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Lohn­an­spruch bei of­fen­bar un­be­grün­de­ter Kün­di­gung

Lohn­not­be­darfs­kla­ge bei lau­fen­der Kün­di­gungs­schutz­kla­ge: Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm, Be­schluss vom 18.02.2010, 8 Sa­Ga 3/10
Münzen, Münzhaufen Wer un­be­rech­tigt ent­las­sen wird, ist im Recht, hat aber erst mal kein Geld
24.06.2010. Ar­beit­neh­mer, die ei­ne un­be­rech­tig­te Kün­di­gung er­hal­ten ha­ben, kön­nen zwar Kün­di­gungs­schutz­kla­ge er­he­ben und wer­den die­se auch ge­win­nen, wenn al­les mit rech­ten Din­gen zu­geht. Trotz­dem sit­zen sie erst ein­mal fi­nan­zi­ell auf dem Tro­cke­nen. Ei­ne Lohn­nach­zah­lung gibt es nor­ma­ler­wei­se frü­hes­tens dann, wenn das Ar­beits­ge­richt als ers­te In­stanz die Un­wirk­sam­keit der Kün­di­gung fest­ge­stellt hat.

Ein ge­richt­li­ches Eil­ver­fah­ren mit dem Ziel, noch wäh­rend der erst­in­stanz­lich lau­fen­den Kün­di­gungs­schutz­kla­ge zu­min­dest den Lohn­not­be­darf vom Ar­beit­ge­ber zu er­hal­ten, ist nur in Aus­nah­me­fäl­len er­folg­reich, näm­lich dann, wenn die Un­wirk­sam­keit der Kün­di­gung "of­fen­kun­dig" ist.

Um so ei­nen Fall ging es in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Hamm: LAG Hamm, Be­schluss vom 18.02.2010, 8 Sa­Ga 3/10.

Lohn und Ge­halt nach Aus­spruch ei­ner Kündi­gung

Nach Aus­spruch ei­ner Kündi­gung kommt es oft zu ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge, bei der Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer ein für sie möglichst güns­ti­ges Er­geb­nis er­zie­len wol­len. Aus der Per­spek­ti­ve ei­nes am Ver­fah­ren be­tei­lig­ten An­walts kann man den Pro­zess­aus­gang als Re­sul­tat von Druck und Ge­gen­druck be­trach­ten.

Da­bei kann der Ar­beit­neh­mer Ver­hand­lungs­druck auf­bau­en, in­dem er auf das den Ar­beit­ge­ber tref­fen­de Ri­si­ko des An­nah­me­ver­zugs hin­weist: Ist die Kündi­gung nämlich un­wirk­sam, muss der Ar­beit­ge­ber in­fol­ge des dann vor­lie­gen­den An­nah­me­ver­zugs auch für die Zeit nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist den Lohn na­ch­en­trich­ten - oh­ne die Ar­beits­leis­tung er­hal­ten zu ha­ben (§ 615 Bürger­li­ches Ge­setz­buch – BGB). Um­ge­kehrt kann der Ar­beit­ge­ber Ver­hand­lungs­druck auf­bau­en, in­dem er den Lohn zunächst ein­mal nicht be­zahlt und den Ar­beit­neh­mer da­mit zwingt, Ar­beits­lo­sen­geld I zu be­an­tra­gen. Verzögert sich die Ent­schei­dung der Ar­beits­agen­tur oder trifft die­se ei­ne für den Ar­beit­neh­mer ungüns­ti­ge Ent­schei­dung, kann der gekündig­te Ar­beit­neh­mer in­fol­ge der Kündi­gung in ei­ne fi­nan­zi­el­le Not­la­ge ge­ra­ten.

In ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on kann man als Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter dar­an den­ken, ei­ne An­trag auf Er­lass ei­ner auf Lohn­zah­lung ge­rich­te­ten einst­wei­li­gen Verfügung zu be­an­tra­gen.

Ein sol­ches ar­beits­ge­richt­li­ches Eil­ver­fah­ren, ei­ne sog. „Lohn­not­be­darfs­kla­ge“, setzt aber im all­ge­mei­nen vor­aus, dass der Lohn für ei­nen Zeit­raum ver­langt wird, für den das Fort­be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses - und dem­ent­spre­chend der Lohn­an­spruch - über­wie­gend wahr­schein­lich ist, so dass auch ein An­spruch auf vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung Er­folg hätte. Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind in der Re­gel erst nach ei­nem Ob­sie­gen des Ar­beit­neh­mers in der ers­ten In­stanz erfüllt - oder aber dann, wenn die Kündi­gung of­fen­sicht­lich un­wirk­sam ist, et­wa auf­grund feh­len­der vor­he­ri­ger Anhörung des Be­triebs­rats.

