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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/251

Be­fris­tung we­gen vor­über­ge­hen­den Be­darfs - Pro­gno­se muss ge­nau sein

"Dau­men­pei­lung" macht Be­fris­tung we­gen vor­über­ge­hen­den Be­darfs un­wirk­sam: Lan­des­ar­beits­ge­richt Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Ur­teil vom 09.06.2010, 2 Sa 32/10
Sanduhr mit rotem Sand Den Be­fris­tungs­be­darf ge­nau be­rech­nen
23.12.2010. Ar­beits­ver­trä­ge kön­nen ty­pi­scher­wei­se bis zu drei­mal für in­ner­halb ei­nes Zeit­raums von ins­ge­samt höchs­tens zwei Jah­ren oh­ne sach­li­chen Grund be­fris­tet wer­den (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Halb­satz 1 Teil­zeit­be­fris­tungs­ge­setz - Tz­B­fG). Soll das Ar­beits­ver­hält­nis län­ger dau­ern, oder hat schon ein­mal ein Ar­beits­ver­hält­nis be­stan­den, dann ist ei­ne Be­fris­tung nur noch mög­lich, wenn es für sie ei­nen sach­li­chen Grund gibt.

Was in die­sem Sin­ne ein sach­li­cher Grund ist, ist im Tz­B­fG nicht ab­schlie­ßend ge­re­gelt. Ge­nannt wer­den aber die prak­tisch häu­figs­ten Fäl­le (ver­glei­che § 14 Abs. 1 Satz 2 Tz­B­fG). Hier­zu ge­hört ins­be­son­de­re, dass "der be­trieb­li­che Be­darf an der Ar­beits­leis­tung nur vor­über­ge­hend be­steht".

Die An­for­de­run­gen an die­sen Be­fris­tungs­grund sind ver­gleich­wei­se hoch. Nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts wird hier vor­aus­ge­setzt, dass zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses mit "hin­rei­chen­der Si­cher­heit" zu er­war­ten ist, dass nach dem vor­ge­se­he­nen Ver­trags­en­de für die Be­schäf­ti­gung des An­ge­stell­ten kein Be­darf mehr be­steht.

Es muss mit an­de­ren Wor­ten ei­ne be­last­ba­re Pro­gno­se über die künf­ti­ge Ent­wick­lung des Ar­beits­an­falls mög­lich sein. Da­bei kann sich der vor­über­ge­hen­de Be­darf bei­spiels­wei­se dar­aus er­ge­ben, dass zeit­wei­se zu­sätz­li­che Ar­bei­ten an­fal­len, die mit dem Stamm­per­so­nal nicht be­wäl­tigt wer­den kön­nen oder auch dar­aus, dass sich der Ar­beits­kräf­te­be­darf künf­tig ver­rin­gern wird. In Be­tracht kom­men hier un­ter an­de­rem tech­ni­sche Neue­run­gen.

Will ein Ar­beit­ge­ber gel­tend ma­chen, dass die (zu­letzt ver­ein­bar­te) Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges un­wirk­sam ist, muss er sich eben­so wie bei ei­ner un­wirk­sa­men Kün­di­gung be­ei­len. Denn § 17 Tz­B­fG sieht für ei­ne ent­spre­chen­de Kla­ge (Ent­fris­tungs­kla­ge) ähn­lich wie § 4 Kün­di­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) ei­ne Drei­wo­chen­frist vor. Sie be­ginnt mit dem ver­ein­bar­ten En­de des be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges zu lau­fen. Ei­ne un­wirk­sa­me Be­fris­tung führt dann nicht et­wa da­zu, dass der ge­sam­te Ar­beits­ver­trag un­wirk­sam ist. Viel­mehr wird das Ar­beits­ver­hält­nis dann als un­be­fris­tet be­han­delt. Ins­be­son­de­re in Be­trie­ben für die das Kün­di­gungs­schutz­ge­setz gilt, kann dies aus Ar­beit­neh­mer­sicht hoch­in­ter­es­sant sein.

Ähn­lich dach­te of­fen­bar ei­ne Schreib­kraft in ei­nem An­fang Ju­ni 2010 vom Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Meck­len­burg-Vor­pom­mern ent­schie­de­nen Fall (Ur­teil vom 09.06.2010, 2 Sa 32/10; Vor­in­stanz: Ar­beits­ge­richt Stral­sund, Ur­teil vom 09.12.2009, 3 Ca 319/09). Sie war vom be­klag­ten Ar­beit­ge­ber von 2007 bis 2009 be­fris­tet be­schäf­tigt wor­den.

An­fang 2009 ver­ein­bar­ten bei­de ei­ne wei­te­re Ver­län­ge­rung des be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges bis En­de Ju­ni 2009, die auf den Sach­grund des vor­über­ge­hen­den Be­darfs ge­stützt wur­de.

In dem Mit­te 2009 fol­gen­den Ent­fris­tungs­pro­zess konn­te der Ar­beit­ge­ber nicht rech­ne­risch nach­voll­zieh­bar er­klä­ren, auf wel­cher Grund­la­ge er zu sei­ner Pro­gno­se über den Fort­fall des Be­darfs an der Ar­beits­kraft der Klä­ge­rin zu Be­fris­tungs­en­de ge­kom­men war. Er konn­te le­dig­lich zei­gen, dass sich durch die Um­stel­lung und Er­wei­te­rung des elek­tro­ni­schen Da­ten­aus­tauschs der Ar­beits­be­darf an Schreib­tech­nik um 35 Pro­zent ver­rin­gert hat­te. Das ent­sprach zu­gleich et­wa ei­nem Drit­tel des be­trieb­li­chen Be­darfs an der Ar­beits­kraft der Klä­ge­rin.

Eben­so wie sei­ne Vor­in­stanz ent­schied das LAG da­her zu Guns­ten der Ar­beit­neh­me­rin. Denn, so die zen­tra­le Aus­sa­ge der recht kurz ge­fass­ten Ent­schei­dung, der Sach­grund des vor­über­ge­hen­den Be­darfs setzt vor­aus, dass die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses ins­ge­samt - und nicht nur ei­nes Teils da­von - ge­recht­fer­tigt ist. Die Ent­schei­dung ist rechts­kräf­tig.

Fa­zit: Auch wenn die Leit­sät­ze des Lan­des­ar­beits­ge­richt Meck­len­burg-Vor­pom­mern kei­ne grund­le­gen­den neu­en Er­kennt­nis­se be­inhal­ten, fas­sen sie doch die der­zeit maß­ge­ben­den Grund­sät­ze für ei­ne sach­lich ge­recht­fer­tig­te Be­fris­tung we­gen vor­über­ge­hen­den Be­darfs ef­fek­tiv zu­sam­men. Zu­gleich ist der hier ent­schie­de­ne Fall - je­den­falls aus Ar­beit­ge­ber­sicht - ein schö­nes Bei­spiel da­für, dass die für die­sen Sach­grund er­for­der­li­che Pro­gno­se nicht auf die leich­te Schul­ter ge­nom­men und "über den Dau­men ge­peilt" wer­den soll­te.

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Letzte Überarbeitung: 18. Mai 2017

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