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LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Ur­teil vom 18.01.2011, 5 Sa 239/10

   
Schlagworte: Aufhebungsvertrag, Abwicklungsvertrag, Abfindung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Aktenzeichen: 5 Sa 239/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.01.2011
   
Leitsätze:

1. Schließen die Parteien des Arbeitsvertrages anlässlich einer bereits ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung eine Auflösungsvereinbarung, in der die Einzelheiten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geregelt sind, ist diese Vereinbarung aus sich heraus auszulegen. Ist dort die Abfindungszahlung unter den Vorbehalt gestellt, dass der Arbeitnehmer nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erhebt, kann man nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass die Parteien eine Regelung gewollt haben, die der Regelung in § 1a KSchG entspricht.

2. Im Geltungsbereich von § 1a KSchG ist die Erhebung der Kündigungsschutzklage nach Ablauf von 3 Wochen anspruchsvernichtend, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit die Rechtsbehauptung aufstellt, die Klage sei noch rechtzeitig erhoben worden oder wenn er die nachträgliche Zulassung der Klage beantragt (wie BAG 20. August 2009 - 2 AZR 267/08 - AP Nr. 9 zu § 1a KSchG 1969 = NZA 2009, 1197 = DB 2009, 2497). Erhebt er verspätet Kündigungsschutzklage und macht er gleichzeitig außergerichtlich dem Arbeitgeber deutlich, dass es ihm mit der Klage nur um einen Vergleichsabschluss vor Gericht zur Titulierung seiner Abfindungsforderung gehe, verliert er seinen Abfindungsanspruch nicht.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Rostock, Urteil vom 6.07.2010, 3 Ca 584/10
   

Te­nor

1. Die Be­ru­fung wird auf Kos­ten der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en hat ehe­mals ein Ar­beits­verhält­nis ver­bun­den. Sie strei­ten nun noch um die Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung aus An­lass der Be­en­di­gung ih­rer Zu­sam­men­ar­beit.

Der 1974 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te, zwei Kin­dern zum Un­ter­halt ver­pflich­te­te und rechts­schutz­ver­si­cher­te Kläger war seit April 1999 bei der Be­klag­ten, ei­nem Un­ter­neh­men der Woh­nungs­wirt­schaft, zunächst als Woh­nungs­ver­wal­ter, zu­letzt als Ab­tei­lungs­lei­ter Fi­nan­zie­rung beschäftigt. Er hat zu­letzt ein mo­nat­li­ches Brut­to­ge­halt in Höhe von 5.600,00 Eu­ro be­zo­gen.

Mit Schrei­ben vom 30. Sep­tem­ber 2009, zu­ge­gan­gen am 02.10.2009, kündig­te die Be­klag­te das mit dem Kläger be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis frist­gemäß zum 31. März 2010. In der Kündi­gung heißt es aus­zugs­wei­se wört­lich:

"... hier­mit kündi­gen wir das mit Ih­nen be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis frist­gemäß zum 31. März 2010 aus be­triebs­be­ding­ten Gründen.

[Der Kläger] erhält ei­ne ver­erb­li­che Ab­fin­dung in Höhe von 42.593,05 Eu­ro (brut­to), die am 31. März 2010 fällig wird. Er kann die Sum­me nur be­an­spru­chen, wenn er ge­gen die Kündi­gung in­ner­halb von 3 Wo­chen nach Zu­gang kei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­hebt. ..."

Zwi­schen den Par­tei­en wur­de außer­dem im zeit­li­chen Zu­sam­men­hang mit dem Aus­spruch der Kündi­gung ei­ne un­da­tier­te schrift­li­che Ver­ein­ba­rung (im Fol­gen­den als Be­gleit­ver­ein­ba­rung be­zeich­net) ge­schlos­sen, in der es aus­zugs­wei­se wört­lich heißt:

"... Das be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis en­det mit ei­ner be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung zum 31. März 2010.

[Der Kläger] wird un­verzüglich wi­der­ruf­lich bis zum 31. März 2010 von der Ar­beit frei­ge­stellt un­ter An­rech­nung von Ur­laubs­ansprüchen und un­ter Wei­ter­zah­lung der mo­nat­li­chen ar­beits­ver­trags­gemäßen Bezüge so­wie Zah­lung des Weih­nachts- und Ur­laubs­gel­des.

