trag Be­stim­mun­gen über vorüber­ge­hen­de Ar­beits­lo­sig­keit und War­te­zei­ten, die Er­stat­tung von Fahrt­kos­ten und Wer­bungs­kos­ten, den Kündi­gungs­schutz, den Bil­dungs­ur­laub und die be­ruf­li­che Wei­ter­bil­dung.

20

Mit dem Bei­tritt zum Bau­ta­rif­ver­trag ist für die be­tref­fen­den Un­ter­neh­men die Über­nah­me meh­re­rer Ver­pflich­tun­gen fi­nan­zi­el­ler Art ver­bun­den. So müssen sie an Byg­get­t­an ei­nen Be­trag in Höhe von 1,5 % der Lohn­sum­me für die von die­ser Ge­werk­schafts­ab­tei­lung aus­geübte Ent­gelt­kon­trol­le abführen und der Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaft FO­RA zum ei­nen Beträge in Höhe von 0,8 % der Lohn­sum­me in Form ei­ner „Tillägsöre­na“ (Zu­la­ge­pfen­ni­ge) oder „särs­kilt tillägg bygg“ (Son­der­zu­la­ge Bau) ge­nann­ten Ab­ga­be und zum an­de­ren 5,9 % der Lohn­sum­me in Form meh­re­rer Ver­si­che­rungs­prämi­en zah­len.

21

Mit der „Tillägsöre­na“ oder „särs­kilt tillägg bygg“ ge­nann­ten Ab­ga­be sol­len Grup­pen­ver­si­che­rungs­verträge über Le­bens- und Vor­sor­ge­ver­si­che­rung so­wie ei­ne Ver­si­che­rung ge­gen Unfälle außer­halb der Ar­beits­zeit, der For­schungs­fonds der schwe­di­schen Bau­un­ter­neh­men (Sven­s­ka Bygg­bran­chens Ut­ve­ck­lings­fond), die von den Ar­beit­ge­bern ver­wal­te­te Or­ga­ni­sa­ti­on Ga­la­xen, die sich der Auf­ga­be wid­met, Ar­beits­stel­len für Körper­be­hin­der­te be­hin­der­ten­ge­recht zu ge­stal­ten und die­se um­zu­schu­len, die Förde­rung der Ent­wick­lung der be­ruf­li­chen Wei­ter­bil­dung in den Be­ru­fen der Bau­bran­che so­wie Ver­wal­tungs­kos­ten fi­nan­ziert wer­den.

22

Die ver­schie­de­nen Ver­si­che­rungs­verträge von FO­RA ga­ran­tie­ren den Ar­beit­neh­mern ei­ne Zu­satz­ren­ten­ver­si­che­rung, die Zah­lung von Leis­tun­gen im Krank­heits­fall und bei Ar­beits­lo­sig­keit, ei­ne Entschädi­gung bei Ar­beits­unfällen so­wie ei­ne fi­nan­zi­el­le Un­terstützung für die Hin­ter­blie­be­nen im Fall des To­des des Ar­beit­neh­mers.

23

Im Fall des Bei­tritts zum Bau­ta­rif­ver­trag sind die Ar­beit­ge­ber ein­sch­ließlich je­ner, die Ar­beit­neh­mer nach Schwe­den ent­sen­den, grundsätz­lich an al­le Klau­seln die­ses Ver­trags ge­bun­den; man­che Re­geln sind je­doch nur von Fall zu Fall an­wend­bar, wo­bei es hierfür im We­sent­li­chen auf die Art der Bau­stel­le und die Art der Ausführung der Ar­bei­ten an­kommt.

Die Fest­set­zung der Löhne

24

Aus den Erklärun­gen der schwe­di­schen Re­gie­rung geht her­vor, dass in Schwe­den die Fest­set­zung der Ar­beit­neh­mer­vergütun­gen den So­zi­al­part­nern im We­ge von Kol­lek­tiv­ver­hand­lun­gen über­las­sen ist. Im All­ge­mei­nen ent­hal­ten die Ta­rif­verträge kei­ne Be­stim­mun­gen über ei­nen Min­dest­lohn als sol­chen. Der nied­rigs­te Lohn, den zahl­rei­che Ta­rif­verträge vor­se­hen, be­trifft un­ge­lern­te Ar­beit­neh­mer oh­ne Be­rufs­er­fah­rung, was be­deu­tet, dass er nur für ei­ne sehr ge­rin­ge Zahl von Per­so­nen in Fra­ge kommt. Für die übri­gen Ar­beit­neh­mer wird die Vergütung im Rah­men von am Ar­beits­ort geführ­ten Ver­hand­lun­gen un­ter Berück­sich­ti­gung der Qua­li­fi­ka­tio­nen des Ar­beit­neh­mers und der von ihm wahr­ge­nom­me­nen Auf­ga­ben be­stimmt.

25

Nach den in die­ser Rechts­sa­che von den drei im Aus­gangs­ver­fah­ren be­klag­ten ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen ein­ge­reich­ten Erklärun­gen ist die übli­che Form der Vergütung in der Bau­bran­che ein leis­tungs­be­zo­ge­ner Lohn. Das Sys­tem der leis­tungs­be­zo­ge­nen Löhne be­deu­tet, dass für je­des Bau­vor­ha­ben neue Lohn­ver­ein­ba­run­gen ge­trof­fen wer­den. Die Ar­beit­ge­ber und die ört­li­che Ab­tei­lung der ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on können sich al­ler­dings über die An­wen­dung ei­nes St­un­den­lohns für ei­ne be­stimm­te Bau­stel­le verständi­gen. Für die Grup­pe der Ar­beit­neh­mer, um die es im Aus­gangs­ver­fah­ren geht, fin­det kein Sys­tem auf der Ba­sis von Mo­natslöhnen An­wen­dung.

26

Nach den An­ga­ben der ge­nann­ten ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen lau­fen die Lohn­ver­hand­lun­gen in ei­nem ar­beits­kampf­frei­en Rah­men ab, der zwin­gend auf den Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­trags folgt. Die Ver­ein­ba­rung über die Löhne wird grundsätz­lich auf ört­li­cher Ebe­ne zwi­schen der Ge­werk­schaft und dem Ar­beit­ge­ber ge­trof­fen. Wenn die So­zi­al­part­ner auf die­ser Ebe­ne zu kei­ner Ei­ni­gung ge­lan­gen, wer­den die Ver­hand­lun­gen über die Löhne zen­tral geführt, wo­bei Bygg­nads auf Sei­ten der Ar­beit­neh­mer die Haupt­rol­le spielt. Ge­lingt es den So­zi­al­part­nern auch nicht, im Rah­men der letzt­ge­nann­ten Ver­hand­lun­gen zu ei­ner Ei­ni­gung zu ge­lan­gen, wird das Grund­ge­halt gemäß der „stupstocks­re­gel“ (Auf­fang­klau­sel) be­stimmt. Den ge­nann­ten ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen zu­fol­ge soll sich der Lohn nach der Auf­fang­klau­sel, der ei­gent­lich nur ei­nen Ul­ti­ma-ra­tio-Me­cha­nis­mus bei den Ver­hand­lun­gen und kei­nen Min­dest­lohn dar­stel­le, für die zwei­te Hälf­te des Jah­res 2004 auf 109 SEK (et­wa 12 Eu­ro) pro St­un­de be­lau­fen ha­ben.

Der Aus­gangs­rechts­streit

27

La­val ist der Vor­la­ge­ent­schei­dung zu­fol­ge ei­ne Ge­sell­schaft let­ti­schen Rechts mit Sitz in Ri­ga. Zwi­schen Mai und De­zem­ber 2004 ent­sand­te sie ins­be­son­de­re für den Bau ei­ner Schu­le in Vax­holm un­gefähr 35 Ar­beit­neh­mer nach Schwe­den auf Bau­stel­len der L&P Bal­tic Bygg AB (im Fol­gen­den: Bal­tic), ei­ner Ge­sell­schaft schwe­di­schen Rechts, de­ren Ka­pi­tal bis En­de 2003 zu 100 % von La­val ge­hal­ten wur­de.

28

La­val, die am 14. Sep­tem­ber und 20. Ok­to­ber 2004 in Lett­land Ta­rif­verträge mit der let­ti­schen Ge­werk­schaft der Ar­beit­neh­mer des Bau­ge­wer­bes un­ter­zeich­net hat­te, war ge­genüber Bygg­nads, Byg­get­t­an und Elek­tri­ker­na nicht ta­rif­ver­trag­lich ge­bun­den, da von ih­rer Be­leg­schaft nie­mand die­sen Or­ga­ni­sa­tio­nen an­gehörte. Un­gefähr 65 % der be­trof­fe­nen let­ti­schen Ar­beit­neh­mer wa­ren in ih­rem Her­kunfts­staat Mit­glie­der der Ge­werk­schaft der Ar­beit­neh­mer des Bau­ge­wer­bes.

29

Aus den Ak­ten geht her­vor, dass es im Ju­ni 2004 zu Kon­tak­ten zwi­schen Byg­get­t­an auf der ei­nen und Bal­tic und La­val auf der an­de­ren Sei­te kam und dass Ver­hand­lun­gen zum Zweck des Bei­tritts von La­val zum Bau­ta­rif­ver­trag auf­ge­nom­men wur­den. La­val ver­lang­te, dass die Löhne und die übri­gen Ar­beits­be­din­gun­gen par­al­lel zu die­sen Ver­hand­lun­gen de­fi­niert würden, da­mit das Vergütungs­ni­veau und die Ar­beits­be­din­gun­gen be­reits anläss­lich des Bei­tritts zu die­sem Ver­trag fest­ge­legt würden. Byg­get­t­an kam die­sem Ver­lan­gen nach, ob­wohl Ta­rif­ver­hand­lun­gen im All­ge­mei­nen ab­ge­schlos­sen sein müssen, be­vor in der Fol­ge über Löhne und sons­ti­ge Ar­beits­be­din­gun­gen in ei­nem zwin­gend ar­beits­kampf­frei­en Rah­men dis­ku­tiert wird. Byg­get­t­an ver­wei­ger­te die Ein­rich­tung ei­nes Sys­tems auf der Ba­sis von Mo­natslöhnen, ak­zep­tier­te aber den Vor­schlag von La­val hin­sicht­lich des Grund­sat­zes ei­nes St­un­den­lohns.

30

Aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung geht her­vor, dass Byg­get­t­an in ei­ner Ver­hand­lungs­run­de am 15. Sep­tem­ber 2004 von La­val zum ei­nen für die Bau­stel­le in Vax­holm den Bei­tritt zum Bau­ta­rif­ver­trag und zum an­de­ren ver­lang­te, dass den ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern ein St­un­den­lohn von 145 SEK (et­wa 16 Eu­ro) ga­ran­tiert wer­de. Die­ser St­un­den­lohn be­ruh­te auf Lohn­sta­tis­ti­ken für den Raum Stock­holm (Schwe­den) für das ers­te Vier­tel­jahr 2004 für Be­ton- und Holz­ar­bei­ter mit Be­rufs­ab­schluss. By­yg­get­t­an be­kun­de­te ih­re Be­reit­schaft, um­ge­hend ei­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me ein­zu­lei­ten, wenn kei­ne Ei­ni­gung in die­sem Sin­ne er­zielt wer­de.

31

Den in den Ak­ten ent­hal­te­nen Un­ter­la­gen zu­fol­ge erklärte La­val im Lauf des Ver­fah­rens vor dem Ar­bets­dom­stol, dass sie ih­ren Ar­beit­neh­mern ei­nen Mo­nats­lohn von 13 600 SEK (et­wa 1 500 Eu­ro) zah­le, wo­zu noch geld­wer­te Vor­tei­le in Form von Ver­pfle­gung, Un­ter­kunft und Beförde­rung in Höhe von 6 000 SEK (et­wa 660 Eu­ro) kämen.

