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Minus-Ossi-Fall: Diskriminierung als "Ossi"?
Eine derartige Schlechterstellung wäre aber, so das Arbeitsgericht (ArbG) Stuttgart, bereits grundsätzlich gar keine gesetzlich verbotene Diskriminierung "wegen der ethnischen Herkunft", so dass Ansprüche aus dem AGG auf Geldentschädigung und/oder Schadensersatz von vornherein ausscheiden: ArbG Stuttgart, Urteil vom 15.04.2010, 17 Ca 8907/09.
- Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft
- Der Fall des Arbeitsgerichts Stuttgart: Bewerberin aus der ehemaligen DDR erhält Bewerbungsunterlagen mit dem Vermerk "Minus - Ossi"
- Arbeitsgericht Stuttgart: Keine Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft
Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft
Diskriminierungen sind deshalb unfair, weil sie auf Merkmalen beruhen, die man selber nicht beeinflussen kann (etwa das Geschlecht, die ethnische Herkunft, das Alter, die sexuellen Vorlieben, eine Behinderung) oder die die innersten Überzeugungen betreffen (wie die Zugehörigkeit zu einer Religion oder die Weltanschauung).
In Umsetzung verschiedener europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien gilt deshalb in Deutschland seit August 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das unter anderem Diskriminierungen „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft“ (§ 1 AGG) untersagt.
Wie schon aus der Formulierung „aus Gründen der Rasse“ ersichtlich ist (und bei der zugrundeliegenden europäischen Richtlinie explizit in der Richtlinienbegründung erwähnt wird), geht diese rechtliche Regelung gerade nicht von der unrichtigen Annahme aus, es gebe menschliche Rassen. Vielmehr sollen Betroffene gerade davor geschützt werden, dass ihnen eine vermeintliche „Rasse“ zugeschrieben wird und sie aufgrund eines solchen - angeblichen - Merkmals, d.h. aus "Rassegründen", schlechter gestellt werden. Besser und klarer müsste es daher eigentlich heißen, dass eine „rassistisch motivierte Diskriminierung“ verboten ist.
Eine derartige Distanzierung des Gesetzes von der Vorstellung, es könne "menschliche Rassen" geben, lässt das Gesetz bei der ethnischen Herkunft jedoch nicht erkennen. Da es hier heißt, Schlechterstellungen "wegen der ethnischen Herkunft" seien verboten, liegt dem AGG wohl die Annahme zugrunde, dass es verschiedene „Ethnien“ tatsächlich (objektiv) gibt. Es fragt sich daher, unter welchen Umständen Personen einer ethnischen Gruppe angehören bzw. unter welchen Umständen Schlechterstellungen im Berufsleben "wegen der ethnischen Herkunft" gegeben ist.
Einig ist man sich in der juristischen Literatur darüber, dass die Abstammung aus einem großen Bundesland, etwa aus Nordrhein-Westfalen oder aus Baden-Württemberg, nichts mit der "ethnischen Herkunft" zu tun hat. Vielmehr kommt es auf „historisch“ gewachsene Zusammengehörigkeitsmerkmale an, etwa z.B. auf die Sprache, einen bestimmten Dialekt oder auf Traditionen. Demzufolge könnte etwa eine verbotene Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft vorliegen, wenn ein Bayer in Schwaben oder ein Schwabe in Bayern wegen ihres Dialekts und ihrer damit zusammenhängenden Herkunft schlechter gestellt werden.
Bislang von der Rechtsprechung noch nicht eindeutig entschieden ist die Frage, ob auch die Herkunft aus der ehemaligen DDR oder der ehemalige BRD eine "ethnische" Herkunft im Sinne des AGG darstellt. Liegt also eine gesetzlich verbotene Diskriminierung im Sinne des AGG vor, wenn man als „Ossi“ oder „Wessi“ ungerechtfertigt benachteiligt wird? Mit dieser bisher nicht geklärten Frage hatte sich das Arbeitsgericht Stuttgart in einem Fall befasst, der vor einigen Wochen durch die Presse ging (Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 15.04.2010, 17 Ca 8907/09).
Der Fall des Arbeitsgerichts Stuttgart: Bewerberin aus der ehemaligen DDR erhält Bewerbungsunterlagen mit dem Vermerk "Minus - Ossi"
Geklagt hatte eine aus der ehemaligen DDR stammende Bewerberin, die noch vor der politischen „Wende“ nach Stuttgart gezogen war. Sie bewarb sich im Juli 2009 erfolglos bei einem Stuttgarter Unternehmen auf eine Stelle. Ihren Lebenslauf bekam sie mit dem Vermerk: „(-)OSSI“ zurückgesandt.