...

[Der Kläger] erhält ei­ne ver­erb­li­che Ab­fin­dung in Höhe von 42.593,05 € (brut­to), die am 31. März 2010 fällig wird. Er kann die Sum­me nur be­an­spru­chen, wenn er ge­gen die Kündi­gung in­ner­halb von 3 Wo­chen nach Zu­gang kei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­hebt. ..."

Am 16. Ok­to­ber 2009 te­le­fo­nier­te der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te des Klägers mit dem Geschäftsführer der Be­klag­ten mit dem Ziel, den In­halt der Ver­ein­ba­rung, ins­be­son­de­re die Ab­fin­dung, ge­richt­lich ti­tu­lie­ren zu las­sen. Wort­wahl und Ton­la­ge des Gespräches sind strei­tig, je­den­falls ver­wies der Geschäftsführer der Be­klag­ten den Pro­zess­ver­tre­ter des Klägers an sei­ne Per­so­nal­ab­tei­lung.

Dar­auf­hin kam es am 19. Ok­to­ber 2009 zu ei­nem Te­le­fo­nat zwi­schen dem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers und der Per­so­nal­lei­te­rin der Be­klag­ten, Frau R.

Un­strei­tig trug der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te des Klägers auch hier sei­nen Wunsch vor, die Ab­spra­chen aus der Be­gleit­ver­ein­ba­rung ge­richt­lich ti­tu­lie­ren zu las­sen; er be­rich­te­te da­zu auch von sei­nem Plan, ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge zu er­he­ben, um in die­sem Ver­fah­ren dann ei­nen Ver­gleich auf Ba­sis der Ab­spra­chen aus der Be­gleit­ver­ein­ba­rung an­zu­stre­ben. Strei­tig ist zwi­schen den Par­tei­en al­ler­dings, ob die Per­so­nal­lei­te­rin die­ses Vor­ge­hen ge­bil­ligt hat.

Dar­auf­hin hat der Kläger dann Kündi­gungs­schutz­kla­ge mit Ein­gang beim Ar­beits­ge­richt am 30.10.2009 er­ho­ben. Die Kla­ge wur­de der Be­klag­ten am 5. No­vem­ber 2009 gleich­zei­tig mit der La­dung zum Güte­ter­min am 19. No­vem­ber 2009 (später um­ge­la­den auf den 10. De­zem­ber 2009) zu­ge­stellt. Am 10. No­vem­ber 2009 über­sand­te der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te des Klägers der Be­klag­ten außer­ge­richt­lich ein Schrei­ben, dem ein Ent­wurf ei­nes an das Ar­beits­ge­richt ge­rich­te­ten Schrei­bens bei­gefügt war, mit dem das Ar­beits­ge­richt ge­be­ten wer­den soll­te, das Zu­stan­de­kom­men ei­nes dort näher aus­for­mu­lier­ten Ver­gleich im Ver­fah­ren nach § 278 Ab­satz 6 ZPO fest­zu­stel­len. In dem zur Ver­sen­dung an das Ge­richt vor­ge­se­he­nen Schrei­ben heißt es aus­zugs­wei­se wört­lich:

"... tei­le ich mit, dass sich die Par­tei­en zwi­schen­zeit­lich außer­ge­richt­lich ge­ei­nigt ha­ben.

Vor die­sem Hin­ter­grund wird ge­be­ten, den am 19.11.2009 um 14.00 Uhr an­be­raum­ten Ver­hand­lungs­ter­min auf­zu­he­ben.

Gleich­zei­tig wird ge­be­ten, den nach­fol­gen­den Ver­gleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO im Be­schluss­we­ge wie folgt zu pro­to­kol­lie­ren:

1. Die Par­tei­en sind sich darüber ei­nig, dass das zwi­schen ih­nen be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis

auf Grund or­dent­li­cher, frist­ge­rech­ter, be­triebs­be­ding­ter Kündi­gung zum 31.03.2010 be­en­det wird.