32

Im Fall des Bei­tritts zum Bau­ta­rif­ver­trag wären für La­val grundsätz­lich al­le Klau­seln die­ses Ver­trags ein­sch­ließlich der in Rand­nr. 20 des vor­lie­gen­den Ur­teils auf­geführ­ten fi­nan­zi­el­len Ver­pflich­tun­gen ge­genüber Byg­get­t­an und FO­RA ver­bind­lich ge­we­sen. Die Zeich­nung der Ver­si­che­rungs­verträge mit FO­RA war La­val mit ei­ner for­mu­larmäßigen Erklärung an­ge­tra­gen wor­den, die dem Un­ter­neh­men im De­zem­ber 2004 über­sandt wor­den war.

33

Die ge­nann­ten Ver­hand­lun­gen blie­ben oh­ne Er­geb­nis; Byg­get­t­an er­such­te da­her Bygg­nads, Maßnah­men zu er­grei­fen, um ge­gen La­val die anläss­lich der Ver­hand­lungs­run­de vom 15. Sep­tem­ber 2004 an­gekündig­te kol­lek­ti­ve Maßnah­me in die We­ge zu lei­ten. Ei­ne Vor­ankündi­gung er­ging im Ok­to­ber 2004.

34

Am 2. No­vem­ber 2004 be­gann ei­ne Blo­cka­de der Bau­stel­le in Vax­holm. Die­se Blo­cka­de be­stand u. a. dar­in, dass Wa­ren­lie­fe­run­gen auf die Bau­stel­le ver­hin­dert, Streik­pos­ten auf­ge­stellt so­wie den let­ti­schen Ar­beit­neh­mern und Fahr­zeu­gen der Zu­gang zur Bau­stel­le ver­wehrt wur­de. La­val er­such­te um den Bei­stand der Po­li­zei, die das Un­ter­neh­men wis­sen ließ, dass die kol­lek­ti­ve Maßnah­me nach na­tio­na­lem Recht zulässig und es der Po­li­zei da­her nicht ge­stat­tet sei, ein­zu­grei­fen oder die ma­te­ri­el­len Hin­der­nis­se für den Zu­gang zur Bau­stel­le zu be­sei­ti­gen.

35

En­de No­vem­ber 2004 wand­te sich La­val an das in Rand­nr. 9 des vor­lie­gen­den Ur­teils ge­nann­te Ver­bin­dungsbüro, um Auskünf­te über die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen, die das Un­ter­neh­men in Schwe­den an­wen­den müsse, die Fra­ge, ob es ei­nen Min­dest­lohn ge­be, und die Art der Ab­ga­ben ein­zu­ho­len, die das Un­ter­neh­men ent­rich­ten müsse. Mit Schrei­ben vom 2. De­zem­ber 2004 teil­te der Di­rek­tor der Rechts­ab­tei­lung die­ser Ein­rich­tung dem Un­ter­neh­men mit, dass es ge­hal­ten sei, die Be­stim­mun­gen ein­zu­hal­ten, auf die das Ar­beit­neh­mer­ent­sen­de­ge­setz ver­wei­se, dass es Sa­che der So­zi­al­part­ner sei, sich über Lohn­fra­gen zu ei­ni­gen, dass in den Ta­rif­verträgen vor­ge­se­he­ne Min­dest­be­din­gun­gen auch für ent­sand­te ausländi­sche Ar­beit­neh­mer gälten und dass dann, wenn ein ausländi­scher Ar­beit­neh­mer sich ei­ner dop­pel­ten Ab­ga­ben­last ge­genüber­se­he, die An­ge­le­gen­heit ge­richt­lich geklärt wer­den könne. La­val müsse sich, um von den gel­ten­den Be­stim­mun­gen der Ta­rif­verträge Kennt­nis zu er­lan­gen, an die So­zi­al­part­ner der be­tref­fen­den Bran­che wen­den.

36

Anläss­lich ei­nes am 1. De­zem­ber 2004 durch­geführ­ten Sch­lich­tungs­ter­mins und der Güte­ver­hand­lung, die am 20. De­zem­ber 2004 vor dem Ar­bets­dom­stol statt­fand, wur­de La­val von Byg­get­t­an zum Bei­tritt zum Bau­ta­rif­ver­trag vor Erörte­rung der Lohn­fra­ge auf­ge­for­dert. Hätte La­val die­sen Vor­schlag an­ge­nom­men, wäre die kol­lek­ti­ve Maßnah­me um­ge­hend be­en­det wor­den und an ih­re Stel­le wäre die ar­beits­kampf­freie Zeit ge­tre­ten, die es er­laubt hätte, über die Löhne zu ver­han­deln. La­val wei­ger­te sich al­ler­dings, dem Bau­ta­rif­ver­trag bei­zu­tre­ten, da es ihr nicht möglich war, im Vor­aus Kennt­nis über die dann für das Un­ter­neh­men gel­ten­den Lohn­ver­pflich­tun­gen zu er­hal­ten.

37

Im De­zem­ber 2004 in­ten­si­vier­ten sich die ge­gen La­val ge­rich­te­ten kol­lek­ti­ven Maßnah­men. Elek­tri­ker­na lei­te­te am 3. De­zem­ber 2004 ei­ne So­li­da­ritäts­maßnah­me ein. Die­se Maßnah­me hat­te zur Fol­ge, die schwe­di­schen Un­ter­neh­men, die der Ar­beit­ge­ber­or­ga­ni­sa­ti­on der Elek­tro­in­stal­la­teu­re an­gehörten, dar­an zu hin­dern, an La­val Dienst­leis­tun­gen zu er­brin­gen. An Weih­nach­ten reis­ten die von La­val ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer nach Lett­land zurück und kehr­ten nicht mehr auf die be­tref­fen­de Bau­stel­le zurück.

38

Im Ja­nu­ar 2005 kündig­ten wei­te­re ge­werk­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­tio­nen So­li­da­ritäts­maßnah­men an, die in ei­nem Boy­kott sämt­li­cher Bau­stel­len be­stan­den, auf de­nen La­val in Schwe­den tätig war, so dass die­ses Un­ter­neh­men nicht mehr in der La­ge war, sei­ner Tätig­keit in die­sem Mit­glied­staat nach­zu­ge­hen. Im Fe­bru­ar 2005 erklärte die Stadt Vax­holm ih­ren Rück­tritt von dem Ver­trag mit Bal­tic, die am 24. März 2005 für in­sol­vent erklärt wur­de.

Die Vor­la­ge­fra­gen

39

Am 7. De­zem­ber 2004 er­hob La­val beim Ar­bets­dom­stol Kla­ge ge­gen Bygg­nads, Byg­get­t­an und Elek­tri­ker­na mit dem An­trag, die Blo­cka­de und die So­li­da­ritäts­maßnah­me ge­gen sämt­li­che Bau­stel­len von La­val für rechts­wid­rig zu erklären und ih­re Be­en­di­gung an­zu­ord­nen. La­val be­an­trag­te außer­dem, die­se ge­werk­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­tio­nen zum Er­satz des ihr ent­stan­de­nen Scha­dens zu ver­ur­tei­len. Mit Ent­schei­dung vom 22. De­zem­ber 2004 wies das vor­le­gen­de Ge­richt den im Ver­fah­ren des vorläufi­gen Rechts­schut­zes ge­stell­ten An­trag von La­val zurück, die Be­en­di­gung die­ser kol­lek­ti­ven Maßnah­men an­zu­ord­nen.

40

Da der Ar­bets­dom­stol sich darüber im Un­kla­ren ist, ob es den Art. 12 EG und 49 EG so­wie der Richt­li­nie 96/71 zu­wi­derläuft, dass ge­werk­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­tio­nen über ei­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me ver­su­chen, ein ausländi­sches Un­ter­neh­men, das Ar­beit­neh­mer nach Schwe­den ent­sen­det, zur An­wen­dung ei­nes schwe­di­schen Ta­rif­ver­trags zu zwin­gen, hat es am 29. April 2005 be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und den Ge­richts­hof mit ei­nem Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen zu be­fas­sen. Mit sei­ner Vor­la­ge­ent­schei­dung vom 15. Sep­tem­ber 2005 hat das vor­le­gen­de Ge­richt fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt:

1. Ist es mit den Vor­schrif­ten des EG-Ver­trags über die Dienst­leis­tungs­frei­heit und mit dem Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung aus Gründen der Staats­an­gehörig­keit so­wie mit der Richt­li­nie 96/71 ver­ein­bar, dass ge­werk­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­tio­nen durch kol­lek­ti­ve Maßnah­men in Form ei­ner Blo­cka­de ver­su­chen, ei­nen ausländi­schen Dienst­leis­ter da­zu zu brin­gen, ei­nen Ta­rif­ver­trag im Gast­land über Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen – wie den Bau­ta­rif­ver­trag – zu un­ter­zeich­nen, wenn nach der La­ge im Gast­land die Rechts­vor­schrif­ten, die die Um­set­zung der ge­nann­ten Richt­li­nie zum Ziel ha­ben, kei­ne aus­drück­li­chen Be­stim­mun­gen über die An­wen­dung von Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen in ei­nem Ta­rif­ver­trag ent­hal­ten?

2. Nach dem schwe­di­schen MBL sind kol­lek­ti­ve Maßnah­men der Ge­werk­schaft mit dem Ziel der Ver­drängung ei­nes zwi­schen an­de­ren Part­nern ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­trags ver­bo­ten. Die­ses Ver­bot gilt je­doch gemäß ei­ner be­son­de­ren Vor­schrift, die in der so­ge­nann­ten Lex Bri­tan­nia ent­hal­ten ist, nur dann, wenn ei­ne ge­werk­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on Maßnah­men im Hin­blick auf Ar­beits­verhält­nis­se durchführt, auf die das MBL un­mit­tel­bar an­wend­bar ist, was in der Pra­xis be­deu­tet, dass das Ver­bot nicht für kol­lek­ti­ve Maßnah­men ge­gen ausländi­sche Un­ter­neh­men gilt, die vorüber­ge­hend im In­land tätig sind und ih­re ei­ge­nen Ar­beit­neh­mer mit­brin­gen. Ste­hen die Vor­schrif­ten des EG‑Ver­trags über die Dienst­leis­tungs­frei­heit und das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung aus Gründen der Staats­an­gehörig­keit so­wie die Richt­li­nie 96/71 der An­wen­dung der letzt­ge­nann­ten Re­gel – die zu­sam­men mit den übri­gen Tei­len der Lex Bri­tan­nia in der Pra­xis auch be­deu­tet, dass schwe­di­sche Ta­rif­verträge Gel­tung er­lan­gen und be­reits ge­schlos­se­nen ausländi­schen Ta­rif­verträgen vor­ge­hen – auf kol­lek­ti­ve Maßnah­men in Form ei­ner Blo­cka­de ent­ge­gen, die von schwe­di­schen ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen ge­gen ei­nen ausländi­schen Dienst­leis­ter durch­geführt wer­den?

41

Mit Be­schluss des Präsi­den­ten des Ge­richts­hofs vom 15. No­vem­ber 2005 ist der An­trag des vor­le­gen­den Ge­richts vom 15. Sep­tem­ber 2005 zurück­ge­wie­sen wor­den, die vor­lie­gen­de Rechts­sa­che dem in Art. 104a Abs. 1 der Ver­fah­rens­ord­nung vor­ge­se­he­nen be­schleu­nig­ten Ver­fah­ren zu un­ter­wer­fen.

Zur Zulässig­keit

42

Bygg­nads, Byg­get­t­an und Elek­tri­ker­na stel­len die Zulässig­keit des Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens in Fra­ge.

43

Ers­tens ma­chen sie gel­tend, dass es an ei­ner Ver­bin­dung zwi­schen den Vor­la­ge­fra­gen und dem Sach­ver­halt des Aus­gangs­ver­fah­rens feh­le. Denn das vor­le­gen­de Ge­richt er­su­che den Ge­richts­hof um Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen über den frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehr und der Richt­li­nie 96/71, während La­val in Schwe­den gemäß Art. 43 EG über Bal­tic, ih­re Toch­ter­ge­sell­schaft, nie­der­ge­las­sen sei, an der sie bis En­de 2003 zu 100 % be­tei­ligt ge­we­sen sei. Da das Ge­sell­schafts­ka­pi­tal von La­val und das von Bal­tic von den­sel­ben Per­so­nen ge­hal­ten wer­de, die­se Ge­sell­schaf­ten von den­sel­ben Per­so­nen ver­tre­ten würden und die­sel­be Mar­ke ver­wen­de­ten, sei­en sie aus der Sicht des Ge­mein­schafts­rechts als ein und die­sel­be wirt­schaft­li­che Ein­heit an­zu­se­hen, ob­wohl es sich um zwei ver­schie­de­ne ju­ris­ti­sche Per­so­nen han­de­le. La­val sei so­mit ver­pflich­tet, ih­rer Tätig­keit in Schwe­den un­ter den Be­din­gun­gen nach­zu­ge­hen, wie sie die Rechts­vor­schrif­ten die­ses Mit­glied­staats für des­sen ei­ge­ne An­gehöri­ge im Sin­ne von Art. 43 Abs. 2 EG vorsähen.

