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Streikrecht versus Niederlassungsfreiheit
18.01.2008. Streiks können die Niederlassungsfreiheit von Unternehmen innerhalb der Europäischen Union (EU) begrenzen, wenn sie die Verlagerung von Betrieben in Länder mit niedrigerem Lohnniveau verhindern sollen.
In dem Streit zwischen einer finnischen Gewerkschaft und einer finnischen Reederei, die eines ihrer Schiffe zum Zwecke der Lohnkostensenkung künftig mit estnischer Besatzung fahren lassen wollte, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die Einschränkung der Niederlassungsfreiheit nur unter engen Voraussetzungen gerechtfertigt sein kann.
Hier nennt der Gerichtshof die konkrete objektive Gefährdung von Arbeitsplätzen und die objektive "Erforderlichkeit" von Streiks zur Erreichung der gewerkschaftlichen Ziele: EuGH, Urteil vom 11.12.2007, C-438/05 (Viking Line).
- Darf eine Gewerkschaft mit Streiks ein Unternehmen daran hindern, seine Produktion in ein anderes EU-Land mit geringerem Lohnniveau zu verlagern?
- Der Streitfall: Die finnische Reederei Viking Line möchte ein Schiff künftig unter estnischer Flagge mit billigeren estnischen Arbeitnehmern fahren lassen - und wird daher prompt bestreikt
- EuGH: Die im EU-Vertrag enthaltene Niederlassungsfreiheit gilt auch bei Streiks, wenn eine Gewerkschaft damit einen Tarifvertrag erstrebt, der die Niederlassungsfreiheit beschränkt
Darf eine Gewerkschaft mit Streiks ein Unternehmen daran hindern, seine Produktion in ein anderes EU-Land mit geringerem Lohnniveau zu verlagern?
Im EU-Vertrag ist festgeschrieben, dass Unternehmen ihre Betriebe von einem in ein anderes Land der EU verlegen können, d.h. es besteht Niederlassungsfreiheit für die Unternehmer der Europäischen Union.
Was dem einen seine unternehmerische Freiheit ist, ist für andere eine Beschneidung von Arbeitnehmerrechten und sozialer Kahlschlag. Die "anderen" sind im Falle der Niederlassungsfreiheit Gewerkschaften und andere Arbeitnehmervertretungen in EU-Ländern mit hohem Lohnniveau, die durch die "Freiheit" der Verlagerung von Arbeitsplätzen aus ihrem Land in ein anderes EU-Land mit geringerem Lohnniveau den Abbau von Arbeitsplätzen befürchten.
Hier kommt es immer wieder zu Arbeitskämpfen, d.h. zu Streiks gegen Unternehmen, die Arbeitsplätze an billigere Standorte innerhalb der EU verlagern wollen. Solche Streitks sind ihrerseits durch europäisches Recht abgesichert, so dass sich die Frage stellt, was hier Vorrang hat: Die unternehmerische Freiheit der Niederlassung oder das Streikrecht von Gewerkschaften und Arbeitnehmern.
Um diesen Konflikt geht es in einer aktuellen Entscheidung des EuGH (EuGH, Urteil vom 11.12.2007, C-438/05 - Viking Line).
Der Streitfall: Die finnische Reederei Viking Line möchte ein Schiff künftig unter estnischer Flagge mit billigeren estnischen Arbeitnehmern fahren lassen - und wird daher prompt bestreikt
Die finnische Reederei Viking Line plante, eines ihrer finnischen Schiffe unter estnischer Flagge fahren zu lassen um estnische Mitarbeiter zu wesentlich niedrigeren Gehältern einstellen zu können.
Die finnische Gewerkschaft FSU drohte mit Streik, u.a. um den Abschluss eines Tarifvertrages zu erreichen, der vorsah, dass die Viking Line auch im Falle der „Umflaggung“ weiterhin finnisches Arbeitsrecht zu beachten hat und auf die Entlassung finnischer Arbeitnehmer verzichtet. Die Internationale Gewerkschaft ITF rief ihre Mitgliedsorganisationen in einem Rundschreiben dazu auf, keine Verhandlungen mit der Viking Line zu führen.
