HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 07/28

LAG Ber­lin-Bran­den­burg: Zwi­schen­ver­dienst bei Frei­stel­lung

Bei wi­der­ruf­li­cher Frei­stel­lung bis zur Ver­trags­be­en­di­gung ist Zwi­schen­ver­dienst nicht auf der Grund­la­ge von § 615 BGB an­zu­rech­nen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 20.04.2007, 6 Sa 162/07
Hunderteuroscheine Was pas­siert mit dem an­der­wei­ti­gen Ver­dienst bei Frei­stel­lung?

24.07.2007. Oft ei­ni­gen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer im Kün­di­gungs­schutz­ver­fah­ren auf ei­nem Pro­zess­ver­gleich, der ei­ne Ab­fin­dungs­re­ge­lung ent­hält und dem­ent­spre­chend das OK des Ar­beit­neh­mers zu der Ver­trags­be­en­di­gung.

Wenn zwi­schen dem Zeit­punkt ei­ner sol­chen Ver­ein­ba­rung und dem re­gu­lä­ren Ver­trags­en­de un­ter Be­ach­tung der Kün­di­gungs­fris­ten noch ei­ne ge­wis­se Zeit liegt, ent­hält ein sol­cher Ver­gleich meist die Frei­stel­lung des Ar­beit­neh­mers un­ter Fort­zah­lung sei­ner Be­zü­ge bis zur Be­en­di­gung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses.

Frag­lich ist, wel­che Aus­wir­kun­gen es in ei­nem sol­chen Fall hat, wenn der Ar­beit­neh­mer be­reits wäh­rend der Frei­stel­lung ei­ne an­de­re Ar­beit ge­fun­den hat dort Geld ver­dient. Muss er sich dann die­sen Zwi­schen­ver­dienst auf den Lohn­an­spruch an­rech­nen las­sen, den er ge­gen sei­nen al­ten Ar­beit­ge­ber hat?

Über die­se Fra­ge hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg in ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil ent­schie­den, in dem es um ei­ne wi­der­ruf­li­che Frei­stel­lung ging: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 20.04.2007, 6 Sa 162/07.

Ist Zwi­schen­ver­dienst an­zu­rech­nen, wenn der Ar­beit­neh­mer "un­ter Fort­zah­lung der Vergütung" bis zum Ver­trags­en­de frei­ge­stellt wird?

Strei­ten die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en im Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren über die Wirk­sam­keit ei­ner vom Ar­beit­ge­ber aus­ge­spro­che­nen frist­lo­sen Kündi­gung und ei­ni­gen sie sich dann recht bald nach Aus­spruch der Kündi­gung und Kla­ge­er­he­bung per Ver­gleich auf die frist­ge­rech­te Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, so lie­gen oft noch ei­ni­ge Wo­chen oder Mo­na­te zwi­schen ei­ner sol­chen gütli­chen Ei­ni­gung und dem Ar­beits­ver­trags­en­de.

Dann enthält der Ver­gleich meist auch die Frei­stel­lung des Ar­beit­neh­mers von der Ar­beit bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist.

We­der der Ar­beit­ge­ber noch der Ar­beit­neh­mer ha­ben nämlich un­ter sol­chen Umstände ein In­ter­es­se dar­an, dass die Ar­beit noch ein­mal auf­ge­nom­men wird:

Der Ar­beit­ge­ber hat in sol­chen Fällen zu­meist be­triebs­in­tern be­reits mit­ge­teilt, dass der Ar­beit­neh­mer „draußen ist“, so dass die - auch nur vorüber­ge­hen­de - Auf­nah­me der Ar­beits­leis­tung mit ei­nem Ge­sichts­ver­lust ver­bun­den wäre. Und der Ar­beit­neh­mer hat viel­leicht schon ei­ne neue An­stel­lung ge­fun­den, je­den­falls aber we­nig Lust, den Be­trieb nach dem mit ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung zu­meist ein­her­ge­hen­den Zerwürf­nis noch ein­mal zu be­tre­ten.

Frag­lich ist, ob sich der Ar­beit­neh­mer auf den Lohn­an­spruch, den er für die Zeit bis zu sei­nem Aus­schei­den hat, den bei ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber er­ziel­ten Zwi­schen­ver­dienst an­rech­nen las­sen muss.

Ei­ne sol­che An­rech­nung ist im Ge­setz für den Fall vor­ge­se­hen, in de­nen sich der Ar­beit­ge­ber mit der An­nah­me der Ar­beits­leis­tung in Ver­zug be­fin­det (§ 615 Satz 2 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB, § 11 Kündi­gungs­schutz­ge­setz - KSchG). Mit dem Fall des An­nah­me­ver­zugs ist ei­ne ein­ver­nehm­li­che Frei­stel­lung bis zum Ver­trags­en­de aber mögli­cher­wei­se nicht ver­gleich­bar.

Über die­se Fra­ge hat­te das LAG Ber­lin-Bran­den­burg mit Ur­teil vom 20.04.2007 (6 Sa 162/07) zu ent­schei­den.