44

Zwei­tens tra­gen sie vor, dass La­val mit dem Aus­gangs­rechts­streit den schwe­di­schen Rechts­vor­schrif­ten ent­ge­hen wol­le und dass die­ser aus die­sem Grund zu­min­dest teil­wei­se kon­stru­iert er­schei­ne. La­val, de­ren Tätig­keit dar­in be­ste­he, aus Lett­land stam­men­des Per­so­nal vorüber­ge­hend an Ge­sell­schaf­ten ab­zu­stel­len, die auf dem schwe­di­schen Markt tätig sei­en, ver­su­che, sämt­li­chen Ver­pflich­tun­gen, die sich aus den schwe­di­schen Rechts­vor­schrif­ten und Re­gel­wer­ken über Ta­rif­verträge ergäben, zu ent­ge­hen, und sei in un­zulässi­ger Wei­se bemüht, vom Ge­mein­schafts­recht eröff­ne­te Möglich­kei­ten für sich in An­spruch zu neh­men, in­dem sie sich auf die Dienst­leis­tungs­be­stim­mun­gen des Ver­trags so­wie die Richt­li­nie 96/71 be­ru­fe.

45

In­so­weit ist dar­an zu er­in­nern, dass in ei­nem Ver­fah­ren nach Art. 234 EG, der auf ei­ner kla­ren Auf­ga­ben­tren­nung zwi­schen den na­tio­na­len Ge­rich­ten und dem Ge­richts­hof be­ruht, das na­tio­na­le Ge­richt für die Würdi­gung des Sach­ver­halts der Rechts­sa­che zuständig ist. Auch ist es al­lein Sa­che des mit dem Rechts­streit be­fass­ten na­tio­na­len Ge­richts, in des­sen Ver­ant­wor­tungs­be­reich die zu er­las­sen­de ge­richt­li­che Ent­schei­dung fällt, im Hin­blick auf die Be­son­der­hei­ten der Rechts­sa­che so­wohl die Er­for­der­lich­keit ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung für den Er­lass sei­nes Ur­teils als auch die Er­heb­lich­keit der dem Ge­richts­hof von ihm vor­ge­leg­ten Fra­gen zu be­ur­tei­len. Folg­lich ist der Ge­richts­hof grundsätz­lich ge­hal­ten, über ihm vor­ge­leg­te Fra­gen zu be­fin­den, wenn die­se die Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts be­tref­fen (vgl. ins­be­son­de­re Ur­tei­le vom 25. Fe­bru­ar 2003, IKA, C‑326/00, Slg. 2003, I‑1703, Rand­nr. 27, vom 12. April 2005, Kel­ler, C‑145/03, Slg. 2005, I‑2529, Rand­nr. 33, und vom 22. Ju­ni 2006, Con­seil général de la Vi­en­ne, C‑419/04, Slg. 2006, I‑5645, Rand­nr. 19).

46

Der Ge­richts­hof hat al­ler­dings auch ent­schie­den, dass es ihm aus­nahms­wei­se ob­liegt, zur Prüfung sei­ner ei­ge­nen Zuständig­keit die Umstände zu un­ter­su­chen, un­ter de­nen er vom na­tio­na­len Ge­richt an­ge­ru­fen wird (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 16. De­zem­ber 1981, Fo­glia, 244/80, Slg. 1981, 3045, Rand­nr. 21). Der Ge­richts­hof kann die Ent­schei­dung über ei­ne Vor­la­ge­fra­ge ei­nes na­tio­na­len Ge­richts nur ab­leh­nen, wenn die er­be­te­ne Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts of­fen­sicht­lich in kei­nem Zu­sam­men­hang mit der Rea­lität oder dem Ge­gen­stand des Aus­gangs­ver­fah­rens steht, wenn das Pro­blem hy­po­the­ti­scher Na­tur ist oder wenn er nicht über die tatsächli­chen oder recht­li­chen An­ga­ben verfügt, die für ei­ne sach­dien­li­che Be­ant­wor­tung der ihm vor­ge­leg­ten Fra­gen er­for­der­lich sind (vgl. ins­be­son­de­re Ur­tei­le vom 13. März 2001, Preus­sen­Elek­tra, C‑379/98, Slg. 2001, I‑2099, Rand­nr. 39, vom 22. Ja­nu­ar 2002, Ca­nal Satéli­te Di­gi­tal, C‑390/99, Slg. 2002, I‑607, Rand­nr. 19, und Con­seil général de la Vi­en­ne, Rand­nr. 20).

47

Fer­ner ist dar­an zu er­in­nern, dass der Ge­richts­hof im Rah­men der Ver­tei­lung der Zuständig­kei­ten zwi­schen den Ge­mein­schafts­ge­rich­ten und den na­tio­na­len Ge­rich­ten den in der Vor­la­ge­ent­schei­dung de­fi­nier­ten tatsächli­chen und recht­li­chen Kon­text, in dem sich die Vor­ab­ent­schei­dungs­fra­gen stel­len, zu berück­sich­ti­gen hat (vgl. ins­be­son­de­re Ur­tei­le vom 25. Ok­to­ber 2001, Am­bu­lanz Glöck­ner, C‑475/99, Slg. 2001, I‑8089, Rand­nr. 10, vom 2. Ju­ni 2005, Dörr und Ünal, C‑136/03, Slg. 2005, I‑4759, Rand­nr. 46, und Con­seil général de la Vi­en­ne, Rand­nr. 24).

48

Im vor­lie­gen­den Fall er­sucht das vor­le­gen­de Ge­richt, wie der Ge­ne­ral­an­walt in Nr. 97 sei­ner Schluss­anträge fest­ge­stellt hat, mit sei­nen Fra­gen um die Aus­le­gung der Art. 12 EG und 49 EG so­wie der Be­stim­mun­gen der Richt­li­nie 96/71 über die Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern im Rah­men der Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen. Aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung geht her­vor, dass sich die­se Fra­gen im Rah­men ei­nes Rechts­streits stel­len, in dem sich La­val auf der ei­nen und Bygg­nads, Byg­get­t­an und Elek­tri­ker­na auf der an­de­ren Sei­te we­gen der kol­lek­ti­ven Maßnah­men ge­genüber­ste­hen, die Letz­te­re ein­ge­lei­tet ha­ben, nach­dem La­val sich ge­wei­gert hat­te, dem Bau­ta­rif­ver­trag bei­zu­tre­ten, dass die­ser Rechts­streit über die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen geführt wird, die für let­ti­sche Ar­beit­neh­mer gel­ten, die La­val auf ei­ne in Schwe­den ge­le­ge­ne Bau­stel­le, die ein zum La­val‑Kon­zern gehören­des Un­ter­neh­men be­trieb, ent­sandt hat­te, und dass die ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer in­fol­ge der kol­lek­ti­ven Maßnah­men und der Un­ter­bre­chung der Ar­bei­ten nach Lett­land zurück­ge­kehrt sind.

49

Da­her ste­hen die Vor­la­ge­fra­gen of­fen­kun­dig mit dem Ge­gen­stand des Aus­gangs­rechts­streits, wie er vom vor­le­gen­den Ge­richt de­fi­niert wor­den ist, in Zu­sam­men­hang, so dass der tatsächli­che Kon­text, in dem sich die­se Fra­gen stel­len, nicht den Schluss er­laubt, dass die­ser Rechts­streit kon­stru­iert ist.

50

Dar­aus folgt, dass das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen zulässig ist.

Zur ers­ten Vor­la­ge­fra­ge

51

Mit sei­ner ers­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob es mit den Vor­schrif­ten des EG-Ver­trags über die Dienst­leis­tungs­frei­heit und mit dem Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung aus Gründen der Staats­an­gehörig­keit so­wie mit der Richt­li­nie 96/71 ver­ein­bar ist, dass ge­werk­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­tio­nen durch ei­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me in Form ei­ner Blo­cka­de ver­su­chen, ei­nen ausländi­schen Dienst­leis­ter da­zu zu zwin­gen, ei­nem Ta­rif­ver­trag im Auf­nahm­e­mit­glied­staat über Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen wie dem Bau­ta­rif­ver­trag bei­zu­tre­ten, wenn für die La­ge in dem ge­nann­ten Mit­glied­staat kenn­zeich­nend ist, dass die Rechts­vor­schrif­ten, mit de­nen die ge­nann­te Richt­li­nie um­ge­setzt wird, kei­ne aus­drück­li­che Be­stim­mung über die An­wen­dung von Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen in Ta­rif­verträgen ent­hal­ten.

52

Aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung geht her­vor, dass die von Bygg­nads und Byg­get­t­an be­trie­be­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me auf der Wei­ge­rung von La­val be­ruht, zum ei­nen ih­ren nach Schwe­den ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern, ob­gleich die­ser Mit­glied­staat kei­nen Min­dest­lohn­satz vor­schreibt, den von den ge­nann­ten ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen ge­for­der­ten St­un­den­lohn zu ga­ran­tie­ren, und zum an­de­ren dem Bau­ta­rif­ver­trag bei­zu­tre­ten, in dem Klau­seln für be­stimm­te in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g der Richt­li­nie 96/71 ge­nann­te As­pek­te güns­ti­ge­re Be­din­gun­gen als die­je­ni­gen fest­le­gen, die sich aus den ein­schlägi­gen Rechts­vor­schrif­ten er­ge­ben, während an­de­re Klau­seln sich auf in dem ge­nann­ten Ar­ti­kel nicht an­ge­spro­che­ne As­pek­te be­zie­hen.

53

Da­her ist die ers­te Fra­ge so zu ver­ste­hen, dass das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen möch­te, ob die Art. 12 EG und 49 EG so­wie die Richt­li­nie 96/71 da­hin aus­zu­le­gen sind, dass sie dem ent­ge­gen­ste­hen, dass in ei­nem Mit­glied­staat, in dem die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen für die in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g die­ser Richt­li­nie ge­nann­ten As­pek­te mit Aus­nah­me der Min­dest­lohnsätze in Rechts­vor­schrif­ten ge­re­gelt sind, ei­ne ge­werk­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on ver­su­chen kann, durch ei­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me in Form ei­ner Bau­stel­len­blo­cka­de wie der des Aus­gangs­ver­fah­rens ei­nen ausländi­schen Dienst­leis­ter mit Nie­der­las­sung in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat da­zu zu zwin­gen, mit ihr über die den ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern zu zah­len­den Lohnsätze zu ver­han­deln und ei­nem Ta­rif­ver­trag bei­zu­tre­ten, der Klau­seln enthält, die für be­stimm­te die­ser As­pek­te güns­ti­ge­re Be­din­gun­gen als die­je­ni­gen fest­le­gen, die sich aus den ein­schlägi­gen Rechts­vor­schrif­ten er­ge­ben, während an­de­re Klau­seln sich auf in Art. 3 der ge­nann­ten Richt­li­nie nicht an­ge­spro­che­ne As­pek­te be­zie­hen.

An­wend­ba­re Ge­mein­schafts­be­stim­mun­gen

54

Um die Be­stim­mun­gen des Ge­mein­schafts­rechts zu er­mit­teln, die auf ei­ne Rechts­sa­che wie das Aus­gangs­ver­fah­ren an­wend­bar sind, ist dar­an zu er­in­nern, dass nach ständi­ger Recht­spre­chung Art. 12 EG, in dem das all­ge­mei­ne Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung aus Gründen der Staats­an­gehörig­keit ver­an­kert ist, au­to­nom nur in durch das Ge­mein­schafts­recht ge­re­gel­ten Fällen an­ge­wandt wer­den kann, für die der Ver­trag kein be­son­de­res Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot vor­sieht (vgl. Ur­tei­le vom 26. No­vem­ber 2002, Otei­za Olaz­a­bal, C‑100/01, Slg. 2002, I‑10981, Rand­nr. 25, und vom 29. April 2004, Wei­gel, C‑387/01, Slg. 2004, I‑4981, Rand­nr. 57).