Wird der Ar­beit­neh­mer da­ge­gen im Ver­lauf der noch beim Ar­beits­ge­richt anhängi­gen und da­her noch nicht ein­mal in der ers­ten In­stanz zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers ent­schie­de­nen Kündi­gungs­schutz­kla­ge „aus­ge­hun­gert“, ist da­ge­gen in der Re­gel kein Kraut ge­wach­sen. Es sei denn, der Ar­beit­ge­ber verhält sich so pro­vo­ka­tiv wie in ei­nem vor kur­zem vom Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm ent­schie­de­nen Fall (LAG Hamm, Ur­teil vom 18.02.2010, 8 Sa­Ga 3/10).

Der Fall des LAG Hamm: Ar­beit­ge­ber kündigt an, "die Fri­ka­del­le schon fin­den" zu wer­den. Ar­beit­neh­me­rin macht Lohn­not­be­darf im Eil­ver­fah­ren gel­tend.

Hier hat­te der Ar­beit­ge­ber im Kündi­gungs­schutz­pro­zess - trotz ge­richt­li­cher Auf­for­de­run­gen - kei­ne An­ga­ben zu den Gründen für die von ihm aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung ge­macht. Statt des­sen gab er in ei­nem Ver­hand­lungs­ter­min zu Pro­to­koll, er wol­le sich von der gekündig­ten Ar­beit­neh­me­rin ger­ne ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung tren­nen. Wenn die Ar­beit­neh­me­rin das nicht wol­le, wer­de man „die Fri­ka­del­le fin­den“. Da­mit spiel­te der Ar­beit­ge­ber auf die ar­beits­ge­richt­lich oft zu Un­guns­ten der gekündig­ten Ar­beit­neh­mer be­wer­te­ten Ba­ga­tel­le­diebstähle an.

Die gekündig­te Ar­beit­neh­me­rin ge­riet im Ver­lauf des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens auf­grund des Aus­blei­bens der Lohn­zah­lun­gen in fi­nan­zi­el­le Nöte, da auch die Ar­beits­agen­tur kein Ar­beits­lo­sen­geld zahl­te. Ein von ihr ein­ge­lei­te­tes, auf Lohn­zah­lung für zwei Mo­na­te ge­rich­te­tes Eil­ver­fah­ren ent­schied das Ar­beits­ge­richt zu­guns­ten des Ar­beit­ge­bers, da es mein­te, die Ar­beit­neh­me­rin hätte sich in­ten­si­ver um Zah­lung von Ar­beits­lo­sen­geld bemühen sol­len (Ar­beits­ge­richt Müns­ter, Ur­teil vom 12.01.2010, 3 Ga 58/09).

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm gibt Lohn­not­be­darfs­kla­ge statt

Da­ge­gen gab das LAG Hamm dem Eil­an­trag der Ar­beit­neh­me­rin in der Be­ru­fung statt und sprach ihr ei­nen Lohn­not­be­darf von im­mer­hin fast 5.000,00 EUR zu, wo­bei es den Ver­weis des Ar­beit­ge­bers auf die noch zu fin­den­de Fri­ka­del­le so in­ter­pre­tier­te, dass Kündi­gungs­gründe nicht vor­han­den sei­en. Da­her ging das LAG da­von aus, dass der auf Lohn­zah­lung ge­rich­te­te Verfügungs­an­spruch der Kläge­rin be­stand.

Den Verfügungs­grund, d.h. die be­son­de­re Eil­bedürf­tig­keit der Sa­che, die ei­ne Ent­schei­dung im Eil­ver­fah­ren recht­fer­tigt, lei­te­te das LAG eben­falls aus der Ver­wei­ge­rung ei­ner Erklärung zu den Kündi­gungs­gründen her. Denn wenn der Ar­beit­ge­ber selbst kei­ne Gründe nennt, die sei­ne Kündi­gung stützen, kann er auch den dar­aus fol­gen­den Lohn­an­spruch nicht be­strei­ten. Sind aber kei­ne An­halts­punk­te er­kenn­bar, die dem Lohn­an­spruch ent­ge­gen­ste­hen könn­ten, be­darf es nach An­sicht des LAG zur Wah­rung der In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers kei­ner be­son­de­ren Dar­le­gung ei­nes Verfügungs­grun­des.

Fa­zit: Mau­ert der Ar­beit­ge­ber im Kündi­gungs­schutz­pro­zess all­zu un­ver­fro­ren, muss er da­mit rech­nen, dass be­reits vor ei­ner Ent­schei­dung über die Kündi­gungs­schutz­kla­ge in der ers­ten In­stanz be­glei­ten­de Eil­anträge des Ar­beit­neh­mers, sei es auf Lohn­zah­lung oder Wei­ter­beschäfti­gung, Er­folg ha­ben.

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Letzte Überarbeitung: 13. Juli 2016

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