2. Die Be­klag­te ver­pflich­tet sich, an den Kläger für den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes ei­ne ver­erb­li­che Ab­fin­dung in Höhe von 42.593,05 Eu­ro (brut­to) zu zah­len. Die Ab­fin­dung wird am 31.03.2010 zur Zah­lung fällig.

3. Der Kläger wird mit so­for­ti­ger Wir­kung un­ter An­rech­nung von Ur­laubs­ansprüchen und un­ter Wei­ter­zah­lung der mo­nat­li­chen, ar­beits­ver­trags­gemäßen Bezüge so­wie Zah­lung des Weih­nachts- und Ur­laubs­gel­des bis zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses am 31.03.2010 wi­der­ruf­lich von sei­ner Ver­pflich­tung zur Ar­beits­leis­tung frei­ge­stellt.

4. Die Be­klag­te ver­pflich­tet sich, die Ab­mah­nung vom 14.08.2009 aus der Per­so­nal­ak­te des Klägers zu ent­fer­nen und die dar­in ge­genüber dem Kläger er­ho­be­nen Vorwürfe nicht wei­ter auf­recht zu er­hal­ten.

5. Die Be­klag­te ver­pflich­tet sich, dem Kläger ein wohl­wol­len­des, qua­li­fi­zier­tes Zwi­schen­zeug­nis so­wie zum 31.03.2010 ein wohl­wol­len­des, qua­li­fi­zier­tes Schluss­zeug­nis zu er­tei­len.

6. Der Kläger ver­pflich­tet sich, an die Be­klag­te al­le ihr gehören­den Ge­genstände, Un­ter­la­gen und Da­tenträger bis spätes­tens 30.11.2009 zurück­zu­ge­ben, auch wenn die­se zum Teil im pri­va­ten Ei­gen­tum des Klägers ste­hen.

7. Der Kläger ver­pflich­tet sich, über das En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses hin­aus über be­triebs­in­ter­ne An­ge­le­gen­hei­ten ge­genüber Drit­ten Still­schwei­gen zu be­wah­ren.

8. Mit der Erfüllung die­ses Ver­gleichs sind sämt­li­che Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis und des­sen Be­en­di­gung, sei­en sie zum jet­zi­gen Zeit­punkt er­kenn­bar oder nicht, ab­ge­gol­ten und er­le­digt. Die Par­tei­en er­tei­len sich in­so­weit Ge­ne­ral­quit­tung.

Das Ge­richt wird ge­be­ten, die Zu­stim­mung der Be­klag­ten zu dem vor­lie­gen­den Ver­gleichs­ab­schluss ein­zu­ho­len. ..."

Auf das An­schrei­ben der Kläger­sei­te re­agier­te die Be­klag­te außer­ge­richt­lich mit Fax vom 12. No­vem­ber 2009, 14:44 Uhr, in dem es aus­zugs­wei­se wört­lich heißt: "... das Schrei­ben an das Ar­beits­ge­richt kann un­verändert ab­ge­schickt wer­den. Ände­rungs- und Ergänzungswünsche be­ste­hen nicht. ..."

Nur kur­ze Zeit später um 15:28 Uhr am sel­ben Tag hat die Be­klag­te dann noch­mals an den Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers ein Fax ab­ge­setzt, in dem die Be­klag­te erklärt, bei dem kur­ze Zeit zu­vor ab­ge­setz­ten Fax ha­be es sich um "ein Büro­ver­se­hen" ge­han­delt. In Wahr­heit ha­be man das bei­gefügte Schrei­ben ab­set­zen wol­len. In dem bei­gefügten Schrei­ben heißt es dann aus­zugs­wei­se: "... wir be­zie­hen uns auf Ihr Schrei­ben vom 10.11.2009. Ei­nem vor dem Ar­beits­ge­richt zu pro­to­kol­lie­ren­dem Ver­gleich wer­den wird nicht zu­stim­men. ..."

Zwei Ta­ge später hat dann die Be­klag­te bei Ge­richt be­an­tragt, die Kündi­gungs­schutz­kla­ge ab­zu­wei­sen.