55

In Be­zug auf den frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehr ist die­ser Grund­satz durch Art. 49 EG ver­wirk­licht und kon­kre­ti­siert wor­den (Ur­tei­le vom 16. Sep­tem­ber 1999, Be­cu u. a., C‑22/98, Slg. 1999, I‑5665, Rand­nr. 32, und vom 28. Ok­to­ber 1999, Ves­ter­gaard, C‑55/98, Slg. 1999, I‑7641, Rand­nr. 17). Der Ge­richts­hof ist da­her nicht ver­an­lasst, sich zu Art. 12 EG zu äußern.

56

Hin­sicht­lich der vorüber­ge­hen­den Über­stel­lung von Ar­beit­neh­mern in ei­nen an­de­ren Mit­glied­staat zur Durchführung von Bau­ar­bei­ten im Hoch- und Tief­bau im Rah­men ei­ner Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen durch ih­ren Ar­beit­ge­ber er­gibt sich aus der Recht­spre­chung, dass die Art. 49 EG und 50 EG ei­nen Mit­glied­staat dar­an hin­dern, ei­nem in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässi­gen Er­brin­ger von Dienst­leis­tun­gen zu ver­bie­ten, sich mit sei­nem ge­sam­ten Per­so­nal frei im Ge­biet des erst­ge­nann­ten Staa­tes zu be­we­gen, oder die Über­stel­lung des be­trof­fe­nen Per­so­nals von re­strik­ti­ve­ren Be­din­gun­gen abhängig zu ma­chen. Durch die Auf­er­le­gung sol­cher Be­din­gun­gen wird nämlich der Leis­tungs­er­brin­ger aus ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ge­genüber sei­nen im Auf­nah­me­staat ansässi­gen Kon­kur­ren­ten, die sich ih­res ei­ge­nen Per­so­nals un­ge­hin­dert be­die­nen können, dis­kri­mi­niert und über­dies sei­ne Fähig­keit, die Leis­tung zu er­brin­gen, be­ein­träch­tigt (Ur­teil vom 27. März 1990, Rush Por­tu­gue­sa, C‑113/89, Slg. 1990, I‑1417, Rand­nr. 12).

57

Dem­ge­genüber ver­wehrt es das Ge­mein­schafts­recht den Mit­glied­staa­ten nicht, ih­re Rechts­vor­schrif­ten oder die von den So­zi­al­part­nern ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge hin­sicht­lich der Min­destlöhne auf je­der­mann zu er­stre­cken, der ei­ner nicht­selbständi­gen Ar­beit, sei es auch nur vorüber­ge­hend, in ih­rem Ho­heits­ge­biet nach­geht, un­abhängig da­von, in wel­chem Staat der Ar­beit­ge­ber sei­ne Nie­der­las­sung hat (vgl. u. a. Ur­tei­le vom 3. Fe­bru­ar 1982, Se­co und Des­quen­ne & Gi­ral, 62/81 und 63/81, Slg. 1982, 223, Rand­nr. 14, und vom 24. Ja­nu­ar 2002, Por­tu­gaia Con­struções, C‑164/99, Slg. 2002, I‑787, Rand­nr. 21). Die An­wen­dung der­ar­ti­ger Vor­schrif­ten muss al­ler­dings ge­eig­net sein, die Er­rei­chung des mit ih­nen ver­folg­ten Ziels zu gewähr­leis­ten, nämlich den Schutz der ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer, und darf nicht über das hin­aus­ge­hen, was zur Er­rei­chung die­ses Ziels er­for­der­lich ist (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le vom 23. No­vem­ber 1999, Ar­b­lade u. a., C‑369/96 und C‑376/96, Slg. 1999, I‑8453, Rand­nr. 35, und vom 14. April 2005, Kom­mis­si­on/Deutsch­land, C‑341/02, Slg. 2005, I‑2733, Rand­nr. 24).

58

In die­sem Zu­sam­men­hang hat der Ge­mein­schafts­ge­setz­ge­ber die Richt­li­nie 96/71 er­las­sen, um, wie aus dem sechs­ten Erwägungs­grund her­vor­geht, im In­ter­es­se der Ar­beit­ge­ber und ih­res Per­so­nals die für das Ar­beits­verhält­nis gel­ten­den Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen fest­zu­le­gen, wenn ein in ei­nem Mit­glied­staat ansässi­ges Un­ter­neh­men im Rah­men der Er­brin­gung ei­ner Dienst­leis­tung vorüber­ge­hend Ar­beit­neh­mer in das Ge­biet ei­nes an­de­ren Mit­glied­staats ent­sen­det.

59

Aus dem 13. Erwägungs­grund der Richt­li­nie 96/71 geht her­vor, dass die Ge­set­ze der Mit­glied­staa­ten ko­or­di­niert wer­den müssen, um ei­nen Kern zwin­gen­der Be­stim­mun­gen über ein Min­dest­maß an Schutz fest­zu­le­gen, das im Auf­nah­me­staat von Ar­beit­ge­bern zu gewähr­leis­ten ist, die Ar­beit­neh­mer dort­hin ent­sen­den.

60

Die Richt­li­nie 96/71 har­mo­ni­siert je­doch nicht den ma­te­ri­ell-recht­li­chen In­halt die­ser zwin­gen­der Be­stim­mun­gen über ein Min­dest­maß an Schutz. Die­ser In­halt kann da­her von den Mit­glied­staa­ten un­ter Be­ach­tung des Ver­trags und der all­ge­mei­nen Grundsätze des Ge­mein­schafts­rechts frei be­stimmt wer­den (Ur­teil vom 18. Ju­li 2007, Kom­mis­si­on/Deutsch­land, C‑490/04, Slg. 2007, I‑0000, Rand­nr. 19).

61

Da sich der Sach­ver­halt des Aus­gangs­ver­fah­rens nach der Dar­stel­lung in der Vor­la­ge­ent­schei­dung im Jahr 2004 er­eig­ne­te, mit­hin zu ei­nem Zeit­punkt nach Ab­lauf der den Mit­glied­staa­ten für die Um­set­zung der Richt­li­nie 96/71 ge­setz­ten Frist, die am 16. De­zem­ber 1999 en­de­te, und da die­ser Sach­ver­halt in den An­wen­dungs­be­reich die­ser Richt­li­nie fällt, ist folg­lich die ers­te Fra­ge im Hin­blick auf die Be­stim­mun­gen der ge­nann­ten Richt­li­nie, aus­ge­legt im Licht von Art. 49 EG, zu prüfen und ge­ge­be­nen­falls an­hand von Art. 49 EG selbst (Ur­teil vom 12. Ok­to­ber 2004, Wolff & Müller, C‑60/03, Slg. 2004, I‑9553, Rand­nrn. 25 bis 27 und 45).

Die den Mit­glied­staa­ten zur Be­stim­mung der für ent­sand­te Ar­beit­neh­mer gel­ten­den Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Min­dest­lohnsätze, zu Ge­bo­te ste­hen­den Möglich­kei­ten

62

Im Rah­men des Ver­fah­rens der Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen den na­tio­na­len Ge­rich­ten und dem Ge­richts­hof, das mit Art. 234 EG ge­schaf­fen wur­de, um dem na­tio­na­len Ge­richt ei­ne sach­ge­rech­te Ant­wort zu ge­ben, die es ihm ermöglicht, den bei ihm anhängi­gen Rechts­streit zu ent­schei­den (vgl. Ur­tei­le vom 17. Ju­li 1997, Krüger, C‑334/95, Slg. 1997, I‑4517, Rand­nr. 22, vom 28. No­vem­ber 2000, Ro­quet­te Frères, C‑88/99, Slg. 2000, I‑10465, Rand­nr. 18, und vom 15. Ju­ni 2006, Air Li­qui­de In­dus­tries Bel­gi­um, C‑393/04 und C‑41/05, Slg. 2006, I‑5293, Rand­nr. 23), sind die Möglich­kei­ten zu prüfen, die den Mit­glied­staa­ten zur Be­stim­mung der Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen hin­sicht­lich der in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g der Richt­li­nie 96/71 ge­nann­ten As­pek­te, ein­sch­ließlich der Min­dest­lohnsätze, die die Un­ter­neh­men den Ar­beit­neh­mern, die sie im Rah­men ei­ner länderüberg­rei­fen­den Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen ent­sen­den, ga­ran­tie­ren müssen, zu Ge­bo­te ste­hen.

63

Aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung und den im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren ein­ge­reich­ten Erklärun­gen geht nämlich her­vor, dass zum ei­nen in Be­zug auf die Be­stim­mung der Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen für die ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer in den ge­nann­ten Be­rei­chen le­dig­lich die Min­dest­lohnsätze in Schwe­den nicht nach ei­nem in der Richt­li­nie 96/71 vor­ge­se­he­nen Mo­dus fest­ge­setzt wer­den und dass zum an­de­ren dem Aus­gangs­rechts­streit die La­val auf­er­leg­te Ver­pflich­tung, mit den ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen zu ver­han­deln, um Kennt­nis von den ih­ren Ar­beit­neh­mern zu zah­len­den Löhnen zu er­lan­gen, und die Ver­pflich­tung zum Bei­tritt zum Bau­ta­rif­ver­trag zu­grun­de lie­gen.

64

Nach Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 ers­ter und zwei­ter Ge­dan­ken­strich der Richt­li­nie 96/71 wer­den die in Buchst. a bis g die­ser Vor­schrift ge­nann­ten As­pek­te der Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen für länderüberg­rei­fen­de Dienst­leis­tun­gen im Bau­ge­wer­be durch Rechts- oder Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten oder durch für all­ge­mein ver­bind­lich erklärte Ta­rif­verträge oder Schiedssprüche fest­ge­legt. Ta­rif­verträge und Schiedssprüche im Sin­ne die­ser Vor­schrift sind sol­che, die von al­len in de­ren ter­ri­to­ria­len Gel­tungs­be­reich fal­len­den und die be­tref­fen­de Tätig­keit oder das be­tref­fen­de Ge­wer­be ausüben­den Un­ter­neh­men ein­zu­hal­ten sind.

65

Art. 3 Abs. 8 Un­terabs. 2 der Richt­li­nie 96/71 eröff­net außer­dem den Mit­glied­staa­ten, wenn es kein Sys­tem zur All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung von Ta­rif­verträgen oder Schiedssprüchen gibt, die Möglich­keit, die­je­ni­gen Ta­rif­verträge oder Schiedssprüche, die für al­le die be­tref­fen­de Tätig­keit ausüben­den gleich­ar­ti­gen Un­ter­neh­men all­ge­mein wirk­sam sind, oder die­je­ni­gen Ta­rif­verträge zu­grun­de zu le­gen, die von den auf na­tio­na­ler Ebe­ne re­präsen­ta­tivs­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ge­schlos­sen wer­den und in­ner­halb des ge­sam­ten na­tio­na­len Ho­heits­ge­biets zur An­wen­dung kom­men.

66

Aus dem Wort­laut die­ser Vor­schrift geht her­vor, dass zum ei­nen der Rück­griff auf die­se letzt­ge­nann­te Möglich­keit ei­ne ent­spre­chen­de Ent­schei­dung des Mit­glied­staats er­for­dert und dass zum an­de­ren die An­wen­dung der Ta­rif­verträge auf die Ar­beit­neh­mer ent­sen­den­den Un­ter­neh­men die­sen in Be­zug auf die in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g der Richt­li­nie 96/71 auf­geführ­ten As­pek­te ei­ne Gleich­be­hand­lung ge­genüber den die be­tref­fen­de Tätig­keit oder das be­tref­fen­de Ge­wer­be ausüben­den inländi­schen Un­ter­neh­men, die sich in ei­ner ver­gleich­ba­ren La­ge be­fin­den, gewähr­leis­tet. Gleich­be­hand­lung im Sin­ne von Art. 3 Abs. 8 der Richt­li­nie liegt vor, wenn für die inländi­schen Un­ter­neh­men hin­sicht­lich der ge­nann­ten As­pek­te die­sel­ben An­for­de­run­gen gel­ten wie für die Ent­sen­de­un­ter­neh­men und die­se An­for­de­run­gen ih­nen ge­genüber mit den­sel­ben Wir­kun­gen durch­ge­setzt wer­den können.