Die Viking Line klagte vor den englischen Gerichten und begehrte von der ITF, das Rundschreiben zurückzuziehen und von der FSU die Unterlassung von Maßnahmen, die ihre Niederlassungsfreiheit hinsichtlich der „Umflaggung“ beeinträchtigen.
Der Court of Appeal (England und Wales) setzte das Verfahren aus, um dem EuGH einige Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, die die Auslegung von Art. 43 EG und der Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22.12.1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern betreffen.
EuGH: Die im EU-Vertrag enthaltene Niederlassungsfreiheit gilt auch bei Streiks, wenn eine Gewerkschaft damit einen Tarifvertrag erstrebt, der die Niederlassungsfreiheit beschränkt
Der EuGH hat zunächst darauf hingewiesen, dass das Vorabentscheidungsersuchen „hypothetischen Charakter“ habe, da bislang eine „Umflaggung“ nicht stattgefunden habe. Demgemäß seien die dem Gericht gestellten Fragen lediglich insoweit zu beantworten, wie die Auslegung des Art.43 EG (Niederlassungsfreiheit) betroffen sei.
Die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit seien auch auf kollektive Maßnahmen wie den Streik anzuwenden, wenn eine Gewerkschaft diese betreibe, um ein Unternehmen dazu zu bringen, einen Tarifvertrag mit dem Ziel abzuschließen, das Unternehmen davon abzuhalten, von seiner Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen.
Kollektive Maßnahmen wie der hier angedrohte Streik stellen nach Ansicht des EuGH eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Die Einschränkung der Niederlassungsfreiheit eines Unternehmens könne aber gerechtfertigt sein, wenn mit ihnen ein legitimer Zweck wie beispielsweise die Sicherung von Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen angestrebt werde und außerdem alle anderen Möglichkeiten zur Konfliktlösung ausgeschöpft seien. Voraussetzung sei allerdings, dass Arbeitsplätze bzw. Arbeitsbedingungen tatsächlich gefährdet oder ernsthaft bedroht seien und die kollektive Maßnahme zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich ist.
Der EuGH räumt damit weder dem Streikrecht der Gewerkschaft noch der Niederlassungsfreiheit der Viking Line einen grundsätzlichen Vorrang ein, sondern überlässt dem nationalen Gericht die Prüfung, ob die kollektive Maßnahme durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist und zur Zweckerreichung geeignet und insbesondere erforderlich ist, mithin keine weniger einschneidenden Maßnahmen in Betracht kommen.
Ob der EuGH mit dieser Entscheidung zum Vorreiter des Streikrechts in der EU geworden ist, ist zu bezweifeln.
Denn erstens knüpft der Gerichtshof den Vorrang der Streikfreiheit an sehr harte Bedingungen, die keinesfalls immer erfüllt sein müssen (tatsächliche Gefährdung von Arbeitsplätzen, Streiks als objektiv "erforderliche" Maßnahme zur Abwehr dieser Gefahr).
Und zweitens hatte sich der Gerichtshof nur wenige Tage später, am 18.12.2007, in einem ähnlichen Streitfall mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Arbeitskampfmaßnahme, mit der eine schwedische Gewerkschaft ein ausländisches Dienstleistungsunternehmen zur Aufnahme von Lohnverhandlungen und zum Beitritt zu einem Tarifvertrag bringen wollte, gegen Gemeinschaftsrecht verstößt oder nicht (EuGH, Urteil vom 18.12.2007, C-341/05 - Laval).
In dem dort entschiedenen Fall hatte eine lettische Gesellschaft Arbeitnehmer aus Lettland zur Durchführung von Bauarbeiten nach Schweden gesandt, wo die Arbeiten von deren Tochterfirma ausgeübt wurden. Die dagegen gerichteten Baustellenblockaden in Schweden bewertete der EuGH als eine Beschränkung des freien Dienstverkehrs, die im konkreten Fall nicht durch das Allgemeininteresse des Arbeitsschutzes gerechtfertigt sei.
Nähere Informationen zu diesem Vorgang finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 11.12.2007, C-438/05 (Viking Line)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 18.12.2007, C-341/05 (Laval)
- Handbuch Arbeitsrecht: Streik und Streikrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 12/305 Einheitliche Regelung für das Streikrecht in Europa durch Monti-II?
Letzte Überarbeitung: 8. Januar 2014
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