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Vorlage zu §§ 615 BGB, 11 KSchG unzulässig
27.07.2010. Ein Arbeitgeber hat die Wahl, ob er die Arbeitskraft seines arbeitsfähigen und arbeitsbereiten Arbeitnehmers nutzen möchte oder nicht. Verzichtet er hierauf, beispielsweise durch eine Freistellung, dann muss er grundsätzlich weiter den vollen Arbeitslohn zahlen (sog. "Annahmverzug des Arbeitgebers").
Das Bürgerliche Gesetzbuch und das Kündigungsschutzgesetz bestimmen jedoch, dass sich der Arbeitnehmer bestimmte Positionen vom Arbeitslohn abziehen lassen muss. Insbesondere ist nach beiden Gesetzen anderweitiger Verdienst anrechenbar, d.h. er verringert den Arbeitslohn. Ein Unterschied zwischen den Gesetzen besteht hinsichtlich der Anrechnung ersparter Aufwendungen, d.h. beispielsweise von Fahrtkosten, die der Arbeitnehmer mangels Arbeitsweg nicht hatte.
Das LAG Nürnberg stellte sich im März 2010 die Frage, ob dieser Unterschied überhaupt verfassungsmäßig ist und befragte hierzu das Bundesverfassungsgericht: BVerfG, Beschluss vom 24.06.2010, 1 BvL 5/10.
- §§ 615 S.2 BGB und § 11 KSchG - unterschiedliche Regelungen für ähnliche Situationen
- Der Fall: Arbeitnehmerin aus Kleinbetrieb muss sich von ihrem Verzugslohn rund 2.500 Euro Fahrtkosten abziehen lassen
- BVerfG: Die Frage ist unklar gestellt und nachlässig erläutert
§§ 615 S.2 BGB und § 11 KSchG - unterschiedliche Regelungen für ähnliche Situationen
"Ohne Arbeit kein Lohn" ist ein wichtiger arbeitsrechtlicher Grundsatz mit einer Reihe von Ausnahmen. Zu diesen gehört der Annahmeverzug des Arbeitgebers (wir berichten über das Thema z.B. anlässlich von Arbeitsrecht aktuell: 10/141 Annahmeverzug des Betriebserwerbers nach Freistellung durch den Betriebsveräußerer). Im Wesentlichen liegt er vor, wenn der Arbeitnehmer arbeiten kann und will, der Arbeitgeber ihn jedoch nicht lässt. In solchen Situationen, z.B. bei einer Freistellung, kann der Arbeitnehmer guten Gewissens darauf warten, vom Arbeitgeber angesprochen und zur Arbeit aufgefordert werden. Bis zu dieser Aufforderung muss der Lohn weiter gezahlt werden. "Ausgefallene" Arbeit muss nicht nachgearbeitet werden.
Geregelt ist dieser Anspruch in § 615 S.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), laut dem der Arbeitnehmer " für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen" kann, "ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein", wenn "der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug" ist.
Der Anspruch wird der Höhe nach begrenzt durch § 615 S.2 BGB. Danach muss sich der Arbeitnehmer auf seinen Verzugslohnanspruch Lohn anrechnen (d.h.: von ihm abziehen) lassen, den er verdient hat oder nur durch "böswilliges Unterlassen" nicht verdiente.
§ 615 S.2 BGB ist eine allgemeine Vorschrift für das Arbeitsverhältnis. § 11 Kündigungsschutzgesetz - KSchG ist eine speziellere Vorschrift für den besonderen Fall, dass eine Kündigungsschutzstreitigkeit für den Arbeitnehmer erfolgreich endet, d.h. das Arbeitsverhältnis weiter besteht. Während des Prozesses hat der Arbeitnehmer hier typischerweise nicht für seinen Gegner, den Arbeitgeber, gearbeitet, weil dieser das nicht wollte. Er befand sich damit im Annahmeverzug und musste den Lohn dementsprechend weiter zahlen. Auch hier muss sich der Arbeitnehmer wie in § 615 S.2 BGB anderweitigen Verdienst anrechnen lassen, nur dass sich diese Pflicht nun aus § 11 KSchG ergibt.
Ob Anrechnungen auf den Verzugslohn nun nach § 615 S.2 BGB oder nach § 11 KSchG erfolgen, könnte dem Arbeitnehmer grundsätzlich gleichgültig sein, wenn es nicht einen kleinen, feinen Unterschied gäbe: Gemäß § 615 S.2 BGB muss er sich auch dasjenige anrechnen lassen, "was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart", also beispielsweise die sonst nötigen Kosten der Fahrt zum Arbeitsort. § 11 KSchG hingegen verlangt das nicht. Der Gesetzgeber hat hier auf eine Anrechnung verzichtet, weil er (Zitat aus der Gesetzesbegründung:) "nicht kleinlich" verfahren wollte.
Es kann also durchaus einen Unterschied machen, ob die "kleinliche" Anrechnungsvorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches oder die "großzügige" Vorschrift des Kündigungsschutzgesetzes angewendet werden muss. Da § 11 KSchG gemäß § 23 KSchG typischerweise nur in Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern ("Kleinbetriebe") angewendet wird, kann es passieren, dass auch bei einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage die ersparten Aufwendungen angerechnet werden müssen.