67

Es steht fest, dass in Schwe­den mit Aus­nah­me der Min­dest­lohnsätze die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen in Be­zug auf die in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g der Richt­li­nie 96/71 auf­geführ­ten As­pek­te durch Rechts­vor­schrif­ten fest­ge­legt wor­den sind. Außer­dem steht fest, dass Ta­rif­verträge nicht für all­ge­mein ver­bind­lich erklärt wer­den und dass die­ser Mit­glied­staat von der in Art. 3 Abs. 8 Un­terabs. 2 die­ser Richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Möglich­keit kei­nen Ge­brauch ge­macht hat.

68

Hier­zu ist fest­zu­stel­len, dass die Mit­glied­staa­ten, da die Richt­li­nie 96/71 nicht dar­auf ab­zielt, die Sys­te­me zur Fest­set­zung der Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen in den Mit­glied­staa­ten zu har­mo­ni­sie­ren, ih­re Frei­heit be­hal­ten, auf na­tio­na­ler Ebe­ne ein Sys­tem zu wählen, das die ge­nann­te Richt­li­nie nicht aus­drück­lich vor­sieht, vor­aus­ge­setzt, es be­hin­dert nicht den frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehr zwi­schen den Mit­glied­staa­ten.

69

Aus den Ak­ten geht her­vor, dass in Schwe­den die staat­li­chen Stel­len es den So­zi­al­part­nern über­las­sen ha­ben, die Lohnsätze, die die inländi­schen Un­ter­neh­men ih­ren Ar­beit­neh­mern zah­len müssen, im We­ge von Ta­rif­ver­hand­lun­gen fest­zu­le­gen, und dass ein der­ar­ti­ges Sys­tem für die Un­ter­neh­men der Bau­bran­che be­deu­tet, dass von Fall zu Fall am Ar­beits­ort un­ter Berück­sich­ti­gung der Qua­li­fi­ka­ti­on und der Auf­ga­ben der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer ver­han­delt wird.

70

Hin­sicht­lich der Lohn­ver­pflich­tun­gen, die in an­de­ren Mit­glied­staa­ten ansässi­gen Dienst­leis­tern auf­er­legt wer­den können, ist dar­an zu er­in­nern, dass sich Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. c der Richt­li­nie 96/71 nur auf Min­dest­lohnsätze be­zieht. Da­her kann die­se Be­stim­mung nicht her­an­ge­zo­gen wer­den, um ei­ne Ver­pflich­tung die­ser Dienst­leis­ter zu recht­fer­ti­gen, Lohnsätze wie die­je­ni­gen, die die im Aus­gangs­ver­fah­ren be­klag­ten ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen im Rah­men des schwe­di­schen Sys­tems auf­er­le­gen wol­len, zu be­ach­ten, die kei­ne Min­destlöhne sind und über­dies nicht nach den hierfür in Art. 3 Abs. 1 und 8 der Richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Mo­da­litäten fest­ge­legt wer­den.

71

Als Zwi­schen­er­geb­nis ist so­mit fest­zu­stel­len, dass ein Mit­glied­staat, in dem Min­dest­lohnsätze nicht auf ei­ne in Art. 3 Abs. 1 und 8 der Richt­li­nie 96/71 vor­ge­se­he­ne Wei­se be­stimmt wer­den, nicht be­rech­tigt ist, nach die­ser Richt­li­nie den in an­de­ren Mit­glied­staa­ten ansässi­gen Un­ter­neh­men im Rah­men ei­ner länderüberg­rei­fen­den Dienst­leis­tungs­er­brin­gung ab­zu­ver­lan­gen, von Fall zu Fall am Ar­beits­ort un­ter Berück­sich­ti­gung der Qua­li­fi­ka­ti­on und der Auf­ga­ben der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer Ver­hand­lun­gen zu führen, da­mit die­se Un­ter­neh­men Kennt­nis von den Löhnen er­hal­ten, die sie an ih­re ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer wer­den zah­len müssen.

72

Im vor­lie­gen­den Ur­teil sind des Wei­te­ren die Ver­pflich­tun­gen zu prüfen, die sich nach Art. 49 EG für die in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässi­gen Un­ter­neh­men aus ei­nem der­ar­ti­gen Sys­tem zur Fest­le­gung der Löhne er­ge­ben.

Die Be­rei­che, auf die sich die für ent­sand­te Ar­beit­neh­mer gel­ten­den Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen er­stre­cken können

73

Um si­cher­zu­stel­len, dass ein Kern zwin­gen­der Be­stim­mun­gen über ein Min­dest­maß an Schutz be­ach­tet wird, sieht Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 der Richt­li­nie 96/71 vor, dass die Mit­glied­staa­ten dafür sor­gen, dass un­abhängig von dem auf das je­wei­li­ge Ar­beits­verhält­nis an­wend­ba­ren Recht die Un­ter­neh­men den in ihr Ho­heits­ge­biet ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern bezüglich der in die­ser Vor­schrift auf­geführ­ten As­pek­te – nämlich Höchst­ar­beits­zei­ten und Min­destru­he­zei­ten, be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laubs, Min­dest­lohnsätze ein­sch­ließlich der Über­stun­densätze, Be­din­gun­gen für die Über­las­sung von Ar­beits­kräften, ins­be­son­de­re durch Leih­ar­beits­un­ter­neh­men, Si­cher­heit, Ge­sund­heits­schutz und Hy­gie­ne am Ar­beits­platz, Schutz­maßnah­men im Zu­sam­men­hang mit den Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen von Schwan­ge­ren und Wöch­ne­rin­nen, Kin­dern und Ju­gend­li­chen, Gleich­be­hand­lung von Männern und Frau­en so­wie an­de­rer Nicht­dis­kri­mi­nie­rungs­be­stim­mun­gen – Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen ga­ran­tie­ren.

74

Die­se Vor­schrift ver­folgt zum ei­nen den Zweck, zwi­schen inländi­schen Un­ter­neh­men und Un­ter­neh­men, die länderüberg­rei­fen­de Dienst­leis­tun­gen er­brin­gen, ei­nen lau­te­ren Wett­be­werb si­cher­zu­stel­len, da sie die letzt­ge­nann­ten Un­ter­neh­men da­zu ver­pflich­tet, ih­ren Ar­beit­neh­mern für ei­ne be­grenz­te Lis­te von As­pek­ten die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen zu­zu­er­ken­nen, die im Auf­nahm­e­mit­glied­staat durch Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten, Ta­rif­verträge oder Schiedssprüche im Sin­ne von Art. 3 Abs. 8 der Richt­li­nie 96/71, die zwin­gen­de Be­stim­mun­gen über ein Min­dest­maß an Schutz dar­stel­len, fest­ge­legt wor­den sind.

75

Die ge­nann­te Vor­schrift ver­hin­dert so­mit, dass die in an­de­ren Mit­glied­staa­ten ansässi­gen Un­ter­neh­men da­durch, dass sie auf ih­re Ar­beit­neh­mer hin­sicht­lich die­ser As­pek­te die im Her­kunfts­mit­glied­staat gel­ten­den Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen an­wen­den, ge­genüber den Un­ter­neh­men des Auf­nahm­e­mit­glied­staats, wenn des­sen so­zia­les Schutz­ni­veau höher ist, im Rah­men ei­ner länderüberg­rei­fen­den Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen un­lau­te­ren Wett­be­werb be­trei­ben.

76

Sie be­zweckt zum an­de­ren, für die ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer si­cher­zu­stel­len, dass bei den Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen für die ge­nann­ten As­pek­te die Re­geln über den Min­dest­schutz die­ses Mit­glied­staats an­ge­wandt wer­den, während die Ar­beit­neh­mer vorüber­ge­hend im Ho­heits­ge­biet des Auf­nahm­e­mit­glied­staats tätig sind.

77

Dass ein der­ar­ti­ger Min­dest­schutz zu­er­kannt wird, hat, wenn das Schutz­ni­veau, das sich aus den den ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern in ih­rem Her­kunfts­staat gewähr­ten Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen er­gibt, hin­sicht­lich der in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g der Richt­li­nie 96/71 ge­nann­ten As­pek­te hin­ter dem Min­dest­schutz­ni­veau des Auf­nahm­e­mit­glied­staats zurück­bleibt, zur Fol­ge, dass die­se Ar­beit­neh­mer im letzt­ge­nann­ten Staat in den Ge­nuss bes­se­rer Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen kom­men.

78

Wie je­doch aus Rand­nr. 19 des vor­lie­gen­den Ur­teils her­vor­geht, wei­chen im Aus­gangs­ver­fah­ren be­stimm­te Klau­seln des Bau­ta­rif­ver­trags hin­sicht­lich ei­ni­ger der in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g der Richt­li­nie 96/71 ge­nann­ten As­pek­te, ins­be­son­de­re hin­sicht­lich Ar­beits­zeit und Jah­res­ur­laub, durch Fest­set­zung güns­ti­ge­rer Be­din­gun­gen von den schwe­di­schen Rechts­vor­schrif­ten ab, die die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen für ent­sand­te Ar­beit­neh­mer fest­le­gen.

79

Zwar ste­hen nach Art. 3 Abs. 7 der Richt­li­nie 96/71 die Abs. 1 bis 6 die­ser Vor­schrift der An­wen­dung von für die Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­ren Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen nicht ent­ge­gen. Die im Auf­nah­me­staat gel­ten­den zwin­gen­den Be­stim­mun­gen über ein Min­dest­maß an Schutz dürfen außer­dem nach dem 17. Erwägungs­grund der ge­nann­ten Richt­li­nie nicht der An­wen­dung der­ar­ti­ger Be­din­gun­gen ent­ge­gen­ste­hen.

80

Dies ändert je­doch nichts dar­an, dass sich Art. 3 Abs. 7 der Richt­li­nie 96/71 nicht da­hin aus­le­gen lässt, dass er es ei­nem Auf­nahm­e­mit­glied­staat er­laubt, die Er­brin­gung ei­ner Dienst­leis­tung in sei­nem Ho­heits­ge­biet da­von abhängig zu ma­chen, dass Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen ein­ge­hal­ten wer­den, die über die zwin­gen­den Be­stim­mun­gen über ein Min­dest­maß an Schutz hin­aus­ge­hen. Für die in ih­rem Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g ge­nann­ten As­pek­te sieht nämlich die Richt­li­nie 96/71 aus­drück­lich den Grad an Schutz vor, den der Auf­nahm­e­mit­glied­staat in an­de­ren Mit­glied­staa­ten ansässi­gen Un­ter­neh­men zu­guns­ten der von die­sen in sein Ho­heits­ge­biet ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern ab­zu­ver­lan­gen be­rech­tigt ist. Fer­ner lie­fe ei­ne der­ar­ti­ge Aus­le­gung dar­auf hin­aus, der ge­nann­ten Richt­li­nie ih­re prak­ti­sche Wirk­sam­keit zu neh­men.

81

Folg­lich und vor­be­halt­lich des­sen, dass die in an­de­ren Mit­glied­staa­ten ansässi­gen Un­ter­neh­men aus frei­en Stücken im Auf­nahm­e­mit­glied­staat – ins­be­son­de­re im Rah­men ei­ner ge­genüber ih­rem ei­ge­nen ent­sand­ten Per­so­nal ein­ge­gan­ge­nen Ver­pflich­tung – ei­nem womöglich güns­ti­ge­ren Ta­rif­ver­trag bei­tre­ten können, ist das Schutz­ni­veau, das den ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern im Ho­heits­ge­biet des Auf­nahm­e­mit­glied­staats ga­ran­tiert wer­den muss, grundsätz­lich auf das be­schränkt, was Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g der Richt­li­nie 96/71 vor­sieht, es sei denn, die ge­nann­ten Ar­beit­neh­mer ge­nießen be­reits nach den Ge­set­zen oder Ta­rif­verträgen im Her­kunfts­mit­glied­staat hin­sicht­lich der As­pek­te, die die ge­nann­te Vor­schrift be­trifft, güns­ti­ge­re Ar­beits‑ und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen.

