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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/196

Be­trieb­li­che Übung und Be­triebs­ren­te

Be­triebs­übung kann auch im öf­fent­li­chen Dienst An­sprü­che auf Be­triebs­ren­te be­grün­den: Lan­des­bank muss Ar­beit­neh­mern Ver­sor­gungs­ver­trä­ge an­bie­ten: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 15.05.2012, 3 AZR 128/11
Sparschwein mit Aufschrift Altersvorsorge Be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung soll­te kei­ne Ver­güns­ti­gung "nach Guts­her­ren­art" sein

16.05.2012. Ar­beits­ver­trag­li­che An­sprü­che kön­nen sich nicht nur aus dem Ar­beits­ver­trag er­ge­ben. Sie kön­nen auch "still­schwei­gend" durch ein ver­trau­ens­er­we­cken­des Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers be­grün­det wer­den. So et­was kommt be­son­ders oft bei wie­der­hol­ten Son­der­zah­lun­gen vor wie z.B. der Ge­wäh­rung ei­nes Weih­nachts­gel­des oder ei­nes Ur­laubs­gel­des. Man spricht dann von ei­ner be­trieb­li­chen Übung.

Um das un­ge­woll­te Ent­ste­hen von An­sprü­chen auf­grund ei­ner Be­triebs­übung zu ver­hin­dern, si­chern sich Ar­beit­ge­ber in ih­ren Ar­beits­ver­trags­klau­seln oft durch Frei­wil­lig­keits­vor­be­hal­te ab. Sie be­sa­gen, dass Ar­beit­neh­mer auf ver­trag­lich nicht aus­drück­lich ge­re­gel­te Leis­tun­gen kei­nen An­spruch ha­ben sol­len, auch wenn sol­che Leis­tun­gen mehr­fach er­bracht wer­den soll­ten. Au­ßer­dem konn­ten sich öf­fent­li­che Ar­beit­ge­ber bis­lang dar­auf ver­las­sen, dass die Ge­rich­te in den meis­ten Fäl­len ge­gen das Vor­lie­gen von Be­triebs­übun­gen im öf­fent­li­chen Dienst ent­schie­den hat­ten.

In ei­nem Ur­teil vom gest­ri­gen Diens­tag hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) aber ge­gen die­sen Trend ent­schie­den, d.h. es hat ei­ne Be­triebs­übung zu­guns­ten ei­nes An­ge­stell­ten der Baye­ri­schen Lan­des­bank an­ge­nom­men: BAG, Ur­teil vom 15.05.2012, 3 AZR 128/11.

Sind öffent­li­che Ar­beit­ge­ber vor Ansprüchen aus Be­triebsübun­gen ge­ne­rell geschützt?

Wie erwähnt können sich Ansprüche des Ar­beit­neh­mers nicht nur aus ei­nem aus­drück­li­chen (schrift­li­chen) Ver­trag er­ge­ben, son­dern auch durch tatsächli­che Vergüns­ti­gun­gen, die der Ar­beit­ge­ber über länge­re Zeit hin­weg "still­schwei­gend" gewährt. Das klas­si­che Bei­spiel für ei­ne sol­che Be­triebsübung ist ein Weih­nachts­geld, das der Ar­beit­ge­ber drei Jah­re lang hin­ter­ein­an­der kom­men­tar­los gewährt. In ei­nem sol­chen Fall darf der Ar­beit­neh­mer dar­auf ver­trau­en, dass er das Geld auch künf­tig er­hal­ten wird.

Aber auch Ansprüche auf ei­ne be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung können sich aus ei­ner Be­triebsübung er­ge­ben, wenn der Ar­beit­ge­ber über vie­le Jah­re hin­weg al­len Ar­beit­neh­mern un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen ei­ne Be­triebs­ren­ten­ver­ein­ba­rung an­bie­tet.