Am 10. De­zem­ber 2009 fand die Güte­ver­hand­lung zu der Kündi­gungs­schutz­kla­ge statt. Die ein­zel­nen Aus­sa­gen der Par­tei­en während des Güte­ter­mins sind strei­tig. Letzt­lich be­an­trag­ten bei­de Par­tei­en, das Ru­hen des Ver­fah­rens an­zu­ord­nen, was dann auch er­folgt ist.

Mo­na­te später hat der Kläger am 13. April 2010 dann er­neut ei­ne Kla­ge ge­gen die Be­klag­te er­ho­ben (vor­lie­gen­der Rechts­streit) und da­zu an­fangs fol­gen­de Anträge an­gekündigt:

"1. Es wird fest­ge­stellt, dass zwi­schen dem Kläger und der Be­klag­ten nach­fol­gen­der Ver­gleich zu Stan­de ge­kom­men ist:

1. Die Par­tei­en sind sich darüber ei­nig, dass das zwi­schen ih­nen be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis auf Grund or­dent­li­cher, frist­ge­rech­ter, be­triebs­be­ding­ter Kündi­gung zum 31.03.2010 be­en­det wird.

2. Die Be­klag­te ver­pflich­tet sich, an den Kläger für den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes ei­ne ver­erb­li­che Ab­fin­dung in Höhe von 42.593,05 Eu­ro (brut­to) zu zah­len. Die Ab­fin­dung wird am 31.03.2010 zur Zah­lung fällig.

3. Der Kläger wird mit so­for­ti­ger Wir­kung un­ter An­rech­nung von Ur­laubs­ansprüchen und un­ter Wei­ter­zah­lung der mo­nat­li­chen, ar­beits­ver­trags­gemäßen Bezüge so­wie Zah­lung des Weih­nachts- und Ur­laubs­gel­des bis zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses am 31.03.2010 wi­der­ruf­lich von sei­ner Ver­pflich­tung zur Ar­beits­leis­tung frei­ge­stellt.

4. Die Be­klag­te ver­pflich­tet sich, die Ab­mah­nung vom 14.08.2009 aus der Per­so­nal­ak­te des Klägers zu ent­fer­nen und die dar­in ge­genüber dem Kläger er­ho­be­nen Vorwürfe nicht wei­ter auf­recht zu er­hal­ten.

5. Die Be­klag­te ver­pflich­tet sich, dem Kläger ein wohl­wol­len­des, qua­li­fi­zier­tes Zwi­schen­zeug­nis so­wie zum 31.03.2010 ein wohl­wol­len­des, qua­li­fi­zier­tes Schluss­zeug­nis zu er­tei­len.

6. Der Kläger ver­pflich­tet sich, an die Be­klag­te al­le ihr gehören­den Ge­genstände, Un­ter­la­gen und Da­tenträger bis spätes­tens 30.11.2009 zurück­zu­ge­ben, auch wenn die­se zum Teil im pri­va­ten Ei­gen­tum des Klägers ste­hen.

7. Der Kläger ver­pflich­tet sich, über das En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses hin­aus über be­triebs­in­ter­ne An­ge­le­gen­hei­ten ge­genüber Drit­ten Still­schwei­gen zu be­wah­ren.

8. Mit der Erfüllung die­ses Ver­gleichs sind sämt­li­che Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis und des­sen Be­en­di­gung, sei­en sie zum jet­zi­gen Zeit­punkt er­kenn­bar oder nicht, ab­ge­gol­ten und er­le­digt. Die Par­tei­en er­tei­len sich in­so­weit Ge­ne­ral­quit­tung.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von 42.539,05 Eu­ro (brut­to) nebst hier­auf ent­fal­len­der Ver­zugs­zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­weils gülti­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 01.04.2010 zu zah­len."

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kündi­gungs­schutz­kla­ge mit dem vor­lie­gen­den Rechts­streit ver­bun­den und ent­spre­chend des zu­letzt al­lein noch ge­stell­ten Zah­lungs­an­trags des Klägers mit Ur­teil vom 6. Ju­li 2010 in der Haupt­sa­che wie folgt ge­ur­teilt:

"Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von 42.593,05 Eu­ro (brut­to) nebst hier­auf ent­fal­len­der Ver­zugs­zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit 1. April 2010 zu zah­len."