82

Fer­ner ist klar­zu­stel­len, dass die Mit­glied­staa­ten nach Art. 3 Abs. 10 ers­ter Ge­dan­ken­strich der Richt­li­nie 96/71 un­ter Ein­hal­tung des Ver­trags und so­weit es sich um Vor­schrif­ten im Be­reich der öffent­li­chen Ord­nung han­delt, die in glei­cher Wei­se für inländi­sche Un­ter­neh­men und sol­che aus an­de­ren Mit­glied­staa­ten gel­ten, Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen, die an­de­re als die spe­zi­fisch in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g der Richt­li­nie 96/71 ge­nann­ten As­pek­te be­tref­fen, vor­schrei­ben können.

83

Im Aus­gangs­ver­fah­ren be­tref­fen be­stimm­te Klau­seln des Bau­ta­rif­ver­trags As­pek­te, die nicht spe­zi­fisch in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g der Richt­li­nie 96/71 ge­nannt wer­den. In­so­weit geht aus Rand­nr. 20 des vor­lie­gen­den Ur­teils her­vor, dass mit dem Bei­tritt zum Bau­ta­rif­ver­trag für die Un­ter­neh­men die Über­nah­me von Ver­pflich­tun­gen fi­nan­zi­el­ler Art ver­bun­den ist, wo­nach sie et­wa an Byg­get­t­an ei­nen Be­trag in Höhe von 1,5 % der Lohn­sum­me für die von die­ser ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on aus­geübte Ent­gelt­kon­trol­le abführen und der Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaft FO­RA zum ei­nen Beträge in Höhe von 0,8 % der Lohn­sum­me in Form ei­ner „särs­kilt tillägg bygg“ (Son­der­zu­la­ge Bau) ge­nann­ten Ab­ga­be und zum an­de­ren 5,9 % der Lohn­sum­me in Form meh­re­rer Ver­si­che­rungs­prämi­en zah­len müssen.

84

Es steht al­ler­dings fest, dass die­se Ver­pflich­tun­gen auf­er­legt wor­den sind, oh­ne dass die staat­li­chen Stel­len auf Art. 3 Abs. 10 der Richt­li­nie 96/71 zurück­ge­grif­fen hätten. Die strei­ti­gen Klau­seln des Bau­ta­rif­ver­trags sind nämlich aus Ver­hand­lun­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern her­vor­ge­gan­gen, die kei­ne öffent­lich-recht­lich ver­fass­ten Ein­rich­tun­gen sind und sich nicht auf die­se Vor­schrift be­ru­fen können, um Gründe der öffent­li­chen Ord­nung mit dem Ziel gel­tend zu ma­chen, dar­zu­tun, dass ei­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de ge­mein­schafts­rechts­kon­form sei.

85

Die von den im Aus­gangs­ver­fah­ren be­klag­ten ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen be­trie­be­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me ist fer­ner an­hand von Art. 49 EG so­wohl in­so­weit zu be­ur­tei­len, als sie dar­auf ab­zielt, ei­nen in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässi­gen Dienst­leis­ter da­zu zu zwin­gen, Ver­hand­lun­gen über die den ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern zu zah­len­den Löhne auf­zu­neh­men, als auch in­so­weit, als sie be­zweckt, ihn zu zwin­gen, ei­nem Ta­rif­ver­trag bei­zu­tre­ten, der Klau­seln enthält, die für be­stimm­te in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g der Richt­li­nie 96/71 ge­nann­te As­pek­te güns­ti­ge­re Be­din­gun­gen als die vor­se­hen, die sich aus den ein­schlägi­gen Rechts­vor­schrif­ten er­ge­ben, während an­de­re Klau­seln sich auf in die­ser Vor­schrift nicht an­ge­spro­che­ne As­pek­te be­zie­hen.

Zur Be­ur­tei­lung der frag­li­chen kol­lek­ti­ven Maßnah­men an­hand von Art. 49 EG

86

Hin­sicht­lich des Ein­sat­zes der Druck­mit­tel, über die die ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen verfügen, um den Bei­tritt zu ei­nem Ta­rif­ver­trag so­wie Ver­hand­lun­gen über die Löhne zu er­zwin­gen, ma­chen die Be­klag­ten des Aus­gangs­ver­fah­rens so­wie die däni­sche und die schwe­di­sche Re­gie­rung gel­tend, dass das Recht zur Durchführung kol­lek­ti­ver Maßnah­men im Rah­men von Ver­hand­lun­gen mit ei­nem Ar­beit­ge­ber außer­halb des An­wen­dungs­be­reichs von Art. 49 EG lie­ge, weil die Ge­mein­schaft gemäß Art. 137 Abs. 5 EG in der durch den Ver­trag von Niz­za geänder­ten Fas­sung zur Re­ge­lung die­ses Rechts nicht zuständig sei.

87

Hier­zu genügt der Hin­weis, dass es den Mit­glied­staa­ten in den Be­rei­chen, für die die Ge­mein­schaft nicht zuständig ist, zwar grundsätz­lich wei­ter­hin frei­steht, die Be­din­gun­gen für den Be­stand der frag­li­chen Rech­te und die Mo­da­litäten ih­rer Ausübung fest­zu­set­zen, dass sie aber gleich­wohl ge­hal­ten sind, das Ge­mein­schafts­recht bei der Ausübung die­ser Be­fug­nis zu be­ach­ten (vgl. ent­spre­chend zur so­zia­len Si­cher­heit Ur­tei­le vom 28. April 1998, De­cker, C‑120/95, Slg. 1998, I‑1831, Rand­nrn. 22 und 23, und Kohll, C‑158/96, Slg. 1998, I‑1931, Rand­nrn. 18 und 19, hin­sicht­lich der di­rek­ten Steu­ern Ur­tei­le vom 4. März 2004, Kom­mis­si­on/Frank­reich, C‑334/02, Slg. 2004, I‑2229, Rand­nr. 21, und vom 13. De­zem­ber 2005, Marks & Spen­cer, C‑446/03, Slg. 2005, I‑10837, Rand­nr. 29).

88

Folg­lich ist der Um­stand, dass Art. 137 EG we­der für das Streik­recht noch für das Aus­sper­rungs­recht gilt, nicht ge­eig­net, ei­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de dem Be­reich des frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehrs zu ent­zie­hen.

89

Den Erklärun­gen der däni­schen und der schwe­di­schen Re­gie­rung zu­fol­ge ist das Recht auf Durchführung ei­ner kol­lek­ti­ven Maßnah­me ein Grund­recht, das als sol­ches dem An­wen­dungs­be­reich von Art. 49 EG und dem der Richt­li­nie 96/71 ent­zo­gen sei.

90

In­so­weit ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass das Recht auf Durchführung ei­ner kol­lek­ti­ven Maßnah­me so­wohl in un­ter­schied­li­chen in­ter­na­tio­na­len Rechts­ak­ten, bei de­nen die Mit­glied­staa­ten mit­ge­wirkt ha­ben oder de­nen sie bei­ge­tre­ten sind – wie der am 18. Ok­to­ber 1961 in Tu­rin un­ter­zeich­ne­ten Eu­ropäischen So­zi­al­char­ta, die über­dies aus­drück­lich in Art. 136 EG erwähnt wird, und dem Übe­r­ein­kom­men 87 der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on vom 9. Ju­li 1948 über die Ver­ei­ni­gungs­frei­heit und den Schutz des Ver­ei­ni­gungs­rech­tes –, als auch in Rechts­ak­ten an­er­kannt wird, die die Mit­glied­staa­ten auf Ge­mein­schafts­ebe­ne oder im Rah­men der Eu­ropäischen Uni­on er­ar­bei­tet ha­ben, wie der anläss­lich der Ta­gung des Eu­ropäischen Ra­tes in Straßburg am 9. De­zem­ber 1989 an­ge­nom­me­nen und eben­falls in Art. 136 EG erwähn­ten Ge­mein­schafts­char­ta der so­zia­len Grund­rech­te der Ar­beit­neh­mer und der am 7. De­zem­ber 2000 in Niz­za pro­kla­mier­ten Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on (ABl. C 364, S. 1).

91

Dem­nach ist zwar das Recht auf Durchführung ei­ner kol­lek­ti­ven Maßnah­me als Grund­recht an­zu­er­ken­nen, das fes­ter Be­stand­teil der all­ge­mei­nen Grundsätze des Ge­mein­schafts­rechts ist, de­ren Be­ach­tung der Ge­richts­hof si­cher­stellt, doch kann sei­ne Ausübung be­stimm­ten Be­schränkun­gen un­ter­wor­fen wer­den. Denn wie in Art. 28 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on er­neut be­kräftigt wird, wird es nach dem Ge­mein­schafts­recht und den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten geschützt.

92

Es trifft zwar zu, wie die schwe­di­sche Re­gie­rung in Er­in­ne­rung ruft, dass das Recht auf Durchführung kol­lek­ti­ver Maßnah­men in Schwe­den eben­so wie in an­de­ren Mit­glied­staa­ten den Schutz der Ver­fas­sung ge­nießt, doch ändert dies nichts dar­an, dass, wie sich aus Rand­nr. 10 des vor­lie­gen­den Ur­teils er­gibt, die­ses Recht, das in die­sem Mit­glied­staat die Blo­cka­de von Bau­stel­len um­fasst, nach der schwe­di­schen Ver­fas­sung aus­geübt wer­den kann, wenn ge­setz­li­che oder ver­trag­li­che Be­stim­mun­gen dem nicht ent­ge­gen­ste­hen.

93

Hier­zu hat der Ge­richts­hof be­reits ent­schie­den, dass der Grund­rechts­schutz ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se ist, das grundsätz­lich ge­eig­net ist, ei­ne Be­schränkung der Ver­pflich­tun­gen zu recht­fer­ti­gen, die nach dem Ge­mein­schafts­recht, auch kraft ei­ner durch den Ver­trag gewähr­leis­te­ten Grund­frei­heit wie des frei­en Wa­ren­ver­kehrs (vgl. Ur­teil vom 12. Ju­ni 2003, Schmid­ber­ger, C‑112/00, Slg. 2003, I‑5659, Rand­nr. 74) oder der Dienst­leis­tungs­frei­heit (vgl. Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2004, Ome­ga, C-36/02, Slg. 2004, I‑9609, Rand­nr. 35), be­ste­hen.

94

Wie der Ge­richts­hof in den Ur­tei­len Schmid­ber­ger und Ome­ga ent­schie­den hat, liegt die Ausübung der dort be­trof­fe­nen Grund­rech­te, nämlich der Mei­nungs- und Ver­samm­lungs­frei­heit so­wie der Men­schenwürde, nicht außer­halb des An­wen­dungs­be­reichs der Be­stim­mun­gen des Ver­trags. Sie muss mit den Er­for­der­nis­sen hin­sicht­lich der durch den Ver­trag geschütz­ten Rech­te in Ein­klang ge­bracht wer­den und dem Verhält­nismäßig­keits­grund­satz ent­spre­chen (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le Schmid­ber­ger, Rand­nr. 77, und Ome­ga, Rand­nr. 36).

95

Aus dem Vor­ste­hen­den er­gibt sich, dass der Grund­rechtscha­rak­ter des Rechts auf Durchführung ei­ner kol­lek­ti­ven Maßnah­me ei­ne der­ar­ti­ge Maßnah­me, die sich ge­gen ein in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässi­ges Un­ter­neh­men rich­tet, das Ar­beit­neh­mer im Rah­men ei­ner länderüberg­rei­fen­den Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen ent­sen­det, nicht dem An­wen­dungs­be­reich des Ge­mein­schafts­rechts zu ent­zie­hen ver­mag.