Frag­lich ist al­ler­dings, ob das auch für öffent­li­che Ar­beit­ge­ber gilt. Strei­ten öffent­li­che Dienst­her­ren mit ih­ren Ar­beit­neh­mern vor Ge­richt über Ansprüche aus ei­ner Be­triebsübung, lau­tet das Ar­beit­ge­ber­ar­gu­ment im­mer, dass im öffent­li­chen Dienst der haus­halts­recht­li­che Grund­satz der Spar­sam­keit gilt. Soll heißen, dass der öffent­li­che Ar­beit­ge­ber sei­nen Ar­beit­neh­mern im­mer nur die­je­ni­gen Leis­tun­gen gewähren kann, auf die ein kla­rer Rechts­an­spruch be­steht, sei es aus Ar­beits­ver­trag oder aus Ta­rif­ver­trag.

Für das Ent­ste­hen ei­ner Be­triebsübung ist dann "kein Raum" - oder et­wa doch?

BAG: An­spruch auf ei­ne Be­triebs­ren­ten­ver­ein­ba­rung kann sich auch im öffent­li­chen Dienst aus ei­ner Be­triebsübung er­ge­ben

In dem vom BAG ent­schie­de­nen Fall ging es um ei­nen 1960 ge­bo­re­nen An­ge­stell­ten der Baye­ri­schen Lan­des­bank, der seit An­fang 1990 bei der Bank beschäftigt war. Die Bank prak­ti­zier­te seit 1972 ei­ne be­trieb­li­che Übung, der zu­fol­ge Ar­beit­neh­mern nach ei­ner 20jähri­gen Tätig­keit im Kre­dit­ge­wer­be, von de­nen min­des­tens zehn Jah­re bei der Lan­des­bank zurück­ge­legt sein muss­ten, der Ab­schluss ei­ner Be­triebs­ren­ten­ver­ein­ba­rung an­ge­bo­ten wur­de, falls noch ei­ni­ge wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen erfüllt wa­ren (gu­te Be­ur­tei­lung, gu­te ge­sund­heit­li­che Ver­fas­sung). Der An­ge­stell­te erfüll­te die­se Vor­aus­set­zun­gen am 01.01.2010 und ver­lang­te den Ab­schluss ei­nes Ver­sor­gungs­ver­trags, die Bank lehn­te ab.

Der An­ge­stell­te klag­te dar­auf­hin und hat­te vor das Ar­beits­ge­richt München (Ur­teil vom 15.04.2010, 22 Ca 15571/09) und vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) München Er­folg (Ur­teil vom 21.12.2010, 9 Sa 484/10). Denn al­le von Bank vor­ge­brach­ten Ar­gu­men­te zo­gen nicht: Der ar­beits­ver­trag­li­che Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt war zu pau­schal, und an der be­ste­hen­den Be­triebsübung muss­te sich die Lan­des­bank trotz des Spar­sam­keits­grund­sat­zes fest­hal­ten las­sen, da sie hier Leis­tun­gen gewähr­te, die nicht ta­rif­lich ge­re­gelt wa­ren. Noch nicht ein­mal ei­ne Per­so­nal­ver­ein­ba­rung zum The­ma Al­ters­ver­sor­gung, die aus­drück­lich ei­ne Kann-Be­stim­mung ent­hielt, ver­half der Bank zum Er­folg.

Die­sen Ent­schei­dun­gen hat sich das BAG ges­tern an­ge­schlos­sen und eben­falls zu­guns­ten des Bank­an­ge­stell­ten ge­ur­teilt. Die Gründe für die­se Ent­schei­dung ge­hen aus der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mit­tei­lung des BAG nicht her­vor, aber auf­grund der vie­len von der Bank vor­ge­brach­ten Ar­gu­men­te ist be­reits das Er­geb­nis be­mer­kens­wert.

Fa­zit: Öffent­li­che Ar­beit­ge­ber wer­den sich dar­auf ein­stel­len müssen, künf­tig öfter als bis­her an be­trieb­li­chen Übun­gen fest­ge­hal­ten zu wer­den. Dies gilt je­den­falls dann, wenn es um Leis­tun­gen geht, die nicht ta­rif­ver­trag­lich klar und ab­sch­ließend fest­ge­legt sind.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 5. Juni 2020

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