Auf die­ses Ur­teil wird we­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des vor dem Ar­beits­ge­richt Be­zug ge­nom­men.

Mit der recht­zei­tig ein­ge­leg­ten und recht­zei­tig be­gründe­ten Be­ru­fung ver­folgt die Be­klag­te ihr Ziel der Klag­ab­wei­sung wei­ter.

Die Be­klag­te meint, der kläge­ri­sche An­spruch las­se sich nicht auf § 1a KSchG stützen, da der Kläger Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben ha­be. Der An­spruch las­se sich aber auch nicht auf die nicht da­tier­te Be­gleit­ver­ein­ba­rung stützen, da die­se ne­ben dem Ab­fin­dungs­ver­spre­chen im Kündi­gungs­schrei­ben selbst kei­ne ei­genständi­ge Be­deu­tung ha­be. Die sich dar­aus mögli­cher­wei­se er­ge­ben­den Ansprüche teil­ten das Schick­sal der Ansprüche aus § 1a KSchG.

Auch in Zu­sam­men­hang mit den te­le­fo­ni­schen Bemühun­gen des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers im No­vem­ber 2009, die Be­klag­te da­zu zu ge­win­nen, pro for­ma ei­nen Kündi­gungs­schutz­rechts­streit zu führen, sei es nicht zu ei­ner rechts­geschäft­li­chen Ab­re­de ge­kom­men, nach der An­spruch auf die Ab­fin­dung trotz Kla­ge­er­he­bung be­ste­hen blei­ben soll­te.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das am 6. Ju­li 2010 verkünde­te Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ros­tock zum Ak­ten­zei­chen 3 Ca 584/10 ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt, die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Der Kläger ver­tei­digt das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil. Er bleibt auch bei sei­ner Be­haup­tung, er ha­be der Per­so­nal­lei­te­rin Frau R. in dem Te­le­fo­nat am 19. No­vem­ber erklärt, dass mit der Um­set­zung sei­nes Pla­nes zur Ti­tu­lie­rung der Ansprüche kein Auf­wand auf Sei­ten der Be­klag­ten ver­bun­den sei. Nie­mand müsse zu Ge­richt ge­hen und es wer­de kei­ne Ge­richts­ver­hand­lung ge­ben, da der Ver­gleich im schrift­li­chen Ver­fah­ren durch Be­schluss schon vor der Güte­ver­hand­lung zu­stan­de kom­men würde. Sein Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter ha­be Frau R. aus­drück­lich erklärt, dass sie kei­ner­lei Auf­wand ha­ben würde und er - der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te des Klägers - al­le er­for­der­li­chen Schrit­te ver­an­las­sen würde. Dar­auf­hin ha­be sich Frau R. mit der be­ab­sich­tig­ten Vor­ge­hens­wei­se ein­ver­stan­den erklärt. Dass Frau R. mit dem Vor­ge­hen ein­ver­stan­den erklärt ha­be, er­ge­be ich im Übri­gen in­di­rekt auch aus dem In­halt des ers­ten und später wi­der­ru­fe­nen Fa­xes vom 12. No­vem­ber 2009.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach­vor­tra­ges der Par­tei­en wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie auf das Pro­to­koll der münd­li­chen Ver­hand­lung Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung ist nicht be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat zu­recht er­kannt, dass der Kläger ei­nen ver­trag­li­chen An­spruch auf Zah­lung der strei­ti­gen Ab­fin­dung hat.

I. Der Kläger hat ei­nen An­spruch aus der nicht da­tier­ten Be­gleit­ver­ein­ba­rung der Par­tei­en, die in zeit­li­chem Zu­sam­men­hang mit dem Aus­spruch der Kündi­gung ent­stan­den ist. Nach die­ser Be­gleit­ver­ein­ba­rung steht dem Kläger ei­ne Ab­fin­dung in der zu­ge­spro­che­nen Höhe als Brut­to­be­trag zu. Der An­spruch ist - was zwi­schen den Par­tei­en nicht in Streit steht - recht­geschäft­lich wirk­sam zu Stan­de ge­kom­men. Er ist auch nicht durch späte­re Er­eig­nis­se un­ter­ge­gan­gen.