Vor diesem Hintergrund stellte das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg zunächst sich und anschließend dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, den Anrechnungsumfang und damit die Verzugslohnhöhe letztlich von der Größe des Betriebs abhängig zu machen (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/102 Höhe der Vergütung bei Annahmeverzug). Das BVerfG gab nun eine gänzlich unerwartete Antwort (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24.06.2010, 1 BvL 5/10).
Der Fall: Arbeitnehmerin aus Kleinbetrieb muss sich von ihrem Verzugslohn rund 2.500 Euro Fahrtkosten abziehen lassen
Die Klägerin war als Buchhalterin bei dem beklagten Arbeitgeber angestellt, dessen Betrieb ein Kleinbetrieb im Sinne des § 23 KSchG war.
Im Jahre 2007 wurde das Arbeitsverhältnis von dem Arbeitgeber gekündigt, er stellte die Klägerin frei. Gegen die Kündigung erhob die Klägerin Klage, um feststellen zu lassen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet sei. Eine Kündigungsschutzklage konnte sie nicht erheben, da das Kündigungsschutzgesetz auf Arbeitsverhältnisse im Kleinbetrieb ja nicht anwendbar war.
Obwohl dementsprechend auch der Kündigungsschutz nur im Rahmen des allgemeinen Bürgerlichen Rechts bestand, also im Wesentlichen eine Willkürprüfung angezeigt war, wurde die Unwirksamkeit der Kündigung und damit der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festgestellt.
Neben der Feststellungsklage erhob die Klägerin auch Klage auf Zahlung von Verzugslohn für die Zeit ab der Kündigung. Der Klage wurde, da die Kündigung unwirksam war, ebenfalls zum überwiegenden Teil stattgegeben. Allerdings musste sich die Klägerin nach dem Arbeitsgericht gemäß § 615 S. 2 BGB die Fahrtkosten anrechnen lassen, die sie gespart hatte, weil sie während der Dauer der Freistellung nicht mehr zur Arbeit musste: Ein Betrag von insgesamt über 2.500 EUR. Insoweit wurde ihre Klage abgewiesen, wogegen die Klägerin Berufung zum LAG Nürnberg einlegte.
Das LAG setzte das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die Frage vor, ob § 615 Satz 2 BGB gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs.1 GG verstößt.
BVerfG: Die Frage ist unklar gestellt und nachlässig erläutert
Nach nur etwas mehr als drei Monaten erhielt das LAG eine - sicherlich unerwartete - Antwort: Das BVerfG lehnte die Vorlage als unzulässig ab.
In seiner Begründung formuliert es die Frage des LAG neu. Das BVerfG geht davon aus, dass das Nürnberger Gericht seine Frage unscharf gestellt hat und eigentlich wissen wollte, ob der Ausschluss des § 11 KSchG für gekündigte Arbeitnehmer eines Kleinbetriebes mit Art.3 Abs.1 GG vereinbar ist.
Geprüft werden müsste nach Auffassung des Gerichts also § 23 KSchG, nicht § 615 BGB.
Diese Prüfung meinte das BVerfG aber nicht vornehmen zu können.
Eine Verletzung des Gleichheitssatzes, also des Gebotes, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln, setzt nämlich voraus, dass genau geklärt ist, was "das Gleiche" bzw. "das Ungleiche" ist. Mit anderen Worten: Es müssen zwei Sachverhalte oder Personengruppen gegenüber gestellt werden. Insoweit habe sich das LAG, so das BVerfG, nicht zweifelsfrei nachvollziehbar festgelegt, sondern wechsle zwischen mehreren Standpunkten.
Das BVerfG konnte damit aus seiner Sicht schon nicht prüfen, ob überhaupt eine Ungleichbehandlung vorlag. Zudem hätte sich das LAG umfangreicher mit einer möglichen Rechtfertigung für die etwaige Ungleichbehandlung auseinandersetzen müssen. Dabei weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass § 11 KSchG anders als § 615 S.2 BGB keine Anrechnung ersparter Aufwendungen enthält, damit die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht durch Auseinandersetzungen über die Höhe des Annahmeverzugsentgelts belastet wird. Diese Überlegung gelte zwar grundsätzlich auch für Kleinbetriebe. Hier könnte aber wichtiger sein, dass wegen der geringen Größe des Betriebs typischerweise ein besonderes Interesse an der Reduzierung der Lohnkosten besteht. Dies sei eine "naheliegende Erwägung", die das LAG als Rechtfertigungsgrund näher hätte untersuchen müssen.
Kurz gesagt: Das Bundesverfassungsgericht hat den Vorlagebeschluss des LAG Nürnberg mit überraschend deutlichen Worten verworfen. Es hat angedeutet, dass in Kleinbetrieben eine Abwägung der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers zu Lasten des Arbeitnehmers ausgehen könnte - dass also die unterschiedliche Regelung in BGB und KSchG einen sachlichen Grund hat. Sollte das LAG trotz dieser groben Richtschnur weiter § 615 S.2 BGB (bzw. § 23 KSchG) für verfassungswidrig halten, dann bleibt ihm nichts Anderes übrig, als dem BVerfG eine neue, wesentlich ausführlicher begründete Frage zu stellen.
Nähere Informationen finden Sie hier:- Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24.06.2010, 1 BvL 5/10
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Letzte Überarbeitung: 19. Mai 2016
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