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LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Ur­teil vom 09.06.2010, 2 Sa 32/10

   
Schlagworte: Befristung: Vorübergehender Bedarf
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Aktenzeichen: 2 Sa 32/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.06.2010
   
Leitsätze: Beruft sich der Arbeitgeber zur Begründung eines befristeten Arbeitsvertrages auf den Sachgrund des vorübergehenden Bedarfs nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG, so muss er die Voraussetzungen für das Vorliegen der tatsächlichen Grundlagen seiner Prognose im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Rechtsstreit darlegen. Aus dem Vortrag muss sich rechnerisch nachvollziehbar ergeben, dass die Arbeitsleistung des befristet eingestellten Arbeitnehmers nach Befristungsablauf voraussichtlich nicht mehr benötigt wird.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stralsund, Urteil vom 9.12.2009, 3 Ca 319/09
   

Te­nor

I. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

II. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Rechtmäßig­keit ei­ner Be­fris­tung.

Die Kläge­rin ist bei der Be­klag­ten seit dem 01.02.2007 beschäftigt. Zu­letzt ver­ein­bar­ten die Par­tei­en un­ter dem 12.01.2009 ei­ne Verlänge­rung des be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges bis zum 31.07.2009 (Blatt 11 d. A.). Auf ei­ne ent­spre­chen­de Kla­ge hin hat das Ar­beits­ge­richt Stral­sund mit Ur­teil vom 9. De­zem­ber 2009 - 3 Ca 319/09 - fest­ge­stellt, dass die Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses un-wirk­sam ist und das Ar­beits­verhält­nis über den 31.07.2009 hin­aus fort­be­steht. In den Gründen hat es aus­geführt, die Be­fris­tung bis zum 31.07.2009 ha­be ei­nes sach­li­chen Grun­des be­durft. Ein Sach­grund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Tz­B­fG sei zu ver­nei­nen. Die Be­klag­te ha­be die tatsächli­chen Grund­la­gen ei­ner Pro­gno­se da­hin­ge­hend, dass nur ein vorüber­ge­hen­der Be­darf an der Ar­beits­leis­tung der Kläge­rin be­stand, nicht dar­ge­legt. Aus ih­rem Vor­trag sei nicht mit hin­rei­chen­der Si­cher­heit er­sicht­lich, dass nach dem ver­ein­bar­ten Ver­trags­en­de das Ar­beits­pen­sum wie­der mit dem un­be­fris­tet beschäftig­ten Stamm­per­so­nal er­le­digt wer­den könne. Es sei nicht er-sicht­lich, in wel­chem Um­fang durch die Um­stel­lung und Er­wei­te­rung des elek­tro­ni­schen Da­ten­aus­tau­sches sich der Ar­beits­be­darf an Schreib­tech­nik re­du­ziert ha­be. Es sei auch nicht dar­ge­legt, dass in der Zeit vom 31.01.2009 bis 31.07.2009 ein vorüber­ge­hen­der be­trieb­li­cher Mehr­be­darf an Ar­beits­kräften be­stan­den ha­be.

Die­ses Ur­teil ist der Be­klag­ten am 18.01.2010 zu­ge­stellt wor­den. Sie hat da­ge­gen Be­ru­fung ein­ge­legt, die am 27.01.2010 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen ist. Die Be­ru­fungs­be­gründung ist am 18.03.2010 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen.

