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Tarifliche Auflösung von Arbeitsverhältnissen mit Erreichen des Rentenalters
17.07.2008. Unter Arbeitsrechtlern ist derzeit umstritten, ob Tarifverträge vorsehen können, dass Arbeitnehmer mit Erreichen des Rentenalters automatisch ihren Job verlieren, d.h. unabhängig von ihrem Willen "zwangspensioniert" werden.
Wenn Arbeitsverträge auf solche Tarifverträge verweisen, führt das zu einer Befristung, d.h. eine auf den ersten Blick harmlose Bezugnahme auf einen Tarifvertrag hat rechtlich zur Folge, dass der Arbeitsvertrag befristet ist.
In einem aktuellen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass tarifvertragliche Altersgrenzen keine verbotene Altersdiskriminierung darstellen und dass die auf ihnen beruhenden arbeitsvertraglichen Befristungsvereinbarungen wirksam sind: BAG, Urteil vom 18.06.2008, 7 AZR 116/07.
- Sind tarifvertragliche Rentenaltersklauseln eine Diskriminierung älterer Arbeitnehmer, die dadurch ihren Job verlieren?
- Der Fall des BAG: 65jährige Reinigungskraft wird aufgrund tariflicher Regelungen zwangspensioniert und klagt, weil sie eine Altersrente von nur 599,47 EUR erhält
- BAG: Tarifvertragliche Rentenaltersklauseln sind keine unzulässige Altersdiskriminierung
Sind tarifvertragliche Rentenaltersklauseln eine Diskriminierung älterer Arbeitnehmer, die dadurch ihren Job verlieren?
Arbeitsverträge wie Tarifverträge enthalten oft Auflösungsklauseln, denen zufolge das Arbeitsverhältnis automatisch bei Erreichen eines bestimmten Alters beendet wird. So zum Beispiel der seit dem 19.03.2004 allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 04.10.2003 (RTV Gebäudereinigung). Dessen § 19 Nr.8 bestimmt, dass Arbeitsverhältnisse mit Ablauf des Kalendermonats enden, in welchem der Beschäftigte einen Anspruch auf Altersrente hat, spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der Beschäftigte das 65. Lebensjahr vollendet hat.
Die Wirksamkeit einer solchen Regelung ist aufgrund des Verbots von Altersdiskriminierungen zweifelhaft. So verbieten die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und das das in Umsetzung dieser Richtlinie erlassene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Grundsatz Schlechterstellungen von Erwerbspersonen wegen ihres Alters, die allerdings im Ausnahmefall aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein können (Art.6 Abs.1 der Richtlinie 2000/78/EG; § 10 AGG).
Erlaubt sind nach Art.6 Abs.1 der Richtlinie 2000/78/EG bzw. nach § 10 AGG unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters, wenn sie „objektiv und angemessen“ sind und durch ein „legitimes Ziel“ wie etwa die Beschäftigungsförderung gerechtfertigt sind. Außerdem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels „angemessen und erforderlich“ sein.
Durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) bisher nicht entschieden war bislang die Frage, ob die arbeits- oder tarifvertragliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch die auflösende Bedingung der Erreichung des Rentenalters des Arbeitnehmers eine rechtlich verbotene Altersdiskriminierung darstellt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das BAG in diesem Sinne entscheiden würde, war allerdings seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16.10.2007 (C-411/05 - Palacios de la Villa) nahe bei null, da der EuGH in dem spanischen Vorlagefall Palacios de la Villa die tarifliche und/oder gesetzliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Beginn des Rentenbezugs als europarechtskonform angesehen hat (wir berichteten über diese EuGH-Entscheidung in Arbeitsrecht aktuell: 07/77 Zwangsverrentung als Mittel zur Beschäftigungsförderung?).
Zu diesen Fragen hat sich das BAG nunmehr geäußert (BAG, Urteil vom 18.06.2008, 7 AZR 116/07).
Der Fall des BAG: 65jährige Reinigungskraft wird aufgrund tariflicher Regelungen zwangspensioniert und klagt, weil sie eine Altersrente von nur 599,47 EUR erhält
Geklagt hatte eine als Reinigungskraft tätige Arbeitnehmerin, die im Juni 1940 geboren wurde und seit 1975 bei der beklagten Arbeitgeberin, einem Gebäudereinigungsunternehmen, beschäftigt war. Sie war nicht gewerkschaftlich organisiert. Im Juni 2005 vollendete sie das 65. Lebensjahr und bezog ab dem 01.07.2005 eine Altersrente in Höhe von 599,47 EUR monatlich.
Die Arbeitgeberin ging von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der in § 19 Nr.8 des für allgemein verbindlich erklärten Rahmentarifvertrages für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung spätestens mit Ablauf des 30.06.2005 aus.
Die Klägerin erhob daraufhin Klage vor dem Arbeitsgericht München und begehrte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf des 30.06.2008 geendet habe. Das Arbeitgericht wies den Feststellungsantrag mit Urteil vom 08.02.2006 (6 Ca 1134/05) ab.