1. Die an­spruchs­ver­nich­ten­de Ein­wen­dung der Er­he­bung der Kündi­gungs­schutz­kla­ge greift vor­lie­gend nicht ein.

In dem Text der Be­gleit­ver­ein­ba­rung heißt es in­so­weit wört­lich: "Er [der Kläger] kann die Sum­me nur be­an­spru­chen, wenn er ge­gen die Kündi­gung in­ner­halb von 3 Wo­chen nach Zu­gang kei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­hebt." Die­se Re­ge­lung schließt den An­spruch nicht aus, da der Kläger sei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge erst nach Ab­lauf von 3 Wo­chen nach Zu­gang der Kündi­gung er­ho­ben hat.

a) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten kann die For­mu­lie­rung die­ser an­spruchs­ver­nich­ten­den Ein­wen­dung nicht da­hin ver­stan­den wer­den, dass die Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge auch außer­halb der 3wöchi­gen Kla­ge­frist den An­spruch auf die Ab­fin­dungs­zah­lung un­ter­ge­hen las­sen soll­te. Es mag zwar na­he­lie­gen, dass die Par­tei­en mit der Be­gleit­ver­ein­ba­rung nur noch­mals Vor­aus­set­zun­gen und Rechts­fol­gen des­sen be­schrei­ben woll­ten, was sich oh­ne­hin aus § 1a KSchG er­gibt. An­de­rer­seits kann bei der Aus­le­gung der Be­gleit­ver­ein­ba­rung nicht un­berück­sich­tigt blei­ben, dass die Par­tei­en sich im Streit ge­trennt ha­ben. Die­ser Um­stand legt es na­he, dass die Par­tei­en mit der Be­gleit­ver­ein­ba­rung ei­ne ei­genständi­ge Grund­la­ge für al­le dort ge­re­gel­ten Mo­da­litäten der Be­en­di­gung und Ab­wick­lung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses schaf­fen woll­ten. Das liegt schon des­halb na­he, da die ver­spro­che­ne Ab­fin­dung weit ober­halb der Ab­fin­dung liegt, wie sie sich bei An­wen­dung von § 1a KSchG er­rech­nen würde. - Da die Be­klag­te die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für das Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen der rechts­ver­nich­ten­den Ein­wen­dung trägt, und sie kei­ne ein­deu­ti­gen In­di­zi­en für ih­re Deu­tung der Ver­ein­ba­rung vor­tra­gen konn­te, muss die Ent­schei­dung in­so­weit ge­gen sie er­ge­hen.

b) Aber selbst dann, wenn man sich hilfs­wei­se auf den Stand­punkt der Be­klag­ten stellt und an­nimmt, die Par­tei­en hätten in der Be­gleit­ver­ein­ba­rung re­geln wol­len, dass der ver­spro­che­ne Ab­fin­dungs­an­spruch im­mer dann un­ter­ge­hen soll, wenn auch der ana­lo­ge An­spruch aus § 1a KSchG un­ter­ge­hen würde, hätte die Be­ru­fung kei­nen Er­folg. Denn es kann nicht fest­ge­stellt wer­den, dass die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für das Nicht­ent­ste­hen des Ab­fin­dungs­an­spruchs aus § 1a KSchG vor­lie­gen. In­so­weit ist zwar rich­tig, dass das Bun­des­ar­beits­ge­richt über den Wort­laut des Ge­set­zes hin­aus­ge­hend da­zu neigt, den Ab­fin­dungs­an­spruch schon dann aus­zu­sch­ließen, wenn der Ar­beit­neh­mer über­haupt ge­gen die Kündi­gung Kla­ge er­hebt (zu­letzt noch BAG 20. Au­gust 2009 - 2 AZR 267/08 - AP Nr. 9 zu § 1a KSchG 1969 = NZA 2009, 1197 = DB 2009, 2497). Zwei Gründe spre­chen je­doch da­ge­gen, die­se Recht­spre­chung auf den vor­lie­gen­den Fall zu über­tra­gen.