Die Be­klag­te weist dar­auf hin, sie ha­be be­reits erst­in­stanz­lich das elek­tro­ni­sche Aus­tausch­ver­fah­ren be­schrie­ben, das zu ei­ner Re­duk­ti­on der an­fal­len­den Schreib­ar­bei­ten in der Nie­der­las­sung S. führen soll­te. Der größere Teil der Mehr­ar­bei­ten soll­te je­doch erst zum 01.08.2009 zurück­ge­hen, weil dann auch die Ein­gangs­anträge nicht mehr ma­nu­ell zu er­fas­sen sei­en, son­dern elek­tro­nisch vor­lie­gen würden. Auch würde ab dem 01.08.2009 die Rou­ten­pla­nung zen­tral in N. durch­geführt wer­den. Ins­ge­samt sei von ei­ner Re­duk­ti­on des Ar­beits­an­falls bei der Be­ru­fungs­be­klag­ten in Höhe von 35 Pro­zent aus­zu­ge­hen. Im Übri­gen wird auf die Be­ru­fungs­be­gründung Be­zug ge­nom­men.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­rich­tes Stral­sund - 3 Ca 319/09 - vom 09.12.2009 auf­zu­he­ben und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie tritt der an­ge­foch­ten Ent­schei­dung bei.

Hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf die vor­be­rei­ten­den Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Be­ru­fung ist nicht be­gründet.

Das Ar­beits­ge­richt Stral­sund hat mit zu­tref­fen­der Be­gründung der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Zu den An­grif­fen der Be­ru­fungs­be­gründung gilt Fol­gen­des:

Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt un­ter Be­zug­nah­me auf die ständi­ge Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­rich­tes dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges we­gen ei­nes nur vorüber­ge­hen­den Be­darfs an der Ar­beits­leis­tung vor­aus­setzt, dass zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses mit hin­rei­chen­der Si­cher­heit zu er­war­ten ist, dass nach dem vor­ge­se­he­nen Ver­trags­en­de für die Beschäfti­gung des be­fris­tet ein­ge­stell­ten Ar­beit­neh­mers in dem Be­trieb kein Be­darf mehr be­steht. Da­bei kann sich der vorüber­ge­hen­de be­trieb­li­che Be­darf an der Ar­beits­leis­tung dar­aus er­ge­ben, dass für ei­nen be­grenz­ten Zeit­raum in dem Be­trieb Ar­bei­ten an­fal­len, die mit dem Stamm­per­so­nal al­lein nicht bewältigt wer­den können oder dar­aus, dass sich der Ar­beits­kräfte­be­darf künf­tig ver­rin­gern wird, z. B. we­gen der In­be­trieb­nah­me ei­ner neu­en tech­ni­schen An­la­ge.

In­so­fern ist der Vor­trag der Be­klag­ten, statt der Ein­ga­be in die da­ten­ver­ar­bei­ten­de Ein­zel-nie­der­las­sun­gen ei­nen elek­tro­ni­schen Da­ten­aus­tausch ein­zuführen, grundsätz­lich ge­eig­net, ei­nen zukünf­ti­gen Min­der­be­darf an Ar­beits­kräften zu be­le­gen. Aus dem Vor­trag der Be­klag­ten er­gibt sich je­doch kei­ne rech­ne­ri­sche Nach­voll­zieh­bar­keit die­ses künf­ti­gen Min­der­be­darfs. Auf Sei­te 5 des Schrift­sat­zes vom 10.11.2009 wer­den die Tätig­kei­ten ge­schil­dert, nach den Erläute­run­gen des Ver­tre­ters der Be­klag­ten in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 09.06.2010, sämt­li­che Ar­bei­ten un­ter "all­ge­mei­ne Schreibtätig­keit" und von der Schreibtätig­keit im KH-Be­reich die "vor­be­ra­te­ne Fälle im PC er­fas­sen" in Zu­kunft weg­fal­len würden. Das heißt, dass von der Ar­beits­kraft der Kläge­rin ins­ge­samt nach dem Vor­trag der Be­klag­ten 32,97 Pro­zent weg­fal­len würden. Geht man da­von aus, dass nur die Kläge­rin Ar­bei­ten vor­ge­nom­men hat, die von der Um­stel­lung be­trof­fen sind, so er­gibt sich dar­aus, dass der be­trieb­li­che Be­darf an der Ar­beits­leis­tung der Kläge­rin mit dem 31.07.2009 nur zu ei­nem Drit­tel weg­fal­len würde.