Auch die Berufung zum Landesarbeitsgericht (LAG) München hatte keinen Erfolg, d.h. das LAG wies die Berufung zurück (LAG München, Urteil vom 29.08.2006, 8 Sa 362/06), da das Arbeitsverhältnis nach seiner Ansicht infolge wirksamer Befristung zum 30.06.2005 beendet worden sei. Die Befristung folge nicht aus dem Arbeitvertrag, sondern aus dem kraft Allgemeinverbindlichkeit geltenden RTV Gebäudereinigung.
Im Übrigen meint das LAG München unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dass Regelungen über die Befristung von Arbeitsverträgen zu den materiellen Arbeitsbedingungen gehörten, die die Tarifvertragsparteien per Tarifvertrag regeln könnten. Solche Regelungen seien Ausdruck der Tarifautonomie und damit wesentlicher Bestandteil der durch Art.9 Abs.3 Grundgesetz (GG) garantierten Koalitionsfreiheit. Tarifverträge dürfen demzufolge Auflösungsklauseln enthalten.
Weiterhin war das LAG München der Ansicht, dass gegen die Wirksamkeit der im RTV Gebäudereinigung enthaltenen Auflösungsklausel auch dann keine rechtlichen Bedenken bestünden, wenn diese im Einzelfall zu einer fehlenden wirtschaftlichen Absicherung führe.
Ob ein Arbeitnehmer bei Erreichen der Altersgrenze wirtschaftlich abgesichert sei oder nicht, könne bei der Überprüfung einer tariflichen Befristungsregel keine Rolle spielen, da deren Wirksamkeit nur davon abhängen könne, „ob der Arbeitgeber beim Vertragsabschluss einen von der Rechtsordnung anzuerkennenden Grund für einen nicht auf Dauer angelegten Arbeitsvertrag hatte oder nicht“.
Demnach konnte die wegen zu geringer Rentenhöhe schlechte wirtschaftliche Lage der Klägerin im Jahre 2005 keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Befristungsvereinbarung haben, für die es auf die Umstände im Jahre 1975 ankam.
Das LAG hielt die Altersgrenze somit ebenso wie das Arbeitsgericht für wirksam. Dagegen richtete sich die Revision der Klägerin.
BAG: Tarifvertragliche Rentenaltersklauseln sind keine unzulässige Altersdiskriminierung
Das BAG bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und wies die Revision mit Urteil vom 18.06.2008 (7 AZR 116/07) zurück. Der bislang allein vorliegenden Pressemitteilung des BAG ist zu entnehmen, dass das Gericht tariflich festgelegte Altersgrenzen mit der Rechtsfolge einer automatischen Beendigung von Arbeitsverhältnissen im allgemeinen für wirksam hält.
Nach Ansicht des BAG liegt ein für Befristungen von Arbeitsverträgen erforderlicher Sachgrund gemäß § 14 Abs.1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) vor, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund der Beschäftigung eine gesetzliche Rente wegen Alters erwerben kann.
Tarifliche Altersregelungen seien auch nicht wegen Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters bzw. der Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG unwirksam. Zwar liege eine Ungleichbehandlung vor. Diese sei aber gerechtfertigt, weil die Befristung ein legitimes Ziel der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik verfolge und somit seine Rechtfertigung in Art.6 Abs.1 der Richtlinie 2000/78 finde.
Ebenso wie der EuGH in dem oben erwähnten Urteil vom 16.10.2007 (C-411/05 - Palacios de la Villa) verneint somit auch das BAG eine gemeinschaftswidrige Altersdiskriminierung durch tarifliche Altersgrenzen.
Da diese Entscheidung einen Fall betraf, der sich vor Inkrafttreten des AGG (18.08.2006) ereignete, hatte sich das BAG nicht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Verstoß gegen das AGG vorlag. Da das AGG allerdings die Diskriminierungsverbote der Richtlinie 2000/78/EG im Wesentlichen nur umsetzt, dürfte in einem gleichgelagerten späteren Fall, d.h. bei Anwendung des AGG ein Verstoß gegen (nationales) Recht nicht vorliegen.
Fazit: Das Verbot der Altersdiskriminierung ist auf der Grundlage der derzeitigen Rechtsprechung ein toter Buchstabe, jedenfalls soweit es das Problem der Zwangspensionierung betrifft. Eine ernsthafte Überprüfung der sachlichen Gründe, die den Gesetzgeber, die Tarifparteien oder den Arbeitgeber dazu bewegen, eine Rentenaltersklausel zu vereinbaren, wird von den Gerichten nicht vorgenommen.
Nähere Informationen zu diesem Vorgangn finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.06.2008, 7 AZR 116/07
- Bundesarbeitsgericht (Webseite)
- Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 29.08.2006, 8 Sa 362/06
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 16.10.2007, C-411/05 - Palacios de la Villa
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 11/066 Tarifliche Rentenaltersklausel in der Regel zulässig
- Arbeitsrecht aktuell: 10/173 Tariflicher Rentenzwang bei der Hamburger Hochbahn unwirksam
- Arbeitsrecht aktuell: 09/118 Ist die Zwangsverrentung von Piloten mit 60 Jahren doch europarechtswidrig?
- Arbeitsrecht aktuell: 07/77 Zwangsverrentung als Mittel zur Beschäftigungsförderung?
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Gericht seine Entscheidungsgründe schriftlich abgefasst und veröffentlicht. Die Entscheidungsgründe im Volltext finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 18. Mai 2017
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