Der Streit­fall: Ar­beit­neh­mer ei­nigt sich im Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren auf wi­der­ruf­li­che Frei­stel­lung un­ter Fort­zah­lung des Ge­halts bis zum Aus­schei­den

Im Streit­fall hat­te der Ar­beit­ge­ber ei­nem lan­ge Zeit beschäftig­ten Kraft­fah­rer frist­los gekündigt. Die Kündi­gung wur­de am 20.02.2006 aus­ge­spro­chen, wor­auf­hin der Ar­beit­neh­mer Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­hob.

Ei­ni­ge Mo­na­te später, nämlich am 11.05.2006, ver­ein­bar­ten die Par­tei­en vor dem Ar­beits­ge­richt ei­nen Pro­zess­ver­gleich, dem­zu­fol­ge das Ar­beits­verhält­nis frist­ge­recht, d.h. auf­grund der lan­gen Beschäfti­gungs­dau­er des Ar­beit­neh­mers am 31.07.2006 en­den soll­te. Für die knapp drei Mo­na­te bis da­hin war im Ver­gleich fol­gen­des ge­re­gelt:

„Die Be­klag­te stellt den Kläger un­ter Fort­zah­lung der Vergütung und un­ter An­rech­nung et­wai­gen noch nicht ab­ge­rech­ne­ten Ur­laubs und Übe­r­ar­beit von der Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung wi­der­ruf­lich ab so­fort bis zum o.g. Be­en­di­gungs­zeit­punkt frei.“

Be­reits bei Ab­schluss des Ver­gleichs hat­te der Ar­beit­neh­mer ei­ne neue An­stel­lung ge­fun­den und er­hielt auf die­ser Grund­la­ge ei­nen Zwi­schen­ver­dienst.

Da die Ein­zel­hei­ten der wei­te­ren Ver­trags­ab­wick­lung im Ver­gleich nicht ge­re­gelt wa­ren, strit­ten sich die Par­tei­en in ei­nem Fol­ge­pro­zess um die Fra­ge, ob dem Ar­beit­neh­mer auf­grund des Ver­gleichs der vol­le Lohn­an­spruch vom 11.05.2006 bis zum 31.07.2006 zustünde – oder ob er sich den Zwi­schen­ver­dienst aus sei­nem neu­en Ar­beits­verhält­nis an­rech­nen las­sen müss­te.

LAG Ber­lin-Bran­den­burg: Bei wi­der­ruf­li­cher Frei­stel­lung kei­ne An­wen­dung von § 615 BGB und da­her kei­ne An­rech­nung von Zwi­schen­ver­dienst

Das LAG Ber­lin-Bran­den­burg ent­schied - wie schon das erst­in­stanz­lich an­ge­ru­fe­ne Ar­beits­ge­richt Frank­furt (Oder) - zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers. Zur Be­gründung heißt es:

Wird in ei­nem Pro­zess­ver­gleich die wi­der­ruf­li­che Frei­stel­lung des Ar­beit­neh­mers un­ter Fort­zah­lung sei­ner Bezüge bis zum En­de sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ver­ein­bart, braucht sich der Ar­beit­neh­mer an­der­wei­ti­gen Ver­dienst nicht an­rech­nen zu las­sen, falls im Ver­gleich nichts an­de­res ge­re­gelt ist.

Al­ler­dings müss­te er ja auf ei­ne Auf­for­de­rung des Ar­beit­ge­bers hin sei­ne Tätig­keit bei die­sem auch wie­der auf­neh­men. Da es zu ei­ner sol­chen Ar­beits­auf­for­de­rung im vor­lie­gen­den Fall nicht ge­kom­men ist, konn­te der Ar­beit­ge­ber aus der Tat­sa­che, dass der Ar­beit­neh­mer ei­nen Zwi­schen­ver­dienst be­zog, nach An­sicht des LAG kei­ne Ein­wen­dun­gen ge­gen den Lohn­an­spruch des Ar­beit­neh­mers her­lei­ten.

Fa­zit: Der Lohn­an­spruch ei­nes wi­der­ruf­lich frei­ge­stell­ten Ar­beit­neh­mers folgt un­mit­tel­bar aus Ar­beits­ver­trag bzw. aus dem Pro­zess­ver­gleich, mit dem das Ar­beits­verhält­nis für sei­ne Rest­lauf­zeit in­halt­lich um­ge­stal­tet wird. Er er­gibt sich nicht aus der ge­setz­li­chen Vor­schrift über die Vergütung während ei­nes An­nah­me­ver­zugs des Ar­beit­ge­bers (§ 615 Satz 1 BGB). Auf­grund der (wi­der­ruf­li­chen) Frei­stel­lung be­fin­det sich der Ar­beit­ge­ber nämlich ge­ra­de nicht im Ver­zug mit der An­nah­me der Ar­beits­leis­tung.

Da die vom LAG Ber­lin-Bran­den­burg ent­schie­de­ne Fra­ge grundsätz­li­che Be­deu­tung hat, hat es die Re­vi­si­on zum Bun­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­sen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 19. Mai 2016

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de