Zum ei­nen un­ter­schei­det sich der Sach­ver­halt der Ent­schei­dung des BAG und der vor­lie­gen­den Sach­ver­halt in ei­nem ent­schei­den­den Punkt. Denn in dem BAG-Fall mein­te der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer, er ha­be die 3-Wo­chen-Frist für die Er­he­bung der Kündi­gungs­schutz­kla­ge aus § 4 KSchG noch ge­wahrt. Das war aus­weis­lich der Rand­num­mer 15 der Ent­schei­dungs­gründe für das Bun­des­ar­beits­ge­richt der An­lass, die Aus­sa­ge zu tref­fen, auch ei­ne nach Ab­lauf der Kla­ge­frist er­ho­be­ne Kla­ge ver­hin­de­re das Ent­ste­hen des Ab­fin­dungs­an­spruchs. Ei­ne sol­che Si­tua­ti­on liegt je­doch hier ge­ra­de nicht vor. Der Kläger hat die Kla­ge ein­fach nach Ab­lauf der Kla­ge­frist ein­ge­reicht und auch nicht die nachträgli­che Zu­las­sung der Kla­ge be­an­tragt. Er hat auch zu kei­nem Zeit­punkt den Ein­druck ver­mit­telt, als ge­he er von ei­ner recht­zei­ti­gen Kla­ger­he­bung aus. Da­mit kann die Ent­schei­dung des BAG hier nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten her­an­ge­zo­gen wer­den. Ei­ne über den kon­kre­ten Sach­ver­halt, über den das BAG ent­schie­den hat­te, hin­aus­ge­hen­de In­ter­pre­ta­ti­on der Ausführun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts schei­det nach An­sicht des er­ken­nen­den Ge­richts aus. Denn der von der Be­klag­ten dem BAG un­ter­stell­te Rechts­satz, je­de Kla­ge­er­he­bung in Zu­sam­men­hang mit ei­ner Kündi­gung sei ab­fin­dungsschädlich, würde sich er­sicht­lich so weit vom Ge­set­zes­wort­laut ent­fer­nen, dass man ihm nicht fol­gen könn­te.

Zum an­de­ren muss be­tont wer­den, dass die Be­klag­te über das Vor­ge­hen des Klägers im hie­si­gen Fall zu kei­nem Zeit­punkt im Un­kla­ren war. Auf­grund der te­le­fo­ni­schen Vor­gespräche durch den Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers wuss­te die Be­klag­te ganz ge­nau, was der Kläger mit der Kla­ge­er­he­bung be­zwe­cken woll­te. Nach Über­zeu­gung des Ge­richts soll­te die Kla­ge­er­he­bung ent­we­der nur da­zu die­nen, den be­tei­lig­ten Rechts­anwälten ei­nen at­trak­ti­ven Ho­no­raran­spruch zu ver­mit­teln, und sie soll­te je­den­falls auch da­zu die­nen, den Ab­fin­dungs­an­spruch des Klägers ti­tu­lie­ren zu las­sen, wo­zu der Kläger an­ge­sichts der Span­nun­gen aus An­lass der Tren­nung wohl An­lass sah. An­ge­sichts der Vor­ankündi­gun­gen des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers über den be­ab­sich­tig­ten Ver­gleichs­ab­schluss vor Ge­richt muss­te die Be­klag­te je­den­falls zu kei­nem Zeit­punkt befürch­ten, die aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung vor Ge­richt ver­tei­di­gen zu müssen. Das hat der Kläger in sei­ner Kla­ge auch mit hin­rei­chen­der Deut­lich­keit zum Aus­druck ge­bracht, in dem er ge­ra­de kei­nen An­trag auf nachträgli­che Zu­las­sung der Kla­ge ge­stellt hat.

II. Die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts hin­sicht­lich der Ne­ben­for­de­run­gen in Form von Zin­sen hat die Be­ru­fung nicht an­ge­grif­fen, so das kein An­lass be­steht, hier­zu wei­te­re Ausführun­gen zu ma­chen.

Das Ge­richt hat die Re­vi­si­on nicht zu­ge­las­sen, da die ge­setz­li­che Vor­aus­set­zun­gen aus § 72 ArbGG hierfür nicht ge­ge­ben sind.

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