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Gehalt nach Kündigung - welche Arbeit ist zumutbar?
02.03.2012. Weist der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer gar keine oder keine vertragsgerechte Arbeit zu, gerät er mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug. Der Arbeitnehmer kann dann seinen Lohn trotz des Arbeitsausfalls verlangen. Praktisch kommt das oft nach einer unwirksamen Kündigung vor.
Allerdings müssen sich Arbeitnehmer auf den Annahmverzugslohn anrechnen lassen, was sie zwischenzeitlich auf andere Weise verdient haben - oder hätten verdienen können. Das Gesetz spricht hier vom "böswilligen Unterlassen" eines anderweitigen Verdienstes.
Wie eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zeigt, führt das letztlich dazu, dass Arbeitnehmer auch vertragswidrige Arbeiten ausführen müssen, um nach einer Kündigung nicht ihren Annahmverzugslohn zu verlieren: BAG, Urteil vom 17.11.2011, 5 AZR 564/10.
- Anspruch auf Gehalt nach unwirksamer Kündigung ist nicht immer sicher
- Der Streitfall: Unwirksam gekündigter Hausmeister lehnt während des Kündigungsschutzprozesses eine vorübergehende Arbeit als Gärtner bei seinem Arbeitgeber ab
- BAG: Vorübergehende Gärtnerarbeiten sind für einen Hausmeister zumutbar im Sinne von § 11 Satz 1 Nr.2 KSchG
Anspruch auf Gehalt nach unwirksamer Kündigung ist nicht immer sicher
Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine vertragsgerechte Arbeit zu, kann dieser nicht arbeiten. Dann befindet sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug und muss das Gehalt bezahlen, ohne die Arbeitsleistung erhalten zu haben. Das ergibt sich aus § 615 Satz1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Praktisch tritt diese Situation vor allem nach einer unwirksamen Kündigung auf. Während vor Gericht über die Wirksamkeit der Kündigung gestritten wird, tickt die Uhr. Stellt sich die Kündigung später als unwirksam heraus, haben sich Lohnansprüche angesammelt, die der Arbeitgeber begleichen muss, da er für den Arbeitsausfall rechtlich verantwortlich ist. Und selbstverständlich muss der Arbeitnehmer die ausgefallene Arbeit nicht nacharbeiten.
Einen Haken hat die Sache aber doch: § 11 Satz 1 Nr.2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sieht für den Annahmeverzugslohn eine Anrechnungsregelung für den Fall einer Kündigung vor. Danach wird vom Annahmeverzugslohn nach einer unwirksamen Kündigung abgezogen, was der Arbeitnehmer "hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen“.
Aber ist auch eine vorübergehende Zwischenbeschäftigung beim alten Arbeitgeber „zumutbar“ - und zwar eine solche Beschäftigung, die nicht dem Arbeitsvertrag entspricht? Nach Ansicht des BAG ja, falls der Arbeitgeber dafür das bisherige Gehalt anbietet.
Der Streitfall: Unwirksam gekündigter Hausmeister lehnt während des Kündigungsschutzprozesses eine vorübergehende Arbeit als Gärtner bei seinem Arbeitgeber ab
Ein Hausmeister hatte gerichtlich feststellen lassen, dass er arbeitsvertraglich nicht verpflichtet ist, Gärtnerarbeiten zu erledigen. Im Verlaufe dieses über mehrere Instanzen geführten Streits hatte ihm der Arbeitgeber krankheitsbedingt gekündigt und es lief eine Kündigungsschutzklage.
Der Arbeitgeber weigerte sich aufgrund der Kündigung, den Arbeitnehmer - wie vertraglich an sich vorgesehen - als Hausmeister zu beschäftigen. Er bot ihm aber für die Dauer der Kündigungsschutzklage eine Beschäftigung mit Gärtnerarbeiten an, und zwar zum gleichen Lohn, allerdings abzüglich einer auf der Grundlage des Hausmeister-Arbeitsvertrags zu zahlenden Bereitschaftszulage.
Die Arbeit als Gärtner lehnte der Hausmeister ab. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf gab ihm recht und meinte, der dem Hausmeister mögliche Zwischenverdienst als Gärtner sei auf den Annahmeverzugslohn nicht anzurechnen (Urteil vom 21.07.2010, 7 Sa 422/10).
BAG: Vorübergehende Gärtnerarbeiten sind für einen Hausmeister zumutbar im Sinne von § 11 Satz 1 Nr.2 KSchG
Anders als das LAG Düsseldorf meinte das BAG, dass dem Hausmeister diese Beschäftigung „zumutbar“ war. Daher war der in den Wind geschlagene Verdienst auf den Annahmeverzugslohn anzurechnen.
Die Entscheidung des BAG ist nachvollziehbar, da die Anforderungen der hier streitigen beiden Tätigkeiten (Hausmeister gemäß Arbeitsvertrag, Gärtner als Möglichkeit des Zwischenverdienstes) nicht extrem weit auseinander liegen.
Die Grenze der Unzumutbarkeit dürfte aber z.B. erreicht sein, wenn der Arbeitnehmer aus Verhaltensgründen gekündigt wird und während der laufenden Kündigungsschutzklage eine untergeordnete Tätigkeit beim bisherigen Arbeitgeber ausüben soll (während dieser an seinen Vorwürfen und der Berechtigung der Kündigung festhält).
Fazit: Vertragsgerechte Beschäftigung und „zumutbare“ Arbeit während eines Kündigungsschutzprozesses sind zwei verschiedene Dinge. Auch dem Arbeitsvertrag nicht entsprechende Arbeiten können nach einer Kündigung „zumutbar“ sein und sollten ausgeübt werden, um den Lohnanspruch zu sichern.
Arbeitnehmer sollten daher weder im Kündigungsschutzprozesses noch beim Streit über die Berechtigung von Anweisungen vorschnell Arbeitsangebote zurückweisen. Sonst droht auch bei vertragswidrigem Verhalten des Arbeitgebers der Verlust des Lohnanspruchs.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.11.2011, 5 AZR 564/10
- Bundesarbeitsgericht (Webseite)
- Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 21.07.2010, 7 Sa 422/10
- Handbuch Arbeitsrecht: Annahmeverzug des Arbeitgebers
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung des Arbeitsvertrags (Überblick)
- Arbeitsrecht aktuell: 10/144 Vorlage zu §§ 615 BGB, 11 KSchG zulässig
- Arbeitsrecht aktuell: 08/100 Abschied vom Annahmeverzugslohn?
- Arbeitsrecht aktuell: 08/094 Kein formularvertraglicher Ausschluss des Annahmeverzugslohn für Zeiten des Auftragsmangels
- Arbeitsrecht aktuell: 07/028 LAG Berlin-Brandenburg: Zwischenverdienst bei Freistellung
- Arbeitsrecht aktuell: 07/008 Bundesarbeitsgericht beschränkt Annahmeverzugslohn
Letzte Überarbeitung: 7. Dezember 2020
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