96

Da­her ist zu prüfen, ob die Tat­sa­che, dass die ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen ei­nes Mit­glied­staats ei­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me un­ter den oben be­schrie­be­nen Be­din­gun­gen durchführen können, ei­ne Be­schränkung des frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehrs dar­stellt und, wenn dies der Fall ist, ob die­se Be­schränkung ei­ner Recht­fer­ti­gung zugäng­lich ist.

97

Hier­zu ist dar­an zu er­in­nern, das Art. 49 EG, so­weit er auf die Be­sei­ti­gung der Be­schränkun­gen des frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehrs ab­zielt, die sich aus dem Um­stand er­ge­ben, dass der Dienst­leis­ten­de in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat als dem­je­ni­gen, in dem die Dienst­leis­tung er­bracht wird, ansässig ist, in den Rechts­ord­nun­gen der Mit­glied­staa­ten nach Ab­lauf der Über­g­angs­zeit un­mit­tel­bar an­wend­bar ist und den Ein­zel­nen Rech­te ver­leiht, die die­se vor Ge­richt gel­tend ma­chen können und die die na­tio­na­len Ge­rich­te zu schützen ha­ben (vgl. ins­be­son­de­re Ur­tei­le vom 3. De­zem­ber 1974, van Bins­ber­gen, 33/74, Slg. 1974, 1299, Rand­nr. 26, vom 14. Ju­li 1976, Donà, 13/76, Slg. 1976, 1333, Rand­nr. 20, vom 4. De­zem­ber 1986, Kom­mis­si­on/Ir­land, 206/84, Slg. 1986, 3817, Rand­nr. 16, und vom 11. Ja­nu­ar 2007, ITC, C‑208/05, Slg. 2007, I‑181, Rand­nr. 67).

98

Außer­dem ist dar­an zu er­in­nern, dass Art. 49 EG auch für Re­gel­wer­ke nicht öffent­lich-recht­li­cher Art gilt, die die Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen kol­lek­tiv re­geln sol­len. Denn die Be­sei­ti­gung der Hin­der­nis­se für den frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehr zwi­schen den Mit­glied­staa­ten wäre gefähr­det, wenn die Ab­schaf­fung der Schran­ken staat­li­chen Ur­sprungs durch Hin­der­nis­se neu­tra­li­siert wer­den könn­te, die nicht dem öffent­li­chen Recht un­ter­lie­gen­de Ver­ei­ni­gun­gen und Ein­rich­tun­gen im Rah­men ih­rer recht­li­chen Au­to­no­mie set­zen (vgl. Ur­tei­le vom 12. De­zem­ber 1974, Wal­ra­ve, 36/74, Slg. 1974, 1405, Rand­nrn. 17 und 18, vom 15. De­zem­ber 1995, Bos­man, C‑415/93, Slg. 1995, I‑4921, Rand­nrn. 83 und 84, und vom 19. Fe­bru­ar 2002, Wou­ters u. a., C‑309/99, Slg. 2002, I‑1577, Rand­nr. 120).

99

Im Aus­gangs­ver­fah­ren ist fest­zu­stel­len, dass das Recht der ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen ei­nes Mit­glied­staats zur Durchführung kol­lek­ti­ver Maßnah­men, durch die sich in an­de­ren Mit­glied­staa­ten ansässi­ge Un­ter­neh­men ge­zwun­gen se­hen können, dem Bau­ta­rif­ver­trag bei­zu­tre­ten, in dem be­stimm­te Klau­seln da­durch von den Rechts­vor­schrif­ten ab­wei­chen, dass sie hin­sicht­lich der in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g der Richt­li­nie 96/71 ge­nann­ten As­pek­te güns­ti­ge­re Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen fest­le­gen, und an­de­re Klau­seln sich auf As­pek­te be­zie­hen, die die ge­nann­te Vor­schrift nicht an­spricht, ge­eig­net ist, für die­se Un­ter­neh­men die Durchführung von Bau­ar­bei­ten im schwe­di­schen Ho­heits­ge­biet we­ni­ger at­trak­tiv zu ma­chen, ja so­gar zu er­schwe­ren, und da­her ei­ne Be­schränkung des frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehrs im Sin­ne von Art. 49 EG dar­stellt.

100

Erst recht gilt dies für den Um­stand, dass sich die ge­nann­ten Un­ter­neh­men, um Kennt­nis von den Min­dest­lohnsätzen zu er­lan­gen, die sie ih­ren ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern zu zah­len ha­ben, durch kol­lek­ti­ve Maßnah­men ge­zwun­gen se­hen können, mit ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen Ver­hand­lun­gen von un­be­stimm­ter Dau­er am Ort der Er­brin­gung der Dienst­leis­tung zu führen.

101

Aus der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs geht her­vor, dass, da der freie Dienst­leis­tungs­ver­kehr ei­ner der fun­da­men­ta­len Grundsätze der Ge­mein­schaft ist (vgl. u. a. Ur­tei­le vom 4. De­zem­ber 1986, Kom­mis­si­on/Frank­reich, 220/83, Slg. 1986, 3663, Rand­nr. 17, und Kom­mis­si­on/Däne­mark, 252/83, Slg. 1986, 3713, Rand­nr. 17), ei­ne Be­schränkung die­ser Frei­heit nur zulässig ist, wenn mit ihr ein be­rech­tig­tes und mit dem Ver­trag zu ver­ein­ba­ren­des Ziel ver­folgt wird und wenn sie durch zwin­gen­de Gründe des All­ge­mein­in­ter­es­ses ge­recht­fer­tigt ist, so­weit sie in ei­nem sol­chen Fall ge­eig­net ist, die Er­rei­chung des ver­folg­ten Ziels zu gewähr­leis­ten, und nicht über das hin­aus­geht, was zur Er­rei­chung die­ses Ziels er­for­der­lich ist (vgl. ins­be­son­de­re Ur­tei­le vom 5. Ju­ni 1997, SETTG, C‑398/95, Slg. 1997, I‑3091, Rand­nr. 21, vom 30. März 2006, Ser­vi­zi Aus­i­li­a­ri Dot­to­ri Com­mer­cia­lis­ti, C‑451/03, Slg. 2006, I‑2941, Rand­nr. 37, und vom 5. De­zem­ber 2006, Ci­pol­la u. a., C‑94/04 und C‑202/04, Slg. 2006, I‑11421, Rand­nr. 61).

102

Die schwe­di­sche Re­gie­rung so­wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren be­klag­ten ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen ma­chen gel­tend, dass die frag­li­chen Be­schränkun­gen ge­recht­fer­tigt sei­en, da sie er­for­der­lich sei­en, um den Schutz ei­nes vom Ge­mein­schafts­recht an­er­kann­ten Grund­rechts zu gewähr­leis­ten, und da sie den Ar­beit­neh­mer­schutz be­zweck­ten, wor­in ein zwin­gen­der Grund des All­ge­mein­in­ter­es­ses lie­ge.

103

Hier­zu ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass im Recht auf Durchführung ei­ner kol­lek­ti­ven Maßnah­me, die den Schutz der Ar­beit­neh­mer des Auf­nahm­e­mit­glied­staats ge­gen ein et­wai­ges So­zi­al­dum­ping zum Ziel hat, ein zwin­gen­der Grund des All­ge­mein­in­ter­es­ses im Sin­ne der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs lie­gen kann, der grundsätz­lich ei­ne Be­schränkung ei­ner der vom Ver­trag gewähr­leis­te­ten Grund­frei­hei­ten zu recht­fer­ti­gen ver­mag (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le Ar­b­lade u. a., Rand­nr. 36, vom 15. März 2001, Maz­zo­le­ni und ISA, C‑165/98, Slg. 2001, I‑2189, Rand­nr. 27, vom 25. Ok­to­ber 2001, Fi­nal­ar­te u. a., C‑49/98, C‑50/98, C‑52/98 bis C‑54/98 und C‑68/98 bis C‑71/98, Slg. 2001, I‑7831, Rand­nr. 33, und vom 11. De­zem­ber 2007, In­ter­na­tio­nal Trans­port Workers’ Fe­de­ra­ti­on und Fin­nish Sea­men’s Uni­on, C‑438/05, I‑0000, Rand­nr. 77).

104

Dem ist hin­zu­zufügen, dass die Tätig­keit der Ge­mein­schaft nach dem Wort­laut von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und j EG nicht nur „ei­nen Bin­nen­markt, der durch die Be­sei­ti­gung der Hin­der­nis­se für den frei­en Wa­ren-, Per­so­nen-, Dienst­leis­tungs- und Ka­pi­tal­ver­kehr zwi­schen den Mit­glied­staa­ten ge­kenn­zeich­net ist“, son­dern auch „ei­ne So­zi­al­po­li­tik“ um­fasst. Art. 2 EG be­stimmt nämlich, dass es u. a. Auf­ga­be der Ge­mein­schaft ist, „ei­ne har­mo­ni­sche, aus­ge­wo­ge­ne und nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung des Wirt­schafts­le­bens“ so­wie „ein ho­hes Beschäfti­gungs­ni­veau und ein ho­hes Maß an so­zia­lem Schutz“ zu fördern.

105

Da die Ge­mein­schaft so­mit nicht nur ei­ne wirt­schaft­li­che, son­dern auch ei­ne so­zia­le Ziel­rich­tung hat, müssen die sich aus den Be­stim­mun­gen des EG‑Ver­trags über den frei­en Wa­ren-, Per­so­nen-, Dienst­leis­tungs- und Ka­pi­tal­ver­kehr er­ge­ben­den Rech­te ge­gen die mit der So­zi­al­po­li­tik ver­folg­ten Zie­le ab­ge­wo­gen wer­den, zu de­nen, wie aus Art. 136 EG her­vor­geht, ins­be­son­de­re die Ver­bes­se­rung der Le­bens- und Ar­beits­be­din­gun­gen, um da­durch auf dem We­ge des Fort­schritts ih­re An­glei­chung zu ermögli­chen, ein an­ge­mes­se­ner so­zia­ler Schutz und der so­zia­le Dia­log zählen.

106

Bygg­nads und Byg­get­t­an ma­chen im Aus­gangs­ver­fah­ren gel­tend, das mit der Blo­cka­de ge­gen La­val ver­folg­te Ziel sei der Schutz der Ar­beit­neh­mer.

107

In­so­weit ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass ei­ne Blo­cka­de, die von ei­ner ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on des Auf­nahm­e­mit­glied­staats ein­ge­lei­tet wird und dar­auf ab­zielt, den im Rah­men ei­ner länderüberg­rei­fen­den Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen auf ei­nem be­stimm­ten Ni­veau zu ga­ran­tie­ren, un­ter das Ziel des Ar­beit­neh­mer­schut­zes fällt.

108

Was je­doch die spe­zi­fi­schen Ver­pflich­tun­gen an­geht, die mit dem Bei­tritt zum Bau­ta­rif­ver­trag ver­bun­den sind, den die ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen den in an­de­ren Mit­glied­staa­ten ansässi­gen Un­ter­neh­men durch ei­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de auf­zwin­gen wol­len, lässt sich die Be­hin­de­rung, die mit die­ser kol­lek­ti­ven Maßnah­me ein­her­geht, nicht im Hin­blick auf ein der­ar­ti­ges Ziel recht­fer­ti­gen. Denn ab­ge­se­hen von dem, was sich aus den Rand­nrn. 81 und 83 des vor­lie­gen­den Ur­teils er­gibt, ist für die im Rah­men ei­ner länderüberg­rei­fen­den Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer de­ren Ar­beit­ge­ber in­fol­ge der über die Richt­li­nie 96/71 her­bei­geführ­ten Ko­or­di­nie­rung ge­hal­ten, ei­nen Kern zwin­gen­der Be­stim­mun­gen über ein Min­dest­maß an Schutz im Auf­nahm­e­mit­glied­staat zu be­ach­ten.