Der Sach­grund der Be­fris­tung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Tz­B­fG setzt je­doch vor­aus, dass die Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses ins­ge­samt und nicht nur ei­nes Tei­les da­von, ei­ner sach­li­chen Recht­fer­ti­gung be­darf. Der Ver­tre­ter in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zwar dar­auf hin­ge­wie­sen, dass nach sei­ner Auf­fas­sung auch noch die Ar­beitstätig­kei­ten an­de­rer Ar­beit­neh­mer in der Zweig­stel­le S. von der Um­stel­lung im We­ge ei­ner Ein­spa­rung be­trof­fen sei­en, um wie vie­le Kräfte es sich je­doch ins­ge­samt han­delt und ob bei ih­nen ge­nau die glei­chen pro­zen­tua­len An­tei­le an­fal­len, konn­te er nicht erklären. Es be­stand für das Ge­richt auch kein An­lass, der Be­klag­ten in­so­weit Ge­le­gen­heit zur wei­te­ren Dar­le­gun­gen zu ge­ben. Be­reits in dem Ur­teil wird aus­geführt, die Be­klag­te ha­be nicht dar­ge­legt, in wel­chem Um­fang durch die Um­stel­lung und Er­wei­te­rung des elek­tro­ni­schen Da­ten­aus­tau­sches sich der Ar­beits­be­darf an Schreib­tech­nik re­du­ziert hat.

Ge­gen die Schlüssig­keit des Vor­brin­gens der Be­klag­ten spricht auch der Um­stand, dass sich die Pro­gno­se hin­sicht­lich ei­nes Min­der­be­darfs an Ar­beits­kräften of­fen­sicht­lich nicht be­wahr­hei­tet hat. Un­strei­tig ist bald nach dem Aus­schei­den der Kläge­rin ei­ne wei­te­re Mit­ar­bei­te­rin, die stell­ver­tre­ten­de Nie­der­las­sungs­lei­te­rin K., dau­er­haft nach S. ver­setzt wor­den. Der Wirk­sam­keit ei­ner Be­fris­tung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Tz­B­fG steht nicht ent­ge­gen, dass sich die Pro­gno­se zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt als falsch er­weist. Je­de Pro­gno­se ist mit ei­ner Un­si­cher­heit be­haf­tet. Im vor­lie­gen­den Fall ist dies je­doch von Be­deu­tung, da die Pro­gno­se oh­ne­hin noch nicht ein­mal rech­ne­risch nach­voll­zieh­bar dar­ge­legt wor­den ist. Das Ge­richt geht da­her da­von aus, dass die Be­klag­te im Vor­hin­ein von ei­ner un­zu­tref­fen­den Pro­gno­se aus­ge­gan­gen ist.

Die Be­klag­te kann sich auch nicht dar­auf be­zie­hen, die Ar­beits­auf­ga­be von Frau K. sei ei­ne an­de­re ge­we­sen als die der Kläge­rin. Nach den Ausführun­gen in der münd­li­chen Ver­hand­lung wird Frau K. nun­mehr als Nie­der­las­sungs­lei­te­rin ein­ge­setzt. Es trifft zu, dass die­se Tätig­keit wahr­schein­lich nicht von dem Ar­beitsrück­gang durch den elek­tro­ni­schen Da­ten­aus­tausch be­trof­fen ist. Der Zu­gang von Frau K. ist je­doch nicht durch ei­nen an­de­ren Ab­gang im Per­so­nal aus­ge­gli­chen wor­den. Es ist da­her da­von aus­zu­ge­hen, dass ent­we­der die ehe­ma­li­ge Nie­der­las­sungs­lei­te­rin oder die ehe­ma­li­ge Stell­ver­tre­te­rin der Nie­der­las­sungs­lei­te­rin nun­mehr mit Auf­ga­ben be­traut wer­den, die auch von der Kläge­rin er­le­digt wor­den sind und dass da­her ein dau­er­haf­ter Mehr­be­darf an der Ar­beits­leis­tung be­stan­den hat.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Ver­bin­dung mit § 97 ZPO.

Zur Zu­las­sung der Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG be­stand kein An­lass.

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