Darin sah die Bewerberin eine Diskriminierung aufgrund ihrer ethnischen Herkunft als „Ossi“ und forderte von dem Unternehmen deshalb eine Geldentschädigung, die § 15 Abs. 2 AGG im Falle einer diskriminierenden Schlechtertellung bei Stellenbewerbungen vorsieht.
Das beklagte Unternehmen, das betonte, mehrere Beschäftigte aus der ehemaligen DDR zu haben, vertrat dagegen die Ansicht, „Ossis“ seien keine eigene ethnische Gruppe und die Absage sei außerdem nicht erfolgt, weil die Bewerberin ursprünglich aus Ostdeutschland kam.
Arbeitsgericht Stuttgart: Keine Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft
Nach mündlicher Verhandlung entschied das Arbeitsgericht Stuttgart am 15.04.2010 gegen die Bewerberin. Das Gericht begründet diese Entscheidung folgendermaßen:
Die Bezeichnung als “Ossi“ kann zwar diskriminierend gemeint und empfunden werden, erfüllt aber nicht das Merkmal "ethnische Herkunft" im Sinne des AGG. Mit diesem Begriff sind nur Gruppen gemeint, die durch Herkunft, Geschichte, Kultur, durch ihre Verbindung zu einem spezifischen Territorium und durch ein geteiltes Gefühl der Solidarität miteinander verbunden sind.
Eine „Ethnie“ in diesem Sinne sind die Ostdeutschen nach Auffassung des Gerichts nicht. Außer der Zuordnung zum ehemaligen DDR-Territorium fehle es bei den sog. „Ossis“ (und im übrigen nach Auffassung des Gerichts auch bei Bayern und Schwaben) an den o.g. Merkmalen. Außerdem hatte die DDR nur wenig mehr als eine Generation, nämlich 40 Jahre lang, eine von der BRD unterschiedliche Entwicklung genommen, so das Gericht.
In der ehemaligen DDR werden Dialekte von sächsisch bis plattdeutsch gesprochen werden, wobei unterschiedliche Dialekte ohnehin nicht einer gemeinsamen Sprache entgegenstehen, so das Gericht. Auch die Geschichte der nach 1989 entstandenen Bezeichnung „Ossi“ sei viel zu jung, um seither eine abgrenzbare Population beschreiben zu können. Dass die damalige DDR und die Bundesrepublik Deutschland gesellschaftspolitisch unterschiedliche Entwicklungen bis 1989 aufzeigen, lässt die (ehemaligen) Bürger der beiden staatlichen Räume nicht als abgrenzbare Ethnien von jeweils eigener Art beschreiben, denn die gemeinsame Geschichte seit Abschaffung der Kleinstaaterei, die gemeinsame Kultur der letzten 250 Jahre, die von Dialektunterschieden abgesehene gemeinsame Sprache machten deutlich, dass im 21. Jahrhundert regionale Unterscheidungsmöglichkeiten weder Schwaben noch Bayern noch „Wessis“ noch in Ostdeutschland Geborene zu jeweils voneinander abgrenzbaren Ethnien werden lassen
Fazit: Das Gericht sagt nicht, dass die Bewerberin nicht aufgrund ihrer Herkunft aus Ostdeutschland „unfair“ behandelt worden ist, sondern ist „nur“ der Meinung, dass diese Benachteiligung nicht vom AGG erfasst wird. Denn dort ist nicht einfach von der „Herkunft“ sondern von „ethnischer Herkunft“ die Rede. Die Diskriminierung der Bewerberin war hier also nach Ansicht des Arbeitsgerichts Stuttgart (zwar vielleicht nicht menschlich, aber:) rechtlich in Ordnung.
Ob diese Ansicht richtig ist, darf allerdings bezweifelt werden. Denn in Fällen wie dem hier entschiedenen handelt es sich offensichtlich um eine „rassistische“ Diskriminierung im weiteren Sinne. Deshalb sollte man die Frage, was unter einen „ethnischen Herkunft“ im Sinne des AGG zu vestehen ist, nicht in erster Linie von "objektiven" ethnologischen Merkmalen abhängig machen, sondern ähnlich wie bei der verbotenen rassistischen Benachteiligung darauf abstellen, ob einer Person eine ethnische Herkuft zugeschrieben wird - ob nun mit "objektiven" Gründen oder nicht. Wenn eine solche (wirkliche oder bloß vermeintliche) ethnische Herkunft eine Benachteiligung im Berufsleben zur Folge hat, sollte dies für die Anwendung des AGG genügen. Sollte der Minus-Ossi-Fall den Weg durch die Instanzen bis hin zum BAG nimmt, wird die Entscheidung des Arbeitsgerichts daher möglicherweise aufgehoben werden.
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Letzte Überarbeitung: 21. Mai 2016
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