109

Was schließlich die Lohn­ver­hand­lun­gen be­trifft, zu de­nen die ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen die in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässi­gen und vorüber­ge­hend Ar­beit­neh­mer in das Ge­biet des Auf­nahm­e­mit­glied­staats ent­sen­den­den Ar­beit­ge­ber mit ei­ner kol­lek­ti­ven Maßnah­me wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen be­we­gen wol­len, so ver­bie­tet es das Ge­mein­schafts­recht den Mit­glied­staa­ten nicht, ge­genüber sol­chen Un­ter­neh­men die Be­ach­tung ih­rer Vor­schrif­ten auf dem Ge­biet des Min­dest­lohns mit ge­eig­ne­ten Mit­teln durch­zu­set­zen (vgl. Ur­tei­le Se­co und Des­quen­ne & Gi­ral, Rand­nr. 14, Rush Por­tu­gue­sa, Rand­nr. 18, und Ar­b­lade u. a., Rand­nr. 41).

110

Kol­lek­ti­ve Maßnah­men wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen können je­doch nicht im Hin­blick auf das in Rand­nr. 102 des vor­lie­gen­den Ur­teils erwähn­te im All­ge­mein­in­ter­es­se lie­gen­de Ziel ge­recht­fer­tigt wer­den, wenn die Lohn­ver­hand­lun­gen, zu de­nen die­se Maßnah­men ein in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässi­ges Un­ter­neh­men be­we­gen sol­len, sich in ei­nen na­tio­na­len Kon­text einfügen, für den kenn­zeich­nend ist, dass Vor­schrif­ten je­der Art feh­len, die hin­rei­chend ge­nau und zugäng­lich wären, um in der Pra­xis ei­nem der­ar­ti­gen Un­ter­neh­men die Fest­stel­lung, wel­che Ver­pflich­tun­gen es hin­sicht­lich des Min­dest­lohns be­ach­ten müss­te, nicht unmöglich zu ma­chen oder übermäßig zu er­schwe­ren (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil Ar­b­lade u. a., Rand­nr. 43).

111

Nach al­le­dem ist auf die ers­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 49 EG und Art. 3 der Richt­li­nie 96/71 da­hin aus­zu­le­gen sind, dass sie dem ent­ge­gen­ste­hen, dass in ei­nem Mit­glied­staat, in dem die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen hin­sicht­lich der in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g die­ser Richt­li­nie ge­nann­ten As­pek­te mit Aus­nah­me der Min­dest­lohnsätze durch Rechts­vor­schrif­ten fest­ge­legt sind, ei­ne ge­werk­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on ver­su­chen kann, durch ei­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me in Form ei­ner Bau­stel­len­blo­cka­de wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den ei­nen in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässi­gen Dienst­leis­ter da­zu zu zwin­gen, mit ihr über die den ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern zu zah­len­den Lohnsätze zu ver­han­deln und ei­nem Ta­rif­ver­trag bei­zu­tre­ten, der Klau­seln enthält, die für be­stimm­te die­ser As­pek­te güns­ti­ge­re Be­din­gun­gen als die vor­se­hen, die sich aus den ein­schlägi­gen Rechts­vor­schrif­ten er­ge­ben, während an­de­re Klau­seln sich auf in Art. 3 die­ser Richt­li­nie nicht an­ge­spro­che­ne As­pek­te be­zie­hen.

Zur zwei­ten Fra­ge

112

Mit der zwei­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob die Art. 49 EG und 50 EG dem ent­ge­gen­ste­hen, dass in ei­nem Mit­glied­staat das an die ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen ge­rich­te­te Ver­bot, ei­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me mit dem Ziel zu un­ter­neh­men, ei­nen zwi­schen Drit­ten ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­trag auf­zu­he­ben oder zu ändern, von der Vor­aus­set­zung abhängt, dass sich die Maßnah­me auf Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen be­zieht, auf die das na­tio­na­le Recht un­mit­tel­bar an­wend­bar ist, was für ein Un­ter­neh­men, das im Rah­men der Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen Ar­beit­neh­mer in die­sen Mit­glied­staat ent­sen­det und durch ei­nen dem Recht ei­nes an­de­ren Mit­glied­staats un­ter­lie­gen­den Ta­rif­ver­trag ge­bun­den ist, zur Fol­ge hat, dass es ihm unmöglich ist, ein der­ar­ti­ges Ver­bot ge­genüber den ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen gel­tend zu ma­chen.

113

Die­se Fra­ge be­trifft die An­wen­dung der Vor­schrif­ten des MBL, mit de­nen ein Sys­tem zum Kampf ge­gen So­zi­al­dum­ping ge­schaf­fen wor­den ist, kraft des­sen der Dienst­leis­ter in dem Mit­glied­staat, in dem er sei­ne Dienst­leis­tun­gen er­bringt, kei­nen An­spruch dar­auf hat, dass die Ver­pflich­tun­gen aus Ta­rif­verträgen, de­nen er be­reits in sei­nem Ansässig­keits­mit­glied­staat un­ter­liegt, in ir­gend­ei­ner Wei­se berück­sich­tigt wer­den. Aus ei­nem der­ar­ti­gen Sys­tem folgt, dass kol­lek­ti­ve Maßnah­men ge­genüber Un­ter­neh­men, die durch ei­nen dem Recht ei­nes an­de­ren Mit­glied­staats un­ter­lie­gen­den Ta­rif­ver­trag ge­bun­den sind, in glei­cher Wei­se zulässig sind wie ge­genüber sol­chen Un­ter­neh­men, die nicht ta­rif­ver­trag­lich ge­bun­den sind.

114

Nach ständi­ger Recht­spre­chung setzt der freie Dienst­leis­tungs­ver­kehr ins­be­son­de­re die Be­sei­ti­gung je­der Dis­kri­mi­nie­rung des Dienst­leis­ters auf­grund sei­ner Staats­an­gehörig­keit oder des Um­stands vor­aus, dass er in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat als dem ansässig ist, in dem die Dienst­leis­tung zu er­brin­gen ist (vgl. ins­be­son­de­re Ur­tei­le vom 26. Fe­bru­ar 1991, Kom­mis­si­on/Frank­reich, C‑154/89, Slg. 1991, I‑659, Rand­nr. 12, Kom­mis­si­on/Ita­li­en, C‑180/89, Slg. 1991, I‑709, Rand­nr. 15, Kom­mis­si­on/Grie­chen­land, C‑198/89, Slg. 1991, I‑727, Rand­nr. 16, und vom 18. Ju­li 2007, Kom­mis­si­on/Deutsch­land, Rand­nr. 83).

115

Nach eben­falls ständi­ger Recht­spre­chung kann ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung nur dar­in be­ste­hen, dass un­ter­schied­li­che Vor­schrif­ten auf ver­gleich­ba­re Si­tua­tio­nen an­ge­wandt wer­den oder dass die­sel­be Vor­schrift auf un­ter­schied­li­che Si­tua­tio­nen an­ge­wandt wird (vgl. ins­be­son­de­re Ur­tei­le vom 14. Fe­bru­ar 1995, Schu­ma­cker, C‑279/93, Slg. 1995, I‑225, Rand­nr. 30; vom 22. März 2007, Ta­lot­ta, C‑383/05, Slg. 2007, I‑2555, Rand­nr. 18, und vom 18. Ju­li 2007, La­ke­brink und Pe­ters-La­ke­brink, C‑182/06, Slg. 2007, I‑0000, Rand­nr. 27).

116

In­so­weit ist fest­zu­stel­len, dass ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­che, die die Ta­rif­verträge, durch die Ar­beit­neh­mer nach Schwe­den ent­sen­den­de Un­ter­neh­men be­reits in dem Mit­glied­staat, in dem sie ansässig sind, ge­bun­den sind, un­abhängig von ih­rem In­halt nicht berück­sich­tigt, ge­genüber die­sen Un­ter­neh­men ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung schafft, so­weit sie für sie die glei­che Be­hand­lung wie für na­tio­na­le Un­ter­neh­men vor­sieht, die kei­nen Ta­rif­ver­trag ge­schlos­sen ha­ben.

117

Nach Art. 46 EG, der eng aus­zu­le­gen ist, können dis­kri­mi­nie­ren­de Vor­schrif­ten nur aus Gründen der öffent­li­chen Ord­nung, Si­cher­heit oder Ge­sund­heit ge­recht­fer­tigt sein (vgl. Ur­teil vom 18. Ju­li 2007, Kom­mis­si­on/Deutsch­land, Rand­nr. 86).

118

In­so­weit geht aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung her­vor, dass die An­wen­dung die­ser Re­ge­lung auf in an­de­ren Mit­glied­staa­ten ansässi­ge Un­ter­neh­men, die durch Ta­rif­verträge, auf die das schwe­di­sche Recht nicht un­mit­tel­bar an­wend­bar ist, ge­bun­den sind, zum ei­nen be­zweckt, es den ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen zu ermögli­chen, Maßnah­men zu er­grei­fen, da­mit al­le auf dem schwe­di­schen Ar­beits­markt ver­tre­te­nen Ar­beit­ge­ber Vergütun­gen zah­len und auch im Übri­gen Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen ein­hal­ten, die den gewöhn­lich in Schwe­den prak­ti­zier­ten ent­spre­chen, und zum an­de­ren dar­auf ab­zielt, Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen lau­te­ren Wett­be­werb zu glei­chen Be­din­gun­gen zwi­schen schwe­di­schen Ar­beit­ge­bern und Un­ter­neh­men zu schaf­fen, die aus an­de­ren Mit­glied­staa­ten kom­men.

119

Da kei­ne der in der vor­ste­hen­den Rand­num­mer ge­nann­ten Erwägun­gen zu den Gründen der öffent­li­chen Ord­nung, Si­cher­heit oder Ge­sund­heit im Sin­ne von Art. 46 EG in Ver­bin­dung mit Art. 55 EG zählt, ist fest­zu­stel­len, dass ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­che sich nicht recht­fer­ti­gen lässt.

120

Nach al­le­dem ist auf die zwei­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass die Art. 49 EG und 50 EG dem ent­ge­gen­ste­hen, dass in ei­nem Mit­glied­staat das an die ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen ge­rich­te­te Ver­bot, ei­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me mit dem Ziel zu un­ter­neh­men, ei­nen zwi­schen Drit­ten ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­trag auf­zu­he­ben oder zu ändern, von der Vor­aus­set­zung abhängt, dass sich die Maßnah­me auf Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen be­zieht, auf die das na­tio­na­le Recht un­mit­tel­bar an­wend­bar ist.

Kos­ten

121

Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Große Kam­mer) für Recht er­kannt:

1. Art. 49 EG und Art. 3 der Richt­li­nie 96/71/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 16. De­zem­ber 1996 über die Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern im Rah­men der Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen sind da­hin aus­zu­le­gen, dass sie dem ent­ge­gen­ste­hen, dass in ei­nem Mit­glied­staat, in dem die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen hin­sicht­lich der in Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 Buchst. a bis g die­ser Richt­li­nie ge­nann­ten As­pek­te mit Aus­nah­me der Min­dest­lohnsätze durch Rechts­vor­schrif­ten fest­ge­legt sind, ei­ne ge­werk­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on ver­su­chen kann, durch ei­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me in Form ei­ner Bau­stel­len­blo­cka­de wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den ei­nen in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässi­gen Dienst­leis­ter da­zu zu zwin­gen, mit ihr über die den ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern zu zah­len­den Lohnsätze zu ver­han­deln und ei­nem Ta­rif­ver­trag bei­zu­tre­ten, der Klau­seln enthält, die für be­stimm­te die­ser As­pek­te güns­ti­ge­re Be­din­gun­gen als die vor­se­hen, die sich aus den ein­schlägi­gen Rechts­vor­schrif­ten er­ge­ben, während an­de­re Klau­seln sich auf in Art. 3 die­ser Richt­li­nie nicht an­ge­spro­che­ne As­pek­te be­zie­hen.

2. Die Art. 49 EG und 50 EG ste­hen dem ent­ge­gen, dass in ei­nem Mit­glied­staat das an die ge­werk­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen ge­rich­te­te Ver­bot, ei­ne kol­lek­ti­ve Maßnah­me mit dem Ziel zu un­ter­neh­men, ei­nen zwi­schen Drit­ten ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­trag auf­zu­he­ben oder zu ändern, von der Vor­aus­set­zung abhängt, dass sich die Maßnah­me auf Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen be­zieht, auf die das na­tio­na­le Recht un­mit­tel­bar an­wend­bar ist.

Un­ter­schrif­ten


* Ver­fah­rens­spra­che: Schwe­disch.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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